Mit diesem Thema möchte ich mich an alle Hobbyschreiber wenden, und auch an die Menschen, die gerne Gedichte lesen.
Ich frage mich momentan: Wie sieht es denn aus mit der Poesie? Was ist eigentlich Poesie, und warum schreibt man sie? Wie sieht es mit der Technik aus, und was ist eigentlich erst ein Gedicht?
Sind Gedichte nur Ausdruck von Gefühlen? Das höre ich irgndwie ZU oft. Deshalb will ich behaupten: NEIN, denn das kann man auch nur Tagebucheinträge erreichen. Dazu ein kleiner Text aus einem Dichterforum.
Zitat von http://www.gedichte.com/showthread.php?threadid=23869Alles anzeigen
Form
1. unbedachte Form
Texte von Anfängern weisen oft eine formelle Unordnung auf, die den Lesefluß des Exposés erheblich erschwert und/oder dem Inhalt des Textes nicht angemessen bzw. dienlich ist. Diese formelle Unordnung betrifft sowohl die Struktur des vermeintlichen Gedichtes (Strophen- und Versanordnung), sowie seine Metrik (Anordnung der betonten Silben zu einem logischen Sprachrhythmus), seine Reimschemen, seine Kadenzen und/oder seine Silbenzahlen.
Die Argumentation „darauf komme es in einem Gedicht ja gar nicht an, da geht es nur darum Gefühle zu vermitteln“ ist mehr als brüchig. Natürlich wollen Gefühle vermittelt werden, dies kann aber grundsätzlich auch in einem Brief, einem Tagebucheintrag oder einem Prosatext geschehen. Das Gedicht zeichnet sich durch seine sprachliche Verdichtung aus, wozu auch gehört, es mit einer dem Inhalt angemessenen Form auszustatten. Reime oder eine nach einem Muster durchgehaltene Metrik sind kein Muß für ein gutes Gedicht. Der zielgerichtete Einsatz von formellen Mitteln ist jedoch unabdingbar! (Auch der vers libre, der freie Vers, kann ein formelles Mittel darstellen, allerdings erfordert dessen gezielter Einsatz ein Höchstmaß an fachlicher Kompetenz, die bei den meisten seiner sich zu Verteidigungszwecken auf ihre dichteriche Freiheit berufenden Anhängern leider erst noch erarbeitet werden muß.
2. erzwungene Form
Ab und zu kommt es auch vor, daß Texte von Anfängern als Gedicht getarnt werden. Die bekommen den optischen Anstrich eines Gedichtes, der jedoch wenig mehr als Fassade ist. Die Tarnung besteht häufig aus einer Immitation von Versen und Strophen, die in einem übermäßigen Gebrauch der Enter-Taste begründet liegt. Strophen- und Versform müssen aber so gewählt sein, daß sie für den Leser inhaltlich nachvollziehbar sind. Der wilde und unüberlegte Gebrauch dieses lyrischen Mittels wirkt jedoch mehr als unprofessionell. Beliebt ist auch die Verwendung von Reimen, dem Indikator von Lyrik schlechthin. Dazu bleibt aber zu sagen, daß es gute und weniger gute Reime gibt. Der Herz-Schmerz-Reim oder ähnliche naive oder altbackene Reime können dabei nicht überzeugen. Auch ein Reim muß einiges an Raffinesse aufweisen, um einen erwartungsvollen Leser zu erfreun.
Generell bleibt zu sagen, daß der Inhalt die Form, nicht die Form den Inhalt bestimmen sollte. Form ist ein lyrisches Mittel und sollte dem entsprechend mit Bedacht gewählt und angewandt werden.
Sprache
1. Sprachrichtigkeit
Auch in einem Gedicht sind eine korrekte Rechtschreibung, Zeichensetzung und Grammatik anzustrengen. Übermäßig auftretende oder besonders schwere Fehler auf dem Gebiet stören den ungehemmten Lesefluß, da sie die Aufmerksamkeit des Lesers vom eigentlichen Inhalt des Textes unnötig ablenken.
Die Beachtung der sprachlichen Grundregeln erleichtert es dem Leser ungemein, dem Text gedanklich zu folgen.
Ferner ist der fehlerfreie Umgang mit der deutschen (oder einer fremden) Sprache dem Leser und Kritiker bereits erster Beweis für das routinierte Sprachgefühl des Autors, das die unabdingbare Grundlage für den Einstieg in weiterführende fachliche Debatten bildet.
Bei Unklarheiten zu Fragen der deutschen Rechtschreibung, Grammatik und Zeichensetzung kann ein Blick in den Duden zumeist schon Aufklärung verschaffen.
2. Rhetorik
Die Verwendung von rhetorischen Stilmitteln ist neben dem Reim einer der Hauptindikatoren lyrischen Textguts.
Es reicht nicht, einen wenig spektakulären Inhalt in schnöder Alltagssprache wiederzugeben. Den Reiz des Gedichtes macht die Verwendung von Metaphern, Bildern oder Symbolen aus, die den Inhalt arabesque verpacken. Der erwartungsvolle Leser möchte seinen Geist anstrengen, um die Bedeutung des Gesagten zu entschlüsseln. Dabei können Klischees oder ausgekaute Sätze wie "Ich liebe dich." nicht mithalten, sie wirken langweilig und unprofessionell. Wer eindeutige Aussagen und Fakten haben will, zieht sich die Stundennachrichten bei BBC rein. Weitere rhetorische Stilmittel wie Lautmalerei, Assonanz, Chiasmus oder Metonymie erfreuen darüber hinaus den Leser und erzielen bei überlegter Anwendung ungeahnte Wirkung.
Die Verwendung von GROSSBUCHSTABEN und Satzzeichenakkumulationen wie !!! oder ??? ist kein! rhetorisches Stilmittel und zeugt lediglich von mangelnder Übung im Umgang mit dem lyrischen Handwerkszeug.
Auch die Verwendung einer dem Inhalt zuträglichen Sprachebene kann sehr wirkungsvoll sein. So muß ein ironisches oder possenhaftes Gedicht nicht in poetischer Hochsprache geschrieben stehen, wenn es nicht zweckdienlich erscheint. Gossen- oder Fäkalsprache ist dagegen in den seltensten Fällen angemessen, geschweige denn wirkungsvoll.
Generell bleibt zu sagen, daß auch die Sprache mit Bedacht auf den kommunizierten Inhalt des Gedichtes gewählt werden sollte. Je angemessener die Rhetorik dem Inhalt ist, desto überzeugender wird ein Text – das gilt für das Deutsch-Referat genauso wie für das Gedicht.
Ich bin gespannt auf eure Meinungen und zähle auf eine richtige Diskussion.
Es ist wichtig, dass man seine Gedichte auch kritisiert. Das haben sie verdient. Zu Kritik zählt nicht unfundamentisierte Lobgesänge, man muss auch einmal das Gedcht untersuchen können. Oder?
Mieke