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Nur wenig später tauchte Catalina aber schon erneut in der gerade erst wieder hergerichteten
Ahnengalerie des Schlosses auf und ging zielstrebig auf eines der älteren Gemälde zu.
Sie beachtete die unzähligen Gesichter nicht, von denen die meisten ihr nur zu vertraut waren,
denn im Augenblick interessierte sie nur ein einziges.
Zorn loderte in ihrem Gesicht, Zorn über ihre eigene Dummheit, dass sie die Wahrheit nicht
früher erkannt und sich dermaßen übertölpeln lassen hatte.
„Also du warst es!“ rief sie böse, als sie sich einem der überlebensgroßen Gemälde näherte.
„Du hast sie beide vom Pferd stürzen lassen, den alten Duke genauso wie den jungen auch!
Gib es zu!“
Totenstille herrschte in der Galerie, aber Catalina ließ sich dadurch nicht beirren. „Du hast
wohl gedacht, ich würde nicht dahinter kommen. Aber du hast dich getäuscht. Es war ein
Zufall zuviel. Du hättest nicht so gierig werden sollen. Aber das war schon immer dein
Problem! Nichts war dir genug!“
Ein Schatten huschte über das Bild, dann verzogen sich die Lippen des dargestellten Mannes
plötzlich zu einem höhnischen Grinsen, während es in seinen Augen blitzte.
„Und dein Problem, meine Schöne, war schon immer, dass du ein viel zu weiches Herz hast,
selbst in all den Jahrhunderten, wo du es zu verleugnen suchtest!“ Hochmütig sah der Mann
auf sie hinunter. „Gut, es hat wirklich lange gedauert, aber letztendlich hat die Geduld sich ja
wohl ausgezahlt. Worüber erregst du dich so, meine Teuerste? Immerhin ist das alles hier dein
Werk.“
„Das ist nicht wahr! Du hättest es damals beenden können. Es lag ganz allein bei dir. Aber
was mit denen geschehen würde, die nach dir kamen, war für dich ohne Interesse. Du hattest
immer nur dein eigenes Wohl im Sinn, nicht mal dein eigener Sohn hat dir etwas bedeutet .“
Der Mann grinste böse. „Warum auch? Er war ein Tunichtgut, dumm genug, sich von einer
Frau ruinieren zu lassen.“
Nun lächelte auch sie, voller Nachsicht, wie es schien, doch ihre Augen blieben kalt.
„Das hast du auch. Oder solltest du das vergessen haben. Ruinieren und....töten lassen.“
„Und du hast es genossen, du Hexe! Jede Minute davon, jeden noch so kleinen Augenblick!“
Sie schüttelte den Kopf. „Ich bin nicht wie du“, sagte sie leise und erntete ein um so
höhnischeres Gelächter.
„Das magst du dir ja einreden, und vielleicht gelingt es dir sogar, diese Dummköpfe hier
genauso davon zu überzeugen. Ich hoffe es sogar, denn je weniger sie dich ernst nehmen,
desto besser. Aber wir beide wissen doch, wie sehr dein kaltes Herz sich nach dem Feuer der
Rache gesehnt hat, wie gut du es geschürt hast in all den Jahren. Und zumindest eins muss
man dir lassen, du warst überaus... erfolgreich. Wer, wenn nicht ich, könnte das besser
beurteilen! Ich,.. dein erstes Opfer!“
„Stanley.....Staaaaanleeeeey!“ Leise und scheinbar von überall her tönte der lockende Ruf
einer Frau, gerade als er nach einem langen Abend voll des unermüdlichen Geplappers seiner
frisch angetrauten Gemahlin sein Schlafgemach betreten wollte. Er rieb sich Schultern und
Arme, denn auf einmal schien der ganze Gang in Eiseskälte zu versinken. Seine Hand zuckte
zurück, als sich der schwere Riegel an der Tür vor seinen Augen mit Reif überzog. „Was zur
Hölle...!“
Wieder hörte er die Stimme seinen Namen rufen, doch diesmal schien es ihm so nah zu sein,
als befände sich die Frau direkt neben ihm. Er fuhr herum und dann.... sah er die Gestalt am
anderen Ende des Ganges. Eingehüllt in ein seltsam kaltes Licht, stand sie ihm reglos
gegenüber. Verunsichert fuhr er sich mit der Hand übers Gesicht. Spielte seine Fantasie ihm
einen Streich?
Da sie sich nicht rührte, ging er schließlich ganz langsam auf sie zu, doch jeder Schritt fiel
ihm schwerer, als er in dem Licht allmählich Einzelheiten ihres Gewandes und schließlich
auch ihres Gesichtes erkennen konnte.
Abrupt blieb er stehen und starrte sie an, ungläubig, fassungslos.
„Nein! Unmöglich!“ stammelte er. „Du...du kannst nicht hier sein.... das ist nicht möglich! Du
solltest längst ....!“
Sie rührte sich noch immer nicht, doch ihre Augen, ihre toten Augen starrten ihn unverwandt
an, durchbohrten ihn, dass er meinte, die Kälte der Galerie würde ihm in jeden einzelnen
Knochen fahren.
Er musste sich regelrecht zwingen, den nächsten Schritt zu machen, und noch einen und noch
einen. Seine Hand zitterte, als er sie nach ihr ausstreckte und .... gerade als er sie berühren
wollte, verschwand sie!
Bei allen Teufeln was ging hier vor? Sie konnte nicht hier sein, sie war...nein...nein, sie
konnte nicht mehr am Leben sein. Unmöglich! Oder war es ihr womöglich doch gelungen, zu
fliehen? Besaß dieses verfluchte Priesterversteck etwa einen zweiten Ausgang, von dem er
nichts gewusst hatte?
Ihm blieb nichts weiter übrig, er musste sich überzeugen. Er musste dort hinunter, sich
überzeugen, dass....er hatte gehofft, es bliebe ihm erspart. Nie wieder hatte er diesen Ort
betreten wollen, den Ort seiner größten Schande. Verdammt, fluchte er, während er die
Treppen der im Dunkeln liegenden Halle hinunter hastete. Verdammt! Vermutlich war es nur
der Rest seines Gewissens, der ihm die Erscheinung vorgaukelte.
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geht weiter