Forumspiel "Alleinerziehend" Aufgaben miesi

  • Ich hab mich gestern per Pn angemeldet, bin aber noch nicht in der Liste- ich hoffe, das ist in Ordnung, wenn ich trotzdem schon mal anfange =)


    „Morgen...“ mit verwuschelten Haaren kam Jonas die Treppen herunter gepoltert. „Jonas? Du bist ja noch nicht mal angezogen!“ Das war die erschrockene Stimme seiner Mutter, Gabriele- die alle nur Gabi nannten.




    Jonas grinste. Dass seine Mutter jeden Morgen aufs Neue erstaunt war, wenn er verschlafen hatte, amüsierte ihn. „Keine Angst, Ma, ich komm schon rechtzeitig.“ Gabi seufzte und stellte ihm einen Teller samt Frühstückscroissant vor die Nase. „Wie du meinst.“ Und sie murmelte wie jeden Morgen „Teenager, schwieriges Alter, Mona bald auch Pubertät“
    „Mama, ich finde mein Deutschheft nicht!“ rief ihre Jüngere da auch schon vom Treppenabsatz herunter. „Schau mal im Wohnzimmer nach, da hast du gestern doch deine Hausaufgaben gemacht“ rief Gabi zurück.




    In dem Moment kam ihr Mann fertig angezogen aus dem Bad. „Hallo mein Schatz...“ er küsste sie flüchtig auf den Mund und wuschelte seinem Sohn gegen dessen Willen durch die ohnehin schon zerzausten Haare. „...Großer“ „Mann, Pa, echt nicht“ murrte Jonas, aber grinste trotzdem. Obwohl Arne viel arbeitete, hatten die beiden eine gesunde Vater-Sohn-Beziehung.




    Gabriele war stolz darauf, dass ihre Ehe trotz Alltagstrott in Harmonie und Liebe funktionierte und ihr Mann nicht zu denen gehörte, die sich nach der Arbeit aufs Sofa pflanzten und sich ihr Bier holen ließen. Sie gingen oft aus und Arne überraschte sie immer wieder mal mit Blumen oder anderen Kleinigkeiten.

    Nicht umsonst beneideten ihre Freundinnen sie um ihren Mann. Sie lächelte ihm unwillkürlich zu. Er erwiderte das Lächeln. Arne arbeitete in einer größeren Firma. Er war relativ erfolgreich, wurde ab und zu befördert und das Gehalt reichte gut, um die Familie zu ernähren. Deshalb hatten sie sich auch geeinigt, dass Gabriele sich um die Kinder kümmern sollte. Natürlich hätte sie weiter arbeiten können, wenn sie gewollt hätte, aber sie befanden diese Lösung beide für das beste.

    „Mama, weißt du auch, wo mein Mathe Buch ist?“ Mona war ein fleißiges Kind. Aber unheimlich chaotisch. Wie die meisten kleinen Kinder eben. „Hättest du dein Zimmer aufgeräumt wie ich es dir gesagt habe, wüsstest du das selbst“ antwortete Gabi tadelnd. Mona schaute sie schuldbewusst an.

    „Prinzesschen! Willst du deinem alten Herrn nicht einen Gute-Morgen-Kuss geben?“ Mona lief lachend in Arnes ausgestreckte Arme. „Aber Papa, du bist doch gar nicht alt!“ gluckste sie glücklich und kuschelte sich an ihn.




    „Oh, das ist aber lieb von dir!“ sagte er, immer noch lächelnd und kitzelte Mona, welche vergnügt quietschte. „Ich mach mich dann auf den Weg, euer Abendessen finanzieren“ Er küsste seine Frau ein zweites Mal auf den Mund, diesmal zärtlich, und ging zur Garage.





    Seine Kinder waren ihm der größte Schatz, dachte Arne, seine Kinder und seine Frau. Er hatte alles- eine perfekte Familie in einem perfekten Einfamilienhaus mit perfekt-poliertem, schwarzen Erst-Auto und einem roten, großen Familienwagen. Laut seiner Tochter fehlte noch ein Golden Retriever zum vollen Glück, allerdings konnten seine Frau und er sie mit einem Meerschweinchen von diesem Gedanken erstmal abbringen. Manchmal war er froh, dass Gabi die Kinder erzog, da er befürchtete, sie ansonsten schrecklich zu verziehen.





    „Siehst du Ma, schon fertig“ verabschiedete sich Jonas 10 Minuten später cool von seiner Mutter, die kleine Schwester ungeduldig neben sich her hüpfend wobei er das „schon“ besonders betonte. „Jaja“ antwortete Gabriele nur, erneut den Kopf schüttelnd und schloss die Tür nach ihnen.





    Jetzt hatte sie erstmal kurz Zeit für sich, bevor sie einkaufen gehen würde und das Mittagessen kochen, Wäsche waschen... bisher hatte sie es nie bereut, Hausfrau geworden zu sein. Sie war ein absoluter Familienmensch und die Vorstellung, ihre Kinder könnten zu einer fremden Tagesmutter „Mama“ sagen, schmerzte. Nein, dieses Leben war genau so, wie sie es sich gewünscht hatte. Arne war ihre große Liebe und ihre Kinder waren intelligent und schön. Der Traum eines jeden Mädchens war ihr gegönnt worden. Sie schnappte sich das Telefon, um eine Freundin anzurufen und ein wenig über die Geschehnisse in der Welt zu tratschen- denn ab und zu brauchte sogar sie Abwechslung vom absoluten Glück.



  • Gabi hatte sich alles leichter vorgestellt. Die Firmen sagten, sie wäre zu alt und nicht mehr auf dem neusten Stand. Es hätte viele revolutionäre Erneuerungen gegeben. Gabi entmutigte das, aber sie gab nicht auf. Und war letzten Endes erfolgreich. Das Haus wurde jedoch zu viel Arbeit und war für sie zu dritt ja auch überflüssig groß, weshalb sie in eine Wohnung in der Innenstadt zogen, unmittelbar neben Monas Grundschule. Gabi redete sich die Wahrheit ein wenig schön.



    Sie waren hauptsächlich wegen des Geldes in die doch eher kleinere Wohnung umgezogen. Und die Kinder nahmen die „Sache“ auch nicht gerade so leicht auf, wie sie es erhofft hatte. Mona war stiller als sonst und aß fast jeden Abend nichts mit. Und Jonas...

    Jonas hatte am Anfang nur eines verspürt- Wut. Enttäuschung. Und Wut. Dies hatte zu einem Leistungsabbau in der Schule geführt, aus einem guten Zweierschüler war ein glatter Vierer geworden. Versetzungsgefährdet aufgrund der beiden Fünfen in Englisch und Chemie.
    Aber das war nicht alles, was Gabi angst einjagte. Schlimmer war für sie, was aus Jonas geworden war: Er hatte neue Freunde gefunden.



    „Gesindel“ wie Gabi es insgeheim nannte und auch manchmal laut, wenn sie sich mal wieder mit ihrem Sohn stritt, was sie in letzter Zeit verhäuft tat. Er schminkte sich seit neustem schwarz, hatte sich die Haare wachsen lassen, trug nur noch schwarze Kleidung. Und er hörte immer zu diesen „Lärm“.



    Was man alles Musik nennt. Eigentlich hatte Gabi sich mehr Unterstützung gewünscht. Stattdessen erhielt sie nur weitere Lasten.


    Mona hatte keinen Hunger. Mal wieder. Sie bekam einfach nichts runter, immer zu war sie traurig. Sie vermisste Papa und verstand nicht, wieso er weg war.



    In den Filmen im Fernsehen hatten die Männer immer Affären, aber ihre Mama hatte ihr gesagt, dass Papa keine andere Frau hatte. Oder einer starb. Aber Papa lebte noch. Sie verstand einfach nicht, wieso. Wieso sie jetzt keine richtige Familie mehr waren. Bisher hatte doch nur noch ein Hund gefehlt und sie wären wie die Traumfamilien im Fernsehen gewesen. Und jetzt? Dazu kam, dass sie immer alleine war. Bisher hatte sie jeden Nachmittag mit Merle verbracht. Aber jetzt war Merle weg. Merle und Papa. Mama war immer arbeiten, das war auch neu. Und deshalb war Mama eigentlich auch immer weg.



    Und Jonas... keine von Monas Freundinnen war mehr in ihn verliebt. Sie hatten alle angst vor ihm. Selbst Mona. Ihr machte sein neues Aussehen zwar keine angst, aber seine neue Art. Er lachte nie, schaute die ganze Zeit böse drein, sprach nicht und wenn, dann nur das nötigste. Außer er stritt mit Mama. Einmal hatte er ein ganz böses Schimpfwort zu ihr gesagt und da hatte sie ihm eine gewischt.



    Kurzum- Mona war allein.


    Die neue Arbeit machte Gabi Spaß. Es war anstrengender, als sie erwartet hatte, sie musste tatsächlich viel wieder aufholen, aber das war kein Nachteil. Um genau zu sein, war es ihr recht. Sie beschäftigte sich weit aus lieber mit der Arbeit als mit ihrem missratenen Sohn. Er war doch schon groß! Wieso stellte er sich denn so an? Und überhaupt, noch waren sie ja gar nicht getrennt. Arne war für zwei Jahre in Australien und sie waren eben hier.



    Eine Träne fiel auf ihre Tastatur. Gabi hatte sich wirklich alles anders vorgestellt.


    Anfangs hatte Jonas das alles nur getan um seine Mutter zu provozieren. Er hielt ja selber nichts von diesen Klamotten und die Musik gefiel ihm auch nicht. Aber irgendwie fühlte er sich auch verstanden und die Leute bedeuteten ihm mehr und mehr das, was ihm früher seine Familie gewesen war.



    Seine Familie. Familie. Wie konnte ein Wort, das so harmonisch klingt, sich aus seinem Mund so unendlich verbittert anhören? Aber so war es nun mal. Das Wort hatte nicht länger Bedeutung für ihn.