• *hochschieb

    Malakai, Clan Toreador
    Chronik Berlin

    [size=2]"Bela Lugosi ist tot - Ich bin es auch. Aber was von Bela übrig ist, verrottet irgendwo in einem Eichenholzsarg, während ich Gelegenheit habe, hier auf dem Balkon zu sitzen, etwas Gutes zu trinken und dich anzuschauen. Korrigiere mich, wenn ich mich irre, aber ich nehme an, das ist die bessere Alternative."[/size]

  • Hallo ihr!
    oh man irgendwie bin ich immernoch nciht dazu gekommen die geschichte zu lesen und da is schon wieder ne fortsetzung nu aber los! da fang ich aber heute abend noch an! naja bis dann!


    gute nacht :D

  • TangaGirly
    Dann solltest du dich beeilen, Teil4 ist nämlich auch schon in Arbeit... :hehe

    Malakai, Clan Toreador
    Chronik Berlin

    [size=2]"Bela Lugosi ist tot - Ich bin es auch. Aber was von Bela übrig ist, verrottet irgendwo in einem Eichenholzsarg, während ich Gelegenheit habe, hier auf dem Balkon zu sitzen, etwas Gutes zu trinken und dich anzuschauen. Korrigiere mich, wenn ich mich irre, aber ich nehme an, das ist die bessere Alternative."[/size]

  • :applaus :applaus :applaus


    ich will mehr! wenn nicht bald der nächste teil kommt, verfalle ich wohl in raserei ;)


    weiter so malakai, es macht immer mehr spass deine geschichten zu lesen!!!

    [center]
    [SIZE="1"][COLOR="White"]19.08.2006[/COLOR][/SIZE]


    [/center]

  • Hey, bleibt mal ganz ruhig, ich hab auch andere Sachen zu tun ;)


    Schließlich gibt es noch jede Menge andere Sachen, die ich schreibe, unter anderem Kurzgeschichten, mein Roman is immer noch nich fertig, Plots für Vampire, Fantasy-Rollenspiele usw.


    Ich bin ein vielbeschäftigter Mann... äh... Vampir... äh... was auch immer... :D


    Greets, Malakai

    Malakai, Clan Toreador
    Chronik Berlin

    [size=2]"Bela Lugosi ist tot - Ich bin es auch. Aber was von Bela übrig ist, verrottet irgendwo in einem Eichenholzsarg, während ich Gelegenheit habe, hier auf dem Balkon zu sitzen, etwas Gutes zu trinken und dich anzuschauen. Korrigiere mich, wenn ich mich irre, aber ich nehme an, das ist die bessere Alternative."[/size]

  • Und hier der neueste Teil meiner Fortsetzungsgeschichte:




    Die Welt der Dunkelheit


    von Jan Marvin



    Kurz nach Mitternacht hatten wir die beiden toten Ghule Sophies und die Menschen, dessen Leichen wir verstreut im Haus fanden, weggeschafft, sodass sie keine größere Gefahr durch die Polizei mehr hervorrufen konnten. Der Prinz war persönlich zu Madame Sophie’s Anwesen gekommen, um sich das Ausmaß des Blutbades anzusehen und Pläne zu schmieden, dieser akuten Bedrohung zu begegnen. Die Camarilla war in sehr großer Gefahr, der Sabbat konnte alles vernichten, was über Jahrhunderte aufgebaut wurde. Die Bürde der Camarilla war in dieser Zeit doppelt schwer, denn während die Sabbatvampire zusammen mit den Unabhängigen schwere Schläge austeilten, musste die Camarilla dafür sorgen, den Schaden zu begrenzen und unschuldige Menschen aus der Sache herauszuhalten.
    Für uns war kaum noch Zeit, gegen den Feind anzugehen und gleichzeitig die Traditionen der Maskerade zu wahren.
    Judith wirkte seltsam. Beinahe verstört. Sie lehnte an der Wand nahe der Treppe, die nach unten führte, das schwarze Kleid blutgetränkt und feucht. Sie starrte an die gegenüberliegende Wand an das Bild, dass, verziert mit einem barock anmutenden Bilderrahmen, eine Jagdszene aus dem England des späten 19. Jahrhunderts zeigte. Doch sie sah es nicht an, sie starrte hindurch, unfähig, das Bild als das zu erkennen, was es war.
    „Womit habe ich das verdient? Womit habe ich das verdient?“, murmelte sie vor sich hin.
    Ich ging langsam auf sie zu, wischte mir das Blut mit einem Taschentuch von den Händen.
    „Alles in Ordnung?“, fragte ich ruhig.
    Sie antwortete nicht. Wie immer, wenn sie wütend, überrascht oder traurig war. Nur dieses Mal war es kaum Trauer oder Wut, ich glaube, es war Verzweiflung über die Situation. Sie hatte ihr Leben verloren, hatte seit Tagen niemanden aus ihrem alten Leben gesprochen oder gesehen und befand sich nun mitten im Blut von Menschen, Ghulen und einer Vampirin, die sie töten wollte. Dabei war sie selbst ein Kainskind, das noch vor Stunden beinahe einen Menschen getötet hätte und seinen Erzeuger angegriffen hatte. Wären die Umstände andere gewesen, hätte ich sie eine Weile in Ruhe gelassen, leider ließen die Geschehnisse der letzten Nächte eben dies nicht zu. Es war einfach zu gefährlich, sie allein zu lassen.
    „Judith, ich weiß, wie du dich fühlst, und es tut mir leid. Aber wir müssen diese Sache hier noch hinter uns bringen. Wenn das vorbei ist, werde ich dir deine Freiheit geben, doch jetzt haben wir Probleme, die über deine und meine Belange hinausgehen. Ich hoffe, du verstehst das.“
    Wahrscheinlich waren das die falschen Worte, doch wusste ich nicht, wie ich mich sonst hätte ausdrücken sollen.
    „Du hast mir diesen ganzen Mist hier doch eingebrockt. Ohne dich wäre ich gar nicht hier. Und jetzt sieh mich an. Sieh mich an, hab ich gesagt. Ich stehe hier in einem meiner Lieblingskleider, dass vollgeschmiert mit Blut ist und glaube, dass ich langsam verrückt werde.“
    Darauf konnte selbst ich nichts mehr sagen. Sie hatte Recht, ich hatte Schuld.
    „Judith, hör auf damit. Glaub nicht, dass du die einzige bist, der es so geht. Frag Jack, er ist genauso reingerissen worden wie du. Es ist aber die Fähigkeit der Toreador, sich daran zu gewöhnen und das Beste daraus zu machen. Wir sind die letzten Vampire, die noch so etwas wie Kultur besitzen. All die anderen versuchen, ihr Unleben als Strafe, als Sühne oder als Verdammung zu sehen. Wir hingegen nehmen die Chance des Kainitenblutes wahr und tun die Dinge, die wir im Leben nicht zu tun imstande waren. Ich habe seit meiner Verwandlung Bücher geschrieben. Gut, sie waren nicht gerade mit Erfolg besudelt, aber ich habe es getan, weil ich glaube, dass das Schreiben meine persönliche Erfüllung ist. Ich glaube auch, dass wir, die Toreador, diejenigen sein werden, die diese Welt und die Welt der Kainskinder retten werden, da wir uns dessen bewusst sind, was wir sind, und somit die Fähigkeit haben, alles aus diesem Unleben herauszuholen, was es gibt. Nicht allein Macht, Geld oder Loyalität. Nein, auch Kultur und Freude, Schönheit und Unterhaltung gehören dazu. Wer auf Macht oder Rache aus ist, endet irgendwann als griesgrämiger Ahn in einem Grab, von dem aus er die für sich minderwertigen steuert. Wir wollen das aber nicht. Wir wollen unser Unleben genießen, es herausfordern, denn nur wer wagt, kann auch gewinnen. Wird dir darüber klar, dann bist du eine echte Toreador. Und einen kleinen Hinweis habe ich noch: Wein schmeckt für dich noch genauso köstlich wie früher.“
    „Gibt es Probleme?“, fragte der Prinz, als er plötzlich neben uns stand. Ich hatte gar nicht bemerkt, wie er zu uns gekommen war.
    „Nein, mein Prinz. Ab jetzt habe ich keine Probleme mehr“, antwortete Judith. Sogar der Prinz war ein wenig überrascht über ihre Antwort. Offenbar hatte sie verstanden. Sie war jetzt eine richtige Toreador.
    „Mein Prinz, ich werde ihre Ausbildung bereits in zwei Wochen beenden, dann könnt ihr sie offiziell empfangen. Ich werde wohl eine kleine Feierlichkeit veranstalten, wenn es soweit ist, ihr seid selbstverständlich eingeladen.“
    „Eure Einladung ehrt mich, Malakai. Ich werde da sein, definitiv. Doch erst müssen wir uns um den Fleischformer und die Assassine kümmern. Wollt ihr mir folgen?“
    Wir gingen zu der Assamite hin, die ich gepfählt hatte. Sie lag still da, ihre Augen weit aufgerissen, starr. Sie schien bei Bewusstsein, doch sie konnte auf nichts reagieren. Ich sah, wie der Prinz tief Luft holte, er pumpte Blut, um sich zu stärken, dann zog er den Pflock aus ihrem Herzen, dem gleich wieder ein Strom von dunklem Blut folgte. Sie fing an zu zittern, doch es hörte sogleich wieder auf. Sie sah dem Prinzen hasserfüllt in die Augen und versuchte sofort, ihn anzuspucken. Er hob die Hand und fing damit ihren Blutspeichel ab. Man konnte sehen, wie seine Haut anfing, sich langsam unter einem Zischen aufzulösen, doch er zuckte nicht einmal mit den Wimpern und schloss die Wunden sofort.
    „Seelenstärke“ flüsterte ich Judith zu. Sie nickte.
    „Wer bist du? Für wen arbeitest du?“, fragte Prinz Alexander barsch.
    „Warum sollte ich dir das erzählen, Degenerierter?“
    Er schlug einmal mit der flachen Hand zu, ihr Kopf wirbelte hart herum.
    „Gut, dass wir wissen, von welchem Blute wir sind. Nun rede, Assamit!“
    „Eher will ich sterben!“, schrie sie.
    „Nun, dass lässt sich einrichten.“, sagte Alexander in ruhigem, aber bedrohlichen Ton.
    Dann zog er ein langes Messer unter seinem Mantel hervor, stand auf, zog sie mit hoch und schlug ihr den Kopf ab. Er fiel mit einem schnalzenden Geräusch auf den vom Blut genässten Boden. Ditsch. Er wischte das Messer mit einem weißen Tuch ab, das sich sofort rot färbte. „Werft ihr Blut weg. Es ist verdorben.“
    Judith sah mich verwundert an, ich nickte ihr zu und zerschmetterte das Fläschchen auf dem Boden. Sie tat es mir nach, doch dann sah sie mich wieder an.
    „Er kennt mich einfach zu gut.“
    Sie lächelte. „In Ordnung, aber warum wegwerfen?“
    „Weil es vergiftet ist.“, antwortete der Prinz für mich. „Assamiten können ihr Blut vergiften, sodass es uns zusehens schwächt. Sie konnte ihr Blut mit Säure anreichern, also kann sie es auch vergiften. Nehmt nie das Blut eines Assamiten, wenn er seine Disziplinen bereits angewandt hat.“
    „Warum musstet ihr sie töten?“, fragte Judith vorwurfsvoll.
    „Wenn ich sie freigelassen hätte, wäre sie gegangen und hätte weitere Informationen preisgegeben. Jetzt müssen sich die Urheber vergewissern, dass der Auftrag erledigt wurde. Ich denke nicht, dass sie Sophie haben wollten, ich glaube eher, dass sie uns erst einmal verängstigen wollen, schwächen, bis sie uns direkt angreifen.“
    „Ich hatte auch schon solche Gedanken. Was sagt ihr zu dem Tzimisce, Prinz Alexander?“, fragte ich. Ohne den Prinzen antworten zu lassen, fuhr ich fort. „Er muss sehr mächtig sein, er konnte über mehrere hundert Meter seine Disziplin nutzen, und das bei einem Ghul. Das ist durchaus beängstigend, findet ihr nicht?“
    „Um den werde ich mich persönlich kümmern. Soll er versuchen, das bei mir zu tun. Selbst wenn er ein Ahn ist, ich werde ihn eigenhändig in Stücke reißen.“
    Seine Stimme klang unheimlich ruhig und beiläufig, als würden ihm diese Geschehnisse hier wenig bedeuten. Für Judith musste der Prinz auf seltsame Weise sadistisch und gefühlskalt erscheinen, doch ich wusste, dass er nicht das Monster ist, für das er sich ausgibt. Seine Gefühle sind zwar im Lauf der Jahrhunderte schwächer geworden, doch er ist sich seines Handelns noch völlig bewusst; er kennt die Konsequenzen dessen, was er tut, was ihn zu einem guten Prinzen macht.
    „Ich schlage vor, ihr stellt auf eure Weise Nachforschungen an, ich werde mich um meine eigenen Angelegenheiten kümmern. Ich würde euch gern eine Unterkunft in meiner Residenz anbieten, aber ich befürchte, dass mein Heim ebenso unsicher ist wie alle anderen. Ich werde euch unterstützen, wenn ich kann, aber mehr kann ich für euch nicht tun.“
    „Ich weiß eure Mühe zu schätzen, mein Prinz. Wie geht es Madame Sophie? Ich hoffe, sie ist wohlauf.“
    „Keine Sorge, junger Malakai, sie wird es überstehen. Kümmert euch nicht weiter um sie. Ich bitte euch nun, zu gehen, denn wenn die Sabbatbrut hier noch in der Nähe ist, wäre es zu gefährlich, auf einem Haufen zu sitzen.“


    Wir fuhren also wieder los, auf der Suche nach einer Bleibe für die nächsten Nächte. Judith schien in einer Art Traumwelt zu schweben, zumindest schien sie das Gefühl zu haben, zu träumen. Leider musste ich sie in diesem Fall enttäuschen. Sie würde noch jedes kleine Detail der Grausamkeit dieser Welt erfahren, ohne Schleier, ohne Ablenkung, sie würde jeden erdenklichen Einblick in die Welt dieses ganz normalen Wahnsinns erhalten, und jeder Eindruck würde sie zehn Mal so stark treffen wie einen Menschen, weil sie wusste, dass sie sich dem nicht mehr entziehen konnte, sie würde die Ewigkeit damit verbringen, in dieser unserer Welt zu leben. Viele Vampire, die sich dieser Tatsache in ihrem Unleben bewusst wurden, haben sich freiwillig dem Sonnenlicht ausgesetzt, andere begannen, nachzuforschen, was denn der Sinn all dessen sei. Nun, ich bin da etwas rationeller veranlagt, was Mythen und Monster anbelangt. Ich glaube zwar an Kain, allerdings nicht in einer derart mystifizierten Form. Lasst es mich so ausdrücken: Ich glaube an den ersten aller Vampire, der unser aller Urvater ist, aber ich denke eher, dass die Vampire an sich kaum mehr als eine weitere Art übernatürlicher Wesen sind, so wie Werwölfe, Feen oder schlicht und ergreifend Magi, die Zauberkünstler unter den Sethskindern, den Menschen. Und woher die kommen, fragt keiner. Wie auch immer, es ist das Beste, wenn jeder Kainit für sich selbst entscheidet, was er ist. Das klingt vielleicht, entgegen dem, was ich bisher gesagt habe, sehr liberal, aber ich sehe das eher egoistisch: Jeder sollte sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern, statt andere damit zu belästigen. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie belastend ein Nervenbündel, das einen über Hunderte Jahre folgt, sein kann.
    Ich fuhr an eine Tankstelle, um etwas zu trinken zu kaufen. Eigentlich wollte ich nur die Flaschen, um Blutbehälter zu haben, andererseits konnte ich damit testen, wie weit Judith’s Geschmackssinn reichte, sonst hätte ich ihr eine Liste mit Getränken geben müssen, die sie zu bestimmten Anlässen trinken und so tun sollte, als wären sie vorzüglich. Ich hielt den Wagen an, stellte ihn neben eine Zapfsäule und gab Judith die Aufgabe, voll zu tanken. Während sie das tat, konzentrierte ich meine Wahrnehmung auf die unmittelbare Umgebung, aus reiner Vorsicht, und entdeckte einen Schatten, der verdächtig nach einem Vampir aussah. Als er sah, dass ich ihn beobachtete, trat er einen Schritt vor, jedoch nicht weit genug, um aus dem Schatten der Tankstelle ins Licht zu gelangen. Jetzt erkannte ich ihn deutlich. „Wenn du dich schon verdunkelst, Nikolai, dann solltest du es so tun, dass ich dich nicht entdecke."
    Ich musste grinsen, bei dem Gedanken, dass uns jemand zusah. Er würde mich sehen, wie ich mit der Wand spreche, jedoch niemand anderen.
    „Sei gegrüßt, werter Malakai, ich habe euch gesucht.“
    „Genau. Und ich habe dich gefunden.“, antwortete ich spöttisch.
    „Sei nicht so arrogant, Neonat. Ich kann euch eine Unterkunft anbieten, wenn ihr keine findet.“
    Neonat war der Ausdruck für einen Vampir, der noch nicht älter als dreißig war. Nikolai war schon seit mehr als fünfzig Jahren ein Kainskind, das machte ihn zu einem sogenannten Ancillae.
    Ich lachte. „Oh, russischer Kollege, ich glaube, ein ganzes Jahr in einem von Kakerlaken zerfressenen Hotel ist besser, als ein einziger Tag in den Gefilden der Kanalisation unter deinesgleichen.“
    „Im Bezirk Spandau befindet sich ein verlassener Wasserturm, er gehört mir, ihr könnt ihn haben, bis der... Ärger vorüber ist.“
    Er breitete in einladender Geste die Hände aus.
    „Und was muss ich dafür tun?“, fragte ich skeptisch. Ich wusste, dass er etwas dafür erwarten würde. Kein Vampir bietet einem Clansfremden ohne Gegenleistung seine Domäne an. Schon gar nicht Nosferatu.
    „Ich war schon lange nicht mehr in einem dieser neumodischen Tanzlokale...“
    Alter Narr. Er schien tatsächlich zu glauben, dass ich ihm meine Domäne überlassen würde, als Jagdrevier. Ich drehte mich wortlos um und betrat den Verkaufsraum der Tankstelle. Ich sah mich im Weinregal um. Eine Hand berührte meine Schulter, ich drehte mich um und sah erstaunt, wie Nikolai hinter mir stand. In einer voll beleuchteten Tankstelle, mit Dutzenden Kameras überall stand er direkt neben mir und lächelte... Nein, grinste mich an. Nosferatu können nicht lächeln. Dazu ähnelt ihr Gesicht viel zu sehr an das einer geächteten Fratze. Meine Meinung. Das Gesicht eines Verdunkelten wirkt, als würden alle Schatten der Umgebung an ihm haften, sie wirken sehr dunkel, und sobald sie in richtigem Schatten stehen sind sie nahezu unsichtbar. Nicht einmal ein Vampir mit geschärften Sinnen kann ihn dann noch entdecken.
    Den Verkäufer an der Kasse schien Nikolai nicht zu interessieren, er schaute nicht ein einziges Mal zu uns hinüber, was mich erkennen ließ, warum Nikolai sich hereintraute: Er hatte seine Disziplin der Verdunklung verstärkt, und damit ihre Wirkung. Damit konnte er sich über beleuchtete Plätze durch Menschenmassen hindurchwagen, ohne gesehen zu werden. Diese Kraft der Verdunklung beeinflusst den Geist der Menschen, sie schauen unbewusst weg, weichen ihm aus oder wechseln unwillkürlich die Straßenseite, ohne im Geringsten zu wissen, warum sie das tun. Selbst auf Kameras ist er nicht zu sehen, weil der Beobachter immer in dem Moment, in dem der Verdunkelte auf dem Bild erscheint, wegsieht, das Bild gestört ist oder er nicht konzentriert genug hinsieht. Manche Vampire können mit Hilfe dieser Disziplin sogar ihr Aussehen ändern, er verwandelt sich in einen völlig harmlosen, unauffälligen Körper, bei dem man im Vorbeigehen keinerlei Aufmerksamkeit verschwendet.
    Nikolai flüsterte, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. „Mein Freund, da du einen Zutritt in deine Domäne nicht zulässt, könnte ich dir etwas anderes anbieten.“
    Ich sah ihn fragend und mit hochgezogener Augenbraue an.
    „Bringe mir bei, so schnell zu sein wie du, und du wirst auf ewig freien Zugang zu meiner gesamten Domäne haben und ich garantiere dir unbehelligtes Reisen durch die Kanalisation dieser Stadt. Auf ewig.“
    Das klang nach einem guten Vorschlag. Zugegeben, die Disziplin der Geschwindigkeit, die es einem erlaubt, sich schneller zu bewegen als das menschliche Auge folgen kann, ist eine sehr mächtige Disziplin, allerdings ist das Domänenrecht eines Nosferatu sowie freier Zugang zur Kanalisation in manchen Belangen Gold wert. Nirgends kann man bessere Informationen erhalten als bei den von Kain verfluchten Nosferatu, das war sicher. Ich willigte ein, ohne groß zu zögern, bezahlte zwei Flaschen mittelprächtigen Weins und die Tankfüllung an der Kasse und ging zurück zum Auto. Judith stand angespannt da, den Blick ins Leere gerichtet, aber voll konzentriert. „Judith?“, fragte ich.
    „Ich sehe... Schleier... Farben... Sie sind wunderschön...“
    Sie stand da wie eine Salzsäule, ohne Regung, den Blick stur auf die Straße gerichtet.
    „Welche Farben siehst du?“
    „Blau, grün, braun, gelb... Da ist orange, da hinten ist rot-schwarz...“
    „WAS?“, rief ich entsetzt dazwischen.
    Sie hatte Auspex erkannt und angewendet, wahrscheinlich ohne sich dessen überhaupt bewusst zu sein. Die letzte Farbkombination, die sie nannte, war mehr als beunruhigend. Eine Aura, die von schwarz durchzogen ist, zeigt Diablerie an. Das konnte nur eines bedeuten: Entweder hatte einer der Vampire Berlins ein Verbrechen begangen, oder die Assamiten waren nicht weit. Sie waren nicht nur gefürchtete Mörder, sondern auch berüchtigte Diableristen, was sie zu einem Feind machte, vor dem man sich eher verstecken als sich ihnen stellen sollte. Wir mussten uns also beeilen, uns blieb nicht viel Zeit, in Sicherheit zu kommen. Ich zog Judith ins Auto, setzte mich rein und fuhr los. Nikolai war verschwunden, wahrscheinlich in die Kanalisation. Wir fuhren also nach Spandau, zum alten Wasserturm, der schon seit Jahren leer stand. Wie er in Nikolai’s Besitz kam, war mir unklar, vielleicht hatte er ihn von der Stadt gekauft, vielleicht hatte auch ein anderer Kainit ihn gekauft und Nikolai hat ihn, auf welche Weise auch immer, erhalten.
    Um ein Uhr morgens sind die Straßen der Stadt fast völlig leer, nur Nachtarbeiter oder tanzwütige Teenager waren jetzt noch unterwegs. Die Nacht war recht kühl, fast wolkenlos, man konnte viele Sterne am Himmel sehen, während der Mond einem das Gefühl gab, direkt in eine starke Glühbirne zu schauen, so hell leuchtete er. Wir fuhren auf der Heerstraße in Richtung Spandau, zum alten Wasserturm, den mir Nikolai versprochen hatte. Während der Fahrt erzählte ich Judith von einigen weiteren Dingen, die sie wissen musste, um zu überleben.
    „Judith, das folgende Thema ist jetzt unheimlich wichtig. Es bestimmt unsere Art, es definiert das, woran alle Kainskinder der Camarilla glauben, woran sich nahezu alle zu halten versuchen.“
    Sie sah mich mit einem ungläubigen „Was kommt jetzt?“ -Blick an, gleichzeitig erkannte ich in ihren Augen, dass sie wenig Motivation hatte, noch mehr Neues und Unglaubliches zu erfahren. Glücklicherweise konnte ich sie enttäuschen. „Es ist nicht so schlimm, wie du denkst, keine Angst. Es geht um deine Raserei.“
    „Tut mir Leid, ehrlich. Ich hätte Maria fast getötet, nicht wahr?“
    „Darum geht es nicht. Du konntest nichts dafür, Maria ist auch nicht verärgert oder hat Angst vor dir, mach dir um sie keine Sorgen. Es geht darum, dass du auf dich achten musst. Du hast mit deiner Verwandlung etwas freigesetzt, was wir ‚Das Tier‘ nennen. Es ist der Urtrieb aller Vampire. Es ist das, was uns zu Vampiren macht, neben dem Bluttrinken natürlich. Das Tier versucht immer, an die Oberfläche zu kommen, zu wüten und zu töten, um an die Quelle unseres Unlebens zu kommen. Wenn du wenig Blut im Körper hast, ist die Gefahr groß, dass das Tier nach außen tritt und die Kontrolle übernimmt. Dann bist du nahezu willenlos den Gelüsten des Monsters ausgesetzt und kannst nichts dagegen tun. Ebenso können Dinge wie Feuer, Sonnenlicht oder pure verbale Provokation eine Raserei auslösen.“
    „Und wie kann ich dagegen angehen?“
    „Du musst eine Art innere Ruhe aufbauen, so wie Sterbliche das mit Meditation oder mentalem Training machen. Du musst versuchen, dich nicht so schnell reizen zu lassen, trink regelmäßig, so dass du zum Einen so gut wie möglich gesättigt bist und zum Anderen noch genug Blut im Körper hast, um zum Beispiel deine Haut zu wärmen oder zu atmen. Wenn du glaubst, dass du in einen Kampf geraten könntest, trink vorher so viel wie möglich, denn im Kampf ist der Blutverlust am höchsten, da man sich stärker oder schneller macht und natürlich Wunden heilen muss. Und wenn du merkst, dass du die Kontrolle verlierst, kämpf dagegen an, so stark du kannst. Ich werde immer versuchen, dir dabei zu helfen.“
    „Ich verstehe.“
    Ihr dunkles Haar war matt, stumpf, ihre Haut war noch blasser als ohnehin schon und das Mondlicht verstärkte den Eindruck noch. Sie wirkte beinahe unheimlich. Ich bog in eine Querstraße ein und fuhr in die Innenstadt von Spandau.
    „Wo willst du hin? Der Wasserturm ist doch in der anderen Richtung.“
    „Ich weiß. Hast du Durst?“
    „Ja, warum?“
    Ich reagierte nicht auf ihre Gegenfrage. Dann verstand sie, das verriet ihr Blick. Ich hielt vor einem Wohnhaus nahe des Bahnhofs, es war eins dieser Altbauten, die in den Nachkriegsjahren gebaut worden sind, graue Wände, hohe Fenster und Kohleöfen in den Wohnungen.
    „Hier wohnt ein alter Freund von mir.“ erklärte ich.
    „Wie viele ‚alte Freunde‘ hast du eigentlich?“, entgegnete sie ein wenig amüsiert.
    Ich lachte. „Wenn man so alt ist wie ich, lernt man viele Leute kennen. Und wenn man mal Hilfe braucht, ist das vielleicht gar nicht so schlecht.“
    „Wer ist es?“
    „Er heißt Vincenze Rattoni, er ist Italiener, ein Ventrue.“
    „Das waren doch die machtbesessen, oder?“
    „Sehr richtig. Vince ist harmlos, er redet gern und viel, aber für einen Blaublütigen ist er wirklich in Ordnung.“
    Ich erklärte ihr noch, dass Vincenze kein Adliger war, dass die Bezeichnung ‚Blaublütige‘ mehr ein Spitzname war, da viele Ventrue tatsächlich aus adligen Familien stammten, was sich in ihrer Denkweise wiederspiegelte.


    Nachdem ich mehrmals geklingelt hatte, öffnete er mir endlich die Tür. Seine Wohnung war das perfekte Gegenteil des Treppenhauses. Im Aufgang lag Müll verstreut, der Putz war bereits von den Wänden gebröckelt, außerdem knarrten die Treppenstufen so laut, dass man Tote damit wecken konnte. Doch seine Wohnung... Nun, ich persönlich würde seine Einrichtung als geschmackvoll bezeichnen, jedoch mit einer starken Neigung zur Dekadenz. Cremefarbene Wände, gesäumt von weißen Holzornamenten, kunstvoll geschnitzt, dazu ebenholzfarbene Kommoden und Schränke aus vergangenen Zeitaltern, überall hingen Schmuckstücke aus verschiedensten Kulturen an den Wänden. Masken, Bilder, Waffen, Vasen, alles, was man sich vorstellen konnte. Dass die Decken der Wohnung so hoch waren, schien ihm sehr recht zu sein, somit hatte er noch mehr Platz, sein Sammelsurium an zu präsentieren. Doch man erkannte auch, dass die meisten Stücke nicht seinem Geschmack entsprachen, vielmehr wollte er damit eine Wirkung nach außen erzielen, für Besucher wie mich. Er war weder hedonistisch noch dekadent, im Gegensatz zu einigen anderen seines und meines Clans, mit denen er am meisten verkehrte.
    „Willkommen, Malakai. Besuch? Wen hast du mitgebracht? Möchtet ihr was trinken? Was gibt es neues? Kommt doch erst mal rein und setzt euch, ich habe einen herrlichen Wein da. Oder wollt ihr etwas Vitae? Ich habe so viel zu erzählen.“
    „Vince, bleib ruhig. Hallo, mein Freund.“
    Als wir uns gesetzt hatten, sah mich Judith an, als hätte ich den Verstand verloren. Vince war in der Küche beschäftigt, sodass ich zumindest flüstern konnte. „Keine Angst. Wie gesagt, er redet viel, aber er ist hilfsbereit. Ich habe ihn vor vielen Jahren in Florenz kennengelernt, er war dort Mäze einer kleinen Gruppe von Architekten, von denen mittlerweile einer im Clan Toreador ist, ein anderer bei den Ventrue. Er hat mir geholfen, als ein paar Tremere es auf mich abgesehen hatten, warum, weiß ich bis heute nicht. Jetzt sitzt er auch hier und versucht, sein Unleben zu gestalten.“
    „Vertraust du ihm?“
    „Nein.“
    Da kam er auch schon mit einer Flasche Wein Weißwein aus der Küche und hielt sie mir vor die Nase. Irgendeine südafrikanische Sorte, deren Namen ich bereits wieder vergessen habe. Er schenkte allen ein und setzte sich. „Ich wusste gar nicht, dass du ein Kind zeugen darfst. Wo hast du sie kennengelernt? Ich weiß noch, als ich einst ein Kind zeugte. Er war ein Architekt aus Florenz, dessen Arbeit ich mit finanzierte. Er war ein Meister der Motivation, leider ein miserabler Architekt, was aber uninteressant war. Ihr hättet sein Gesicht sehen sollen, als ich zu mir nach Hause einlud.“ Er lachte lauthals. „Ich dachte, er stirbt vor Schock, bevor ich ihm den Kuss geben konnte. Das Beste ist, sein Ghul übernimmt derzeit die Geschäfte eines Architektenbüros irgendwo im Südtirol. Sie sollen sehr erfolgreich sein, hörte ich. Und was ist mit euch?“
    „Du hast dich kein Stück verändert, Rattoni. Wie dem auch sei, sie braucht ein Kleid für den Abend, außerdem noch Kleidung für die Straße. Hast du etwas im Schrank, dass ich gebrauchen könnte?“
    „Puh...“, murmelte er. „Ein Kleid ist kein Problem, nur die Straßenkleidung, da sieht es nicht so gut aus.“
    Jetzt, wo er sie sich richtig angesehen hatte, fiel ihm das viele Blut auf unserer Kleidung auf. Beinahe schockiert saß er da und starrte uns an.
    „Assamiten. Wir haben keine Zeit für Erklärungen.“, sagte ich. „Sie braucht Blut und ich muss zu Nikolai, ich habe zu tun, du verstehst.“
    Völlig regungslos saß er da, als hätte er plötzlich eine schockierende Erkenntnis erlangt.
    „Ich wusste nicht, dass es so schlimm ist. Ich habe Gerüchte gehört, aber ich hatte keine Ahnung...“
    Damit brach er ab und bewegte sich geistesverloren in Richtung Schlafzimmer.
    „Was hat er denn?“, fragte Judith verwundert.
    „Nun, sein Clan versorgt ihn nur selten mit Informationen, außerdem nimmt er nur unregelmäßig an Elysien teil, daher weiß er selten, was in der Welt der Dunkelheit vor sich geht. Ihn interessieren die Menschen mehr als die Kainskinder. Manchmal schweift er sogar fern jeder Realität, als wäre er nie ein Kainit gewesen. Eigentlich wäre das ein Grund, ihm zu trauen, allerdings... er ist und bleibt ein Ventrue.“
    Sie sah mich kurz erstaunt an, was ich wohl damit meinte, aber ich ging nicht darauf ein; sie würde schon früh genug merken, was es mit den Ventrue auf sich hatte.
    Vincenze kam mit einem dunklen, violetten Abendkleid zurück. Er wollte eigentlich erfreut wirken, dass er etwas Passendes gefunden hatte, doch es gelang ihm nicht. Sorge stand in seinem Gesicht, ein Ausdruck, den man selten zu sehen bekam.
    „Hier, das müsste passen. Eins meiner… Kinder hat es mal getragen, ich hoffe, es macht dir nichts aus. Das ganze Blut… Oh Mann, was habt ihr bloß gemacht?“
    Er setzte sich mit einem Seufzer auf die Couch und starrte in die Leere. „Was habt ihr nun vor?“
    „Ich brauche einen Klüngel.“, antwortete ich. „Und zwar schnell. Toreador, Brujah, Ventrue, Nosferatu, völlig egal. Nur keine Tremere. Hast du Vorschläge?“
    Wieder seufzte er, als läge eine schwere Last auf seinen Schultern. „Nimm Nikolai, der ist für alles gut. Wenn du einen Brujah brauchst, würde ich diesen Johnny empfehlen, der neue hier in Berlin. Er ist ein Choleriker, aber loyal und ein guter Kämpfer. Kennst du Ben, den Malkavianer? Ich hörte, dass er eine Menge draufhat, gerade was Manipulation angeht. Und ehrlich gesagt, ich würde auch mitkommen.“
    „Vergiss den Malkavianer. Ich habe keine Lust, nach einem Kampf mit einem Pflock im Herzen aufzuwachen und zusehen zu müssen, wie der Malkavianer mich aussaugt.“
    „Warum sollte er das tun?“, fragte Judith erstaunt.
    „Ganz einfach: Diese Brut Malkavs ist verrückt. Malkav, der Clansgründer, war geisteskrank, und das hat sich auf seine Kinder übertragen, bis heute. Niemand weiß, was ein Malkavianer vorhat, niemand kennt ihre Ziele und niemand weiß, welche Mittel sie nutzen, um ihre Ziele zu verfolgen. Ich halte sie für durchgedreht und gefährlich. Deshalb will ich keinen von ihnen in einem Klüngel.“
    „Klüngel?“, entgegnete sie.
    „Ein Klüngel ist nichts weiter als eine Gruppe von Vampiren, die sich zeitweise zusammenschließt, um ein gemeinsames Ziel zu verfolgen. In unserem Fall wäre das die Vertreibung des Sabbat aus der Stadt.“
    Sie nickte und trank noch einen Schluck von diesem viel zu herben Wein aus Südafrika. Scheinbar schmeckte er ihr. Vielleicht hatte sie sich sogar den Namen behalten. Ich für meinen Teil leerte das Glas und bedankte mich bei Vincenze für alles. Viel Wein würde ich in nächster Zeit nicht zu trinken bekommen...

    Malakai, Clan Toreador
    Chronik Berlin

    [size=2]"Bela Lugosi ist tot - Ich bin es auch. Aber was von Bela übrig ist, verrottet irgendwo in einem Eichenholzsarg, während ich Gelegenheit habe, hier auf dem Balkon zu sitzen, etwas Gutes zu trinken und dich anzuschauen. Korrigiere mich, wenn ich mich irre, aber ich nehme an, das ist die bessere Alternative."[/size]

  • Im Jahre des Herren 1620, nachdem der Krieg gegen die Böhmen bereits vier Jahre andauerte, ging es dem europäischen Volk schon längst nicht mehr darum, wer den Krieg gewann, sondern nur noch, wann dieser Krieg nun endlich endete. Die altbekannten „rauen Zeiten“ des Krieges hatten schon vor mehr als zwei Jahren eingesetzt, das Geld wurde immer knapper, das Volk litt unter den stetigen Steuererhöhungen und Zwangsverpflichtungen von Männern zur Armee. Und während die einen im Krieg dienten, arbeiteten die anderen vermehrt in der Landwirtschaft, um die Truppen zu versorgen, was bei der Menge an Soldaten nicht leicht war. Der Krieg sollte noch lange andauern, und die Fürsten, Herzöge und nicht zuletzt die Kaiser taten ihr übriges, um ein schnelles Ende des Krieges zu verhindern.


    Dies ist jedoch nicht die Geschichte des Krieges und seiner Folgen. Es ist die Geschichte eines anderen Krieges, eines subtileren, ohne die vielen Waffen, ohne das Ausrufen von Kriegsrecht und ohne das öffentliche Hinrichten von Verrätern und Ketzern. Nun, natürlich gibt es in jedem Krieg Opfer, so auch in diesem. Dies ist die Geschichte eines Krieges, von dem nur die wenigsten wussten, dass es ihn überhaupt gab...




    Kapitel I


    Der alte Feind



    Ein leichter Nebel senkte sich über das schottische Rebellenlager. Es war noch fast dunkel, die Luft war kühl und feucht vom Morgentau und vom Nebel, der von Norden her durch den Wald zog. Ian McLeery, ein Schotte von großem Wuchs und mit kantigem Gesicht, das die Furchen des Krieges trug, war gerade aufgestanden und ging zum Versorgungszelt des Lagers, um sich eine Mahlzeit zu holen. Das Lager war klein, lediglich sechzig Mann fanden dort Platz, darunter auch einige Frauen und Kinder. Notdürftige Zelte und Gräben zierten den Vorposten nahe der englischen Grenze; die Stimmung der Leute war gespannt. So nah an der Grenze konnte es jederzeit zu Überfällen kommen, die Engländer brauchten nur einen Hinweis auf das Lager haben, schon würden sie wie die Hyänen darüber herfallen und alles zermalmen, was sich ihnen in den Weg stellte.
    William Wallace war tot, Edward the Longshanks war tot. Beide waren im schottisch-englischen Krieg gestorben, und der Engländer war demoralisiert, sodass seine Truppen bald nicht mehr stark genug sein würden, Widerstand gegen die willensstarken Schotten leisten zu können. Jetzt warteten die Schotten auf die Möglichkeit, mit kleinen Überfällen auf Nachschubkonvois Verwirrung in den Reihen der Engländer stiften zu können. Heute war wieder so ein Abend.


    „Ian, guten Morgen, alter Freund!“, rief eine tiefe Stimme hinter dem jungen Schotten.
    Er drehte sich um und sah Bruce Ewing, einen ebenso großen, starken Mann mit kurzgeschorenen Haaren und verschrobenem Gesicht, den er bereits kannte, seit ihm Gott die Fähigkeit gab, zu denken. Lächelnd wandte er sich zu Bruce. „Hallo, Bruce! Schön, dich wieder zu sehen. Haben sie dich auch hierher beordert?“
    „Nein.“ Der andere grinste. „Hab mich freiwillig gemeldet. Ich warte auf jede Gelegenheit, Engländer zu erschlagen.“
    Ian lachte. „Schön, das zu hören. Komm doch mit, ich hol mir nur was zum Essen, dann geh ich wider an die Arbeit. Muss noch Schwerter richten.“
    „Würdest sie auch lieber benutzen, als sie zu richten, was, Kleiner?
    „Kleiner? Du spinnst wohl.“, lachte er. „Soweit ich mich erinnere, war ich immer der größere von uns.“
    Das stimmte auch. Seit Ian zum Waffenschmied ausgebildet wurde, schien er sogar noch weiter gewachsen zu sein. Seine einst weichen Züge wichen mehr und mehr dem Aussehen eines Kriegers, der vor nichts und niemandem Angst zu haben scheint.
    Nach einer Stunde guten Essens und vieler weiterer Witze und einigen Kindheitserinnerungen ging Ian frohen Mutes an die Arbeit. Schwerter schleifen. Dann richten. Dann noch mal schleifen. Musketen säubern und laden. Alles bereitmachen für den nächtlichen Angriff.
    Eines der schottischen Breitschwerter, die er selbst geschmiedet hatte, verzierte Ian mit einem kleinen, mittelmäßigen Bild, das die Berge der Highlands darstellte. Dies sollte sein neues Schwert sein, seit sein letztes ihm bei einer Schlacht verloren ging.
    Nach vier Stunden endlosen Schleifens und Richtens war er der Arbeit müde und gönnte sich eine Pause vor dem Schmiedezelt. Er legte sich auf den kühlen, feuchten Boden und beobachtete den Himmel durch das Blätterdach des Waldes. Er konnte die Sonne sehen, wie sie versuchte, sich ihren Weg durch die Wolken freizukämpfen. Wie wir versuchen, uns durch die englischen Reihen zu kämpfen, dachte er. Heute schien die Sonne eine besonders intensive Farbe angenommen zu haben, als wollte sie Ian zeigen, wie schön sie doch war, als hätte er sie nie wirklich beachtet. Plötzlich fühlte er sich ein wenig unbehaglich, trotz des schönen Wetters; und ihm kam das Gefühl, dass er die Sonne nie wieder sehen würde. Traurigkeit umklammerte sein Herz, und er merkte, dass er weinen wollte. Nein. Das durfte er nicht. Schotten weinen nicht. Schottische Krieger noch viel weniger. Ich sollte arbeiten gehen, dann vergesse ich das alles, dachte er.


    Am Nachmittag des 19. September des Jahres 1620, legte Ian McLeery die Arbeit nieder, um sich zu stärken. Er hatte seit dem Morgengrauen nichts mehr gegessen, also musste er, auch wenn er lieber arbeiten wollte, um diese seltsamen Gedanken loszuwerden. Als er auf dem Weg zum Versorgungszelt war, konnte er Steven McBradey sehen, den Befehlshaber des Außenpostens, wie er inmitten eines Pulks von Menschen stand und die Befehle für den Abend verteilte.
    „Heute Abend, zur Dämmerung, wird ein Nachschubkonvoi nahe des Lake McLachlan den Südpass überqueren. Wir werden sie aufreiben und ihre Ausrüstung an uns nehmen. Die erste Gruppe, bestehend aus den McBradies, wird aus dem Wald heraus auf jeden schießen, der einen roten Rock trägt. Die anderen teilen sich in zwei Gruppen. Eine wird vor dem Konvoi warten, die andere hinter ihm. Sobald die ersten Schüsse der ersten Gruppe gefallen sind, werden die anderen beiden Gruppen die Straße abriegeln und die Soldaten töten. Alles muss schnell gehen.“
    Er machte eine Pause, um seine Worte wirken zu lassen und erwartete nun Fragen. Als keine kamen, erhob er wieder das Wort.
    “Wenn dieser Konvoi uns gehört, haben, die Engländer keinen Nachschub mehr für sechs Wochen. Schottland wird wieder uns gehören! Wir werden siegen! Für Wallace!“
    „HURAAA!“ brüllte die Menge.
    „Für Robert the Bruce!“
    Wieder brüllte die Menge.
    „Für die McLeods! Für die McBradies! Für SCHOTTLAND!“
    „JAAA!“
    Euphorische Stimmung lag nun über dem Lager, alle wollten nur noch eines: Engländer erschlagen. Jeder hatte das Gefühl, es mit der gesamten englischen Garde aufnehmen zu können, und kein Schotte würde heute sterben. Selbst Ian ging es ähnlich.
    Ian wurde von Steven McBradey angesprochen, ob er denn die Waffen bereits bearbeitet hatte.
    „Natürlich, Sir.“, antwortete er ruhig.
    „Hey, wir können die Formalitäten stecken lassen, oder, Ian? Alte Hasen wie wir...“
    „Klar, Steven. Wenn das so weitergeht, werden wir bald die einzigen Alten unter Kindern sein.“
    Ein nachdenklicher Ausdruck schlich sich auf McBradey’s Gesicht. „Schätze, du hast Recht. Wir müssen siegen, sonst war alles umsonst. Ohne klare Siege und nur mit den vielen Opfern sieht unsere Zukunft mehr als düster aus. Die jungen Kämpfer spüren das.“
    „Natürlich tun sie das. Es sind Schotten. Die kann man nicht zum Narren halten. Aber Wallace hat etwas in Bewegung gesetzt, was als die Befreiung der Schotten in die Geschichte eingehen sollte. Und ich werde alles daran setzen, vor allem mein Leben, um sein Ziel zu erreichen. Wir müssen den Kämpfern immer wieder vor Augen führen, dass wir für eine gute Sache kämpfen. Einhundert Jahre des Stehlens, Mordens, und der Vergewaltigung dürfen nicht ungesühnt bleiben. Ich glaube genauso wenig an Gott wie Wallace es tat und wie du es tust. Wer weiß, vielleicht glaubt nicht einmal Robert the Bruce an Gott, aber ich weiß, dass unser Ziel ein höheres ist.“
    Er machte eine Pause.
    „Und, mein Freund... Ich werde immer hinter dir stehen.“
    „Danke, mein Freund. Ich weiß das zu schätzen. Du sollst mein Nachfolger sein, sollte ich sterben.“
    Ian lachte laut, während Steven nur einen fragenden Blick aufsetzte. „Was denn?“
    „Hast du das vergessen?“, fragte Ian amüsiert.
    “Heiden können nicht sterben.“
    McBradey lachte kurz und ging, um sich seinen Aufgaben zu widmen. Die Sorge in seinem Gesicht war aber nie wieder gewichen.


    Bald würde die Dunkelheit die Sonne besiegt haben, dachte Ian, als er auf seinem Posten am Berghang, umgeben von Bäumen, auf der Lauer lag. Die Engländer würden den Pass bald erreicht haben, dann würden sie einen kurzen, schmerzlosen Tod sterben, und die Schotten hätten wieder einen Sieg davongetragen.
    „He, Ian.“, flüsterte Bruce Hewing ihm zu. „Vergiss nicht. Wir halten uns den Rücken frei, verstanden?“
    Ian lächelte schwach. „Natürlich, Mann, was glaubst du denn?“
    Er sah sich zu seinen Männern um, die den Konvoi von vorn angreifen sollten. Er gab verschiedene Handzeichen durch, die bedeuteten, dass die Leute nicht in Gruppen, sondern möglichst einzeln hervorstürmen sollten, um ein schwereres Ziel für die Schusswaffen der Engländer abzugeben. Die regulären Truppen waren hervorragende Schützen, einst wie die gefürchteten Langbogenschützen zu Zeiten Edward Longshanks’, die selbst heute noch in Garnisonen verwendet wurden. Es musste verhindert werden, dass die Rotrockträger einfach in die Gruppen schießen konnten, sodass sie schon irgendetwas treffen würden.


    Die Euphorie des Abends hatte längst nachgelassen, zumindest bei Ian. Er beobachtete noch kurz die Sonne, wie sie in einem erstaunlich tiefen Rot den Horizont berührte. Es wirkte beinahe beunruhigend. Er sah noch einmal zu Bruce hinüber, und wieder umklammerte ihn das Gefühl, dass er all das nie wieder sehen würde. Alles war seltsam. Der Nebel schien ungewöhnlich dick, obwohl man noch recht gut hindurchsehen konnte, das Wasser des nahen Lake McLachlan schien ungewöhnlich ruhig, keine Vögel mehr, die zwitscherten, alles war... ungewöhnlich. Ungewöhnlich...
    Ein lautes, unbarmherziges Pfeifen schoss durch Ian’s Ohr, als der erste Schuss fiel, genau neben ihm. Er hatte gar nicht realisiert, dass der Konvoi bereits angekommen war und der Angriff längst begonnen hatte. Noch halb in Trance, feuerte Ian sein eigenes Gewehr, Rauchschwaden schwängerten die Luft, Todesschreie hallten durch den Wald. Dann das Geräusch von Schwertern und Säbeln, die aus Scheiden gezogen wurden, lautes Getrampel und das Kriegsgebrüll. Das laute Schreien, das einem selbst Mut machte und dem Gegner durch Mark und Bein ging. Englische Soldaten sprangen aus den Planwagen, gaben einen Schuss ab und zogen ihre Degen, um sich gegen die schottischen Angreifer zu verteidigen. Ehe er sich versah, stand Ian mitten in dem Gefecht, seine Beine hatten ihn einfach auf die Straße getragen, der Rauch der Musketen und Pistolen nahm ihm die Sicht, doch die erstickten und gequälten Laute der Sterbenden gaben ihm Hinweise auf den Feind, der überall war. Er schwang sein Schwert um sich und stieß auf Widerstand, dann ein Schrei, alles im Bruchteil einer Sekunde, er hörte einen Körper auf den Boden sinken. Um ihn herum schien der Nebel die Farbe des vergossenen Blutes anzunehmen, und plötzlich sah er den Schrecken der Schlacht so deutlich wie nie zuvor in seinem Leben. Schwingende Schwerter, abgetrennte Körperteile, aus fast allen Kämpfern floss Blut, der Boden war vom Blut so aufgeweicht, dass man regelrecht hindurchwaten musste, zudem war das Feld bereits mit Leichen und Sterbenden übersät, es gab fast kein Hindurchkommen mehr. Ian sah Steven, der mit seiner Axt gerade einen Engländer zerteilt hatte, wollte ihm zurufen, doch plötzlich erstarrte Steven und sah ihn mit erschrockenem, leerem Blick an. Er sah an sich hinunter und erkannte, dass ihn eine Kugel aus einer Muskete getroffen hatte, Blut floss in Strömen aus der frischen Wunde, durchtränkte die graue Kleidung des Kämpfers. Er sank auf die Knie, und in dem Moment konnte Ian nur noch zusehen, wie ein Engländer zufällig den Verletzten sah, einmal einen langen Hieb mit einem Säbel durchführte und den Kopf des hünenhaften Schotten von den Schultern trennte.
    „NEIN!“ schrie Ian verzweifelt, doch alles sollte noch schlimmer kommen. Die Engländer gewannen die Oberhand, es lagen mehr tote Schotten als Briten auf dem Feld, und Ian überkam die erschreckende Einsicht, dass diese Schlacht verloren war. Sein Freund war tot. Seine Freunde waren tot. Mitten in diesem Gedanken sah Ian ein Schwert auf sich zu schwingen, im letzten Moment wich er dem Hieb aus, machte einen Ausfallschritt zur Seite und versenkte sein Breitschwert tief in der Brust des Angreifers. Blut lief ihm aus dem Mund, er röchelte und gurgelte, dann fiel er zu Boden. Dann wurde es ruhig. Die Krieger, die Schotten wie die Briten, sahen nach Norden, verwirrt von dem, was sie sahen.

    Eine Kutsche, schwarz wie die Nacht, mit einer Plane, die eben so schwarz war, kam herangefahren, hielt etwa zweihundert Fuß vom Schlachtfeld entfernt. Schwarzgekleidete Männer, allesamt groß und kräftig, sprangen von der Kutsche. Es waren nur zehn, und die anderen fragten sich unwillkürlich, was das zu bedeuten hatte.
    Die Männer von der Kutsche wirkten bedrohlich. Alle trugen einen langen, schwarzen Mantel, einen Dreispitz auf dem Kopf und waren vermummt. Alle strahlten eine Aura der Dunkelheit aus, die man beinahe spüren konnte.
    Dann stürmten sie los.


    Mit unglaublicher Geschwindigkeit näherten sich die dunklen Männer Ort der Schlacht und griffen ohne Vorwarnung an. Sie zogen Stäbe, Langschwerter und Dolche und stürzten sich wortlos in den Kampf. Sie griffen alle an, jeder war ihr Ziel, kein Unterschied zwischen Schotte oder Engländer. Sie kämpften mit einer Eleganz und einer Geschwindigkeit, als hätten sie Jahrhunderte lang nichts anderes getan, als Schlachten zu schlagen. Sie agierten so schnell, dass man nicht einmal mehr die Todesschreie ihrer Opfer hören konnte. Einige griffen mehrere Kämpfer gleichzeitig an und setzten sie mit gekonnten Kombinationen aus Schlägen, Tritten und ihren Waffen außer Gefecht. Einer der schwarzen Kämpfer, so musste Ian beobachten, stieß einen langen Kampfstab in den Boden, sodass dieser aufrecht stand; der Kämpfer fasste den Stab, schwang sich seitwärts an ihm herum und stieß einen Engländer mit unglaublicher Wucht zu Boden. Als der dunkle Mann wieder auf dem Boden stand, zog er den Stab aus dem Boden, sprang hoch in die Luft und versenkte den Stab samt Schaft in der Brust des Verletzten, der nur noch aufkeuchte und dann erstarrte. Ein anderer der unbekannten Angreifer zog zwei Dolche und parierte damit den Angriff von Bruce Hewing’s Breitschwert. Ian dachte, er könne seinen Augen nicht trauen. Eine solch schwere Waffe mit zwei einfachen Dolchen pariert... Doch damit nicht genug: Der schwarze Krieger wirbelte herum, warf sich in die Luft und schleuderte seinen Körper in Bruce’s Richtung, traf ihn mit beiden Beinen im Gesicht und schleuderte den Hünen von den Füßen. Bruce richtete sich blitzschnell auf und warf ein Messer nach dem Angreifer. Dieser, noch immer in der Luft, fing das Messer auf und warf es zu Boden, dabei verlor er einen seiner Dolche, doch zog stattdessen ein Langmesser, landete elegant auf dem Boden und stellte sich neben Bruce’s Kopf. Hewing rollte zur Seite und schwang sein Schwert hinter sich her, doch der Feind hatte diese Bewegung vorausgesehen, sprang zur Seite und warf das Langmesser in Hewing’s Brust. Er schrie, zog das Messer heraus und stellte sich wieder hin. „Komm schon, Arschloch!“, brüllte er.
    Der andere, völlig unbeeindruckt, drehte sich um und machte Anstalten, zu gehen. Hewing würde wütend über diese Beleidigung, rannte los, das Schwert in der Hand. Dann blieb der Gegner stehen, hockte sich hin, sprang auf und vollführte eine Rolle in der Luft, stand plötzlich auf Hewing’s Schultern. Völlig überrascht blieb Hewing stehen. Dies sollte sein letzter Fehler gewesen sein. Der andere ließ sich nach hinten fallen, zog Bruce’s Kopf mit sich herunter, und als er mit dem Rücken den Boden berührte, zog er die Beine nach hinten, wodurch Hewing weit geschleudert wurde und hart auf dem kalten, feuchten Boden landete. Der Schwarze Mann rollte sich ab, sprang erneut nach oben, diesmal mit einem Rückwärtssalto, zog in der Luft einen weiteren Dolch und stürzte auf den Schotten zu.
    Das Silber des Dolches glänzte im sanften Mondlicht, während es sich in den Hals Hewing’s fraß. Mit starrem Blick und offenem Mund lag der Riese am Boden. Besiegt von einem Mann, der viel kleiner war als er. Der Mann mit dem Dreispitz klopfte sich die Kleidung ab und rannte auf den nächsten Gegner zu. Und immer wieder fielen die Krieger zu Boden, tot oder verletzt. Und wer nicht das Glück hatte, gleich zu sterben, wurde von den Männern kalt und brutal getötet.
    Doch jedes Mal, wenn Ian jemanden angreifen wollte, wurde er nur auf den Boden geschleudert. Nicht verletzt, nicht angegriffen, nicht getötet. Nur weggestoßen, als würden die dunklen Gestalten mit ihm nicht kämpfen wollen.
    „Verdammt!“, rief Ian. „Kämpft mit mir!“
    Wieder versuchte er, einen der Unbekannten anzugreifen, holte weit mit dem Schwert aus. Der Gegner duckte sich unter dem Hieb weg, ohne dass er ihn hätte kommen sehen können und stieß Ian mit einem seitlichen Tritt von den Füßen.
    Wenige Sekunden später war alles vorbei. Ian, von den Tritten und Schlägen angeschlagen, sah auf und erkannte die Gestalten mit ihren dreizackigen Hüten und den langen Mänteln. Um ihn herum... Leichen, er erkannte alle seine Kameraden wieder, sie waren alle tot. Er sah wieder auf und bemerkte, dass die Angreifer nicht eine Spur von Erschöpfung zeigten. Sie standen um ihn herum und sahen ihn an. Er war eingekreist. Ohne Möglichkeit zur Flucht. Die Stille war noch lauter geworden. Er hörte kein Atmen, nur sein eigenes, ersticktes Keuchen. Wut stieg in ihm auf. Wut und Angst und Hass, alles vereint in einem Menschen, einem Schotten und bereit, losgelassen zu werden. Er sprang auf, nahm ein Schwert, das neben ihm lag – es war sein eigenes – und stürmte auf einen der Männer zu. Ohne Anzeichen wich der Mann Ian’s Attacke aus und beförderte ihn zu Boden. Ein anderer trat aus der Reihe heraus und stellte sich vor Ian’s Kopf. Ian konnte nur die Stiefel sehen, erkannte aber, dass dies keine englischen waren, auch keine schottischen. Sie mussten vom Festland stammen... Dann wurde es dunkel um ihn...


    Licht... Dunkelheit... Licht... Dunkelheit... Stille... Kerzenlicht... ein Mann... Jahrtausende vergehen... Eine Kreatur... Blut... Kerzenlicht... Ein langer Mantel.... Blut... Der Mann steht da... trägt einen Mantel... muss alt sein... sehr alt... vor ihm kniet ein... ein... etwas... es blutet... vor ihm eine Schüssel... vielleicht Kupfer... noch mehr Blut... das Ding blutet in die Schüssel... der Mann trinkt aus dem Kelch... Stichwunden in dem Ding... Ist das Blut, was er trinkt? Wo bin ich?


    Dann sah Ian sein Leben an sich vorüberziehen. Sommer in den Highlands, zusammen mit den Kindern der Gemeinde nahe dem Lake McLachlan, seine Eltern, seine tote Mutter, dann eine schöne Frau, mit der er eine Nacht verbrachte, dann der Tod... der Krieg, die Freunde, die starben, dann Dunkelheit.


    Mitten in der Dunkelheit stand Ian. Vor sich sah er eine Tür, hinter sich konnte er gleißendes Licht ausmachen, das so hell war, dass er nicht hineinsehen konnte.
    Die Tür... da war etwas an dieser Tür... Krieg stand auf ihr, nicht in Worten, aber Ian konnte es fühlen. Doch auch Freunde standen hinter dieser Tür, die Chance war ein Teil dieser Tür. Und hinter ihm... Wärme, Frieden, das Gefühl, etwas getan zu haben, alles getan zu haben, was möglich war. Von diesem Zwiespalt überwältigt, stand Ian einfach nur da und sah sich um. Wärme und Behaglichkeit, Zufriedenheit. Krieg, aber Freunde und Chancen... Ian öffnete die Tür...


    Plötzlich schien sich das Innerste der Welt nach außen zu kehren, aus völliger Dunkelheit wurde Licht, dann sah er ein edles Fresco wie auf Pergament gezeichnet, das sich urplötzlich näherte und als Ian fast daran stieß, entfernte es sich wieder und wurde zu einem echten Fresco. Ian lag auf einem Bett. Nicht gefesselt. Neue Kleidung schmückte seinen Körper. Nicht mehr die Kriegerkluft mit Lederwams und schweren Stiefeln. Er trug jetzt eine Weste aus feinem Zwirn, ein Rüschenhemd, eine Samthose, die bis zu den Knien ging und dazu passende Schuhe mit einer großen Schnalle als Verschluss.
    Als er realisierte, dass er noch lebte, überkam ihn ein Gefühl... ein Gefühl des Hungers, des Durstes... Irgendetwas dazwischen, aber unglaublich stark. Ein Geruch, süßlich und bitter zugleich, strömte in seine Nase. Es war ein unheimlich erregender Geruch, der Verlangen in Ian weckte, so sehr, dass man verrückt werden konnte. Das Stöhnen mehrerer Menschen, auch das Ian’s, erfüllte den Raum.
    Wo bin ich?

    Malakai, Clan Toreador
    Chronik Berlin

    [size=2]"Bela Lugosi ist tot - Ich bin es auch. Aber was von Bela übrig ist, verrottet irgendwo in einem Eichenholzsarg, während ich Gelegenheit habe, hier auf dem Balkon zu sitzen, etwas Gutes zu trinken und dich anzuschauen. Korrigiere mich, wenn ich mich irre, aber ich nehme an, das ist die bessere Alternative."[/size]

  • Hallo!


    Ääähm ich blick da grad nicht so durch aber ist das jetzt noch ne fortsetzung!?? :confused: ich sammel mir das nämlich alles damit mir am schluss nichts von der geschichte fehlt!!


    MfG Caro

  • TangaGirly
    Nein, das is ne neue Geschichte. Ich schreib grad an mehreren rum. Wahrscheinlich wird die neue Geschichte schneller vorankommen, da ich sie direkt aus einem Rollenspiel ziehe, während ich mir die andere aus den Fingern sauge.

    Malakai, Clan Toreador
    Chronik Berlin

    [size=2]"Bela Lugosi ist tot - Ich bin es auch. Aber was von Bela übrig ist, verrottet irgendwo in einem Eichenholzsarg, während ich Gelegenheit habe, hier auf dem Balkon zu sitzen, etwas Gutes zu trinken und dich anzuschauen. Korrigiere mich, wenn ich mich irre, aber ich nehme an, das ist die bessere Alternative."[/size]

  • Malakai


    Ahsoooooo! jetz kapier ichs! aber musst dann immer schön schreiben zu welcher geschichte dann das gehört was du neu reintust sonst komm ich ja voll durcheinenander! ich hab ja sogar die erste noch nicht mal durch !Komm einfach nicht dazu weiter zu lesen! naja! viel spaß noch beim weiter schreiben! :)


    bis dann
    Caro

  • Vampires of the Old World


    Kapitel II


    Geheimnisse




    „Ein wunderschöner Morgen, nicht wahr, Vater?“
    Die Sonne hatte sich erst kurz von der Umarmung des Horizonts gelöst und leuchtete golden am Himmel über Berlin, am Morgen des 19. September 1620. Es war ein wirklich schöner Morgen; wolkenlos, in einem so wunderschönen Blau, dass man darauf neidisch werden konnte.
    Theresa von Mindenbrück stand am großen Fenster des Arbeitszimmers ihres Vaters, des Herzogs von Berlin und beobachtete die aufgehende Sonne. Ihr kastanienbraunes Haar leuchtete golden, als die ersten Sonnenstrahlen mit den Strähnen spielten. Ihre grünen Augen nahmen ein Leuchten an, dass an die Reflektion von Licht in Wasser erinnerte.
    „Ja, mein Kind, es ist ein wahrlich schöner Morgen.“
    Doch es klang nicht fröhlich. Ein wehmütiger Unterton lag in der Stimme des Herzogs von Berlin.
    „Oh, Vater, warum so traurig? Ich weiß, dass der Krieg nicht leicht ist, aber wir können doch nicht das Leben vergessen, wo es so viel Tod gibt, oder? Sei unbesorgt, es wird wieder besser werden, dessen bin ich mir sicher.“
    Ein Lächeln trat auf das Gesicht Heinrich. „Das ist meine Tochter. Immer nach vorn, und immer wird alles besser... Niemals will ich dich verlieren, mein Kind.“
    „Oh, Vater“
    Sie umarmten sich herzlich, dann trat sie wieder zurück. „Ich widme mich dann wieder meinen Studien, mein Herzog.“
    Sie lächelte. Er auch.
    „Tut dies, ehrenwerte Dame des Hauses Mindenbrück.“
    Und damit zog sie sich in ihre Kammer zurück.
    Ihr Dozent erwartete sie bereits, als sie ihre Gemächer betrat. Alles war in Ebenholz gehalten, die Möbel, die Wandtäfelungen und die Fenstersimse, allesamt aus dem edlen Gehölz, das sich ein normaler Bürger nie leisten konnte. Der Boden war mit ebenso dunklem Parkett ausgelegt, auf Theresa’s Wunsch hin, da sie die dunklen Farben bevorzugte.
    „Willkommen, Theresa.“, sprach der hoch gewachsene Mann mit dem kantigen Kinn und schwarzen, kurzen Haaren. Es war der Lehrer, Karl von Bruckfeldt, der ihr alle Dinge beibrachte, die sie zu wissen für nötig hielt, natürlich nicht ohne den Einfluss ihres Vaters. So waren es Themen wie Theologie, Sprachen, Mathematik, Physik oder Politik, die er Theresa näher brachte. Ihr eigentliches Interesse lag jedoch tiefer, in der Dunkelheit. Sie interessierte sich für die Dinge, die andere verachteten oder verboten waren: Okkultismus. Das Unbekannte. Das Ungesehene. Das, was andere als Aberglaube abtaten, und wieder andere als Blasphemie und Ketzerei bezeichneten und verurteilten. Daher redete sie mit niemandem darüber, auch nicht mit ihrem Lehrer, schon gar nicht ihrem Vater. Sein Einfluss war zu groß, als dass so etwas ans Tageslicht geraten durfte. Das wäre das Ende seiner Karriere, wahrscheinlich sogar das Ende der Mindenbrücks. Das wusste sie. Sie war vielleicht anders als die anderen, aber nicht dumm.
    „Einen guten Morgen wünsche ich, Karl. Ich hoffe, ihr hattet eine angenehme Nacht.“
    „Das hatte ich, Madame. Können wir beginnen?“
    „Selbstverständlich, lasst mich nur etwas frisch machen.“
    Er nickte, und Theresa begab sich in das Badezimmer.


    Nach sechs Stunden des Studiums der verschiedensten Aspekte der englischen Sprache unterbrach Theresa den Unterricht.
    “Ich denke, wir können morgen weitermachen, nicht wahr, Karl?“
    Er schaute etwas verunsichert, da Theresa den Unterricht nie so früh beendet hatte, stand dann aber auf und machte Anstalten, die Bücher, die er immer bei sich hatte, wieder einzupacken.
    „Ja, Madame, ich glaube auch, dass es für heute genug war.“
    Dann verließ er wortlos das Zimmer. Theresa sah ihm noch kurz nach, dann ging sie zu ihrem Kleiderschrank und suchte ihren schwarzen Kapuzenmantel, den sie immer trug, wenn sie zu ihrer alten Freundin ging.
    Sie verließ das Herrenhaus ihres Vaters durch den Dienstboteneingang, um nicht gleich gesehen zu werden. Johann, ihr persönlicher Diener, erkannte sie in ihrem Mantel; er hatte sie jedes Mal zu der alten Frau gebracht, wenn sie es wünschte, und jedes Mal hatte er Stillschweigen bewahrt. So würde er es auch am heutigen Abend tun.


    Als die Kutsche losfuhr, überkam Theresa von Mindenbrück eine dunkle Vorahnung. Sie sah hinaus zu der Sonne, die hoch am Firmament stand, so hell und golden, wie sie es nur auf Ölgemälden möglich war. Irgendwie schien es ihr, als würde sie diese Sonne nie wieder sehen.
    Die Kutsche wackelte auf dem holprigen Pflasterweg, der die Herzogstochter vom Herrenhaus weg ins Stadtzentrum brachte, eine unangenehme Fahrt, jedes Mal aufs Neue, dachte Theresa, aber diese Strapazen war die Reise immer wieder wert.


    Mit einem leichten Satz sprang Theresa aus der Kutsche und landete auf weichem, ungepflasterten Boden. Das Haus von Unorna, der Kräuterhexe der Stadt, war nur zwei Straßen entfernt, der kurze Fußmarsch war nötig, da der Laden ziemlich versteckt zwischen einem Bäckerhaus und einem kleinen, steinernen Wohnhaus lag, fast schon auf dem Hinterhof, sodass man wissen musste, wo er war, sonst hätte man ihn nie gefunden.
    Theresa dankte dem Diener noch und bat ihn, in einer kleinen Ecke auf sie zu warten, wie er es immer tat. Er nickte stumm und ritt weiter. Madame von Mindenbrück machte Anstalten, zum Kräuterladen zu gehen. Als sie die ersten Schritte getan hatte, glaubte sie, beobachtet zu werden. Ein unbestimmtes Gefühl der Nacktheit machte sich in ihr breit und ließ sie nicht los. Als sie die Leute auf der Straße ansah, merkte sie, dass ihr Gefühl mehr mit der Realität zu tun hatte, als ihr lieb war. Bisher hatte sie hier niemand erkannt, und das war auch gut so. Doch heute sahen die Bürger der Stadt sie an. Sie sahen sie nicht nur an, sie starrten regelrecht. Eine alte Frau, die gerade Wäsche von der Leine nahm, hielt inne, drehte sich langsam um und sah Theresa direkt in die Augen. Ein Blick voller Verachtung, Unwohl wäre wohl das Wort, das den Gemütszustand Theresa’s am ehesten beschreiben konnte. Sie lief schneller, doch die Blicke folgten ihr unablässig, und sie erwischte sich bei dem Gedanken, wie die Leute Eier und Tomaten nach ihr warfen, oder noch schlimmer, dass jemand sie offen angriff, um das Leid und die Schmerzen des Krieges zu sühnen, für das ihr Vater mitverantwortlich war. Sie war überglücklich, als sie das Kräuterhaus endlich erreicht hatte und die Tür hinter sich schloss. Sofort stiegen verschiedenste Gerüche in ihre Nase, unbestimmbare, doch wohl bekannte Düfte der verschiedensten Kräuter, Salben und Tränke, die Unorna zubereitete. Theresa kannte einige dieser Früchte aus den Gesprächen mit der Kräuterhexe, doch die meisten waren wie ein gut gehütetes Geheimnis.
    Wände und Decke des Lädchens waren nicht mehr als alte, morsche Holzdielen, doch sie gaben ihm etwas Gemütliches, Angenehmes. Überall hingen Kräuter, Wurzeln und Alraunen von der Decke, in den vielen Regalen befanden sich Becher und Fläschchen mit Flüssigkeiten in allen erdenklichen Farben, einige blutrot, andere Grün wie Gift, und wieder andere Blau wie das Meer, und jede hatte ihren eigenen, fremdartigen Geruch. Leinenkissen mit Salben für verschiedenste Zwecke lagen auf einem Tisch, auf jedem ein Stück Pergament, das den Inhalt und die Wirkung anzeigte. Eins gegen Rückenschmerzen, eines gegen Fieber und Erkältungen, ein anderes... für die Liebenden, so stand es auf dem Pergament.
    Gerade, als Theresa dieses sonderbare Kissen aufheben und daran riechen wollte, trat Unorna aus dem Hintergrund in den Laden.
    Theresa erschrak, als sie die Hexe sah, beruhigte sich jedoch sofort wieder. Doch irgendetwas ließ ihr Unbehagen dennoch bestehen... Genau! Der Blick! Unorna sah sie an, als hätte sie einen Geist gesehen, einen wahrhaftigen Geist. Dann lächelte sie, wie sie es immer tat, wenn Theresa zu ihr kam. Ihr Gesicht war ein Meer von Falten, und ihr Lächeln war das einer sehr weisen, alten Frau, immer mit einer verschmitzten Note, was Unwissende schnell als Senilität auslegen mochten.
    „Mein Kind! Es ist schön, dich wieder zu sehen. Lass dich umarmen.“
    Sie breitete ihre alten, knöchrigen Arme, die unter einem großen, schwarzen Tuch verdeckt waren, aus und umarmte Theresa.
    „Es freut mich auch. Sag, Unorna, meine alte Freundin, kannst du mir die Karten legen?“
    „Warte einen Augenblick, setz dich doch schon an den Tisch, ich komme gleich.“
    Unorna verschwand kurz hinter einer kleinen Trennwand, brabbelte etwas vor sich hin, das Theresa nicht verstand und kam wieder. Sie breitete die Tarotkarten aus und forderte die Herzogstochter auf, ihre fünf Karten zu nehmen.
    Sie legte einen schwarzen Mond, eine dunkle Gestalt in der Nacht, ein Schloss, die Karte der Liebe und die Karte des Todes, das Skelett mit der Sense.
    „Diese Karten ergeben doch keinen Sinn, Unorna. Ich werde sie neu legen.“
    Doch Unorna’s Blick war starr auf die Karten gerichtet. Sie sah etwas, was sich dem Verständnis der anderen Menschen entzog.
    „Eine Veränderung wird kommen, Kind. Ein Mann wird in dein Leben treten und alles verändern.“
    Theresa’s Stimmung erhellte sich. Ein Mann wird in mein Leben treten, dachte sie. Endlich. Seit ihre Mutter bei der Totgeburt ihres Bruders starb, hatte sie sich so sehr nach einer eigenen Familie gesehnt, dass diese Sehnsucht sie oftmals zu verzehren drohte. Und jetzt hatte sie die Chance dazu, einen Mann kennen zu lernen, den sie lieben und ehren konnte, mit dem sie ihr Leben verbringen konnte.
    „Ich weiß, wie sehr du dich nach der Liebe sehnst, mein Kind. Doch das, was ich hier sehe, ist weniger Liebe denn Leidenschaft. Und dieser Mann... er will etwas von dir, doch... ich kann es nicht sehen... Warte!“, sie schreckte auf.
    „Heute früh kam ein Mann zu mir, er hieß... warte... Nikolai von Bürgenstedt, und er sagte, er würde dich gern kennen lernen, da er Dinge weiß, für die du dich interessierst... Ja, das hat er gesagt, und ich vertraute ihm, ja, denn er war vertrauenswürdig. Ich sagte ihm, dass ich ein Treffen arrangieren würde, nur für dich und ihn, in seinem Haus in der Nähe von Potsdam, ich habe eine Karte hier, dort kann ich es dir zeigen, Kind.“
    „Moment, Unorna, das geht mir ein wenig zu schnell.“
    Theresa war völlig überrascht von dem plötzlichen Redeschwall der alten Frau, konnte ihre Begeisterung für das Interesse dieses geheimnisvollen Mannes jedoch nur schwer verbergen. „Woher wusste er, dass ich hier sein würde? Ich meine, er verfolgt mich doch nicht, oder?“
    „Nein, mein Kind, aber er weiß viele Dinge, die selbst ich nicht weiß, und dies Wissen ist er gewillt, mit dir zu teilen. Er will dich noch heute Abend sehen, um neun Uhr. Geh zu ihm hin, und er wird dich lehren.“
    „Oh, danke, Unorna, ich danke euch.“
    „Doch seht euch vor, der Mann... ich kann nicht sehen, was seine Ziele sind... Hier...“ Sie zog ein kleines Beutelchen aus der Tasche, das mit roten Edelsteinen besetzt war. „Das ist ein Erbstück meiner Familie aus den slawischen Landen. Es möge dich beschützen, mein Kind.“
    Die junge Frau nahm das Beutelchen entgegen und hielt es sich vor die Augen. Es war ein winziges Leinensäckchen, die kleinen, geschliffenen Edelsteine funkelten wie Feuer im Kerzenlicht der Kräuterstube. „Ich danke dir, Unorna.“, sagte Theresa, setzte ihre Kapuze wieder auf und ging ohne weitere Worte.
    „Johann, bitte bring mich zum alten Herrenhaus von den Jevermanns.“
    „Die wohnen doch schon seit langem nicht mehr dort, oder?“
    „Jemand anderes wohnt jetzt dort. Ich möchte mich mit ihm treffen.“
    Der Junge nickte ihr noch kurz zu und setzte sich dann auf den Kutschersitz.
    Als sie losfuhren, war die Sonne gerade im Begriff, unterzugehen, und Madame von Mindenbrück, beobachtete sie, als hätte sie die Sonne noch nie so untergehen sehen.
    Mit einer Farbe, als hätte sie jemand wahrhaftig mit Blut bestrichen, verließ die Sonne langsam den Himmel, der sich mehr und mehr verdunkelte und unheilvolles zu verkünden schien. Theresa wurde unwohl unter diesen Eindrücken, die sich ihr während der Fahrt boten und zog die Gardinen, die an den Fenstern angebracht waren, zu, um den Himmel nicht mehr sehen zu müssen. Doch die Gedanken vertrieb das nicht. Sie hatte das unbestimmte Gefühl, dass Unorna mehr Recht hatte, als es ihr lieb sein mochte. Eine Angst machte sich in ihr breit... Auch eine Art Trauer... Es war, als würde sie eine solche Reise zum letzten Mal antreten. Humbug, dachte sie. Ich glaube zwar an Übernatürliches, doch abergläubisch bin ich doch nicht, oder? Nein, ich bin nicht abergläubisch. Oder?


    Als sie ankamen, sah sie das Anwesen, das sie in ihrem Leben erst ein einziges Mal besucht hatte, wieder. Sie war damals neun Jahre alt gewesen, daher konnte sie sich nur noch an das Äußere des Hauses und ein paar kleine Einzelheiten erinnern, aber schon damals schien das Haus nicht so groß zu sein wie heute. Es schien auch etwas auszustrahlen... so etwas wie... Dunkelheit. Wer weiß? Vielleicht lag das aber auch daran, dass nur das erste Stockwerk beleuchtet war. Nicht aufregen, Theresa. Du bist schließlich erwachsen und weißt, dass es keine Geister gibt.
    Hätte sie gewusst, wie sehr sie sich irrte, hätte sie das Haus wahrscheinlich nie betreten...


    Ein Diener russischer Herkunft, er stellte sich als Jakov vor, öffnete die Tür der Kutsche. Er hielt ein Kandelaber in der Hand, wie er von den Juden hergestellt wurde. Er lächelte die ganze Zeit und redete immer in diesem schwer verständlichen russischen Akzent.
    „Ich grüße euch, Madame von Mindenbrück. Herr von Bürgenstedt erwartet Euch bereits. Er wartet im Speisesaal. Ich werde euch hinführen.“
    „Danke, Hofdiener.“
    Mit scheuem Blick sah sie zu Johann hin. Er verstand sofort. Er lenkte die Kutsche auf einen dafür vorgesehenen Stellplatz, sprang vom Sitz herunter und ging an den Hinterteil der Kutsche. Dort öffnete er eine kleine Klappe, hinter der eine Muskete und ein Rapier versteckt waren. Als er gerade nach der Muskete greifen wollte, spürte er eine Hand auf seiner linken Schulter. „Lass die liegen, die brauchst du nicht.“, sprach eine unbekannte, dunkle Stimme.
    Der Diener drehte sich um und erblickte ein vermummtes Gesicht, einen Dreispitz als Kopfbedeckung, doch dann... Der Fremde holte ruckartig aus, stieß den Diener zu Boden und rammte ihm einen Dolch in sein Herz. Der röchelte noch kurz, dann verließ ihn das Leben.
    Dies sollte Theresa von Mindenbrück nie erfahren.
    Sie betrat im Beisein des Dieners den Eingangssaal. Er war kunstvoll ausgeschmückt mit barocken Techniken, der Boden war kreisrund und marmoriert, in verschiedenen Grün- und Rottönen, aber sehr dunkel gehalten. Die beiden Treppen, die - ebenfalls in Kreisform – in das zweite Stockwerk führten, waren in Purpur gehalten, aber ebenfalls schwarz marmoriert, sodass sie eine vorherrschende Dunkelheit verbreiteten. Genau zwischen den Treppen mit den breiten, steinernen Geländern, befand sich eine breite, zweiflüglige Tür, die offen stand. Im Innern war nur ein Tisch zu sehen, reich gedeckt mit verschiedensten Köstlichkeiten dieses und anderer Länder. Der Rest war dunkel. Theresa konnte das Knistern eines Kamins vernehmen, außerdem den Geruch von verbranntem Holz. Sie trat ein und sah den Kamin, doch er war verdeckt durch einen großen, schweren Sessel, hinter dem Rauch hervorquoll. Sie sah nur die Rückseite des Sessels und konnte nicht erkennen, ob jemand auf ihm saß. „Tretet ein, Madame.“, sagte die Person, die offensichtlich auf dem Sessel saß.
    „Bitte? Oh, natürlich.“, entgegnete die Herzogstochter und stellte sich neben den Tisch. Sie erwartete natürlich, dass sich der Mann zu erkennen gab. Doch das tat er nicht.
    „Ich habe viel von euch gehört, Theresa von Mindenbrück.“
    Während er sprach, verstummte der Rauch, der hinter dem Sessel hervorquoll, für kurze Zeit, kam dann aber gleich wieder zum Vorschein.
    „Habt Ihr das?“
    „Ja.“
    Die Stimme klang beherrscht und höflich, aber mit einem Unterton, der herausfordernd war. Offenbar wollte er sie dazu bringen, ihm zu erzählen, warum sie eigentlich hier war.
    „Nun, ich hörte auch Dinge über euch, Herr von Bürgenstedt.“
    „Hörtet Ihr? Ich hoffe, nur Gutes. Es ist so schwer, sich einen Ruf aufzubauen und diesen zu halten, nicht wahr?“
    „Wovon redet ihr?“
    Er drehte den Sessel und offenbarte sein Gesicht. Im Sessel saß ein Mann von mehr als mehr als sechs Fuß Größe, mit langen, schwarzen Haaren saß dort nun vor ihr. Seine Augen stahlblau und der Blick wie der eines Mannes, der schon alles auf der Welt gesehen hatte, den nichts mehr überraschen konnte. Theresa stand eine Weile still da und bewunderte nur, was sie dort sah. Oder ist es doch der Mann für mein Leben?
    „Nun, ich rede von der Unbeständigkeit. Wäre es nicht schöner, wären manche Dinge für ewig?“
    „Selbstverständlich. Doch alles ist unbeständig. Alles vergeht.“
    „Und wenn ich euch sage, dass das Leben unendlich lang sein kann?“
    „Dann würde ich euch nicht glauben.“
    „Warum nicht? Ihr seid doch die, die an das Übernatürliche, an das Unglaubliche glaubt, nicht wahr?“
    Sie überlegte. Offenbar hatte diese Person auf jede Frage eine Antwort. Also musste sie ihn überraschen. „Was sagt ihr denn zur Unsterblichkeit?“
    Er zuckte kurz. Gewonnen, dachte Theresa.
    „Nun, Madame. Was würdet ihr dafür tun, unsterblich zu sein?“
    „Eine ganze Menge. Doch ihr habt meine Frage noch nicht beantwortet.“ Du willst dich doch nur rausreden, Freund. Aber nicht mit mir.
    „Oh, ich dachte, das hätte ich bereits.“, entgegnete der andere in einem Ton, als würde er sich wie ein Schüler darüber beschweren, dass ihn der Lehrer für einen Fehler getadelt, der keiner war.
    Dies brachte die selbstsichere Dame ins Wanken. Wovon redet er?
    „Nun seid Ihr dran, Madame. Was würdet ihr tun, um unsterblich zu werden?“
    Sie zögerte. „Ich weiß nicht.“
    „Würdet Ihr euren Vater verlassen?“
    „Niemals!“, erwiderte sie entschlossen. „Nie könnte ich meinen Vater im Stich lassen. Warum wollt ihr das wissen?“
    Wut schwang in ihrer Stimme mit. Doch der Fremde, wie er ihr vorkam, blieb völlig unbeeindruckt.
    „Madame, ich biete euch die Unsterblichkeit. Als Gegenleistung muss sein, dass Ihr Euren Vater nie wieder seht. Es ist Eure Entscheidung, doch lasst euch gesagt werden: Ohne ihn habt Ihr weit mehr Einfluss als jetzt.“
    „Nein. Das kann ich nicht tun. Außerdem... Unsterblichkeit? Habt Ihr getrunken?“
    Er stand auf und bewegte sich auf sie zu. Jetzt sah sie, dass er einen Gehrock trug, Stiefel mit blankgeputzten Schnallen und eine Weste aus feinstem Zwirn, darüber einen langen, schwarzen Mantel.
    Er bewegte sich langsam, mit forderndem Blick auf sie zu, woraufhin sie zwei Schritte zurückwich.
    „Ich glaube, es ist besser, wenn ich jetzt gehe.“, sagte sie mit bebender Stimme.
    „Oh ja, natürlich, Madame. Wenn Ihr müde seid.“, antwortete Nikolai von Bürgenstedt gelassen. Dann spürte Theresa, dass jemand hinter ihr stand. Sie drehte den Kopf zur Seite und entdeckte zwei große, dunkle Gestalten mit dreizackigen Hüten hinter sich. Einer von denen fasste ihr an den Hals, sie spürte ein leichtes Zwicken, wich aus und stand fast neben ihnen.
    „Bringt mich nach Hause!“, forderte sie energisch.
    „Aber sicher, Madame von Mindenbrück.
    Die Worte klangen weit entfernt für Theresa, als hätte er sie nicht ausgesprochen, sondern jemand in einem anderen Raum.
    „Ich werde sie natürlich gern zu meinem Meister bringen.“
    Ihre Knie wurden weich und schwach, sie hatte das Gefühl, dass sich die Welt drehte. „Nein, nicht zum Meister... Nein, ich will... nach Hause.“
    „Gewiss, Madame, keine Sorge. Mein Meister wird sich um euch kümmern.“
    Dann wurde Theresa schwarz vor Augen.


    Wie schon bei Ian McLeery, so zog auch an Theresa von Mindenbrück das Leben in Sekundenschnelle vor ihrem geistigen Auge vorbei. Sie sah ihre Mutter, ihren Vater, viele Städte, die sie in ihrem Leben bereist hatte, Berlin, Potsdam, Krieg, den Tod ihrer Mutter, dann ihren eigenen.


    Auch sie sollte den Mann im schwarzen Gewand sehen, vor ihm diese blutende Kreatur, deren Lebenssaft sich in einer Kupferschale sammelte.


    Und die Jahrhunderte schienen in Minuten zu vergehen.


    Und auch sie stand vor einer Entscheidung. Vor ihr lag, auf einem Podest, ein aufgeschlagenes Buch, das, obwohl sie die Schrift nicht entziffern konnte, Wissen verbarg. Arkanes Wissen, das Wissen von Jahrhunderten. Auf einem Bild im Buch sah sie plötzlich das Gesicht ihres Vaters; er lächelte, wie es in den letzten Monaten immer seltener wurde.
    Doch hinter ihr... Licht... Gleißendes Licht, Wärme und Geborgenheit. Sie hörte die Stimme ihrer Mutter und wurde wehmütig. Sie hatte ihre Mutter verloren, als sie sieben Jahre alt war, und wünschte sich nichts mehr, als sie wieder sehen zu können.
    Meine Mutter ist tot. Mein Vater nicht. Das Wissen lebt. Und ich...
    „Tut mir Leid, Mutter. Ich liebe dich.“, sagte sie dann und berührte das Buch.
    Das Bild ihres Vaters wurde zu einem schön gearbeiteten Fresco auf Pergament, dann schnellte das Bild hervor, erfüllte ihre Sicht, um sich sofort wieder zurückzuziehen und einem echten zu weichen.


    Sie lag auf einem Bett. Schwäche durchzog ihre Glieder, ein unnachgiebiger Hunger bohrte sich erbarmungslos wie ein Fallbeil durch ihren Magen. Es war aber kein Hunger... Es war... Durst... oder etwas ähnliches, doch so stark, als hätte sie nie in ihrem Leben etwas gegessen. Sie konnte ja nicht ahnen, wie Recht sie hatte...

    Malakai, Clan Toreador
    Chronik Berlin

    [size=2]"Bela Lugosi ist tot - Ich bin es auch. Aber was von Bela übrig ist, verrottet irgendwo in einem Eichenholzsarg, während ich Gelegenheit habe, hier auf dem Balkon zu sitzen, etwas Gutes zu trinken und dich anzuschauen. Korrigiere mich, wenn ich mich irre, aber ich nehme an, das ist die bessere Alternative."[/size]

  • *hochschieb* Respekt Malakai, deine Geschichten sind toll. Freu mich auf die Fortsetzung!

    [center][SIZE=2]
    Though it's been a while now,
    I can still feel so much pain,
    like a knife that cuts you.


    The wound heals,
    but the scar, that scar remains
    [/SIZE][/center]

  • So, bin endlich wieder da! :)
    Also neeeeee malai, des gibts ja net- in etwa zwei monaten nur eine fortsetzung, also neeeee, also sowas, also........ :motz ;)
    Aber vielleicht les ich mir (zum trost) mal die andern beiden geschichten durch. gehören die eigentlich zusammen? oder sind das zwei verschiedene?
    Aber ich bin auch nich besser: Ich will seit etwa 3 monaten auch ne vampirstory schreiben, und hab noch nichma angefangen! :D *lol*
    Hab in meiner "zwangspause" ne mafia-geschichte geschrieben (kriegt ihr aba nich zu lesen:p), und eine andere geschichte angefangen, aber die wird eh nie wer zu lesen kriegen, weil sie
    a) bei meinem tempo eh nie fertig wird und
    b) einige doofe formulierungen und so dabeisein werden, die soll keiner lesen
    Ist also nur ne story so für mich selbst. *gg*
    Aber was quatsch ich hier über geschichten, das ist ein vampire-thread, deshalb auch gleich mal meine Frage:


    Bin ich vor Vampiren sicher, wenn ich in ein kloster ziehe? :D Ich meine, nicht als nonne, aber als besucherin oder so, das geht irgendwie glaub ich. ;) Vampire meiden ja gotteshäuser und so, nich? In unsrer nähe ist nämlich ein benediktinerkloster... *schonmal die koffer pack*


    Und schreibt doch mal alle was über vampire, damit wieder mehr gepostet wird! :)


    bye, eure mandy

  • Mandy
    Vampire haben nur Probleme mit Leuten, die den wahren Glauben innehaben. Das heißt, es reicht nicht, gläubig zu sein, du musst durch und durch überzeugt davon sein. In der Welt der Vampire, von der ich schreibe, gibt es davon weiß Gott nur wenige. Und nach meiner Meinung ist das nicht weit weg von der Wahrheit.
    Was das Kloster angeht: Wenn du meinst, versteck dich dort, aber wundere dich nicht, wenn eines Nachts der Pfarrer kommt und anfängt, an deinem Hals zu lutschen. Vampire interessiert nicht, ob der Boden heilig ist. Man kann einen Vampir nur durch direkte Einwirkung abhalten, nicht durch passive, wie es bei der Weihung der Fall ist. Einzige Ausnahme ist Weihwasser, aber selbst das wird natürlich absichtlich dem Kainiten entgegengeschleudert, nicht wahr?


    Übrigens: Ja, die Geschichte ist zusammenhängend erzählt, und ich hoffe, dass ich noch mehr schreiben kann, leider fehlt mir momentan jede Menge Inspiration und Muße, und es gibt noch viele Dinge, mit denen ich mich beschäftige.


    Greets, Malakai

    Malakai, Clan Toreador
    Chronik Berlin

    [size=2]"Bela Lugosi ist tot - Ich bin es auch. Aber was von Bela übrig ist, verrottet irgendwo in einem Eichenholzsarg, während ich Gelegenheit habe, hier auf dem Balkon zu sitzen, etwas Gutes zu trinken und dich anzuschauen. Korrigiere mich, wenn ich mich irre, aber ich nehme an, das ist die bessere Alternative."[/size]

  • Ich wollt's eigentlich in den Kurzgeschichten Thread schreiben, aber ich denke wegen der Thematik passt's hier besser rein. :)
    Ein kleiner Tribut an Anne Rice; eine Kurzgeschichte, die von ihren Charakteren handelt, aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit, oder Authenzität erhebt.
    Ich hab alle Bücher der Vampir Chroniken gelesen, ist allerdings schon ne Weile her; deshalb werden bestimmt hier oder da Fehler drin sein, oder Dinge passieren, die bei Anne Rice nicht passiert sind.
    Aber ich liebe Lestat, Louis und vor allem David, weswegen das Ganze auch aus seiner Sicht geschrieben ist.
    Hoffe, ihr habt n bißchen Spaß beim Lesen.
    ____________________


    Please allow me, to introduce myself...



    Wie soll ich wohl anfangen?
    Ich denke, ich werde, in Anlehnung an einen Freund von mir, welchen Sie zweifelsohne kennen, denn sonst würden sie dieses Faksimile nicht in Händen halten, mit dem Satz: „Gestatten Sie, dass ich mich vorstelle“ beginnen.
    Mein Name ist David, David Talbot, ich entstamme einer englischen Adelsfamilie, deren Wurzeln man bis auf das 9. Jahrhundert nach Christi Geburt verfolgen kann.
    Doch meine Familiäre Vergangenheit dürfte ihr Interesse nicht annähernd so sehr wecken, wie meine jüngste Vergangenheit.
    Durch besagten Freund meinerseits kam ich bereits zu zweifelhaftem Ruhm als Romanfigur, und selbstverständlich werden die meisten von Ihnen mich in ein Reich der Phantasie verbannt haben.
    Anhand meines Namens dürften Sie wohl längst erraten haben, um welchen Freund, und um welche Art Literatur es sich handelt.
    „Die Vampir Chroniken“, wie mein Freund sie nennt, dessen Name Lestat de Lioncourt ist.
    Doch um ihn soll es dieses Mal nicht gehen, er hat ohnehin genug Aufmerksamkeit auf sich gezogen, unter den jungen, den alten, den sterblichen und unsterblichen.
    Er genießt Narrenfreiheit, denn nach der Vernichtung der Mutter, ist er der stärkste unter uns – er trank von dem unsterblichen Blut der Akasha, er nahm ihre Macht in sich auf.
    Man sollte meinen, dass ich mich geehrt fühle, der Zögling eines solchen Geschöpfes zu sein, verschafft es doch auch mir eine gewisse Freiheit, Unantastbarkeit, ich könnte tun und lassen, was ich wollte.
    Nun, ich gestehe, was Lestat tut, ist nicht ohne Faszination für mich, ist es nie gewesen, nicht umsonst beobachtete ich ihn während meines sterblichen Lebens über Jahrzehnte hinweg unter dem Deckmantel meiner Organisation, den Talamasca.
    „Beobachte das dunkle Reich, doch lass Dich niemals darauf ein“ – ein Leitspruch, welchen unsere Gründer aus der Wiege gehoben hatten, und an welchen ich mich mein Leben lang gehalten habe, bis zu jenem schicksalhaften Abend, an welchem Lestat mich in meinem Büro im Londoner Hauptgebäude der Talamasca aufsuchte.
    Er übte eine solche Bezauberung auf mich aus, in allem, was er tat, und was er war – vielleicht hatte ich immer schon gewusst, dass ich eines Tages mit dem Grundsatz brechen würde.
    Wir wurden Freunde, nein, das ist untertrieben – er wurde Freund, Geliebter und Vater für mich.
    Ungern denke ich an die langen Perioden, in welchen er mich allein ließ und manchmal über Monate nicht aufsuchte zurück, wo ich mich nach nichts mehr sehnte, als nach seiner Nähe, seiner Stimme, diesem langen, blonden Haar.
    Ich hatte immer Frauen und Männer geliebt, weshalb sie die doppelte Anziehung, welche er auf mich ausübte vielleicht verstehen können.
    Doch genug von Lestat – er machte mich zu dem, was ich bin, einer der mächtigsten Vampire, die sie nach dem Fiasko, dass unsere Population verheerend dezimiert hatte, finden werden.
    Durch sein Blut trank auch ich von Akasha’s Blut, habe auch ich einen Teil ihrer Macht in mir, obwohl ich kaum länger als 10 Jahre zu den Untoten zähle.
    Was sind 10 Jahre in einem unsterblichen Leben?
    Wie eine Stunde, im Leben eines sterblichen.
    Ich kann nicht sagen, dass ich Lestat für das hasste, was er mir angetan hatte, obwohl er es mit aller ihm gegebenen Brutalität durchführte.
    Vielmehr war ich zwiegespalten über das, was wohl unweigerlich eines Tages passieren musste – was jedem passiert, der sich mit dem dunklen Reich einlässt.
    Im Gegensatz zu jenen, welche als einfaches „Futter“ dienen, habe ich wohl das große Los gezogen.


    Einerseits war ich ihm dankbar, dass er ein Kind der Dunkelheit aus mir gemacht hat – hatte ich dadurch doch endlich Zugang zu den größten Schätzen der Welt, was Kunst, Musik und vor allem Literatur betrifft.
    Und auch die Zeit, sie alle eingehend zu betrachten, mich in ihnen zu verlieren, mich zu verlieben in die Schönheit der Worte, die Farben der Gemälde, die filigranen Ausführungen, der Bildhauerei und dergleichen mehr.
    Doch ein Teil von mir trauerte in ebenso leidenschaftlicher Weise, wie der andere Teil seine ungezügelte Freude bekundete.
    Nichts zwischen Lestat und mir würde je wieder so sein, wie es gewesen war, als ich noch der sterbliche und er der große, der mächtige, derjenige, welcher mich mit nur eine Blick vernichten konnte, war.
    Wie Ihnen nicht unbekannt sein dürfte, ist es „Schöpfern“ und „Zöglingen“ verwehrt, gegenseitig ihre Gedanken zu lesen.
    Ich weiß nicht, ob ich diesen Aspekt der Unsterblichkeit bedauern oder begrüßen soll; in der Geschichte, welche ich Ihnen erzählen möchte zumindest, habe ich mich mehr darüber gefreut, denn darum getrauert.
    Doch nicht alleine das hat sich geändert, seit ich in diesem kalten Leib über Gottes Schöpfung wandere.
    Die feineren Sinne der Vampire erlauben es uns, besser sehen zu können, als Sterbliche; ich möchte fast sagen, dass das Spektrum des Regenbogens um Millionen Farben erweitert wurde – ein Eindruck, welchen wohl manche Sterbliche mit einem Heroin- oder LSD-Trip herbeizuführen suchen.
    Wir haben einen besseren Geruchssinn, welcher uns dazu verleitet, unsere Opfer ganz genau auszusuchen; wir entscheiden, ob wir von jemandem trinken quasi dadurch, ob wir ihn „riechen“ können, wie es in einem sterblichen Sprichwort heißt.
    Der Tastsinn ist viel feiner ausgeprägt, als bei den Menschen, und auch der Geschmack ist viel intensiver, als es bei den meisten sterblichen je der Fall war.
    Zu schade, dass man sich nach einem Jahr als Unsterblicher nur noch sehr vage an den Geschmack von Wein oder Fleisch oder auch nur Brot erinnern kann.
    Doch der Geschmack des Blutes ersetzt all das – zumindest in de Moment des Trinkens.
    Unnötig zu erwähnen, dass unsere Ohren sehr viel feinere und höhere Töne wahrnehmen, als die unsere Menschlichen Pendants, ich möchte sagen, die Klangleiter umfasst mehr Oktaven, als die des umfassendsten Instrumentes auf Erden.
    Verzeihen Sie mir diesen kleinen Ausbruch vom eigentlichen Thema – manchmal kann ich immer noch nicht glauben, was mir widerfahren ist, so unglaublich klingt all das an ihren sterblichen Ohren.
    Und auch ich kann nicht umhin, mich immer noch als Mensch zu fühlen.
    Lediglich in den Momenten des Jagens, den Minuten, in welchen ich mein Opfer in den Armen halte, und diese zarten, unschuldigen Geschöpfe mich mit diesem völlig verständnislosen Blick ansehen, ihre Augen mich fragen: „Warum ich?“ – in diesen Augenblicken werde ich schmerzlich daran erinnert, dass ich nicht das bin, was ich vorgebe zu sein.
    Dass ich nicht der gewandte, weltoffene, junge Mann bin, den sie in mir sehen, dass ich nicht der Theater- und Kunstliebhaber bin, welchen sie auf Ausstellungen, Konzerten und in den Theatersälen dieser Welt erblicken, sich an der Kunst ergötzend, völlig darin versinkend, geradezu verliebt in jedes noch so kleine Detail.
    In solchen Momenten werde ich daran erinnert, was Lestat, mein Schöpfer, mein Vater, mein Geliebter aus mir gemacht hat – einen Sendboten des Todes, den Schnitter, der nur darauf lauert, die jüngsten, schönsten, begabtesten zu vernichten, um sein eigenes, einsames, bizarres und widernatürliches Leben aufrechtzuerhalten.


    Wenn mir das wieder bewusst wird, und diese Erfahrung mache ich fast jede Nacht, obschon es mir oft gelingt, solcherlei Gedanken von mir zu schieben, leide ich, trauere über den Verlust der Sterblichkeit, des Lebens, und weine um die Opfer, deren Blut heiß durch meine toten Adern rinnt.
    Oh, verstehen sie mich nicht falsch; jene unter Ihnen, welche einen anderen Bekannten meinerseits bereits kennen, werden ohne Zweifel an ihn erinnert werden, wenn sie solcherlei schwermütigen Worte lesen.
    Doch seien Sie versichert, dass ich nicht vorhabe, mich wie Louis in Selbstmitleid zu ergehen.
    Ich weine um meine Opfer, ich fühle Mitleid mit ihnen, und ein Teil von mir schreit noch immer nach der Menschlichkeit.
    Aber ich geißele mich nicht, ich denke nicht, dass ich mich bestrafen muss für dass, was ich bin – ich habe es mir nicht ausgesucht, sondern versuche lediglich, jede Nacht aufs Neue, das beste aus meiner Situation zu machen.
    Lassen Sie mich hier zum Abschluss meiner einleitenden Ausführungen kommen, ich würde Sie doch nur langweilen, wollte ich hier alles niederschreiben, was dazu führte, dass die Umstände sind, wie sie sind.
    Lestat hat seine Strafe erhalten, ich befreite mich aus den Fesseln, welche er mir anlegte, und das, was Sie lesen werden, sind die Ergebnisse dieser Befreiung.
    Die Erinnerungen des David Talbot.

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    To do, is to be (Socrates)
    to be, is to do (Plato)
    do be do be do... (Sinatra)
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    Sims 2 Body Shop Tutorials


    *Karmabettler werden ignoriert*
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  • So, mal wieder ein Versuch, die Masquerade-Geschichte weiterzubringen...


    also, Kapitel 4



    Ich setzte den Wagen zurück und fuhr wieder auf die Straße hinaus, um zum Wasserturm zu gelangen. Ich hatte den Kopf so voll von den Geschehnissen der letzten Nächte, dass es mir schwer fiel, mich zu konzentrieren, und beinahe hätte ich einen parkenden VW an der Kreuzung gerammt.
    Judith und ich brauchten nun zuverläsigere Blutquellen, und ich entschied, mich ein, zwei Male öfter in meiner Stammdiskothek, dem Skyline blicken zu lassen. Wenn man sich geschickt anstellte, konnte man von mehreren Leuten an einem Abend trinken, ohne dass es auffiel. Dann musste ich einen Klüngel zusammentreiben, wahrscheinlich waren auch schon andere dabei, Klüngel zu bilden, was mir die Suche erleichtern würde. Brujah, Gangrel, Nosferatu, Ventrue, all diese waren sehr zu gebrauchen, wegen ihren besonderen Fähigkeiten. Gangrel zu finden ist nicht schwer, wenn man weiß, wo man suchen muss; den Brujah aufzutreiben, sollte auch nicht das Problem sein, Nikolai wäre eine große Unterstützung seitens der Nosferatu und nötigenfalls könnte ich Vincenze auch aufnehmen. Später.
    Jetzt also erstmal zu Nikolai und dem Wasserturm.
    Ich bog links in eine Seitengasse ein, sie war sehr dunkel und schmutzig, und sofort kam mir der Gedanke, dieser leicht resignierte, sarkastische Gedanke, der einem kommt, wenn man an dem Ort ist, an dem man sich alles andere als länger aufhalten möchte: Hier bin ich ja richtig...
    Instinktiv setzte ich Auspex ein, um mehr zu sehen und nötigenfalls Auren sehen zu können, die mir verrieten, ob Feinde in der Nähe waren. Die aktuelle Lage ließ leider keine Unvorsicht zu. Die Umgebung konnte meine Stimmung leider auch nicht aufbessern. Überall lag Müll herum, Glasscherben, die Straße wirkte feucht und kalt, unwirtlich und grausam. Nichts würde mich länger an diesen Ort fesseln können, außer der Not.
    Der Wasserturm war alt und eingefallen, doch er war voll verbarrikadiert und gut vor Licht geschützt. Das sollte dann wohl als Unterkunft reichen. Nicht einmal Sabbatvampire würden sich trauen, in den Katakomben und Unterkünften der Nosferatu herumzugeistern. Ein Umstand, den die Nosferatu nur zu gern auszunutzen pflegten. Zumindest garantierte diese Unterkunft Sicherheit vor unseren größten Feinden: Dem Sonnenlicht und der Brut des Sabbat.
    Als wir ausgestiegen waren, ging hinter der offen stehenden Tür des Turmes Licht an. Ich setzte den letzten Rest Konzentration ein, den ich noch aufbringen konnte, war aber nicht in der Lage, mehr als die kleine Lampe, die das Licht ausstrahlte, zu entdecken. Du wirst immer interessanter, Nikolai , dachte ich. Judith versuchte es auch, aber ihre Anstrengung war vom selben Erfolg gekrönt wie die meine. Dann plötzlich erschien er direkt vor uns. Eingehüllt in einem schweren, langen Mantel, behangen von dreckigen Tüchern ließ er die Verdunkelung fallen und grinste uns an.
    "Malakai, alter Freund, das letzte mal warst du besser.", sagte er spöttisch.
    Ich grunzte nur lächelnd.
    "Lasst uns eintreten in Eure neue Zuflucht."
    Als ich den Raum betrat, dachte ich, ich könnte meinen Augen nicht trauen: Ein Kronleuchter, teure Kommoden und ein Himmelbett schmückten den Raum. Das alte Holzparkett war komplett gegen neues ausgetauscht worden, und die Tapete war in einem sanften Orange gehalten, das Wärme und Behaglichkeit ausstrahlte.
    "Nikolai."
    Eigentlich wusste ich gar nicht, was ich sagen sollte, und Nikolai wusste das auch, aber er sagte nichts.
    "Ich bin überrascht. Ich könnte beinahe sagen, dass mir das gefällt."
    Er grinste nur schief.
    "Es steckt mehr in dem alten, verwesten Krüppel, als du denkst, Rosenzüchter."
    "Wenn du nur wüsstest, welche Schönheit eine Rose ausstrahlt...", schwelgte ich übertrieben.
    "Nikolai, hast du das für uns gemacht oder war ist das deine eigene Einrichtung?", fragte Judith.
    Er drehte sichzu ihr um, und sein Blick schien plötzlich fern zu schweifen. "Das war... das war meine Einrichtung. Ich... ich habe oben noch ein Zimmer, in dem ich schlafe, wenn die Sonne scheint."
    Langsam gewann er seine Fassung wieder. "Nein, ich wohne selbst so, wenn es die Zeiten erlauben. Ich bin gern für mich allein."
    Ich verstand es nicht. Ein Nosferatu, der eine Zuflucht hat, die der eines Toreador oder Ventrue ähnelt. Einer, der Schönheit kennt, sie genießt und sich in ihrer Nähe wohlfühlt. Vielleicht versuchte er, seine eigene Häßlichkeit zu vergessen, in dem er sich mit schönen Dingen umgab, vielleicht war es aber auch nur sein Geschmack. Ich wusste es nicht.
    "Ich danke dir für diese Zuflucht, Nikolai. Setz dich doch, ich möchte noch etwas mit dir besprechen.", sagte ich ruhig.
    Er setzte sich auf das Bett und sah mich emotionslos an.
    "Nikolai, ich möchte dich bitten, meinen Klüngel zu verstärken, den ich gerade aufbaue. Du weißt, es geht um die Sabbatgeschichte."
    "Oh ja, ich verstehe."
    Er zögerte kurz, dann: "Ja, ich werde Euch unterstützen. Mein Clan sichert ohnehin die Kanalisation der Stadt, so kann ich auch direkt eingreifen, wo Gefahr droht. Ja, mein Freund. Mit einer Einschränkung."
    Ich blickte auf.
    "Und die wäre?"
    "Ich mache mein Ding selbst, klar? Ich nehme keine Befehle an. Von niemandem."
    Ich hatte diesen Schachzug erwartet. Nikolai war zu sehr die Einsamkeit gewöhnt, als dass er sich jetzt von irgendjemandem herumkommandieren ließe.
    "Natürlich, mein Freund. Solange du die Gruppe nicht in Gefahr bringst, kannst du tun und lassen, was du willst."
    "Das wollte ich hören.", antwortete er mit einem mehr oder minder zufriedenen Gesichtsausdruck, sollte ein Nosferatu je dazu fähig sein.


    - - -


    Nur wenige Nächte, nachdem ich den Klüngel mit Vincenze und Bruce Johnson - Künstlername, schlecht gewählt, nach meiner Meinung - verstärkt hatte, sollte es bereits losgehen. Bruce war ein Brujah, ein typischer dazu, was ihn zu einem fähigen Mitglied machte. Er war ziemlich groß und muskulös und hatte die Angewohnheit, jedem den Schädel einzuschlagen, der etwas gegen seine Meinung zu sagen hatte. Das machte es sehr leicht, ihn zu beeinflussen, da man nur sagen musste, was er hören wollte, und schon fraß er einem aus der Hand. Aufgrund meiner eigenen Macht war es auch kein größeres Problem, ihn zu beherrschen, ohne dass er Wind davon bekam. In Zeiten wie diesen ist Mitgefühl und Moral leider eine Sache, die zurückstecken muss. Der Dshihad ist nichts für Leute, denen ihre Menschlichkeit wichtiger ist als ihr Unleben.


    Der Prinz schickte ein Rundschreiben, in dem stand, wo der Sabbat sich aufhielt. Wie er das herausgefunden hatte, war mir schleierhaft, und es interessierte mich auch nicht. Wichtig war nur, diese Brut, diese Tiere, auszulöschen und vom Antlitz der Welt zu tilgen.
    Wir befanden uns am S-Bahnhof Biesdorf, einem Dorf nahe Berlins. Dort hatte sich die Brut eingenistet und ihre Schläge gegen die Kainskinder Berlins durchgeführt. Ich befürchtete das schlimmste, da diese Vampire sich schließlich auch ernähren mussten. Und da der Sabbat für seine Brutalität und Rücksichtslosigkeit bekannt war, sah ich mich schon durch Berge von menschlichen Leichen waten, die allesamt ausgesaugt waren. Ich schüttelte diesen Gedanken von mir, als Vincenze endlich eintraf. Er trug einen schwarzen Trainingsanzug, der ihn vor den Augen des Feindes verstecken sollte. Ich selbst trug eine schwarze Armeehose mit vielen Taschen, allesamt vollgepackt mit kleinen Utensilien, die man so braucht. Vollmantelmunition in rauhen Mengen, zwei Pistolen aus dem Hause Smith&Wethers, Kaliber 9mm, versteht sich. Zwei Holzpflöcke, einige Wurfmesser und einen Titandolch, eine Spezialanfertigung eines guten Freundes. Ich hatte Judith ähnlich ausgestattet, sie trug ebenso Armeekleidung, jedoch die der deutschen Truppen, keine völlig schwarze. Irgendwie sah sie darin... niedlich aus...
    Bruce hingegen war mit einer Pumpgun ausgerüstet und hatte sich für die Ledermontur entschieden, die zwar laut, aber schwarz war. All die Ketten und Nieten würden ihn wahrscheinlich selbst in der Dunkelheit verraten, allerdings war derjenige, der ihm zu nahe kam, ohnehin verloren. Ich hatte mal gehört, dass er einen Kainiten förmlich zerrissen hatte, als er sich in der Raserei befand. Ein Aktivposten, wie ich fand.
    Nikolai war wie immer in ein schwarzes Gewand gehüllt und hatte die Kraft der Verdunkelung benutzt, um kein unnötiges Aufsehen zu erregen.
    "Nun," begann ich "da wir alle nun vollzählig sind, können wir ja anfangen. Wir denken, dass sie nicht wissen, dass wir hier sind, dennoch werden sie Wachposten aufgestellt haben, für den Fall, dass wir angreifen."
    "Was tun wir, wenn wir eingekreist werden?", fragte Judith mit eingeschüchterter Stimme.
    Ihr missfiel diese Seite des Kainitenlebens mehr, als ich dachte, obwohl ich andererseits sagen muss, dass sie wohl kaum etwas anderes davon halten konnte, wo sie doch noch so jung war.
    "Wenn das passiert, werden diejenigen, die der Verdunkelung mächtig sind, versuchen, auszubrechen und einzelne Gegner angreifen. Judith, Du und ich werden die Augen offen halten, wir beide sind die Späher der Gruppe. Du weißt, warum. Wenn ich jemanden sehe, werde ich Dir zurufen, Bruce, dann kommst du zu mir gestürmt, sollte ich in ernster Gefahr sein."
    Er grunzte nur, was ich als Zustimmung deutete.
    "Vince, du bildest die Nachhut, zusammen mit Nikolai, er wird auf dich aufpassen."
    "Und wer passt auf Nikolai auf?", entgegnete Bruce zynisch.
    Ich warf ihm nur einen giftigen Blick zu, dann nahm ich Judith an die Hand und ging los.


    Der Park war im Halbkreis angeordnet. um das Zentrum herum waren viele Bäume angepflanzt worden, zumeist Pappeln und Eichen, aber auch einige Birken hatten sich bereits breit gemacht. Die Wege, die scheinbar willkürlich kreuz und quer durch den Park angelegt waren, waren mit Kies bedeckt und gesäumt von Sitzbänken und Bäumen. Ich fand es beinahe schade, dass ich diesen Park zu Lebzeiten nie gesehen habe. Ich denke, er wäre ein wunderschöner Anblick gewesen.
    Das Zentrum bildete eine Art steinernes Podest, zu dem zwei an den Seiten angebrachte Steintreppen führten. Das Podest war leider wenig ausgeschmückt, allerdings kann das auch ein Trugschluss sein, für den die ewige Dunkelheit, in der ich wandle, verantwortlich sein mag.
    Vom Bahnhof aus gingen wir in den Park, er grenzte direkt an den Bahnhof, was uns nahezu ungesehen die Anlage betreten ließ. Wir kamen auf einem kleinen Spielplatz an, der mit einer Drehplatte, einem hölzernen Klettergerüst und einigen Schaukeln bestückt war. Links davon war der Zugang zum Park. Leider mussten wir uns mehr als ruhig verhalten und die Schusswaffen nur im äußersten Notfall einsetzen, da gleich gegenüber von uns mehrere Wohnhäuser standen. An einigen Fenstern brannte noch Licht, und ich konnte mir vorstellen, dass in einigen dieser beleuchteten Wohnungen auch Leute wohnten, die nicht lange fackelten und kurzerhand die Polizei anriefen, würden sie etwas Ungewöhnliches hören oder sehen.
    Schweigend betraten wir den Park; die Dunkelheit schien nun fast schon erdrückend zu sein, da die vielen Bäume selbst das Mondlicht fern hielten. Ich spürte, wie Judith meine Hand fester umklammerte, ich konnte ihre Angst spüren, ohne sie anzusehen.
    "Bleib ruhig", flüsterte ich ihr zu. "Wir schaffen das schon. Wenn sie zu stark sind, verschwinden wir hier."
    Sie nickte, doch überzeugt hatte mich das noch lange nicht.
    "Malakai, ich will nicht sterben."
    Ich schmunzelte.
    "Dazu ist es leider zu spät, Liebes. Du bist schon tot."
    Ein Geräusch unterbrach jäh das Gespräch. Ein Knacken eines Zweiges, wie ich vermutete. Ich kenzentrierte jetzt alle meine Sinne auf die Umgebung, und eine Flut von Geräuschen überkam mich. Wildes Flüstern, schnelles Rauschen, Kratzen, Scharren, alles konnte ich vernehmen. Doch waren das schon die Feinde? Ich konzentrierte mich weiter und hatte Mühe, nicht in Panik auszubrechen, da all diese Geräusche, ob sie nun auf den Gegner hindeuteten oder nicht, bedrohlich auf mich wirkten, als könnte hinter jedem Gebüsch, hinter jedem Baum, ein Vampir stehen und nur darauf warten, seine Fänge in mich zu rammen und mich meines Unlebens zu berauben. Es wirkte fast verstörend, doch ich musste mich weiter konzentrieren, die wichtigen Geräusche von den unwichtigen trennen und das herausfiltern, was ich brauchte, um die Gruppe rechtzeitig warnen zu können. Dann erspähten meine geschärften Augen einen Schatten in der Dunkelheit...

    Malakai, Clan Toreador
    Chronik Berlin

    [size=2]"Bela Lugosi ist tot - Ich bin es auch. Aber was von Bela übrig ist, verrottet irgendwo in einem Eichenholzsarg, während ich Gelegenheit habe, hier auf dem Balkon zu sitzen, etwas Gutes zu trinken und dich anzuschauen. Korrigiere mich, wenn ich mich irre, aber ich nehme an, das ist die bessere Alternative."[/size]

  • wow :) endlich mal wieder was neues von dir, malakai *freu* wie immer hab ichs sofort verschungen und kann kaum den nächsten text von dir abwarten!

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    [SIZE="1"][COLOR="White"]19.08.2006[/COLOR][/SIZE]


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