Das Haus des Schriftstellers
Liebe Leser,
ich begrüße sie hiermit zu einem neuen Lese-Abenteuer á-la Monika Brunmeier. Ich öffne mit dieser Geschichte jene Tür, die wir alle unser Leben lang verschlossen halten, und führe Sie, liebe Leser, durch ein Reich des Unbegreiflichen. Das Grauen lauert nicht hinter Monstern und Zombies, nein, das Grauen lauert dort, wo wir jeden Tag vorbei gehen. Der Nachbar hält sich ein kleines Kind im Käfig, der Vater misshandelt die Tochter... Ja, das sind jene Dinge, die wirklich grauenhaft sind. Und etwas, das wir nicht begreifen: Was steckt hinter der Fassade des ach-so-netten Nachbars, der uns jeden Morgen freundlich grüßte? Warum haben wir nicht gemerkt, dass der eigene Onkel die Cousine jahrelang missbrauchte? Er war doch immer so nett und zuvorkommend...
Was ich damit sagen will? Fakt ist, man kann niemandem trauen, nicht einmal sich selbst...
Und davon handelt meine Geschichte. Sie werden die Hauptfigur, Thomas Edenstein, als netten, jungen Mann kennenlernen, der noch so vieles erreichen will. Und seine Frau Lena werden sie ebenfalls ins Herz schließen. Und sie werden überrascht sein, was sich hinter der Fassade des Schriftstellers Thomas E. verbirgt. Viel Spaß!
Prolog
Hätte ich damals schon gewusst, was ich heute weiß, wäre vielleicht alles anders gekommen. Doch auch, wenn es anders gekommen wäre, stünde ich vermutlich heute an dem selben Platz, an dem ich jetzt stehe. Niemand kann sagen, was das Leben bringt. Ich persönlich denke nie weiter als eine Woche in die Zukunft, denn alles andere bereitet mir Unwohlsein. Ich brauche zum Glücklichsein nichts weiter als meine Frau, meine Kinder und ein Blatt Papier- ach ja, und einen Stift natürlich. Mein Beruf ist Schriftsteller. Viele nennen mich auch Horrorbuch-Autor, doch ich bevorzuge Schriftsteller. Sind sie bereit, meine Geschichte zu lesen? Doch ich muss sie vorher warnen, dies ist keine Gruselgeschichte, die sie sonst von dem Schriftsteller Tom E. kennen. Diese ist anders - denn sie ist wirklich passiert...
Kapitel 1 - Lena
Als ich zum ersten Mal ein Buch geschrieben habe, hat sich bei mir als erstes die Frage gestellt: Wie fängt man ein Buch eigentlich an? Ich hatte tausende Ideen, doch konnte mich auf kein anständiges Thema einigen. Ich saß vor der Schreibmaschine, die ich mittlerweile durch einen Laptop ersetzt habe, und grübelte über diverse Möglichkeiten nach. Alles, was mich umgab, war die spärliche Einrichtung meines Zwei-Zimmer-Appartements, und die schreckliche Gewissheit, dass ich eines Tages so enden würde, wie mein Vater es mir prophezeit hatte: Als Obdachloser unter irgendeiner Brücke. Und warum? Weil ich ein Taugenichts war, der zwar ein gutes Abitur vorzuweisen hatte, doch ansonsten in jeder Hinsicht ein Versager war. Der monatliche Scheck über fünfhundert Euro, gesponsert bei Papi, hielt mich gerade so über Wasser. Außerdem hatte ich einen Nebenjob bei Mc Donald´s, doch selbst mir war klar, dass das mit zwanzig Jahren keine besonders gute Leistung war. Zum Studieren hatte ich wahrlich keine Lust, ich war lange genug in die Schule gegangen, und jegliche andere Möglichkeit war mir bisweilen versagt geblieben. So kam ich eines Tages auf die Idee, ein Buch zu schreiben, und ich hatte mir das ganze weitaus leichter vorgestellt, als es nun war. Eine Freundin hatte ich auch nicht, es war eben nicht einfach, als totaler Versager die geeignete Frau zu finden. Am Wochenende feierte ich mit Freunden, Alkohol und manchmal auch Drogen die wildesten Partys und hatte ab und zu mal einen One Night Stand, doch dann war es auch schon zu Ende mit meinem Liebesleben.
Eine Wende brachte ein lauer Sommerabend. Ich ging gerade von der Arbeit in Richtung Appartement, als ich auf eine junge Frau aufmerksam wurde. Sie saß auf einer Parkbank und schaute traurig vor sich hin. Neben ihr stand ein Koffer. Mich beachtete sie gar nicht. Ich weiß nicht, was mich dazu getrieben hat, sie anzusprechen, da ich in nüchternem Zustand ein sehr schüchterner, ja fast schon menschenscheuer Kerl war. Doch ich tat es trotzdem.
„Hey Du, ich will ja nicht aufdringlich sein, aber ich hab Dich schon seit einiger Zeit beobachtet, und mir ist aufgefallen, dass Du ziemlich doof aus der Wäsche kuckst.“ Naja, das war wohl nicht die Anmache, die eine Frau sich erwartete, doch dieses Mädchen fing an zu lächeln. „Das ist ja lieb von Dir, das passiert nicht oft in einer so großen Stadt wie dieser, dass Menschen sich um ihre Mitmenschen kümmern.“ Sie hatte strahlend schöne blaue Augen und eine liebevolle, ruhige Stimme. Sie reichte mir die Hand. „Mein Name ist Lena, und wie ist Deiner?“ Ein wenig überrascht drückte ich ihre Hand und sagte zögernd. „Tom.“ Sie lächelte immer noch.
Und fing dann an zu erklären: „Meine Eltern haben mich von zu Hause rausgeworfen. Wir hatten einen schrecklichen Streit, und ich weiß nicht, was in sie gefahren ist, aber sie haben mich einfach so aus der Wohnung verwiesen. Was soll ich jetzt nur machen? Ich bin neu in der Stadt und kenne niemanden. Ich habe auch fast kein Geld bei mir.“ Sie wirkte so verzweifelt. Ich bot ihr an, die Nacht bei mir auf dem Sofa zu verbringen. Ich hatte leider selber kein Bett, und so blieb mir nichts anderes übrig, als ihr das Sofa anzubieten. Ich selber würde selbstverständlich auf dem Boden schlafen. Ich war nicht auf ein sexuelles Abenteuer aus, dafür war dieses Mädchen eine Spur zu lieb. Ich hatte sie auf Anhieb gern. Sie war sofort überglücklich, als ich mein Angebot ausgesprochen hatte, und willigte auch sogleich ein. Dann knurrte ihr Magen. Ich schlug vor, zu Mc Donald´s zu gehen. „Meine finanziellen Mittel sind leider auch nur begrenzt. Ich würde Dir gerne etwas Nobleres anbieten, doch das wird wohl nichts.“ Sie winkte nur gleichgültig ab. „Was macht das schon? Essen ist Essen!“
Und so tranken wir das erste Mal gemeinsam unsere Cola und aßen Cheeseburger. Dann gingen wir zu mir nach Hause. In meiner Studentenbude sah es nicht sonderlich wohnlich aus, doch das schien ihr nichts auszumachen. Sie machte es sich sogleich auf der Couch bequem.
Es war ein wirklich süßer Anblick. Sie war so lieb, so unschuldig. Ganz anders, als die Mädchen, die ich bisher kennen gelernt hatte. Die waren alle gleich gewesen, abgehärtet von dem rasanten Leben in der Stadt, eine heroischer als die andere. Doch Lena war eben ein ganz anderer Schlag, und das machte auch aus mir einen anderen Menschen.
Die nächsten Tage verbrachte sie bei mir, auch wenn es ihr schon bald zu wider war, dass sie mich, wie sie es nannte, „belästigte“. Die meiste Zeit saß sie auf dem Boden und sah mir zu. Wenn ich in der Arbeit war, machte sie sauber oder las ein Buch aus meiner kleinen Sammlung. Außerdem wusch sie meine Wäsche und kochte manchmal für mich, doch nur primitive Sachen wie Pizza oder Nudeln mit Soße. Mehr konnte sie nicht.
Eines Tages kam ich von der Arbeit nach Hause, und merkte sofort, dass etwas nicht stimmte. Lena sah so unendlich traurig aus. Da erzählte sie mir, dass sie heute mit ihren Eltern gesprochen hätte. Sie wollten, dass Lena zurück nach Hause kam. Lena war erst siebzehn, und deshalb musste sie gehen. Ich war entsetzlich traurig, doch wir blieben in Kontakt.
***geht noch weiter***