Kapitel 5 - Teil 1
Am nächsten Morgen wachte ich von lauter Musik auf. Sie übertönte sogar die verhassten Vögel, was ja nicht schlecht war, andererseits war ich nach einer Nacht wie dieser am Morgen noch nicht in Stimmung für Rockmusik in Discolautstärke.
„Mara”, schrie ich so laut ich konnte.
„Stell den Mist aus!”
Mara war die einzige von uns, die Rockmusik hörte, eigentlich war sie überhaupt die Einzige, die die Musikanlage auf diese unerträgliche Lautstärke drehte.
Ich schmiss mein Kissen auf die Erde und schlich verschlafen aus meinem Zimmer.
In der Küche tanzte Mara wie wild geworden auf dem Tisch.
„Geht’s noch”, murmelte ich verschlafen und rieb mir die Augen.
„Du hast sie doch nicht alle!”
Ich ging zum Radio und drehte es leiser.
„Heeey!”, rief Mara, scheinbar ein wenig enttäuscht und sprang elegant vom Tisch.
„Was ist, schlechte Laune?”
„Definitiv.”
Ich blieb mitten im Raum stehen und sah das blonde Mädchen unentschlossen an.
„Hier kann man auch nie in Ruhe schlafen.”
„Hey, was ist, du bist doch sonst nicht so”, sagte Mara und setzte sich auf den Tisch. Sie war heute wieder genau so stark geschminkt wie jeden Tag und ihre grünen Augen funkelten mich an.
„Ach weiß nicht, irgendwie geht es mir nicht so gut.”
„Du musst mal wieder Spaß haben”, beschloss sie. „Ich wollte bald shoppen gehen. Komm doch mit. Biiiitte.”
„Ach hm, weiß nicht. Was ist mit Vanessa?”
Irgendwie war ich nicht in Shoppinglaune, auch wenn ich zugegebenermaßen lange nichts Neues mehr gekauft hatte.
„Och, die untreue Tomate war ja gestern schon ohne mich. Komm schon Lia. Das bringt dich auf andere Gedanken, weißt du.”
„Aber ich hab’ nachher noch nen Kunden.”
„Ja ja, dann sind wir zurück. Mach dich chic und dann geht’s los.” ´
Mara ließ sich nicht von ihrem Vorhaben abbringen und da ich sowieso nichts Besseres zu tun hatte und außerdem gerne Zeit mit ihr verbrachte, stimmte ich letztendlich zu. Ich verschwand wieder in meinem Zimmer um mich umzuziehen, und grade als ich die Tür hinter mir geschlossen hatte wurde das Haus wieder von lauter Rockmusik durchschallt.
Mara und ich stiegen in ihr Auto, einen kleinen weißen VW Beatle, der sehr gut zu dem süßen Mädchen passte und fuhren los in Richtung Fußgängerzone, in der sich die ganzen Geschäfte befanden. Ich ging gerne shoppen, hatte es aber in letzter Zeit irgendwie ein bisschen vernachlässigt.
Zum Glück war der morgendliche Berufsverkehr schon vorüber, und so waren die Straßen einigermaßen frei, jedenfalls leerer, als man es für Hamburg gewohnt war.
Ich saß auf dem Beifahrersitz und sah Mara an, die auf eine irgendwie lässige Art das kleine Auto durch den Verkehr lenkte.
„Arsch”, fluchte sie, als ihr jemand die Vorfahrt nahm.
„Die fahren hier manchmal echt wie die Idioten. Nächstes Mal gehen wir zu Fuß.”
Ich grinste und dachte mir meinen Teil.
Als ich grade ein Gespräch anfangen wollte, bremste sie auf einmal so stark, dass ich in meinem Sitz nach vorne geworfen wurde, und fuhr dann einige Meter rückwärts.
„Da war ein Parkplatz”, frohlockte sie, als wäre dieses ein weltbewegendes Ereignis.