Ein Wagen fährt vor, und Caroline hört die Türen knallen. Sie rennt zum Fenster und sieht gespannt hinaus. Aber es ist nur ein elegant gekleidetes Pärchen, das die Stufen zum Hauseingang hinaufkommt. Caroline seufzt. Was ist nur mit Chrissy passiert?
In kurzen Abständen treffen jetzt weitere Partygäste ein. Fernando, der Bildhauer, erscheint und arrangiert seine neueste Skulptur im Wohnzimmer. Caroline stellt sich ans Fenster und sieht alle paar Sekunden hinaus.
Und dann fallen ihr fast die Augen aus dem Kopf: Ein Feuerwehrauto hält schwungvoll vor dem Haus, die Tür schwingt auf, und Chrissy springt raus. Sie winkt den beiden Männern im Feuerwehrauto zu und rennt die Stufen hinauf.
Caroline empfängt Chrissy in der Diele. „Okay, dann schieß mal los“, meint sie trocken. „Du hast beim Feuerlöschen geholfen und die Stadt vor dem Abbrennen bewahrt. Aus lauter Dankbarkeit hat die Feuerwehr Taxi für dich gespielt.“
„Falsch!“ meint Chrissy kichernd. „Es war viel einfacher. Ich bin in den falschen Bus gestiegen…“
„Ach so, du hast das Feuerwehrauto mit dem Bus verwechselt…“
„Nein! Ich bin schon in den Bus mit der richtigen Nummer gestiegen“, meint Chrissy, die Carolines Spott entweder nicht bemerkt oder nicht bemerken will. „Ich hab nur nicht gewusst, dass es der Express-Bus war. Du hast gesagt, ich soll an der vierten Haltestelle aussteigen, aber der Bus hat zum ersten Mal gehalten, als wir schon unten am Hafen waren. Ich hatte mein ganzes Geld für den Bus und für dieses süße Sonnentop ausgegeben, und so konnte ich dich nicht mal anrufen oder mit einem anderen Bus nach Hause fahren. Ja, und da habe ich diese Feuerwehrwache gesehen, und da bin ich einfach reinspaziert und hab gefragt, ob ich mal telefonieren kann. Die waren so nett, Caroline! Zuerst haben sie mir eine Cola spendiert, und dann meinten sie, sie müssten sowieso das neue Feuerwehrauto Probe fahren und würden mich nach Hause bringen.“
„Phantastisch“, sagt Caroline trocken. „Ist dir eigentlich klar, dass wir vor Sorge um dich halbtot waren?“
Chrissy macht ein zerknirschtes Gesicht. „Tut mir echt leid, Cara. Aber ihr braucht euch wirklich keine Sorgen um mich zu machen. Ich komme ganz gut allein klar.“
Sie marschiert ins Wohnzimmer, bleibt aber wie angewurzelt stehen, als sie die vielen Leute sieht. „Was ist das denn?“ flüstert sie Caroline zu.
„Eine von Mamas privaten Vernissagen“, flüstert Caroline zurück. „Es gibt unheimlich leckere Sachen zu essen.“
Aber Chrissy hat nur Augen für die Skulptur. „Wo kommt denn der Schrotthaufen auf dem Tisch her? Hat dein Vater einen alten Motor auseinander genommen? Komm, wir bringen das Zeug schnell raus!“
„Crissy, das ist ein Kunstwerk! Die Leute, die du hier siehst, sind extra hergekommen, um es sich anzusehen“, flüstert Caroline total schockiert. „Fernando ist ein berühmter Künstler!“
„Das soll Kunst sein?“ fragt Chrissy mit ungläubig aufgerissenen Augen. „Dieser gammelige alte Motor?“
Caroline sieht, dass alle Augen auf sie und Chrissy gerichtet sind. Sie nickt und sagt ungeduldig: „Die Skulptur trägt den Titel ‚Tod und Wiedergeburt’.“
„Ach du lieber Gott“, ruft Chrissy entgeistert. Caroline blickt zwischen Chrissys verblüfftem Gesicht und der Skulptur hin und her und muss plötzlich kichern.
„Was ist denn so komisch?“ erkundigt sich eine Dame, die in der Nähe steht. „Dürfen wir mitlachen?“
„Sie dachte, die Skulptur wäre ein alter Motor, den mein Vater auseinander genommen hat“, erklärt Caroline, und es dauert nicht lange, bis der Witz im ganzen Raum herum ist.
„Ich glaube, ich gehe mich mal duschen“, verkündet Chrissy würdevoll. „In der Stadt wird man immer so staubig.“
Sie dreht sich mit hocherhobenem Kopf um; nur auf ihren Wangen brennen zwei feuerrote Flecken.
Caroline beißt sich schuldbewusst auf die Unterlippe. Warum hab ich das bloß gemacht? denkt sie. Wollte ich mich an ihr rächen, weil sie mir soviel Angst eingejagt hat? Oder bin ich bloß eifersüchtig, weil Chrissy mit allem, was sie tut oder sage, immer ungeschoren davonkommt?
Beide Erklärungen gefallen Caroline nicht. Sie nimmt rasch einen Teller, legt ein paar besonders leckere Häppchen drauf und läuft Chrissy nach.
„Hier“, sagt sie, „du bist nach deinem Abenteuer bestimmt hungrig. Ich dachte, wenn du zuerst duschen gehst, ist nachher vielleicht nichts mehr für dich übrig. Es ist nämlich so – Künstler, die gammelige Motoren zum Kunstwerk erklären, haben immer so schrecklich viel Hunger.“
Chrissy nimmt den Teller, ohne etwas zu sagen, aber nach ein paar Sekunden bedankt sie sich bei Caroline mit ihrem nettesten Lächeln.
Jetzt könnt ihr wieder fleißig schreiben