Es geht weiter
Einen Moment lang war es ganz still, dann redeten alle durcheinander.
Mama verdrehte die Augen. "Kannst du dich nicht benehmen?", zischte sie. "Was sollen denn die Leute denken?"
Aber darauf konnte ich jetzt keine Rücksicht mehr nehmen. Eigentlich war mir alles egal.
"Komm", sagte ich zu Anne, die sich schnell noch den Kartoffelsalat und die Würstchen, die für den Vier- bis Fünfjährigen bestimmt gewesen waren, auf den Teller häufte. "Komm, wir verschwinden."
Anne wollte Licht in meinem Zimmer machen, aber ich schüttelte den Kopf.
"Na gut, dann ess ich eben im Dunkeln", sagte sie. "Aber beschwer dich nicht über irgendwelche Ketchup-Flecken auf der Bettdecke."
Eine Weile lang war nur ihr gleichmäßiges kauen zu hören. Dann fragte sie ins Halbdunkel: "Was machst du eigentlich? Heulst du lautlos oder was?"
Ich knipste die Nachttischlampe an. "nee, natürlich nicht", sagte ich. "Ich heule nicht. Ich ärgere mich bloß wahnsinnig. Weoßt du, es ist absolut verrückt. Da mache ich einen Wahnsinnsaufstand, um Stefan irgendwo zu begegnen, und dann stellt sich heraus, dass wir fast Nachbarn sind. Wenn ich häufiger nach draußen gegangen wäre, hätte ich ihn vielleicht auf der Straße getroffen."
Anne nickte und schob sich den letzten Rest Kartoffelsalat in den Mund. "Stimmt! So wie ich ihn getroffen habe, als ich vor eurer Tür gesessen habe.
"Und du erzählst mir, dass er eine Freundin hat! Nelli!"
Sie wischte sich den Mund ab. "Seine Oma hat gesagt, er sei mit Nelli spazieren gegangen. Und dass er ganz vernarrt in sie sei. Ist doch klar, dass ich da nicht an einen Hund, sondern an eine Freundin denke. Wenn sie Hasso gesagt hätte, wäre ich nie auf so einen Gedanken gekommen."
"Eine echte Intelligenzleistung", sagte ich. "Garantiert hat er im Sternenweg auf mich gewartet und ich Idiot bin erst um acht und..."
"... da saß er schon längst im Garten und hat die Grillparty deiner Eltern genossen." Anne gähnte leicht. "Du kannst ja mal in den nächsten Tagen bei ihm vorbeigehen und hallo sagen."
Ich schüttelte den Kopf. "Das ist doch nicht dein Ernst. Alles, was ich unternommen ahbe, ist schief gelaufen. Stell dir vor, ich klingle bei ihm an der Haustür. Wahrscheinlich würde ich dem Moment irgendeine komische Krankheit kriegen und könnte nicht mehr richtig reden."
Anne sah mich ungläubig an. "Jetzt machst du aber Spaß oder?" Sie gähnte herzhaft. "Sei mir nicht böse, aber ich schmink mich ab und dann muss ich schlafen."
Während Anne im Bad war, stellte ich mich ans Fenster und schaute in den Garten. Die gäste schienen gegangen zu sein, draußen war alles ruhig. Lediglich aus Alberts Zimmer nebenan hörte ich durch das halb offene Fenster gedämpfte Stimmen. War Carolin noch gekommen? Ich wollte gerade nachsehen, da kam Anne aus dem Badezimmer zurück.
"Wie siehst du denn aus?", fragte ich entsetzt.
Sie grinste. "Meine Haut braucht dringend etwas Pflege", sagte sie. "Ich hab mir jede Menge von der Fettcreme draufgeschmiert. Ich hoffe, deine Mutter nimmt mir das nicht übel. Es ist leider nicht mehr sehr viel davon übrig."
"Ist schon in Ordnung", sagte ich. "Was machen wir morgen?"
"Ich glaube, ich fahre morgen wieder." Sie sah mich bittend an. "Sei mir nicht böse, aber ich muss das mit Jonas klären."
"Kannst du das nicht telefonisch machen? Du könntest ihn anrufen und ihm erzählen, dass-"
"Du und Carolin, ihr habt doch dauernd gesagt, ich soll ihn nicht anrufen. Aber vielleicht hast du Recht." Sie blickte auf die uhr. "Es ist halb zwölf. Eigentlich genau die richtige Zeit um mit Jonas über unsere Beziehung zu diskutieren. Also, ich ruf ihn jetzt an."
"Soll ich rausgehen?", fragte ich, aber sie meinte, sie fühle sich besser, wenn ich dabei sei. "Wenn du den Eindruck hast, dass ich zu nett bin zu ihm, dann gib mir ein Zeichen", sagte sie.
Ich nickte.
Erst beim 7. oder 8. klingeln nahm Jonas ab. Anne starrte auf das Blatt, auf dem sie sich die Themen führ ihr Telefonat notiert hatte.
"Ich will ja nicht eifersüchtig wirken oder von Sarah reden", hatte sie mir erklärt. "Deshalb hab ich hier aufgeschrieben, worüber ich mit ihm reden könnte."
Und so hakte sie ein Thema nach dem anderen ab. Zuerst das Wetter, dann was wir bisher so unternommen hatten, günstige Handytarife und schließlich die entscheidene Frage: "Sag mal, Jonas, was machst du so zurzeit?"
Sie hatte vorher zu mir gesagt: "Wenn er dann Sarah erwähnt, lege ich wortlos auf und danach geht es mir verdammt schlecht."
Deshalb hielt ich fast die Luft an, als sie die entscheidene Frage stellte.
"Wie bitte?", rief sie und sprang auf. "Du machst Witze. Das kann doch nicht sein!"
"Anne, beruhige dich! Leg einfach auf. Jonas ist es nicht wert, dass du dich über ihn ärgerst. Soll Sarah doch-"
Anne beachtete mich gar nicht. "Sag das noch mal ganz langsam zum mitschreiben", rief sie ins Telefon. "Ich glaub das einfach nicht."
Jonas schien etwas zu sagen.
Anne ließ das handy sinken. "Er ist bei Albert!", sagte sie. "Nebenan!"
Sooo, das wars für heute! Bleibt mir treu