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Irgendwann stand sie auf, ließ ihn zu Boden gleiten und begann ihr Gefängnis abzusuchen.
Vielleicht in einem letzten Aufbäumen, in dem Willen, einen Weg hinaus zu finden. Sie war
doch noch so jung, viel zu jung für solch einen elenden Tod. Doch es gab keine Flucht.
Nach nur wenigen Schritten stieß sie gegen eine hölzerne Trennwand, die sich verrücken ließ
und gleich dahinter an einen gedrechselte Pfosten, der das Fußteil eines Bettes hielt. Es gab
ein Bett in diesem Raum! Fast hätte sie gelacht, als sie sogar Decken und Kissen ertastete.
Wenigstens musste William nicht auf dem kalten Boden ruhen.
Mühsam zog sie ihn zum Bett hinüber, ächzte unter der schweren Last, als sie versuchte,
seinen leblosen Leib nach oben zu hieven, was ihr erst nach mehreren Versuchen gelang.
Dabei fiel etwas mit einem unangenehm lauten klirrenden Geräusch auf den Steinfußboden.
Sie faltete Williams Hände auf der Brust und ließ sich auf die Knie fallen, um nach dem
Gegenstand zu suchen. Es dauerte nicht lang und sie spürte den Griff eines kleinen zierlichen
Dolches in ihrer Hand. Einer jener Dolche, die ein Geschenk ihres Vaters für ihren
zukünftigen Schwiegervater hatten sein sollen. Die Dolche, die sie anstatt von Juwelen
eingesteckt hatte, als sie in solcher Eile ihr Gemach verlassen hatte. Welche Macht hatte da
wohl ihre Hand geführt?
Sie zog ihn aus der Scheide, die sie achtlos hinter sich warf und befühlte mit zitternden
Fingern die Klinge. Wie kühl sie sich anfasste, irgendwie angenehm und beruhigend.
Sie blieb an seiner Seite knien, legte den Kopf auf seine Brust und wunderte sich, dass der
Schmerz nicht heftiger war. Nur für einen Moment hatte sie ihn gespürt, als sie die Klinge mit
einem Fluch auf den Lippen tief in ihren Körper stieß, wieder herauszog und fallen ließ.
Doch nun war der Schmerz gegangen, die langsam in ihr aufsteigende Kälte machte sie
unempfindlich, ihre Glieder begannen schwer zu werden und sie lächelte schwach vor sich
hin.
„William, ich komme“ flüsterte sie leise, bevor sich ihre Augen schlossen.
Und während das Leben langsam aus dem Körper der Spanierin rann, lag Stanley noch immer
nicht weit von ihr in der Kapelle auf den Knien und versuchte sowohl sich als auch seinen
Gott davon zu überzeugen, dass weder ihr Blut noch das des Bruders an seinen Händen
klebte. Die Umstände mochten gegen ihn sprechen, doch er habe nur sein Leben und seine
Familie schützen wollen, beteuerte er. Es war das einzige Mal, dass er wirklich betete, aus
tiefstem Herzen und inbrünstig wie nie zuvor. Und als die Kerzen auf dem Altar erloschen,
war es ihm wohl gelungen, zumindest sich selbst von seiner Schuld frei zu sprechen.
Er kehrte zurück in sein Schlafgemach, sorgte für eine kleine aber gut blutende Wunde an
seinem Hinterkopf mit einer deutlich sichtbaren Beule, platzierte sich am Kamin und wartete
darauf, dass man ihn fand.
Seine Rechnung ging auf. Alle, außer Robert, glaubten ihm. Und den trieb er aus dem Haus,
kaum, dass sein Vater die Augen geschlossen hatte.
Jeder bedauerte ihn, jeder bewunderte ihn, mit welcher Gottergebenheit er den Verrat seines
Bruders trug. Nur wenig später, als er die Nachricht vom Tode Don Federicos erhielt, gelang
es ihm, da es niemanden gab, der hätte Einspruch erheben können, dessen gesamtes Erbe für
sich zu beanspruchen. Zusammen mit seinem Titel war es ihm so ein Leichtes, die Tochter
eines reichen Nachbarn für sich zu gewinnen. Und wie in der Familienchronik vermerkt
wurde, trug die Braut am Tage ihrer Hochzeit ein überaus kostbares Geschmeide, das
Geschenk ihres Bräutigams. Die Juwelen der Spanischen Braut.
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Ja, und das war es nun für heute. Ich weiß, die Bilder sind recht dunkel geworden, aber in Anbetracht der Tatsache, dass es dort überhaupt kein Licht gibt und sie auch keine Kerze entzünden konnte, hielt ich das für angebracht.
Bitte habt auch Verständnis dafür, dass ich nach diesem Kapitel nicht noch anfügen wollte und konnte, wie der Fluch ausgesprochen wurde. Das wird aber auf jeden Fall noch in gebührender Weise geschehen, ebenso wie die Aufklärung darüber, wie und warum William in diesen Raum kam.
Allen schöne Ferien und bis zum nächsten Mal.
LG
Nery