*seufz* Catalina hat vielleicht doch noch ein kleines bisschen von Wärme, Herz und Liebe in ihr, das sie ihre Rache und den Fluch unterbricht um Patrick eine Chance zu gegeben.
Jetzt muß es Elizabeth gelingen Patrick und Alive von dem Schwur der über der Familie hängt zu überzeugen, den 10 Tage sind nicht unbedingt eine lange Zeit und schon gar nicht wenn man etwas aufklären muss, das so gut damals vernichtet wurde. Die Ereignisse von damals zu enthüllen und zusammenzusetzen wird sehr schwer, den es liegt fast alles im Dunkeln.
Aber ich habe trotzdem ein gutes Gefühl das sie es schaffen werden.
Jetzt bin ich gespannt wie die Reaktion von Patrick und Lady Alice sein wird.
Danke Nery, tolle Fortsetzung:applaus
Die spanische Braut
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Phuu, Nery, sooo vieles zu lesen und sooo spannend, dass ich zwischendurch vergessen habe, zu atmen!!! Dazu diese wie immer fantastischen Bilder, welche einen so richtig in jene Zeit zurück versetzen, in eine andere Welt, so dass man einfach total vergisst, dass es sich "nur" um eine Geschichte und um SIMS handelt.....
Schreckliches muss geschehen sein, damals vor 300 Jahren. Wie sehr muss die arme Catalina gelitten haben. Aber WAS ist wohl wirklich passiert? Ein Verrat, sagt sie. WER hat sie verraten? Und am wem will sie sich rächen? An ihrem Ehemann oder an ihrem Geliebten? Einer von diesen beiden muss ihr schreckliches angetan haben. Vielleicht hat ihr Ehemann ihren Geliebten umgebracht? Und seither findet sie keine Ruhe, geistert durch das Herrenhaus, getrieben von ihrer Besessenheit der Rache. Und doch - etwas macht mich stutzig. Es scheint fast so, als ob dieser Fluch nicht nur von ihr selber aus ginge, sondern da etwas (jemand?) ist, durch das/den sie beinahe gezwungen wird, all diese Menschen sterben zu lassen. Sie ist melancholisch, warum? Vielleicht will sie diese Rache gar nicht (mehr)? Tut sie es für jemanden?
Andererseits, nur, wenn der letzte Erbe ausgelöscht ist, kann sie selber zur Ruhe kommen und dieser "Zwischenwelt" in der sie sich zu befinden scheint, endlich entkommen. Sie leidet, sie quält sich, scheint unerbittlich, kalt,und doch hat sie im innersten ein weiches Herz.Ein ganz verrückter Gedanke ist mir plötzlich während dem Lesen gekommen. Was wäre, wenn Patrick Nachwuchs bekommen würde? Könnte das die Lösung sein? Könnte das den Fluch auslöschen? Denn dann wäre nicht mehr Patrick der letzte Erbe, sondern sein Sohn/seine Tochter. Aber "müsste" dann dieser/diese an seiner Stelle sterben???? Aber vielleicht ja auch nicht.....?
Wow, ich kann beinahe nicht mehr warten, bis es weiter geht. Hoffe, dass ich dann wieder die Zeit finde, regelmässig zu kommentieren. Ich gebe mir Mühe!
Ganz lieber Gruss
Jane -
Huhu Nery,
Ich bin spät dran, ich weiß...
Nichtsdestotrotz freu ich mich, dass Catalina doch noch ein Einsehen hatte mit dem armen Patrick und der flehenden Elisabeth. Aber das war ja ganz schön knapp. :schwitz
Wie alle anderen hier, hatte ich aber auch nicht wirklich damit gerechnet, dass Patrick jetzt schon sterben wird, trotz der Geist-Theorie. *gg*Hm, so langsam bin ich aber wirklich gespannt, was da in der Vergangenheit passiert ist. Einmal warum Catalina als Geist immer noch rumspukt und Rache ausüben will und natürlich warum da so ein Geheimnis darum gemacht wird, dass es sie und ihren Geliebten? (ich denke, mit der zweiten Person ist William und nicht Stanley gemeint) überhaupt gegeben hat. Das Beides muss ja was mit einander zu tun haben, nur was ist mir noch völlig unklar.
Hm, und wie soll Patrick den Fluch lösen? Weiß man (Elisabeth) überhaupt, wie der Fluch entstanden ist oder hat sie "nur" die gesamte Familiengeschichte und versucht damit herauszufinden wie das alles so vertrackt geworden ist? Fragen über Fragen und ich hoffe, dass in der nächsten Fortsetzung endlich ein paar davon gelöst werden. Ich werde sicher so gespannt zuhören was Elisabeth zu berichten hat, wie Patrick und Alice.
Und in deine Bibliothek hab ich mich gleich verliebt. Die sieht so klasse aus, aber du schaffst es ja immer wieder, dass die Kulissen so gut wie perfekt aussehen.
Ganz liebe Grüße
Llyn -
Hallo Nerychan :wink,
lang ist wieder her, und mein Vorhaben nicht mehr so oft auf mich warten zu lassen hat sich auch in Luft aufgelöst. Sorry, "zur Zeit" geht es leider nicht anders.
Aber heute hatte ich genug Zeit und Muße mir Deine FS in Ruhe durchzulesen, und ich bereue es nicht. Ganz und garnicht! Auch wenn es mich etwas überrascht hat, dass Du bis hier "nur" an einem der beiden Zeitstränge weitergeschrieben hast. Kann sein, dass Du Dich dazu schon geäußert hast, aber ich gebe zu die Kommis + Kommibeantwortung diesesmal außenvor gelassen zu haben. Und wer weiß, vielleicht hast Du mit dem Strang ja auch gewartet, bis Elisabeth das Wort ergreift und von dort beginnt? Ich werde mich überraschen lassen.
Patrick und Alice... Zwei Menschen mitten im Leben. Nichts hat sie bisher von ihrem Weg abbringen können, nichts hat bisher ihr Bild von der Welt, so, wie es ist, so sehr erschüttert, als dass sie sich auf etwas einlassen mussten, dass sie nicht schon kannten, so schätze ich sie ein. Sie gehen beide ihren Weg gefestigt in Gesellschaft und Norm und sie gehen ihn gut. Außer dass der Vater der Familie gestorben ist, was ja zumindest Alice sehr mitgenommen hatte, und auch Patrick wird dieses Ereignis stark geprägt haben: dadurch wurde er in doch recht jungen Jahren Familienoberhaupt.
Und dennoch müssten sie sich jetzt von all dem, was sie die Zeit über erfolgreich am Leben teilhaben ließ trennen, und einen neuen Weg beschreiten: auf dem es nicht mehr darauf ankommt Rückschläge schnellstmöglich wegzustecken und in die zu gestaltende Zukunft zu blicken! Denn sonst ist diese Zukunft nicht gerade lang!
Ich hoffe doch sehr, dass Patrick und Alice auf Elisabeth hören werden, anstatt in zehn Tagen um Mitternacht zu wissen, das sie es besser hätten tun sollen. Leicht fallen dürfte es den beiden nicht, aber vielleicht kann Elisabeth sie soweit umstimmen, und sei es nur, dass Patrick und Alice es für sie tun, auch wenn sie selbst nicht an den Fluch glauben. Ob die Reise, und die Sorgen, die Alice bei ihrem Sohn bemerkt zu haben schien, wohl mit dem Rest des Fluches zusammenhängen - dem weltlichen Teil, dem Geld?
Ich hoffe Elisabeth kann sie umstimmen, ich möchte nicht wirklich Patrick beim Sterben zusehen, denn nichts anderes wäre es, würde er weiterhin auf stur stellen. Denn auch wenn ich nicht an Geister glaube, so kann ich mir doch vorstellen, dass es mehr zwischen Himmel und Erde gibt, als "man" kennt. Ich hoffe für Deine Chars, dass sie das auch noch rechtzeitig merken. Und ich denke, auch für Catalina wäre es ein besseres Ende - erlöst zu werden, auf andere Art, anstatt durch Vergessen und Tod.So, ist nun doch wieder einiges an Text geworden, und zu Patricks Umgang zu einer gewissen "jungen Witwe" habe ich auch nichts geschrieben, aber für jetzt ist es dennoch erstmal genug.
Bis zum nächsten mal, wenngleich ich noch nicht sagen kann, wann.
Danke für Deine tolle FS, die detaigetreuen Bilder und vor allem die spannenden und klasse erzählte Story :)!Liebe Grüße, cassio
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Liebe Nerychan, leider war ich einige Zeit verhindert, im wahrsten Sinne des Wortes, um an den Computer zu kommen. Nach zwei Tagen Bett, wo mir mein Schwindel den Kopf verdrehte, herrschte durch das Umräumen im Arbeitszimmer so ein Chaos, das der Computer nicht mehr erreichbar war. Als ich nach großere Rangieraktion , Sonntagabend, an das Gerät wollte, verhinderte der Absturz der Maus des Computers in den Hundenapf , voll mit Wasser, mein Bestreben zum Weiterlesen. Ich gebe auch zu, dass ich insgeheim mich getröstet habe, dass Du vielleicht bereits einen Teil des Geheimnisses gelüftet hättest. Leider zerreißt es mich jetzt fast vor Spannung, weil ich mich doch noch gedulden muss.
Arme Elisabeth. Welche Qualen hatte sie auszustehen und wieviel Kraft braucht sie jetzt, um in kürzerster Zeit ihre Lieben vom Ernst der Lage zu überzeugen, ohne lächerlich und sensil zu wirken. Meistens ist denen, die die größte Hilfe brauchen, nicht von den allerliebsten Menschen zu helfen und sie zur Einsicht zu bewegen. Daran ist schon manche Familie in größter Not zerbrochen.
Aber Patrick ist ja auch ein kluger junger Mann, der seine Tante liebt. Er weiß sicher aus der Vergangeheit, dass sie mit solchen Dingen nicht scherzen würde. Deswegen denke ich auch, er wird auf ihre Vorschläge eingehen und eher seine ganze Tatkraft und Phantasie einsetzen, in dieser Familiengeschichte die Lücken zu schließen. Vielleicht interessiert er sich auch für das Schicksal von Catalina.
Wenn sie nicht sterben konnte und durch diesen Fluch zu ewigem ruhelosen Umherwandeln verurteilt ist, hat sie sich sicher nicht allein dazu verurteilt. Also ist auch sie ein Opfer irgendeiner bösartigen Rache, vielleicht, die ihres Ehemannes, der sich betrogen fühlte ? Vielleicht aber auch William, der sterben musste und Catalina vollzieht in seinem Auftrag Rache an den männlichen Familiemitgliedern, so lange, bis einer kommt, der sie , auch als Gespenst lieben könnte? Klingt fast , wie ein Märchen. Ist schwer, die Lösung sich vorzustellen.
Endlich ist deine Galerie fertig, so schön, dass man am liebsten, noch dazu bei dem Novemberwetter, selbst sich dorthin begeben möchhte, um in Ruhe in den Büchern zu schmökern , bei einer schönen Tasse Tee und Kerzenlicht.
Ich hoffe sehr, am Wochenende vielleicht eine neue Fortsetzung lesen zu können oder auf eine Nachricht von Dir.
Liebe Grüße . R. -
Allen einen guten Abend.
Glücklicherweise sind nun nach ein paar sehr stressigen Wochen die ersten Prüfungen hier endlich vorbei und ich hatte Gelegenheit, mich der nächsten Fortsetzung zu widmen. Da Elizabeths Erzählung doch recht umfangreich ist, habe ich sie etwas geteilt, der erste davon kommt heute. Es ist eine recht lange Fortsetzung, also lasst euch ruhig Zeit mit dem Lesen.Julsfels: ich mich rauswinden? Wie kommst du denn nur darauf? *grins*
Aber du hast ja recht, ich kann doch nicht einen der Hauptakteure jetzt schon draufgehen lassen, nein, nein. Damit warten wir noch ein bissel.
Ja, ich meinte die Bibliothek, und ja, das war so mit der erste Raum, den ich dort gebaut habe, schon in Vorbereitung auf deine tollen Bücherregale und deine Bilder. Danach kam die Kapelle und die Halle, alles möglich dank deiner Arbeit. *tiefe Verbeugung vor deinem Talent mach*:)
Ein Happy-End? Also du stellst Anforderungen! *Kopfkratz*Lenya: Ich will mir immer deine Freundschaft bewahren, was mach ich denn sonst ohne dich!:applaus
Ich bin sicher, Catalina ist dir sehr dankbar für dein Verständnis, und wer weiß, vielleicht ist in dem Geist ja doch noch etwas Menschlichkeit übrig geblieben.
Und gespannt sein darfst du natürlich gern. Eine ganze Weile noch! *grins*@gotti: Stimmt, 10 Tage sind nicht allzu viel Zeit, deshalb gilt es nun, die gut zu nutzen. Aber zunächst einmal müssen eben Alice und Patrick der Tante erst einmal glauben, denn sonst werden sie wohl kaum etwas unternehmen.
Danke für dein Lob.Jane Eyre: so ein Lob, ich bin ja ganz gerührt. Da macht das Arbeiten an den Fortsetzungen ja richtig Spaß.
So viele und so gute Fragen, da kommt man ja in Schwierigkeiten, was man dir darauf antworten soll. Nun, in einem hast du auf jeden Fall recht, es ist etwas komplizierter mit dem Fluch, als es auf den ersten Blick scheint, auch Catalina ist nicht so ganz der Herr dieser Geschichte.
Also hast du ihr Wesen sehr gut erfasst.
Patrick und Nachwuchs? In zehn Tagen, das könnte schon ein gewisses Problem sein. Wen hättest du denn gern als Mutter?Llynya: Ich muss mich in Zukunft mehr anstrengen, wenn ihr alle schon vorher wisst, ob die Akteure nun sterben oder nicht.
Mit der zweiten Person hast du recht, es handelt sich tatsächlich um William. Was mit den beiden denn nun passiert ist, das wird sich im Laufe der Erzählung von Elizabeth schon so langsam ergeben. Wie der Fluch entstanden ist, weiß die Tante schon, aber wie man ihn löst, das müssen sie nun gemeinsam herausfinden.
Und danke schön für das Lob. Ich geb mir Mühe.cassio: Mach dir mal keine Gedanken, du siehst ja, es geht mir nicht anders. Manchmal lässt einem das Leben kaum Zeit für die geliebten Hobbies, da müssen wir wohl alle durch.
Ich hab erstmal den einen Strang verfolgt, um genau hierher zu kommen, bis zu der Erzählung von Elizabeth, aber in einer der nächsten geht es wieder zurück ins 16. Jahrhundert.
Über Patrick und Alice muss man eigentlich nicht mehr viel sagen, denn das hast du schon wunderbar selbst erledigt.
Patricks Sorgen bei seiner Abreise damals kommen noch einmal zur Sprache, aber das dauert noch ein wenig.
Ich werde auch deinen Wunsch bezüglich Catalina im Auge behalten, irgendwie scheint ihr alle ein Happy-End zu wollen.
Falls du irgendwann die Zeit finden solltest, würde ich gern hören, was du so über Patrick und die junge Witwe zu sagen hast. Gerade diese Kleinigkeiten interessieren mich immer am meisten.
Auch dir ein liebes Dankeschön für den ausführlichen Kommentar und dein Lob.Rheasylvia: Na über deine Aktionen haben wir uns ja schon unterhalten. Aber lass mal, ich bin ja nicht besser, ich hab mir beim Bildermachen Tee über die Tastatur geschüttet, und das nicht gerade wenig, wir gingen beide mächtig baden.:D
Ja, die arme Elizabeth tut mir auch leid, aber sie ist eine sehr starke Frau und der Fels in der Brandung, sie schafft das schon.
Und Patrick bleibt ja gar nichts anderes übrig, als sich überzeugen zu lassen, oder? Sonst wird er wohl in zehn Tagen ein toter Herzog sein.
Du malst da aber ein interessantes Bild über Catalina und ihr Schicksal, ein sehr interessantes, muss man doch glatt mal drüber nachdenken. Aber du hast mich ja schon auf einige Ideen gebracht. Und ist das nicht in gewisser Weise doch eine Fantasygeschichte? Ob sie nun allerdings wie im Märchen ausgeht, das muss man sehen. Jaja, die Happy-End-Liebhaber.
Ihre Rache trifft im übrigen nicht unbedingt nur die männlichen Familienmitglieder, sondern das Unglück betrifft alle in dem Familienzweig. Was immer den Herzögen Leid verursacht, ist ihr recht.
Nachricht hattest du ja, und die neue Fortsetzung, die kommt jetzt.So, nun können wir beginnen. Wie gesagt, es hat etwas gedauert, denn es waren schon umfangreiche Umbauten notwendig, um die einzelnen Bilder so hinzubekommen, dass ich auch zufrieden war.
-
*
„Ich war damals elf Jahre alt und häufig mit meinem Vater auf Ravensdale Hall zu Besuch. Er
und der damalige zehnte Duke, den ich stets nur Onkel John nannte, waren nicht nur entfernte
Verwandte, sondern auch sehr gute Freunde.
Unser Leben war nicht leicht zu jener Zeit. Nicht nur, dass meine Mutter schwerkrank war,
nein, meinen Vater plagten schon seit einer geraumen Weile noch ganz andere, schwere
Sorgen, die er mit Onkel John besprach, während ich die Unmengen an Büchern erkundete,
die es in der Bibliothek zu entdecken gab.
Man hatte zwar versucht, es vor mir zu verheimlichen, aber letztendes konnte mir nicht
verborgen bleiben, dass mein Vater unter enormem Geldmangel litt. Uns stand das Wasser bis
zum Hals. Wenn nicht ein Wunder geschehen würde, so hörte ich Vater einmal zu dem Duke
sagen, würden wir bald unser Heim und alles, was wir besaßen, verlieren. Mein Vater war
kein guter Landwirt gewesen.“
Eine Weile sinnierte sie traurig vor sich hin, gefangen in ihren Erinnerungen. Doch dann gab
sie sich einen Ruck und fuhr fort.
„An diesem speziellen Tag, der unser aller Leben so grundlegend veränderte, war mein Vater
in ganz besonders gedrückter Stimmung gewesen. Er hoffte, dass Onkel John ihm noch
irgendeinen Rat geben konnte, wie er die Katastrophe, die uns drohte, noch abwenden könne.
Doch als wir auf Ravensdale Hall eintrafen, sagte man uns, dass der Herzog, obwohl schon
eine Weile leidend, plötzlich schwer erkrankt war. Mein Vater wurde ganz blass und schickte
mich in die Bibliothek, während er selbst zu seinem Freund eilte. Obwohl ich normalerweise
jedes Mal tief in der Welt der Bücher versank, wenn ich mich hier aufhielt und dabei alles
andere vergaß, konnte ich mich diesmal einfach nicht auf ein Buch konzentrieren. Wahllos
griff ich von einem zum andern, immer in Gedanken bei meinem Vater.
Aber dann... dann fand ich doch etwas, das mich zu fesseln vermochte. Aus einem der etwas
älteren Bücher, in denen die Geschichte des Königreiches behandelt wurde, fielen einige eng
beschriebene Seiten Papier heraus und verschwanden fast unter dem Regal. Es kostete mich
große Mühe, die kleinen verschnörkelten Buchstaben zu entziffern, aber was da geschrieben
stand, lohnte die Mühe in meinen Augen.
Geschrieben wurden diese Seiten von Johns Großvater, einem Mann mit einem aufwendigen
Lebensstil, wie ich heute weiß. Er ließ einen Großteil des Schlosses umfassend renovieren, bis
ihm das Geld ausging. Etwas, das alle Morgans miteinander teilten. Ihr Geld reichte nie.“
Patrick räusperte sich zwar vernehmlich, doch Elizabeth störte sich nicht daran und sprach
weiter.
Er schrieb davon, wie er im Zuge der Renovierung in der Bibliothek auf ein paar alte
Dokumente gestoßen war, in denen von einem Rätsel die Rede war, das man nie hatte lösen
können. Im 16. Jahrhundert war nach dem Tod des zweiten Duke eine gewisse Zahl
kostbarster Juwelen verschwunden, welche dieser geerbt und dem Familienschatz einverleibt
hatte. Es gab keinen Hinweis darauf, dass er sie verkauft hätte, obwohl er als Grundherr nicht
erfolgreicher gewesen war, als mein Vater. Doch, obwohl man das Schloss auf den Kopf
stellte, die Juwelen blieben verschwunden. Johns Großvater berichtete nun, dass er aus
Neugier diese Suche fortgesetzt hatte. Ich denke eher, er hoffte, durch diese Juwelen wieder
zu Geld zu kommen. Er scheiterte, doch seine Suche brachte etwas anderes zutage, dass
nämlich die Geschichte dieser Juwelen noch weitaus geheimnisvoller war, als es anfangs
erschien. Nicht nur sie waren verschwunden, sondern auch ihre ehemalige Besitzerin....Johns
Großvater erwähnte ihren Namen nicht, er nannte sie nur noch die „spanische Braut“.
Ich war so fasziniert von dieser Geschichte, dass ich all meinen eigenen Kummer vergaß. In
dem Bericht hieß es, der einzige noch existente Hinweis auf die Juwelen wäre ein Porträt von
Stanley Morgan und seiner Gemahlin, auf dem sie einen Teil dieser Juwelen trug. Ich musste
mir das einfach ansehen. Also ließ ich das Buch in der Bibliothek zurück und wanderte durch
das fast schon totenstille Haus zur Ahnengalerie, wo es hängen sollte. Niemand nahm von mir
Notiz, die Diener hasteten an mir vorbei, als würden sie mich gar nicht sehen. So hatte ich
genügend Muße, mir die Bilder in Ruhe anzusehen. Das Porträt unseres pferdeverrückten
Vorfahren kannte ich schon, es war nur eine kleinere Kopie dessen, was in Langley Park hing.
Also beachtete ich es nicht weiter. Stattdessen wurde ich sofort von dem seines Bruders
Stanley angezogen. Ich weiß noch genau, dass ich mich immer unwohler fühlte, je länger ich
in seine hochmütig blickenden Augen sah. Dabei war ich doch nur wegen der Juwelen
gekommen. Es war wirklich besonders kostbarer Schmuck, würdig, von einer Königin
getragen zu werden und mit Sicherheit ein schwerer Verlust für die Familie.
„Ich weiß welches Bild du meinst, es hängt immer noch in der Galerie,“ warf Patrick ein, als
sie eine kurze Pause machte. „Wer weiß, was mit dem Schmuck passiert ist. Vielleicht hat er
ihn beim Spiel verloren. Er wäre nicht der Einzige in dieser Familie, der auf die Weise sein
Vermögen durchgebracht hat. Aber ich sehe immer noch nicht, was das nun alles mit diesem
sogenannten Geist zu tun hat, von dem du sprichst?“
Sie lächelte still, verschränkte ihre Hände und sah ihn mit einem gütigen Lächeln an. Geduld
war noch nie eine seiner Stärken gewesen.
„Einen Augenblick noch, mein Junge. Ich komme gleich dazu. Er hat den Schmuck nicht
verspielt, noch hat es ein anderer getan. Aber lass mich das Ganze der Reihe nach erzählen.“
Wie ihr wohl inzwischen selbst herausgefunden habt, führt von der Ahnengalerie eine Treppe
direkt in die Kapelle. Ich folgte dem Bericht und ging hinunter. Zwar rechnete ich kaum
damit, irgendeinen Hinweis zu finden, dem nicht auch schon Johns Großvater nachgegangen
wäre, aber es erschien mir doch alles viel zu faszinierend, um es nicht zu tun, es war ein
Abenteuer, das ich zu bestehen hatte. Ich ahnte ja noch nicht, was für ein Abenteuer das
werden würde. Denn nur wenige Augenblicke später fand ich in der Kapelle etwas, womit ich
nicht mal in meinen wildesten Fantasien gerechnet hätte, etwas, dass der Mann damals
übersehen hatte.“
Sie hielt inne und sah ihre Zuhörer an. Die beiden sahen aus wie Kinder, denen man eine
spannende Gutenachtgeschichte erzählte.
„Nun“ meinte sie und sprang in einem plötzlichen Entschluss auf. „Es wäre wohl das Beste,
die Tatsachen für mich sprechen zu lassen.“ Ohne eine weitere Erklärung wandte sie sich zur
Tür.
„Wo willst du hin, Tante Liz?“ rief Patrick ihr erstaunt hinterher und stieg aus dem Bett.
„Ich werde in die Kapelle gehen und wenn ihr sehen wollt, was ich dort gefunden habe, solltet
ihr mich begleiten.“
Patrick sah fragend zu seiner Mutter hinüber, die nur hilflos die Schultern zuckte, sich
ebenfalls abwandte und der Tante folgte. Es blieb ihm nichts weiter übrig, als in größter Hast
in ein paar Hosen zu steigen, einen Hausmantel überzuwerfen und sich im Hinausstolpern die
Schuhe anzuziehen.
Was um alles in der Welt war nur in seine Tante gefahren? fluchte er dabei leise vor sich hin.
Sie eilte in solchem Tempo durch die Gänge und die Treppen hinab, dass die beiden, obwohl
um vieles jünger, Schwierigkeiten hatten, mit ihr Schritt zu halten. Ihr schien es nichts
auszumachen, während Lady Alice völlig außer Atem in der Kapelle anlangte.++++++++++++++++++++
geht noch weiter -
*
„Warum um alles in der Welt rennst du so, als ob der Teufel hinter dir her wäre?“ keuchte sie,
während sie sich gleichzeitig fragte, ob sie nicht lieber doch damit aufhören sollte, sich derart
eng einzuschnüren, selbst wenn die Mode es verlangte. Allerdings bemerkte sie, dass auch ihr
Sohn ein wenig nach Luft rang, da er, um sie einzuholen, noch schneller hatte laufen müssen.
„Woher willst du wissen, dass das, was du suchst, noch existiert, Tante Liz?“ fragte Patrick
gerade und reichte seiner Mutter den Arm, damit sie sich auf ihn stützen konnte. „Immerhin
hat mein Vorgänger in der Kapelle einige Umbauten vorgenommen, wobei ich mich immer
noch frage, woher er das Geld dafür genommen hat, wo er doch so gut wie nichts mehr
besaß.“
„Beruhigt Euch beide, es ist alles noch da, ich habe bereits gestern Abend nachgesehen. Wir
müssen hier entlang.“ Elizabeth wies auf das schmale Seitenschiff, in dem die ältesten
Familiendenkmäler aufgestellt waren.
„Diese beiden Epitaphe für seine Eltern ließ der zweite Duke Stanley Morgan hier aufstellen“
erklärte Elizabeth. „Er verfügte, sie niemals zu versetzen. Und er hatte dafür einen sehr guten
Grund. Passt auf!“
Sie drückte der Reihe nach auf drei der kleinen Wappenschilde auf der Umrandung der
Grabplatte des Mannes und plötzlich klappte die Platte mit einem unheimlichen Geräusch
nach hinten. Lady Alice wich erschrocken zurück, während Patrick fasziniert hinein lugte und
es kaum erwarten konnte, den zum Vorschein gekommenen Gang zu betreten. Allein seine
Erziehung hemmte seinen Eifer und ließ der Tante den Vortritt. Nach einer kleinen Warnung
vor den Spinnweben ging sie den beiden voran.
„Am anderen Ende dieses Ganges befindet sich ein geheimer Raum. Beides existierte schon,
bevor der erste Duke Ravensdale Hall auf den Mauern der alten Abtei erbauen ließ, die man
unter König Henry größtenteils abgerissen hat. Jedenfalls ließ er ihn bestehen und zeigte ihn
nur seinem ältesten Sohn als eine Art Familiengeheimnis. Doch Stanley Morgan hat niemals
jemand anderem davon erzählt, sondern behielt das Geheimnis für sich und tat alles, damit es
auch so blieb. Er verbarg den Zugang hinter dem Epitaph des Vaters, nachdem er den
Öffnungsmechanismus mit den Wappen hatte verbinden lassen. So glaubte er sicher sein zu
können, dass niemand außer ihm je wieder hier hinein gelangen würde. Er hatte nur nicht mit
der Neugier eines kleinen Mädchens gerechnet.“
Hinter sich spürte sie die wachsende Ungeduld ihres Großneffen und öffnete die Tür. Wieder
quietschte sie in den Angeln, und wieder hörte es sich wie der Klagelaut eines Menschen an.
Zielsicher ging sie zum Leuchter auf der Kommode und entzündete die Kerzen, damit ihre
Verwandten, die staunend in der Tür stehen geblieben waren, etwas mehr sehen konnten von
dem kleinen Zimmer.
„Ich kann mir nicht helfen, aber irgendwie jagt dieser Ort mir Schauer über den Rücken!“
meinte Lady Alice und weigerte sich zunächst entschieden, auch nur einen Fuß über die Schwelle
zu setzen. Also schob sich Patrick an ihr vorbei und begann, sich in dem Raum umzusehen.
Als erstes fielen ihm die Waffen genau gegenüber auf und er steuerte direkt darauf zu.
„FLM?“ las er und drehte sich wieder zu Elizabeth um. „Was bedeutet das?“
„Das sind die Initialen des ursprünglichen Besitzers, Don Federico de Lorca y Mondragos,
Conde da Silva. Er gab sie seiner Tochter Catalina mit, als Geschenk für ihren zukünftigen
Schwiegervater, den ersten Duke of Ravensdale.“
„Schwiegervater? Dann ist sie... diese... diese spanische Braut aus dem Bericht?“
Elizabeth nickte und ließ sich in den Lehnstuhl sinken. „Dona Catalina kam als Braut in
dieses Haus und ist hier verschwunden, ebenso wie ihre Juwelen, zu denen auch diese beiden
Dolche dort gehörten. Sie...ist der Geist, von dem ich sprach, der Fluch der Morgans, der
jeden Titelträger heimsucht. Und bevor du mich fragst, woher ich das weiß, ich hab sie
gesehen, hier, in diesem Raum, als ich den Eingang entdeckte.“
Lady Alice erbleichte und wurde von Patrick sofort in einen der Klappsessel genötigt,
bevor er sich ebenfalls niederließ.
„Aber das ist doch alles Unsinn, Tante Liz,“ wandte Patrick ein, als er sich von seinem ersten
Erstaunen erholt hatte. „Ich will ja gern glauben, dass du überzeugt bist, hier vor fünfzig
Jahren etwas gesehen zu haben, aber du musst bedenken, du hattest doch bestimmt Angst und
deine Sinne waren aufs äußerste aufgeregt. Das kleinste Geräusch kann in solchen
Augenblicken ...“
„Das mein Lieber ist Unsinn.“ schnitt sie ihm ein wenig unwirsch das Wort ab. „Glaubst du
vielleicht, nur weil ein Luftzug einen Vorhang bewegt, bilde ich mir ein, hier jemanden stehen
zu sehen? Aber genau so war es. Ich öffnete die Tür“, ihre Stimme wurde leiser, während sie
erneut in ihren Erinnerungen versank. So mussten die beiden sich anstrengen, um sie noch zu
hören.
„Es war dunkel in dem Raum. Der einzige Lichtstrahl kam von meiner Kerze. Die Luft war
dumpf und roch modrig. Ich spürte, wie in mir der Ekel hochstieg. Vorsichtig schob ich die
Tür ganz auf und betrat den Raum. Doch als ich mich umdrehte, blieb mir vor Schreck fast
das Herz stehen und ich erstarrte.
Mir genau gegenüber stand eine Frau und blickte mir direkt in die Augen. Die Kerze fiel aus
meiner Hand und erlosch. Ich taumelte nach hinten und suchte nach der Tür, doch ich konnte
sie nicht finden. Ich begann zu stottern, irgendetwas, das wie eine Entschuldigung für mein
Eindringen klingen sollte und ich wäre wohl davongerannt, wenn sie nicht etwas getan hätte,
das meine Beine in Butter verwandelte, so dass ich mich unmöglich von der Stelle bewegen
konnte. Vor meinen Augen und ohne dass sie ihn auch nur mit dem kleinen Finger berührt
hätte, bewegte sich der Leuchter. Er entzündete sich selbst aufs neue und schwebte vom
Fußboden auf die Kommode hinter mir. Ja und dann ...
‚Du solltest vorsichtiger sein, oder willst du das ganze Haus in Brand stecken?’ fragte sie
mich und ließ ein leises, perlendes Lachen hören. Nie werde ich dieses Lachen vergessen. Es
klang so freundlich und gütig und ließ mich sofort Vertrauen fassen. Ich hatte das Gefühl, als
würde ich sie schon seit einer Ewigkeit kennen, als wäre sie... eine Freundin, eine sehr gute
Freundin.“ Ihr Blick glitt traurig von Lady Alice zu Patrick.
„Ich hatte damals keine Freundin mehr. Solange mein Vater genügend Geld besaß, waren dein
Großvater und ich von sogenannten Freunden nur so umlagert, doch nachdem die finanzielle
Katastrophe über uns hereinbrach, verließ uns einer nach dem andern aus fadenscheinigen
Gründen.++++++++++++++++++
geht noch weiter -
*
Zum Zeitpunkt meiner Begegnung mit ihr war ich schon lange allein, mein Bruder befand
sich in Eton, das einzige Zugeständnis, das Vater den herrschenden Regeln machte. Er war zu
sehr damit beschäftigt, den völligen Ruin von uns abzuwenden. Und so verbrachte ich meine
Tage zumeist im Schlafzimmer meiner geliebten Mutter, um keine der seltenen Gelegenheiten
zu verpassen, wenn das Laudanum, dass sie wegen ihrer furchtbaren Schmerzen nehmen
musste, sie zu klarem Bewusstsein kommen ließ. Ich war es gewöhnt, leise zu sein und mich
nur auf Zehenspitzen durch den abgedunkelten Raum zu bewegen, und da es niemanden gab,
mit dem ich hätte spielen können, ließ man es zu. Dienstboten gab es kaum noch, und die
wenigen waren immer beschäftigt. Kurz, ich hatte niemanden, mit dem ich reden konnte, dem
ich meine Probleme, meine Ängste und Freuden anvertrauen konnte.
Und da traf ich plötzlich eine Fremde und fühlte mich sofort so stark zu ihr hingezogen, dass
ich ihr in einem ungeheuren Redestrom alles erzählt habe. Sie hat mich nicht ein einziges Mal
unterbrochen. Sie saß einfach nur da, in ihrem altmodischen Kleid, dass ihr nach meiner
Meinung gut stand und hörte zu. Ich weiß nicht mehr, wie lange es dauerte, aber sie ließ mich
geduldig zu Ende erzählen. Dann sah sie mich eine Weile schweigend an und sagte
schließlich:
‚Ich fürchte, der Duke wird deinem Vater nicht mehr helfen können. Er wird den heutigen
Tag nicht überleben. Es tut mir leid.’
Zuerst verstand ich nicht, wovon sie sprach, doch als ich den Sinn ihrer Worte begriff und sie
fragen wollte, woher sie das wisse, war sie verschwunden. Ich suchte den ganzen Raum ab, es
gab keine andere Tür, nur die, durch die ich gekommen war, aber das Zimmer war und blieb
leer. Ihr könnt euch vorstellen, wie verwirrt ich war. Ich fragte mich, ob ich mir die
Erscheinung nur eingebildet hatte, aber noch brannten alle Leuchter im Zimmer, ich hatte aber
nur einen angezündet!
Ich denke, es ist verständlich, dass mir nicht nur unheimlich zumute wurde, sondern dass ich
wirklich richtige Angst bekam, ich riss die Tür auf und rannte so schnell ich nur konnte in die
Kapelle zurück. Ich blieb erst vor der Kapellentür stehen, als mir einfiel, dass ich die Kerze
dort vergessen und auch die Grabplatte nicht wieder zurückgeschoben hatte. Also lief ich
zurück, doch sie stand auf ihrem Platz, als wäre sie nie verrückt worden. Der Staub, in dem
vorher deutlich meine Fußabdrücke zu sehen waren, zeigte plötzlich keinerlei Spuren mehr,
dass hier kürzlich jemand gestanden hatte. Und ein Blick zum Altar hinüber zeigte mir, dass
keiner der Leuchter fehlte.
Wie betäubt verließ ich die Kapelle. Ich versuchte, mir darüber klar zu werden, ob das eben
Erlebte tatsächlich real oder doch nur eine Sinnestäuschung war, hervorgerufen durch meine
zugegeben recht lebhafte Phantasie.“
„Ich denke, genauso wird es gewesen sein.“ meinte Patrick freundlich. „Du hast erzählt, du
wärest sehr einsam gewesen. Was liegt da näher, als sich eine imaginäre Freundin zu
schaffen, jemanden, den man ganz für sich allein hat, den man mit niemandem teilen muss,
den nur du sehen konntest, einen Geist eben.“
Lady Alice nickte eifrig. „Das wäre doch völlig verständlich.“
Elizabeth schüttelte den Kopf. Die zwei schienen jede Erklärung in Betracht zu ziehen, nur
nicht die Wahrheit. Würde sie den beiden erzählen, sie wäre König Artus begegnet, würden
sie ihr wohl eher glauben.
„Ich wünschte es wäre so gewesen“ seufzte sie daher. „Aber es handelte sich um eine reale
Erscheinung, das sollte ich bald herausfinden.
Zunächst bemerkte ich das geschäftige Treiben um mich herum nicht. Doch dann kam mein
Vater auf mich zu und zog mich in einen Nebengang. Wo ich gewesen sei, fragte er mich.
Dabei klang seine Stimme irgendwie gehetzt, besorgt und traurig zugleich. Wir müssten jetzt
gehen, meinte er. Ich wollte aber unbedingt noch zu unserem Gastgeber, denn das, was ich
soeben gehört hatte, spukte noch immer in meinem Kopf herum. Aber mein Vater sah mich
nur an und sagte mit unglaublich müder Stimme:
‚Du kannst nicht mehr zu ihm, meine Kleine, Onkel John liegt im Sterben.’ Er streckte seine
Hände aus und zog mich in seine Arme. Er hatte das schon lange nicht mehr getan, doch ich
nahm es kaum wahr. In meinem Kopf dröhnten die Worte der Fremden ‚Der Duke wird den
heutigen Tag nicht überleben!’, wieder und immer wieder hörte ich dieselben Worte. Ich hielt
mir die Ohren zu, doch es half nichts.
‚Sie hat es gewusst, Vater, wieso hat sie es gewusst?’ rief ich und lief hinaus.
Ich wollte zu ihm, denn ich hatte ihn sehr gern. Er war noch kein alter Mann, gerade mal 52,
aber er war nicht sehr glücklich. Früh Witwer geworden, blieb ihm von seinen drei Söhnen
nur der jüngste, ein Taugenichts und Verschwender, wie man ihn sich schlimmer nicht
vorstellen kann. Stellt euch James vor und das noch eine Spur schlimmer. Onkel John hatte
ihm sein Haus verboten und verschloss sich auch vor seinen Nachbarn, weshalb er mit den
Jahren ein einsamer Mensch wurde. Doch zu mir war er immer gut gewesen, jetzt lag er im
Sterben, und sie hatte es gewusst. Ich kann nicht sagen, warum, aber aus irgendeinem Grund
wusste ich, dass sie etwas mit seinem Tod zu tun hatte, und der Gedanke erschreckte mich.
Ich hatte den Absatz gerade erreicht, da hörte ich, wie der Butler die Haustür öffnete und den
Sohn des Duke und seine grauenhafte Frau hereinließ. Die Geier waren angekommen in der
Erwartung ihrer Beute. Ich hatte nicht mehr viel Zeit, deshalb beeilte ich mich.“
Es war niemand in der Nähe, als ich mich in sein Schlafzimmer schlich. Auch drinnen fand
ich niemanden vor. Er lag auf seinem Bett, seine Gestalt verschwand fast zwischen den
Kissen, seine große Hakennase ragte aus dem wachsbleichen Gesicht, die Augen waren
geschlossen, er röchelte nur noch, ein furchtbares Geräusch. Ich fühlte mich unsagbar elend.
Ich war allein mit einem sterbenden Menschen. Zum erstenmal in meinem Leben stand ich
dem Tod direkt gegenüber und ich musste plötzlich daran denken, dass ich womöglich bald
ebenso am Bett meiner Mutter stehen würde. Das allein genügte, mir die Tränen in die Augen
zu treiben. Ich zog mir einen Stuhl heran und weinte leise vor mich hin.
Und da verspürte ich plötzlich einen kleinen Lufthauch, der mich frösteln und zwei der Kerzen verlöschen ließ, und als ich
aufblickte, sah ich direkt in ihre meergrünen Augen. Eigentlich wollte ich etwas sagen, doch
kein Laut kam über meine Lippen. Ich war gefangen in ihrem Anblick, unfähig etwas zu
sagen oder mich zu bewegen. Erst als ich ihre Stimme vernahm, brach der Bann.
‚Du solltest nicht hier sein, Kleines. Das ist kein Ort für dich. Außerdem wenn sie dich hier
finden, dann bekommst du sicher Schelte’ meinte sie. Und sie sagte das wieder auf diese
unendlich sanfte Art, als wäre sie meine Mutter, die mich beschützen will. Auf einmal fiel es
mir ganz leicht, sie zu fragen, was ich wissen wollte, warum sie vom Tod des Duke gewusst
hatte. Da legte sich ein Schatten über ihr Gesicht und ihr Lächeln wurde traurig.
‚Seine Zeit ist noch nicht gekommen, aber er muss dennoch gehen. Das ist das Gesetz seiner
Familie.’ Ich bemühte mich, es zu verstehen, nur gelang es mir nicht.++++++++++++++++++++++
geht noch weiter -
*
‚Was für ein Gesetz?’ fragte ich. Aber sie antwortete nicht. Sie war an das Bett getreten, sah
auf den Duke hinab und ihr Blick war so seltsam leer dabei, dass ich es nicht wagte, sie noch
einmal anzusprechen. Nach einer geraumen Weile fuhr sie sich mit der Hand übers Gesicht,
wie man es tut, um trübe Gedanken zu verscheuchen und wandte sich erneut mir zu.
‚Ich weiß, dass ich dich verwirrt habe. Das tut mir leid. Ich kann das Gesetz nicht ändern, aber
ich kann es aufhalten, zumindest so lange, dass ich dir helfen kann.’
Sie drehte sich um und ging auf den großen Schrank am anderen Ende des Raumes zu. Ich
konnte nicht sehen, was sie tat, aber plötzlich schwenkte der große Kasten mit einem leisen
Ächzen beiseite, als würde er von einer unsichtbaren Hand gezogen.
Sie trat an die dahinter liegende Wand, berührte das Paneel der Wandverkleidung und auf
einmal war in dem vollkommen stillen Raum ein Klicken zu hören, ein Teil des Paneels
sprang auf und gab eine dunkle Öffnung frei. Sie streckte ihre Hand hinein und holte eine
Truhe aus ihrem Innern, bevor sie sich abwandte, das Paneel zurück glitt und der Schrank
wieder an seine Stelle rückte.
Sie stellte die Truhe einen Moment auf dem Bett ab und beugte sich dann über mich.
‚Hör mir zu, kleine Liz’ sagte sie und strich mir sanft über das Haar. ‚Gleich wird der
Sohn des Duke heraufkommen, zusammen mit den anderen. Du bleibst hier sitzen, und sagst
kein Wort. Lass die anderen reden. Ich werde jetzt gehen, aber hab keine Angst, alles wird
gut, ich werde immer in deiner Nähe sein. Vertrau mir.’ Sie drehte sich um, ich sah, wie sie
dem Duke kurz die Hand auf die Stirn legte und dabei leise etwas vor sich hin murmelte.
Dann streckte sie die Hand aus und die Truhe schwebte vor meinen staunenden Augen vom
Bett zum Nachtisch hinüber. Ich hörte Schritte auf dem Flur, eine laute harte Stimme, die sich
mit einer anderen, ebenso lauten aber eher schrillen mischte. Sie kamen immer näher. Ich
wollte sie warnen, doch sie war bereits fort.
Aufgeregt starrte ich zur Tür, als sie sich öffnete, und wie sie es gesagt hatte, der Sohn des
Duke herein kam, gefolgt von seiner Frau, dem Anwalt und dem Kammerdiener des Duke,
die aber beide an der Tür stehen blieben und sehr erboste Mienen zogen.
Als der Lord meiner ansichtig wurde, schien er nicht sehr erfreut zu sein, mich hier
vorzufinden, doch die Tatsache, dass er nun bald erben würde, ließ ihn mich schnell wieder
vergessen. Er trat an das Bett heran, wie um zu sehen, ob sein Vater denn nicht endlich tot sei, und
wich entsetzt wieder zurück.
Onkel John hatte die Augen geöffnet, sein Blick war klar, sein Atem ging zwar langsam, aber
er röchelte nicht mehr so. Er richtete sich auf und winkte seinem Anwalt, zu ihm zu kommen.
Er deutete auf die neben ihm stehende Truhe und verkündete leise, aber vernehmlich:
‚Der gesamte Besitz des Duke of Ravensdale wird traditionsgemäß an meinen Nachfolger
übergehen. Doch über meinen persönlichen Besitz kann ich frei verfügen, was ich hiermit zu
tun gedenke. Dass ich meinen Sohn nicht liebe, dürfte jedem in diesem Haus bekannt sein.
Doch dieses kleine Mädchen hier hat meine einsamen Tage oft mit Leben erfüllt, und dafür
bin ich ihr dankbar. Außerdem trägt auch sie den Namen Morgan, dem mein Sohn so wenig
Ehre gemacht hat. Deshalb bestimme ich, dass Lady Elizabeth Morgan diese Truhe samt
Inhalt erhält. Ich verlange, dass dieser mein Wille anerkannt und durchgeführt wird.’
Sein Anwalt hatte während seiner Rede alles niedergeschrieben, ließ ihn und den
Kammerdiener als Zeugen das Dokument noch unterschreiben und fertigte eine Kopie für
den Sohn an.
Dessen anfängliche Gleichgültigkeit verflog, als ihm seine ebenso habgierige Frau lautstark
klar machte, dass sich in der Truhe etwas sehr Wertvolles befinden müsse, etwas, das er mehr
als gut gebrauchen konnte, denn außer dem unveräußerlichen Erbgut besaß der Duke kaum
noch Nennenswertes.
Ich kam nur mit Mühe auf die Beine, als der Kammerdiener die Truhe nahm und sie mir
hinhielt. Er musste sie gleich darauf wieder abstellen, denn sein Herr fiel ebenso plötzlich,
wie er sich aufgerichtet hatte, wieder nach hinten. Er konnte ihm nur noch die Augen
schließen.
„Ihr dürft die Truhe ruhig nehmen, Mylady“ sagte der Anwalt. „Sie gehört nun rechtmäßig
Euch.“ Ich umklammerte die Truhe, sie war furchtbar schwer und schlüpfte
gemeinsam mit ihm aus dem Zimmer.
Draußen im Gang saß mein Vater, bleich und in sich zusammengesunken. Doch als der
Anwalt ihm erzählte, was sich soeben im Schlafzimmer des alten Duke abgespielt hatte, da
traten ihm die Tränen in die Augen, Tränen der Trauer um seinen toten Freund, aber auch der
Erleichterung. Wie jeder andere vermutete er Geld oder etwas ähnlich Wertvolles in der
Truhe, etwas, das uns aus den Schwierigkeiten heraus helfen würde.
Dieser Tag war der Beginn eines neuen Lebens für unsere Familie. Auch du Patrick verdankst
ihm deinen Wohlstand. Denn wir hatten alle recht. Der Inhalt dieser Truhe genügte, um
unsere Schulden zu bezahlen und obendrein einen Neuanfang zu wagen. Und seit diesem Tag
lächelte uns das Glück zu.“
Der junge Mann nickte.
„Vater hat mir davon erzählt, wie die unverhoffte Erbschaft unsere Familie zu Wohlstand
kommen ließ. Doch er sagte, es wäre ein letztes Geschenk unter Freunden gewesen, weil die
beiden Männer sich so gut verstanden hätten.“
„Das ist auch richtig, wenn auch nur zum Teil. Immerhin hatte ich die Truhe bekommen,
nicht mein Vater. Außerdem hätte er ihm die Truhe doch auch schon früher geben können,
meinst du nicht? Stattdessen kam der alte, schon halbtote Duke gerade noch lange genug zu
Bewusstsein, um ein Zusatztestament über eine Truhe aufzustellen, die niemand vorher je
gesehen hatte. Nein, Patrick, hinter der Sache steckte eine Menge mehr. Denn was wir in der
Truhe gefunden hatten, waren Juwelen, Catalinas Juwelen, die vor mehr als zweihundert
Jahren verschwunden waren. Durch das Bild aus der Ahnengalerie erkannte ich sie sofort. Sie
hatten dieses Haus nie verlassen, ebenso wenig wie deren Besitzerin.“++++++++++++++++++++++++++++++++++
Damit ist das Ende der heutigen Fortsetzung erreicht. Was Elizabeth sonst noch zu erzählen hat, und das hat sie, das kommt dann beim nächsten Mal. Nochmals danke für die Geduld und ich hoffe, es hat euch gefallen.
LG
Nery -
Catalina hat dafür gesorgt, dass Elizabeth ihre Juwelen bekommt?? Na mit sowas hätte ich jetzt aber nicht gerechnet. Warum hat sie das damals getan? Tat ihr die Kleine so leid? Das steht irgendwie im Widerspruch zu ihrer Kälte ihren Fluch betreffend. Zudem sie Elizabeth ja gerade nochmal geholfen hat, indem sie Patrick eine Gnadenfrist gewährte. Mann bin ich nun verwirrt!
Na nun schreib aber mal schnell weiter, ich platze vor Neugierde! *knall*
LG,
Lenya -
Wow, tolle Fortsetzung, ich liebe deine Bilder, sie versetzen einen immer in eine andere Welt, als würde man dort sein und alles miterleben.
Interessant, was Elizabeth da erzählt. Sie hat von Catalina damals den vermissten Schmuck bekommen und der dürfte eine gewisse magische Wirkung haben, den danach ging es ihrer Familie immer gut und ihnen fehlte es an nichts.
Also genau des Gegenteil von dem was in Ravensdall Hall vor sich geht, hier wurde ein *böser und tödlicher * Fluch ausgesprochen.
Hm, diese Zugang zu den versteckten Räumen war niemanden bekannt, ich bin am überlegen das Catalina damals dort eingesperrt wurde und auch dort starb und als Geist weiterlebt.
Sie hat auch ein gutes Herz, das erkennt man an der Art wie sie Elizabeth damals behandelt und ihnen geholfen hat.
Nur wie können Elizabeth, Patrick und Lady Alice den Fluch beenden, da bin ich noch total umschlüssig, wie wollen sie das Rätsel lösen um Patricks Leben zu retten????
Jetzt bin Spannung darauf warte was als nächstes kommt -
Hallo Nery!
nun habe ich auch diese FS gelesen und ich muss sagen, sie gefällt mir gut. Das ist ja ein Wahnsinn was Du da an Bauwerke erstellst. Besonders die Bibliothek fand ich total schön und begeistert bin ich jedes Mal von den Kutschen...
Man kann es schon erahnen. Irgendwie haben sie Catalina übel mitgespielt.... Warum sie den Fluch aber nicht nehmen kann, verstehe ich nicht so ganz. Aber ich kenne mich mit Flüchen auch nicht so aus.
Da kann man nur hoffen, dass Patrick mit Hilfe seiner Mutter und Tante dieses Rätsel lösen kann. 10 Tage ist ja nicht eben lang. Wo wohl die Juwelen abgeblieben sind?? Wahrscheinlich hat sie Elisabeths Vater veräußert um seine Schulden zu tilgen....Wird man wohl noch erfahren, warum Patrick aus geschäftlichen Gründen nach Frankreich musste und was aus der Lady Worthington geworden ist??
Fertige Geschichten haben den Vorteil, dass man auf keine Fortsetzung warten muss *grins*, denn nun kann ich es gar nicht erwarten bis es hier weiter geht und ich die Aulösung dieses Rätsels und die damit die Lösung des historien Krimis kenne
-
Das wird ja immer spannender. Nun wissen wir also, in welchem Zusammenhang Elisabeth mit Catalina steht. Es sieht so aus, als ob ein Gespenst, eine Untote oder was ist sie eigentlich wirklich? noch eine Seele und damit auch Gefühle hat. Ist ihr ihr Schicksal so aufgezwungen, dass sie es selbst hasst? Inwieweit kann sie den Fluch, den sie offensichtlich nicht nur selbst verursacht hat weiter abmildern, so, wie sie es damals bereits im Fall der kleinen Elisabeth getan hat. Vielleicht erinnerte deren verzweifelte Zukunft und dass diese so allein war , an ihr eigenes Schicksal? Catalina war so voller Hoffnungen in dieses kalte ferne England gekommen und dann so allein. Sogar jetzt, in ihrem Zustand emfindet man ihre Situation weniger ales einen Fluch denn mehr als eine Pein und Strafe für sie.
Die zahlreichen ausdrucksstarken Fotos bringen diese Seite noch deutlicher zur Geltung. Sie verstärken diese traurige , verzweifelte Stimmung und erhöhen die Spannung. Es ist sicher viel Arbeit, an den Fortsetzungen mit soooo viel Fotos zu arbeiten. Trotzdem warte ich schon begierigdarauf, zu erfahren, wie es weiter geht. LG.:applaus -
Hallo alle zusammen,
ich hoffe, ihr steckt noch nicht allzu sehr im Weihnachtsstress.
Ich leider schon irgendwie.
Wie schon bei der letzten Fortsetzung erwähnt, hab ich meine Tastatur im Tee ertränkt, was sie mir reichlich übel genommen hat. Schreiben ist im Augenblick wie Krafttraining für die Finger, weil so gut wie jede Taste klemmt, und manche kaum oder gar nicht mehr will. Weshalb sich die neue Fortsetzung soweit verzögert, dass ich sie erst im Laufe dieser Woche posten kann. Wenn mein neues Keyboard den Weg zu mir gefunden hat, was hoffentlich morgen der Fall sein wird. Ich werde dann zusehen, die nicht auch gleich wieder zu schrotten.
Ich weiß, ihr müsst im Augenblick eine Menge Geduld aufbringen, bitte verzeiht mir noch mal.
Wünsche trotzdem allen eine schöne Woche. Bis bald. -
*schnell noch reinflitz*
Huhu Nery,
Weihnachtsstress? Nein, definitiv nicht, nur normalen Stress. Drum bin ich diesmal auch (wieder) so spät dran.
Soso, dass ist also die Geschichte der kleinen Elisabeth. Ganz schön gruselig für ein kleines Mädchen und ich muss sagen, dass die Gute da eine gehörige Portion Mut und, hm wie nenn ich das jetzt, kindlichen Glauben in ihre Sicherheit gehabt hat. Nicht jeder Erwachsener würde so ohne weiteres an einen Geist glauben und dann auch noch vor diesem kaum Angst haben. Ganz schön bewundernswert Elisabeth.
So hat also Catalina Elisabeths Familie mit ihren Juwelen zu Reichtum und neuer Hoffnung verholfen. Es steckt halt doch etwas Gutes in ihr und sie ist trotz ihrer Rachegelüsten nicht herzlos. Nun verstehe ich auch wer das, bei dem ersten Versuch von Elisabeth die Geschichte zu erzählen, auf den Bildern war. Irgendwie war mir das vorher noch nicht so ganz klar gewesen. Geduld zahlt sich manchmal halt doch aus.So, nun kennen wir also eine der Geschichten um Ravensdale Hall und ich bin gespannt, was noch so von Elisabeth an Tageslicht erzählt wird. Catalinas Geschichte selbst oder doch noch eine weitere Episode der turbolenten Familiegeschichte.
Wie immer waren deine Bilder eine Augenweide und dein Text hält einen immer wieder gefangen. Toll!
Ganz liebe Grüße
Llyn -
Einen schönen Samstagnachmittag euch allen.
Ich habs mal wieder geschafft, dank einer neuen Tastatur und einer kleinen Inspirationswelle, die mich gepackt hat. Ich gebe zu, dass diese und auch die nächsten Fortsetzungen recht schwierig zu schreiben sind, weil man doch gerade diese Szenen besonders gut machen möchte und man einfach nicht zufrieden ist.
Ob es mir also gelungen ist, müsst ihr wohl entscheiden.Zunächst erstmal wie immer ein herzliches Dankeschön an alle Kommischreiber und Karmaspender und auch an alle anderen, vor allem für die Geduld. Ich kann zumindest eines sagen, die Bilder für die nächste FS sind schon fertig.
Lenya: ich denke schon, dass sie ihr leidgetan hat, irgendwie. Sie war ja schließlich auch mal ein Mensch und hatte Gefühle, Hoffnungen und Träume. Es könnte also durchaus sein, dass sie auch als Geist durchaus noch ein Herz besitzt, imaginär versteht sich. Und bitte nicht platzen, wie sollst du denn sonst weiterlesen.
@gotti: magische Wirkung? Doch, könnte man so sagen, obwohl der Vater das meiste natürlich verkaufen musste. Gutes und Böses können so nah beiander liegen und alles hat seinen Preis, auch das Gute. Wie man noch sehen wird.
Was deine Überlegung zu dem Raum betrifft, darauf werde ich dir in den nächsten Fortsetzungen antworten. Ich will es noch nicht vorweg nehmen. :rollaugeTabatha: hallo und willkommen. Ich freu mich, dass dir auch die neue zusagt. Die Bibliothek ist mein absoluter Lieblingsraum, neben der Kapelle. Und auch der, an dem ich am längsten gebastelt habe.
Die Juwelen hat der Vater wirklich verkauft, die meisten zumindest. Es blieb ihm nichts anderes übrig, wenn er die Familie vor dem Ruin retten wollte.
Deine beiden anderen Fragen werden noch beantwortet, keine Sorge, aber alles zu seiner Zeit.
Und ich werde versuchen, die Wartezeit möglichst kürzer zu halten, es ist nur im Augenblick etwas verhext, man nimmt es sich immer vor, aber das Real Life macht einem ständig Striche durch die Rechnung.Rheasylvia: nenn sie ruhig Gespenst, ich glaube, das Wort Untote würde ihr nicht gefallen. Mit dem Rest hast du recht. Dreihundert Jahre können eine verdammt lange Zeit sein, wenn man einsam durch dunkle Hallen wandelt. Da kann selbst das Bedürfnis nach Rache langsam verschwinden und der Fluch, der doch für die anderen gedacht war, zum eigenen Fluch werden. Mal sehen, ob sie sich daraus befreien kann, oder Patrick, oder wer auch immer. Ich verrate nichts. :rollauge
Llynya: gut reingeflitzt. Und nicht zu spät. Besser als ich.
Elizabeth hab ich mir tatsächlich immer als ein Mädchen vorgestellt, das viel reifer war als andere in ihrem Alter. Einfach auch durch ihren Hintergrund. Die Mutter schwerkrank, der Vater beschäftigt, da muss man früh lernen, selbstständig zu werden. Aber Kinder sind auch generell eher bereit, an das Fantastische zu glauben, als Erwachsene, das hat sich ja bis heute nicht geändert.
Und ja, Geduld zahlt sich aus. Immer. Man muss ja auch nicht immer alles gleich verstehen, wo bliebe denn sonst die Spannung. Die kleinen Überraschungen machen das Ganze erst interessant. (das schaffst du ja auch immer wieder, siehe deine neueste Fortsetzung)Und was Elizabeth nun noch so zu erzählen hat, ist eine laaaaange Geschichte, weshalb das Ganze sich über mehrere Fortsetzungen hinziehen wird. Ich schätze, ihr habt nichts dagegen.
Viel Vergnügen, beim Lesen. -
*
Eine drückende Stille lag nach Elizabeths letzten Worten über dem Raum. Patrick und seine
Mutter sahen sie eine ganze Weile schweigend an, als wären sie sich noch nicht darüber klar,
was sie von dem Gehörten halten sollen.
Schließlich räusperte sich der junge Mann vernehmlich.
„Woher weißt du denn, dass diese... wie nennst du sie? Catalina? Dass diese Catalina die Frau
ist, ehm... war, der diese Juwelen gehört haben, Tante?“
„Sie hat es mir gesagt.“
„Hat sie das?“ Zwar bemühte er sich, nicht allzu skeptisch zu klingen, aber es gelang ihm
nicht recht. „Und wann?“
„Am Tag von Johns Beerdigung!“ erwiderte Elizabeth ruhig.
„Johns Sohn war so außer sich über den Zusatz zum Testament, dass wir das Haus so schnell
es ging verließen und die Zeit bis zur Beerdigung bei einem Nachbarn verbrachten. Mein
Vater wollte mich ursprünglich nicht wieder mit ins Schloss nehmen, doch ich bestand darauf.
Diese Beisetzung bot mir für lange Zeit die letzte Gelegenheit, Ravensdale Hall zu betreten
und die musste ich nutzen, denn ich wollte sie unbedingt noch einmal sehen.“
Sie schwieg einen Moment, sah auf ihre schlanken Finger hinunter, bevor sie fortfuhr:
„Noch während sich die Trauergäste für den Gottesdienst in der Großen Halle versammelten,
schlich ich mich hinunter in die Kapelle. So schnell es ging, eilte ich an dem Sarg vorbei,
hinüber zu dem Epitaph. Meine Finger zitterten und ich brauchte mehrere Versuche, bis ich
die richtige Kombination erneut herausgefunden hatte.
Doch dann stand ich wieder vor ihr. Sie schien überhaupt nicht überrascht zu sein, mich noch
einmal zu sehen, im Gegenteil, irgendwie hatte ich das Gefühl, sie wäre sogar froh darüber.
Trotzdem murmelte ich erst eine leise Entschuldigung für mein neuerliches Eindringen und
dann noch eine ganze Welle von Dankesworten für ihr Geschenk. Meinem Eifer dabei gelang
es sogar, ein Lächeln auf ihre Lippen zu zaubern.
„Ich hoffe, dein Vater wird es weise nutzen, sonst wird es ihm kein Glück bringen. Dies war
ein Fluch für alle Ravensdales, sie nahmen immer nur und gaben kaum etwas zurück.“
Damals verstand ich nicht wirklich, was sie meinte, aber heute, heute weiß ich, wie recht sie
damit hatte.
Wie schon bei meinem ersten Besuch hier, streckte sie die Hand ein Stück nach vorn und der
Stuhl, auf dem du jetzt sitzt, Patrick, kam über den Boden geglitten und blieb vor mir stehen,
so dass ich mich setzen konnte. Und wie an dem anderen Tag wagte ich es immer noch nicht,
sie zu fragen, wie sie das machte. Ebenso wenig wie mir die Frage über die Lippen kam, wie
sie Onkel John dazu gebracht hatte, mir sozusagen im letzten Moment diese Truhe zu
vererben. Wie er überhaupt noch dazu hatte in der Lage sein können, obwohl er an der
Schwelle des Todes stand und schon seit Stunden ohne Bewusstsein war, darüber rätselte ein
jeder hier im Haus. Doch nur ich wusste, dass sie ihn irgendwie zurückgeholt haben musste.
Ich hatte mich nämlich daran erinnert, dass sie, bevor die andern das Zimmer betraten, Onkel
John mit ihrer Hand mehrmals über die Stirn gestrichen hatte und dass dabei ein seltsam
warmes Licht von ihr auszugehen schien. Gleich darauf war der Atem des Sterbenden ruhiger
geworden, als hätte sie die Krankheit, die ihn sterben ließ, einfach angehalten, damit er uns
retten konnte. Und da gab es ja noch mehr Rätsel. Wieso hatte sie gewusst, wo die vor so
langer Zeit verschwundenen und längst in Vergessenheit geratenen Juwelen versteckt
gewesen waren?
„Nun, es war einmal mein Schmuck und ich habe zugesehen, wie man die Truhe in das Fach
hineingelegt hat“, meinte sie mit einem melancholischen Lächeln, als ich mich endlich traute,
zumindest diese eine Frage zu stellen.
Ich starrte sie an. „Aber das ist unmöglich!“ stammelte ich. „Das muss vor über zweihundert
Jahren passiert sein, das ist... viel zu lange her!“
„Für einen Menschen schon, ja.“ Noch immer lächelte sie schwach. „Aber für Geister hat die
Zeit nicht die gleiche Bedeutung.“
Mir blieb der Mund offen stehen. Bedenkt wie alt ich damals war, und welche Sorgen meine
Gedanken trotzdem schon beschäftigten, ich hatte einfach nicht daran gedacht, trotz all der
unheimlichen Dinge, die sie umgaben. „Du bist ein... Geist.... ein richtiger Geist?“ Ich hätte
vermutlich schreien und weglaufen sollen, als sie nickte, aber ich blieb wie festgewachsen auf
dem Stuhl sitzen, unfähig mich zu rühren.
„Dann bist du.... die spanische Braut?“ hauchte ich schließlich, als mir wieder einfiel, was ich
gelesen hatte.
„Die spanische Braut?“ wiederholte sie leise und sah mich forschend an, lange, als wollte sie
mir tief in meine Seele blicken. „Ja, so haben sie mich genannt. Die Spanierin, die Fremde,
die nicht hierher gehörte. Die ungewollte Braut, mehr war ich nicht für sie. Dabei... sollte
alles ganz anders sein, ganz anders.“
Auf einmal schien sie mich völlig vergessen zu haben, ihr Blick wurde starr, ihre Gedanken
eilten zurück und ich....wagte kaum zu atmen und.... hörte zu....“++++++++++++++++++++
geht gleich weiter -
*
„Catalina....“ Ganz leise drang die Stimme ihres Vaters in ihr Bewusstsein. „Die Diener
warten darauf, die Kutsche zu beladen. Es ist hohe Zeit.“
Ihr Kopf neigte sich noch tiefer, als könne sie den Abschied durch ihr Gebet hinauszögern
und wusste doch, es war unmöglich. Hinter ihr stapelten sich die Truhen und Kisten mit ihrer
gesamten persönlichen Habe, ihren Kleidern, ihrem eigenen Schmuck und den Juwelen ihrer
Mutter. Dies war ein Abschied für immer. Wenn sie diesen Raum verließ, würde sie ihn nie
wieder betreten. Der Gedanke ließ sie erschauern.
„Catalina.“ Es half nichts. Sie hob den Kopf und sah der Madonna über dem kleinen
Hausaltar mit einem letzten flehenden Blick ins Antlitz, bevor sie sich umwandte.
„Noch immer in Zweifeln gefangen, mein Kind?“ fragte Don Federico seine Tochter
nachsichtig.
„Nein, mein Vater. Das ist es nicht.“ Es war keine Lüge. Der englische Lord hatte sich als ein
Mann von doch recht angenehmem Äußeren und guten Manieren herausgestellt, der sich
durchaus die Mühe machte, sich das junge Mädchen, das man ihm zur Braut bestimmt hatte,
geneigt zu machen. Er verstand es zu plaudern, seine Komplimente waren wohl gesetzt und
nicht übertrieben. Kurz, seine Gesellschaft wurde ihr zunehmend angenehm und der Gedanke
an eine Ehe mit ihm verlor seinen Schrecken.
„Was hält dich dann in diesem Zimmer fest, während dein Bräutigam dich voller Ungeduld
erwartet?“
„Ihr seid es, Vater. Der Gedanke schmerzt mich, dass Ihr bei meiner Hochzeit nicht bei mir
sein werdet, dass Ihr mich nicht zum Altar führt, wie es Brauch ist.“
„Auch ich bedauere das über alles. Doch du weißt, dass diese Reise zu anstrengend für mich
sein wird, und wenn der Herr mich zu sich ruft, dann soll es hier geschehen, wo deine Mutter
mich erwartet..“
„Natürlich Vater, es ist nur....“ Unfähig sich noch länger zurückzuhalten, warf sie sich in
seine Arme, die sich nach kurzem Zögern um sie schlossen. „Ich werde Euch so furchtbar
vermissen!“ Behutsam drückte seine Hand sie an sich.
„Der Duke of Ravensdale wird dich in sein Haus aufnehmen, dich beschützen und dir in
Zukunft ein Vater sein. Und du wirst es ihm vergelten, indem du ihm eine gute Tochter und
seinem Sohn eine gute Ehefrau sein wirst. Und nun....“ Don Federico straffte die Schultern
und schob sie sanft aber bestimmt von sich. „Haltung, Catalina. Ich möchte stolz auf dich
sein.“
Und sie bewahrte ihre Haltung. Sie lächelte, als ihr Bräutigam sie bei ihrer Ankunft im Hafen
von Dover mit seinen beiden jüngeren Brüdern bekannt machte. Sie lächelte, als er sie nach
Ravensdale Hall brachte, einem großen, von außen recht freundlich wirkenden aber innen vor
Kälte klirrenden Kasten und sie seinem Vater vorstellte, einem von Gicht geplagten
mürrischen alten Mann mit eingefallenen Wangen.
Sie lächelte immer noch, als er die Hochzeit verschob, bis sein Vater sich von seinem letzten
Anfall erholt hätte, als er ihr mitteilte, sie für kurze Zeit verlassen zu müssen, um einigen
wichtigen Geschäften am Hofe der Königin nachzugehen und aus ein paar Tagen ein paar
Wochen wurden.
Sie bewahrte Haltung und ließ sich nicht anmerken, wie sie unter der Einsamkeit und der
Gleichgültigkeit litt, mit der man ihr begegnete.
Sie bewahrte Haltung, bis ein Blick und ein paar freundliche Worte sie ins Wanken, und eine
kurze, doch so harmlose Berührung sie zum Einsturz brachten. Wie warm seine Finger ihre
Hand umschlossen hatten, einen kleinen Moment nur, doch er genügte, dass die Wärme auf
sie überging, ihren ganzen Körper erfüllte und die Kälte daraus vertrieb, weit besser als es das
Kaminfeuer vermocht hatte. Und dabei hatte sie die ganze Zeit in seine unergründlichen
blauen Augen gesehen, so wie er in ihre.
Wie schwer es ihr gefallen war, seine Hand loszulassen, ihn nicht zurückzurufen, als er nach
einer knappen Verneigung das Zimmer verließ. Und wie unendlich traurig sie sich auf einmal
gefühlt hatte.
Doch ihre Befürchtung, auch William würde nun nach London zurückkehren und sie mit dem alten
Mann, der niemals sein Gemach verließ und den unfreundlichen Dienern allein lassen, erfüllte
sich nicht. Im Gegenteil. Er tat alles, um sie die letzten Wochen und die Nachlässigkeit seines
Bruders vergessen zu lassen. Sie nahmen die Mahlzeiten gemeinsam ein und er unterhielt sie,
indem er sie mit seinem Land und dessen Bewohnern vertraut machte. Es erstaunte sie, wie er
in einem Moment noch voller Ernst über die angespannte Lage sprechen konnte und sie schon
im nächsten zum Lachen brachte.
Die Tage flogen nur so dahin, wenn sie mit ihm zusammen war und sie ertappte sich immer
öfter dabei, wie sie die beiden Brüder miteinander verglich.
So war Stanley niemals mit ihr ausgeritten, er hatte sie nicht einmal gefragt, ob sie reiten
konnte, dabei tat sie das sogar sehr gern. William dagegen hatte sich schon am nächsten Tag
danach erkundigt, da sie, wie er mit einem Augenzwinkern meinte, dringend frische Luft
bräuchte und doch auch endlich etwas von ihrer neuen Heimat kennenlernen müsse. Und so
hatte er sie jeden Tag begleitet und sich gefreut, wenn ihre Wangen sich vom Wind leicht
röteten, sie ihm lachend davon galoppierte und er ihr nachjagen musste.
An einem besonders sonnigen Spätnachmittag kamen sie während ihres Ausflugs an dem
alten verlassenen Kloster vorbei, das sich nicht weit vom Schloss befand. Er hielt an und half
ihr vom Pferd.
„Dies ist mein geheimer Lieblingsplatz. Ich kam schon als kleiner Junge immer hierher,“
erklärte er. „Damals wohnten wir noch auf der anderen Seite vom Tal, und der Weg hierher
war etwas weiter. Niemand interessierte sich mehr dafür, so war es der ideale Ort, sich vor der
Welt zu verstecken und meine eigenen Abenteuer zu erleben.
Ich kletterte in den langsam verfallenden Räumen herum, über reichlich brüchige Treppen in
jeden noch so kleinen Winkel auf der Suche nach verborgenen Schätzen. Oder aber...“ er
deutete auf den unteren Teil des ehemaligen Kirchturms, der längst eingestürzt war „..ich
befreite eine wunderschöne Prinzessin aus den Fängen eines Drachens.“
„Die Prinzessin war gewiss sehr dankbar, von einem solch edlen Ritter gerettet zu werden!“
Ihre Augen strahlten ihn so warmherzig an, dass er verlegen den Kopf senkte. Es war fast so,
als hätte sie seine Gedanken erraten, denn in diesem Moment, fühlte er sich wieder wie der
kleine Junge von damals, nur dass diesmal sie die Prinzessin war und der Drache sein
eigener...
‚Nein’ rief er sich energisch zur Ordnung. ‚So etwas darfst du nicht einmal denken!’
„Kommt! Ich zeige Euch, was man hier noch tun kann, außer klettern.“ sagte er stattdessen
und führte sie am alten Refektorium vorbei hinauf zu der kleinen Wiese.+++++++++++++++++++++
geht gleich weiter -
*
Kurze Zeit später lagen sie beide Kopf an Kopf im Gras und sahen zu, wie der Wind die
Blätter der Bäume hin und her wiegte. Auf einem der Äste über ihnen saß ein kleiner Vogel
und sang voller Inbrunst sein Lied.
„Für wen er wohl singt?“ fragte sie flüsternd.
„Bestimmt für seine Liebste“ antwortete er ebenso. „Schaut, da drüben, das ist sie bestimmt.
Und der kleine Sänger hofft, dass sie zu ihm kommt.“
„Und wird sie es tun?“
„Ich glaube schon. Er gibt sich doch solche Mühe. Seht nur, sie hüpft von Ast zu Ast, immer
näher.“
„Sie ist zu beneiden“ seufzte sie und in ihrer Stimme lag auf einmal eine solche Traurigkeit,
dass William sich aufsetzte und sie ansah. Es brauchte nicht viel, um sich vorzustellen, was in
ihr vor ging.
„Es wird alles gut werden, Ihr werdet sehen“ suchte er sie wieder aufzumuntern, sich seiner
eigenen Hilflosigkeit wohl bewusst.
„Wird es das?“ fragte sie, ohne ihn anzusehen.
Er nickte und räusperte sich, um den Gedanken nicht auszusprechen, der ihm gerade durch
den Kopf schoss. War es wirklich gut, wenn sie die Frau seines Bruders wurde? Wäre es nicht
viel besser, wenn....
„Wisst Ihr, was ich nicht verstehe?“ Sie drehte den Kopf zu ihm herum, sah ihn einen
Moment lang an und stand dann auf.
„Er… scheint ein gänzlich anderer Mensch zu sein, als der, den ich in Spanien kennen gelernt
habe. Dort war er so... freundlich und liebenswürdig, er.... erweckte den Eindruck, er würde
diese Verbindung wünschen, als wäre es nicht nur eine... Vereinbarung unserer Väter, doch
nun… wartet er und wartet und wartet. Worauf wartet er, William? Warum ist er nicht hier?“
Der Mann atmete tief ein und aus. Er konnte ihr unmöglich sagen, was er vermutete. Es war
ein hässlicher Verdacht, ein unwürdiger Verdacht, doch je länger Stanley fern blieb, desto
mehr erhärtete er sich. Sein Bruder hatte es schon als Kind immer verstanden, alles zu seinem
persönlichen Vorteil zu nutzen. Und dieser Vorteil lag mit Sicherheit nicht in einer ehelichen
Verbindung mit Spanien, angesichts der Veränderungen, die ihnen allen bevor standen, wenn
die Königin starb und ihre Schwester den Thron bestieg.
Worauf sein Bruder wartete? Darauf, dass der alte Herzog seine Augen schloss, denn dann
würde ihm, als dem neuen Duke keiner mehr vorschreiben können, wen er zur Gattin nahm.
Was für ein Esel sein Bruder doch war, was für ein .... Himmel, er konnte die Resignation in
ihren Augen kaum ertragen.
„Wenn er mich nicht will, warum hat er mich dann hierher gebracht?“
Weil unser Vater ihm kein Geld mehr geben wollte.... aber auch das konnte er, nein, wollte er
ihr nicht sagen.
„Ich weiß einfach nicht mehr weiter, William. Ich habe alles zurückgelassen, was mir etwas
bedeutet, meine Heimat, meinen Vater... und wofür? Um hier allein zu sein, von keinem
gewollt, eine Last, von der man sich lieber heute als morgen befreien möchte?“
Sie schlug die Hände vors Gesicht und wandte sich ab, um ihre Tränen vor ihm zu verbergen.
Und er konnte nicht nur da stehen und zusehen. Er konnte es einfach nicht. Leise trat er hinter
sie, zog sie mit sanfter Gewalt zu sich herum und in seine Arme. Nur trösten wollte er sie, nur
halten, bis ihre Tränen verebbten.
Doch, es war ein Fehler, das wusste er, kaum, dass ihr Kopf sich auf seine Schulter legte, ihre
Arme sich um ihn schlangen und ihr Körper sich an ihn schmiegte. Nur mit allergrößter Mühe
gelang es ihm, die Hände ruhig zu halten, nicht einfach ihren Kummer hinweg zu streicheln.
Und dann hob sie den Kopf und blickte ihm direkt in die Augen. Alles ringsum verstummte,
selbst der eifrige kleine Sänger schien seine Werbung zu unterbrechen, um zu sehen, was da
unter ihm vorging.
Sie war ihm so nah, so unglaublich nah, er fühlte das Klopfen ihres Herzens an seiner Brust,
genauso schnell wie sein eigenes. Unaufhaltsam wurde er zu ihr gezogen, nur noch ein kleines
Stück und er würde ihre Lippen berühren, ein einziges Mal nur.... nur ein...ein ... Mal. Sie
erzitterte, kam ihm entgegen. Fühlte sie es auch?
„William!“ hauchte sie in einer Mischung aus Verlangen und Wehmut. Es war nur ein Wort,
doch es genügte, um den Bann zu brechen. Was zur Hölle machte er hier? Sie war die Braut
seines Bruders! Und doch wollte er sie nicht los lassen, konnte er es nicht. Stattdessen tat sie
es für ihn.
„Ich...wir... sollten jetzt lieber zurück, bevor man uns sucht.“
Am Schloss angekommen, eilte sie, kaum dass er sie vom Pferd gehoben hatte, an ihm vorbei,
durch die große Halle zur Treppe hinauf, als wäre der Teufel hinter ihr her.
„Catalina, warte... wir...“ er brach ab, als hinter ihm plötzlich eines der Hausmädchen
auftauchte. Sie warf ihm einen eigentümlichen Blick zu, dass er sie schon zurecht weisen
wollte, doch dann knickste sie und verschwand in Richtung Küche. Und William ließ sich auf
die Bank vor dem Kamin fallen.
Das hatte er nicht gewollt, ganz gewiss nicht, aber passiert war es trotzdem. Er konnte es nicht
länger leugnen. Er hatte sich verliebt, unsterblich verliebt, in die Frau, die seine Schwägerin
werden sollte.
Er sollte das beenden, so schnell es nur ging, er sollte hier weg. Gleich!
Aber.... Er sah zur Treppe hinüber. Konnte er das überhaupt noch?+++++++++++++++++++++++++
So, das war der Teil für heute. Der nächste wird definitiv in einer Woche gepostet, da die Bilder fertig sind und ich nun auch genau weiß, wie sich der Text dazu gestalten wird. Also diesmal keine lange Wartezeit.
Allen einen schönen dritten Advent und liebe Grüße.
Nery