Die spanische Braut

  • *






    „Sehr gut! Genauso hab ich mir das vorgestellt!“
    Zufrieden sah sich Lady Alice um. Wie die meisten anderen Räume von Ravensdale Hall war
    der Große Speisesaal nicht wiederzuerkennen. Unzählige fleißige Hände hatten in den
    vergangenen Wochen daran gearbeitet, ihn in der ursprünglichen alten Pracht wiedererstehen
    zu lassen. Fenster waren geputzt, die Vertäfelung gesäubert, das Parkett neu aufpoliert
    worden. Etliche Tage hatte ein Großteil der Dienerschaft damit zugebracht, das angelaufene
    Familiensilber wieder zum Strahlen zu bringen.
    Unmengen an kostbarem Stoff waren geliefert worden, um die schadhaften Vorhänge zu
    ersetzen und die unzähligen reichlich dünn gewordenen oder gar zerschlissenen Polstermöbel
    neu zu beziehen.
    Nun, da die Septembersonne ihre Wärme durch die weitgeöffneten Läden in jeden Raum
    schicken konnte, erinnerte kaum noch etwas an den alten, düsteren Kasten, den sie bei ihrer
    Ankunft im Frühjahr hier vorgefunden hatten. Das ganze Schloss war erfüllt von Leben, von
    geschäftigem Treiben und von Lachen.
    Fehlten nur noch die Kinder!
    Kinder! Lady Alice seufzte. Das würde wohl noch eine ganze Weile dauern.






    Dabei hatte Patrick entgegen all ihrer Befürchtungen die Saison in London doch genossen,
    und einen großen Anteil daran schien die verwitwete Lady Worthington zu haben. Man sah
    ihn oft in ihrer Gesellschaft, er begleitete sie in die Oper, tanzte auf den Bällen mit ihr, ritt mit
    ihr aus oder ging mit ihr spazieren. Natürlich alles in einem durchaus schicklichen Rahmen
    und so, dass weder der Ruf der Dame noch sein eigener Schaden nahmen. Dennoch hatte
    nicht nur Lady Alice den Eindruck, ihr Sohn könnte, zum ersten Mal in seinem Leben,
    ernsthaft Feuer gefangen haben. Ihn selbst kümmerte es nur wenig, dass halb London ihn mit
    Argusaugen beobachtete, noch scherte er sich um die oft recht bissigen Kommentare jener
    [FONT=&quot]Mütter, deren farblose Töchter unbeachtet blieben.[/FONT]


    [FONT=&quot]


    [/FONT]

    [FONT=&quot][/FONT]


    [FONT=&quot]
    [/FONT]

    Patrick zuliebe hatte Lady Alice während dieses Sommers sogar das unaufhörliche
    Geschnatter von Agatha Fenton, Percivals Mutter, weitaus öfter ertragen, als sie sich das für
    gewöhnlich zumutete. Immerhin wohnte Lady Worthington bei ihnen und jede Einladung an
    die Fentons schloss sie automatisch mit ein. Lady Alice konnte nicht umhin, während so
    mancher kleinen Gesellschaft Lady Isobels virtuoses Spiel auf dem Klavier zu bewundern,
    mit einem kleinen Anflug von Neid, da sie doch selbst solche Schwierigkeiten mit dem
    Instrument hatte. Nur... wenn sie sich ihren Sohn ansah, wie er da neben ihr stand, die Noten
    umblätterte oder applaudierte, wenn er mit ihr tanzte, ihr galant in den Sattel half, verspürte
    sie immer wieder diesen kleinen Stich in ihrem Herzen. Im Gegensatz zu ihrem Sohn blieb sie
    nicht ganz taub gegenüber dem Geschwätz in der Gesellschaft und so manches, was ihr da zu
    Ohren kam, bereitete ihr Sorgen. Dennoch begann sie sich darauf einzurichten, dass er sie
    womöglich am Ende der Saison mit einer Verlobung überraschen würde.






    Er überraschte sie in der Tat, aber nicht so, wie sie es erwartet hatte. Kaum waren sie von
    Ascot zurück, erklärte er ihr, dass er wegen dringender Geschäfte nach Frankreich reisen
    müsse und so den Rest der Saison versäumen würde. Er wirkte verschlossen, viel mehr als
    sonst, und ließ sich auf keinerlei Gespräche bezüglich dieser ominösen unaufschiebbaren
    Geschäfte ein, sodass Alice sich des unguten Gefühls nicht erwehren konnte, hinter seinem
    plötzlichen Aufbruch stecke weitaus mehr, als er ihr sagte. Da war so ein seltsam
    melancholischer Ausdruck in seinen Augen, als er sich von ihr verabschiedete. Und sein
    reichlich verunglücktes Lächeln, bevor er in die Kutsche stieg, war auch nicht gerade dazu
    geeignet, ihre Besorgnis zu mindern. Mit einem tiefen Seufzer hatte sie sich abgewandt, um
    ins Haus zurückzukehren. Trotz des vielversprechenden Anfangs konnte man diese Saison
    kaum als erfolgreich bezeichnen. Und das lag nicht zuletzt auch an dem bösen Zerwürfnis mit
    Elizabeth.






    Himmel, wie sehr hatte sie die harschen Worte auf dem Ball bei Almacks bereut. Die alte
    Dame war ihr immer eine Freundin gewesen und ihr war es bisher doch auch nie schwer
    gefallen, deren gelegentliche Wunderlichkeit mit Humor zu nehmen. Lady Alice konnte es
    kaum fassen, dass sie sich durch diese düsteren Prophezeiungen dazu hatte hinreißen lassen,
    Patricks Großtante derart vor den Kopf zu stoßen. Gut, dass der Junge davon nichts wusste.
    Also hatte sie Briefe geschrieben, in denen sie Elizabeth um Verzeihung gebeten hatte, doch
    sie kamen alle ungeöffnet zurück. Auf den zahlreichen Abendveranstaltungen verstand es die
    Dowager Countess stets, ihr aus dem Weg zu gehen, als wüsste sie genau, welche
    Veranstaltungen Alice und ihr Sohn besuchten und welche nicht.






    Selbst als sie bei ihrer Londoner Residenz vorsprach, erklärte ihr der Butler jedes Mal mit
    steinerner Miene, dass seine Herrschaft bedauerlichweise nicht im Hause sei. Lady Alice aber
    wusste es besser. Elizabeth schien nicht gewillt zu sein, ihr zu vergeben und ließ sich
    verleugnen. Konnte sie es ihr verübeln? Wohl kaum. Doch nachdem Patrick abgereist war und
    Alice den Entschluss gefasst hatte, ebenfalls auf den Rest der Saison zu verzichten und
    stattdessen lieber auf Ravensdale Hall nach dem Rechten zu sehen, beschloss sie, noch einen
    letzten Versuch zu unternehmen, mit Elizabeth zu sprechen.



    ++++++++++++++++
    geht noch weiter

  • *






    Sie suchte Lady Jersey auf. Wenn irgendjemand ihr helfen konnte, dann sie. Das dachte sie
    zumindest. Doch Lady Sarah schüttelte den Kopf.
    „Tut mir leid, meine Liebe. Ich kann Ihnen in dieser Angelegenheit nicht weiterhelfen. Soweit
    ich weiß, ist Elizabeth aufs Land gereist. Sie hat mir nicht gesagt, warum oder wann sie
    zurück kehren wird.“
    Lady Alice ließ den Kopf hängen. Es würde wohl wenig Sinn machen, ihr nachzufahren. Sie
    liefe nur Gefahr, auch dort abgewiesen zu werden. Wie hatten ihr die Dinge nur derart
    entgleiten können? Sie war sich der forschenden Blicke von Lady Sarah durchaus bewusst,
    die sich ihre eigenen Gedanken machte und zu dem Schluss kam, dass, was immer ihre
    Freundin in den letzten Wochen so beschäftigt hatte, mit Lady Langley zu tun haben musste.
    Nur mit Mühe widerstand sie der Versuchung, diese auszufragen, um der Sache auf den
    Grund zu gehen.






    „Ich weiß nicht, was zwischen Ihnen beiden vorgefallen ist...“ meinte sie stattdessen nach
    einer Weile des Schweigens und hob sofort abwährend die Hände, „... und ich will es auch gar
    nicht wissen. Aber... meine liebe Alice, wenn Sie einen Rat von mir annehmen wollen...“
    Lady Alice nickte.
    “Lassen Sie ihr einfach Zeit. Elizabeth ist im Grunde ein herzensguter Mensch, der
    niemandem lange böse sein kann. Sie werden sehen, etwas Abstand wird Ihnen guttun und
    nach einiger Zeit renkt sich alles von selbst wieder ein.“
    „Vielleicht haben Sie recht, Mylady, ich danke Ihnen“ erwiderte Alice, obwohl sie nicht
    davon überzeugt war und verabschiedete sich, nicht ohne sich dafür zu entschuldigen, dass
    nun auch sie die Stadt vorzeitig verließ. Entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit hatte Lady
    Sarah nur gutmütig gelächelt, ihr die Hand getätschelt und gemeint, dass sie und vor allem ihr
    Sohn nichts Klügeres hätten tun können.






    Bis heute hatte sie nicht wirklich begriffen, was die Dame gemeint hatte.
    Lady Alice schritt langsam die Stuhlreihen ab, musterte das Arrangement auf dem Tisch
    ebenso sorgfältig wie jedes einzelne Gedeck. Im Grunde war das unnötig, denn ihr Butler war
    in diesen Dingen sehr penibel, man hätte die Lage jeder Gabel nachmessen können. Aber sie
    hatte den Tisch nicht umsonst zur Probe eindecken lassen, zu wichtig schien ihr dieser Ball zu
    sein, mit dem sich Patrick nunmehr offiziell bei seinen neuen Nachbarn einführen würde. Fast
    unmittelbar nach dem Ende der Saison in London, als hätte er nur darauf gewartet, war er
    nach Hause gekommen, um sich wie ein Besessener in die Arbeit zu stürzen, war von früh bis
    spät unterwegs oder in schier endlosen Beratungen mit seinem Verwalter. Die Abwechslung
    musste einfach sein, hatte seine Mutter entschieden und ihm kurzerhand einen Stapel
    vorbereiteter Einladungen zur Unterschrift vorgelegt.









    „Tauschen Sie die Leuchter gegen die anderen, die für die schmaleren Kerzen aus!“ wies sie
    die Haushälterin an, während sie den Saal verließ. „Und richten Sie allen meinen Dank für die
    ausgezeichnete Arbeit aus, Mrs Cramden!“ Die Haushälterin strahlte.
    „Sind die letzten Kisten aus Langley schon angekommen?“
    „Ja, Mylady, heute morgen. Bis auf die für Seine Gnaden ist bereits alles ausgepackt und an
    seinen Platz geräumt worden.“
    Ah ja, diese Kiste. Lady Alice lächelte vor sich hin. Der lange schmale Kasten darin
    begleitete Patrick schon seit er noch ein Junge gewesen war. Er nannte ihn stets scherzhaft
    seine Schatzkiste und genauso behandelte er ihn auch. Niemand durfte ihn anrühren. Nicht
    einmal seine Mutter hatte eine Vorstellung davon, was er wohl darin hütete.






    „Nun gut!“ Lady Alice richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Haushälterin und strebte
    der Treppe zu. „Sehen wir uns noch an, wo wir die Gäste unterbringen, die über Nacht bleiben
    werden.“ Für die in unmittelbarer Nähe lebenden Nachbarn war das natürlich nicht
    notwendig, aber es waren auch einige von Patricks Freunden eingeladen, für die eine
    Heimreise am gleichen Tag natürlich nicht in Frage kam. Eine gute Gelegenheit zu zeigen,
    dass Ravensdale Hall nun wieder ein gastliches Haus geworden war.
    Ungefähr auf der Hälfte der Treppe wurde sie durch ungwohnten Lärm aufgeschreckt, eine
    laute, aufgeregte Stimme rief durch die hohe Halle und veranlasste sie, sich umzudrehen.
    Ein Mann stand am anderen Ende und redete wild gestikulierend auf den Butler ein.
    Beunruhigt ging Alice wieder hinunter und wartete auf den Butler, der auch schon eilig auf sie zustrebte.








    ++++++++++++++
    geht noch weiter

  • *






    „Was ist denn passiert, Edwards?“ erkundigte sie sich und erschrak, als sie das nervöse
    Flattern seiner Lider bemerkte. Was konnte den unerschütterlichen Butler aus seiner Ruhe
    bringen.
    „Mylady... man.. hat mir soeben mitgeteilt, dass...“ er stockte und fuhr dann leise fort. „der
    Hengst Seiner Gnaden ist vor dem Stall aufgetaucht.... ohne Seine Gnaden!“
    Eine kalte Hand schien sich um Lady Alice’ Herz zu legen. Ihre Gedanken wirbelten
    durcheinander. Wenn der Hengst allein zurückkam, konnte das nur heißen....
    „Er wurde abgeworfen?“ Sie konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme leicht schrill wurde.
    Der Mann nickte. „Es sieht ganz danach aus, Mylady.“








    Für einen Moment wurde ihr schwarz vor Augen.
    „Mylady!“ Mrs Cramden streckte erschrocken die Arme aus, als sie schwankte und half ihr zu
    der Sitzgruppe vor dem Kamin hinüber.
    „Das muss gar nichts heißen, Mylady. Vermutlich ist er schon auf dem Weg nach Hause und
    lacht über das kleine Missgeschick.“
    „Ein paar der Stallknechte haben sich schon auf die Suche gemacht, Mylady“ fügte der Butler
    ebenfalls beruhigend hinzu. „Sie werden ihn bestimmt bald gefunden haben. Sie kennen den
    Weg, den Seine Gnaden immer nimmt.“
    „Ja... danke.“ Lady Alice nickte halbherzig und ließ sich auf das kleine Sofa fallen.
    Dem ersten Impuls, sich der Suche anzuschließen, widerstand sie. Bis sie sich
    umgezogen hatte und im Sattel war, würde viel zu viel Zeit vergehen. Da waren die Knechte
    weitaus schneller.







    Und hatten die beiden nicht recht? Reiter wurden immer wieder abgeworfen, ohne dass ihnen
    etwas passierte. Sie durfte sich nicht verrückt machen. Noch nicht. Du lieber Gott, was dachte
    sie da! Jetzt hörte sie sich schon an wie Elizabeth, als sie ihnen mit ihren dunklen
    Vorhersagen Angst gemacht hatte. Sollte sie am Ende doch recht haben? Hatte sie gewusst,
    dass so etwas passieren würde? Aber nein, das war Unsinn!
    „Ich hole Euch eine Tasse heißen Tee, Mylady, das wird Ihnen guttun, während wir auf
    Nachricht warten“ erklärte Mrs Cramden. Sie blieb noch einen Moment bei Edwards stehen,
    sah zu der Lady hinüber und sagte dann leise in sorgenvollem Ton zu ihm: „Die Dinge
    wiederholen sich!“ bevor sie sich abwandte.






    Von der Aufregung im Schloss war hier draußen nichts zu spüren. Leise strich der Wind
    durch die alten Bäume, deren Zweige sich tief auf die Lichtung senkten, als wollten sie sehen,
    wer da ihre Ruhe störte.
    Patrick fühlte sich benommen, jeder Knochen schien zu schmerzen nach dem harten Aufprall.
    Vor allem aber in seinem rechten Knöchel pochte es unerträglich. Was zur Hölle war passiert?
    Er hatte sein Pferd schon so oft durch die Bäume, den kleinen Abhang hinunter dirigiert und
    nie war es auch nur gestolpert. Und jetzt reichte ein Fehltritt, dass er aus dem Sattel flog? Er
    versuchte, sich aufzurichten, aber es ging nicht. Als würde ihn ein bleiernes Gewicht auf
    seiner Brust zu Boden drücken.






    Er merkte nicht, wie die Sonne sich verdunkelte, er hörte nur wie schlagartig das Rauschen
    der Blätter verstummte, als würde sich kein Lüftchen mehr regen.
    Etwas Kaltes berührte seine Hand und jagte einen eisigen Schauer durch seinen Körper.
    „Schsch...“ wisperte eine Stimme leise. „Es wird gleich besser sein, hab keine Angst. Es tut
    nicht weh.“
    Mühsam öffnete er seine Augen und sah eine Frauengestalt über sich gebeugt, ihre Hand lag
    in seiner. Irgendetwas schien von dort in seinen Körper zu fließen, ließ erst die Finger, dann
    den Arm völlig taub erscheinen. Er wollte protestieren, doch er brachte kaum mehr als ein
    heiseres Krächzen hervor. Schließlich hatte er selbst in seinen Zehen kaum noch ein Gefühl.






    „Sie sind schon auf dem Weg und werden bald hier sein“ sagte sie und setzte sich zu ihm ins
    Gras. „Ich werde bei dir bleiben, damit du nicht allein bist.“
    Sie setzte sich ins Gras, zog seinen Kopf in ihren Schoß und strich ihm sanft die Haare aus der
    Stirn. Erneut ließ ihn die Kälte ihrer Finger erzittern. Er drehte den Kopf, sodass er nach oben
    in ihr Gesicht sehen konnte. Es dauerte einen Moment, bis er es erkennen konnte und seine
    Augen weiteten sich.
    „DU?“ krächzte er.
    Ein trauriges Lächeln huschte über ihre Lippen. „Es tut mir leid. Sehr leid. Aber ihr wurdet
    gewarnt!“







    +++++++++++++++++++++++++++
    Und das soll es dann für heute gewesen sein. Ich hoffe, es hat euch gefallen und ihr seid der Antwort, ob Elizabeth denn nun recht hatte oder nicht, ein kleines Stück näher gekommen. Bis nächste Woche.
    LG Nery

  • Gott, mein armer Schnuckel. Aber der Geist hat Recht, Patrick wurde gewarnt. Bei all dem neuen-alten Glanz, in dem Ravensdale Hall wieder erstrahlt, lässt sich das Schicksal wohl nicht aufhalten und die gute, alte Lady Elisabeth hatte Recht.


    Alice tut mir irgendwie ein bisschen leid, auch wenn sie mit ihren harschen Worten selbst schuld ist. Aber das Elisabeth so unversöhnlich ist, gerade weil es doch um Patrick geht, damit habe ich nicht gerechnet. Und was scheint Lady Jersey zu wissen? Ich habe jedenfalls das Gefühl, das sie etwas weiss.


    Da hast du meine Neugierde ganz schön geschürt! Und nun lass meinen armen Schnuckel wieder gesund und munter aufstehen. *böseguck*


    LG, Lenya

  • Huhu Nery, :)


    Erstmal freut es mich, dass es trotz allem weiterging. :megafroi
    Ich liebe deine FS und wäre doch arg traurig, wenn ich nicht mehr hätte weiterlesen und die Bilder bestaunen können. Aber weil ich im letzten Monat auch nicht so häufig hier war wie sonst, kam mir die Pause gar nicht so lang vor. Manchmal sind andere Dinge einfach wichtiger und Pausen tun eigentlich auch mal ganz gut. :)


    So, nun aber zur Fortsetzung: Nun quält Lady Alice doch ein schlechtes Gewissen, na verstehen kann ich es. Sicher hat sie sich nur Sorgen um ihren Sohn und sein Erbe gemacht, aber die Art war nun wirklich nicht nett. Ich kann auch Elizabeth verstehen, warum sie sich sozusagen versteckt. Niemand wird gerne als Lügner, Neider und Intrigant hingestellt, gerade wenn man nur das Beste will. Aber ich gebe Lady Jersey schon recht, mit der Zeit wird sich hoffentlich alles wieder zwischen den Beiden einrichten. Langen Groll traue ich Elisabeth auch nicht unbedingt zu, dazu liegt ihr zuviel an Alice und an Patrick.


    Patrick hingegen hatte wohl einen vergnüglichen Sommer mit Isobel. Natürlich wirft so eine "Werbung" immer ein wenig Staub auf und ruft die Neider auf den Plan, aber letztendlich ist es ja doch Patricks Entscheidung und wenn ihn keine der anderen heiratsfähigen Damen interessiert, dann können die Neider auch nicht daran machen.
    Obwohl ich mich so langsam doch frage, ob er den "Hausgeist" nicht doch kennt? Gerade weil er nach dem Sturz so komisch reagiert... Aber vielleicht kennt er das Gesicht des Geistes von Bildern. :kopfkratz
    Aber ihm scheint ja sonst nichts ernsthaftes bei dem Sturz geschehen zu sein und ich bin mir sicher, dass er wieder wohlbehalten nach Ravensdale Hall zurückkommt. *hoff*


    Ganz liebe Grüße
    Llyn

    You are never more alive than when you're about to lose your pants!



    FS: Sunrise Update: 04.06.19

  • Hallo Nery,

    freue mich das es weiter geht und vorallem das du weiter machen kannst:kiss

    Ravendal Hall, wow da sieht man jetzt die ganze Arbeit und das Geld das Patrick und Lady Alice reingesteckt haben, aber es hat sich ausgezahlt, es erstrahlt wieder in herrlichen Glanz.

    Der Streit zwischen Alice und Elizabeth ist schade, aber man muß auch Elizabeth verstehen, sie kennt die Gefahr die von Ravendal Hall ausgeht und will Alice das vermitteln. Die will davon einfach nichts hören undauch nicht daran glauben.

    Ich bin mir aber sicher, das Elizabeth sich bald melden wird, den sie wird hier gebraucht und das wird ihr hoffentlich bald klar werden.

    Hm, wieso ist Patrick in der Ballsaison so überstürtzt abgereist? Ich vermute mal das hat was mit Lady Isabel zu tun. Hat er sich verliebt, werde die Gefühle nicht erwidert und daher seine Abreise?

    Da hat ihn sein Pferd wohl nicht ganz freiwillig abgeworfen. Da dürfte die Dame die sich nun über ihn beugt auch viel damit zu tun haben.
    Patrick erkennt sie, spricht sie mit du an??? Das verwirrt mich jetzt ein wenig, wer ist die Dame nun wirklich??

  • Nun habe ich es endlich geschafft, zu lesen. Gott sei Dank hattest du auch eine Pause eingelegt, sonst wäre ich nicht hinterher gekommen.
    Nach der ruhigen , friedvollen Beschreibung der Ballvorbereitungen und dem wiedergewonnenen Glanz des alten Schlosses beginnen also düstere Wolken aufzuziehen. Jäh wird man mit schlimmen Vorahnungen aus der Liebesidylle der beiden jungen Leute gerissen. Die kommentarlose Abreise von Patrick kündigt die Situation an. Wer fährt schon nach einer solchen harmonisch verbrachten Zeit mit dieser jungen Frau ohne Begründung mit verschlossener Miene so abrupt weg?! Wir werden es sicher noch erfahren.
    Die Gestalt, die sich nach seinem sicher nicht zufälligem Sturz über ihn beugt, muss die Frau aus dem Bild? oder Spiegel ? im Schloss sein. Patrick hatte sie ja schon einmal gesehen. Will sie ihn ins Reich der Toten hinüberführen? Aber dann wäre ja die Geschichte fast zu Ende. Irgendetwas Unheimliches beginnt sich zusammenzubrauen und das hat gewiss etwas mit dem alten Fluch auf zu tun.
    Auch zur damaligen zeit wollte man modern sein. Wer glaubt also schon an die Hirngespinste einer alten Frau. Man kann Patricks Mutter eigentlich keinen Vorwurf machen, dass sie die Warnung nicht ernst genommen hatte und so überzogen reagierte, weil sie sich wohl genervt fühlte.
    Bin schon gespannt, wie es weiter geht. jetzt werde ich wieder mit Ungeduld deine nächste Fortsetzung erwarten. Toi, toi, toi!!! Bis bald.LG

    Einmal editiert, zuletzt von Rheasylvia ()

  • Oh, was für spannende und unheimliche FS, liebe Nery!



    Lady Elizabeth scheint unversöhnlich und Lady Alice bereut ihre harschen Worte der Dame gegenüber.
    Ich denke jedoch, dass Lady Elizabeth nicht nur aus purem Beleidigtsein auf die Kontaktversuche Alice's nicht reagierte. Da muss noch was anderes dahinter stecken. Hat sie selber Angst bekommen vor ihren Vorahnungen? Ist am Ende sie selber eine Reinkarnation der spanischen Braut? Zugegeben, das ist etwas weit hergeholt und meine Fantasie spielt etwas verrückt, gell;)


    Die völlig überstürzte Abreise von Patrick lässt ahnen, dass es etwas mit Isobel zu tun hatte. Hat sie ihn abgewiesen? Oder wurde er durch irgendwas oder irgendwen gewarnt? Ist sie - Isobel selber - die Gefahr?


    Patrick hat ganz offensichtlich den "Geist" erkannt. Das hätte ich nun wirklich nicht erwartet und ich war ganz baff. Es fällt mir doch beim besten Willen keine Erklärung dazu ein. Du hast mich ganz und gar verwirrt, Nery, und ich kanns fast nicht mehr abwarten, bis es weiter geht *ganz hibbelig bin*!!


    Mein grosses Kompliment wiederum für die sagenhaften Bilder!


    Lieber Gruss


    Jane

  • Guten Abend.
    Noch ist Sonntag, also kann ich noch schnell vor dem Schlafengehen die nächste FS posten.
    Vielen Dank an alle Karmaspender, PN Schreiber und natürlich auch an die Kommentatoren. Ich bin ja richtig erleichtert, dass ihr noch mitlest und mitschreibt. :)



    Lenya: du weißt doch, wie das mit den Warnungen ist, in den seltensten Fällen beachtet sie jemand. Die meisten werden erst durch Schaden klug. Ob also dein "Schnuckel" gesund und munter wieder aufsteht, das kann ich dir leider nicht versprechen. :rollauge
    Auch die gute Lady Jersey hat keine Ahnung, was da vor sich geht, sie würde es gern wissen, aber sie hält sich zurück.




    Llynya: ich gebe dir recht, selbst wenn die Pausen manchmal erzwungen sind. Und ich gebe dir auch recht was Elizabeth betrifft, sie liebt ihren Neffen doch viel zu sehr.
    Die Meinung der andern interessiert Patrick wenig, wenn es um die Wahl seiner zukünftigen Gattin geht, und wenn es denn die Isobel sein soll... dann haben die andern das Nachsehen.
    Ob er den Hausgeist kennt? Da wirst du wohl noch ein Weilchen warten müssen, bis ich dir das verrate. :D



    @gotti: eine gute frage, warum er da so plötzlich abgereist ist. aber leider kann ich dir darauf noch keine antwort geben. nur dass Patrick tatsächlich einen Grund dafür hatte.
    Wer nun die Dame ist, die nun bei ihm sitzt, und ob sie seinen Absturz verursacht hat, das wird in den nächsten FS geklärt werden. Das "Du" hat allerdings schon etwas zu bedeuten. ;)



    Rheasylvia: jaja, erfahren wirst du das, aber jetzt noch nicht. Die Spannung muss noch ein bissel halten.
    Gesehen hat Patrick die Dame noch nicht so wirklich, nur einen Schatten mit dem Umriss einer Frau und deren Stimme gehört und glaubt, er hätte sich das alles eingebildet. Wer glaubt schon an Geister, Flüche und ähnliches. Wenn er noch die Chance dazu bekommt, er bestimmt! :roftl



    Jane Eyre: *grins* Elizabeth als Reinkarnation? Das ist eine Möglichkeit, über die ich noch gar nicht nachgedacht habe. Es wäre allerdings schwierig, da sie, wie ja schon in einer Erinnerung gezeigt, dem Geist selbst schon einmal als Kind begegnet ist. Aber es stimmt, sie ist im Augenblick etwas beschäftigt und natürlich auch etwas gekränkt.
    Auch verwirrt? Fein. Das finde ich gut. Schließlich lebt eine Geistergeschichte von Rätseln und Geheimnissen.
    Und warten musst du ja nun nicht mehr. :)



    Noch einmal vielen lieben Dank an alle, auch für die kleinen Spekulationen. Es ist immer wieder schön zu sehen, in welche Richtung eure Gedanken beim Lesen gehen.
    Die heutige FS ist ein wenig länger, obwohl... na ihr werdet schon sehen.
    Viel Vergnügen!

  • *






    Sie hatten ihn gefunden!
    Kaum hatte Edwards ihr das mit einem erleichterten Lächeln mitgeteilt, hielt Lady Alice
    nichts mehr und sie stürzte gänzlich undamenhaft nach draußen, wo die Knechte ihren Sohn
    gerade die Auffahrt hinauftrugen.
    Das Herz zog sich ihr zusammen bei dem Anblick, hatte sie doch gehofft, er hätte sich
    lediglich blaue Flecken zugezogen und würde ihr nun, gestützt von einem Stallknecht mit
    seinem üblichen schiefen Lächeln zu winken. Stattdessen lag er bleich und stumm auf der in
    aller Eile zusammengezimmerten Trage, die Augen fest geschlossen, einen feinen Film kalten
    Schweißes auf der Stirn.
    „So haben wir ihn auf der Lichtung gefunden, Mylady. Er hat sich seitdem nicht bewegt“
    erklärte man ihr und sie nickte nur stumm und wies die Männer an, Patrick in das
    Herrenschlafzimmer zu bringen.






    Mit zitternden Fingern beobachtete Lady Alice dort gemeinsam mit dem inzwischen
    eingetroffenen Arzt, wie der Kammerdiener seinen Herrn trotz der ungewohnten Situation mit
    gekonnten Griffen aus den Kleidern schälte. Patrick selbst schien davon nichts zu bemerken,
    denn noch immer rührte er sich nicht und gab auch keinen Laut von sich.
    Trotzdem mahnte der Arzt zur Vorsicht, obwohl es nach der ersten kurzen Untersuchung
    nicht danach aussah, als hätte sich der Duke bei seinem Sturz ernsthafte Verletzungen wie
    etwa Knochenbrüche zugezogen. Allerdings, so meinte er, konnte man mögliche innere
    Verletzungen nicht ausschließen. Dafür müsse er ihn schon einer genaueren Examination
    unterziehen. Lady Alice verstand den Wink und zog sich in den hinteren Teil des Raumes
    zurück.






    Unruhig und scheinbar eine Ewigkeit, so schien es ihr zumindest, stand sie dort am Fenster
    und starrte blicklos auf den in strahlendem Sonnenschein liegenden Garten, die Kehle wie
    zugeschnürt, ohne recht zu wissen, warum sie gerade jetzt vor Angst verging.
    Er war doch als kleiner Junge so oft von seinem Pferd gestürzt und jedesmal sofort wieder im
    Sattel gewesen. Nichts konnte ihn von diesen Tieren fernhalten, nichts bereitete ihm mehr
    Freude, als in wildem Tempo über die Wiesen zu jagen, um selbst den Wind einzuholen. Und
    obwohl sie auch damals manchmal ein mulmiges Gefühl im Magen bekommen hatte, wenn
    sie ihn davon preschen sah, so schlimm wie heute war es nie gewesen.
    „Nur ein Sturz, ein kleiner harmloser Sturz, wie er öfters vorkommt!“ sagte sie sich immer
    wieder, in der vergeblichen Hoffnung, sich selbst davon zu überzeugen, dass es keinen Grund
    für ihre Besorgnis gab.






    Leider konnte Dr. Hastings, als er schließlich wieder zu ihr kam, sie diesbezüglich nicht beruhigen.
    „Seine Gnaden muss sich entweder direkt vor oder während des Sturzes den Kopf
    angeschlagen haben, Mylady. Ich habe eine Abschürfung gefunden, die leicht geschwollen ist.
    Sonst gibt es keinen Hinweis auf andere Verletzungen.“
    „Das ist doch nun aber eine gute Nachricht, nicht wahr, Doktor?“ meinte sie unsicher, denn
    der Unterton in seiner Stimme gefiel ihr nicht.
    Der Mann zuckte mit den Schultern. „Normalerweise wäre es das, Mylady. Aber die
    anhaltende Bewusstlosigkeit des Herzogs macht mir Sorgen. Er müsste schon recht hart
    aufgeschlagen sein, um so lange ohnmächtig zu bleiben, und danach sieht mir die kleine
    Verletzung am Kopf eigentlich nicht aus.“






    Ein leises Stöhnen ließ die beiden zusammenfahren und in Richtung des Bettes schauen.
    „Er hat sich bewegt!“ rief Lady Alice, eilte zu ihrem Sohn und beugte sich mit einem
    glücklichen Lächeln über ihn. „Patrick!“ rief sie ihn leise. „Patrick kannst du mich hören?“
    Und tatsächlich drehte er mit einem neuerlichen Stöhnen seinen Kopf in ihre Richtung und
    schlug die Augen auf. Erleichtert lächelte sie ihn. „Du machst mir vielleicht Geschichten. Uns
    solche Angst einzujagen!“ Doch dann gefor ihr das Lächeln. Er schien sie gar nicht
    wahrzunehmen, unstet irrte sein Blick durch den Raum, bevor er heiser hervor stieß:
    „Wo ist sie?“
    Alice schüttelte verständnislos den Kopf. „Wer Patrick? Von wem sprichst du? Patrick?“
    Sie beugte sich tiefer, weil sie meinte, er würde etwas flüstern, doch da sank sein Kopf auch
    schon zurück aufs Kissen und die Augen schlossen sich wieder. „Patrick!“






    Verzweifelt sah sie den Arzt an, der ihren Sohn erneut untersuchte, seine Pupillen prüfte und
    ihm mit einem überraschten Laut die Hand von der Stirn zog.
    „Was ist mit ihm, Dr. Hastings?“ fragte Lady Alice ängstlich, als er sich wieder aufrichtete.
    „Er scheint wieder ohnmächtig geworden zu sein und wenn ich mich nicht täusche, hat er
    Fieber bekommen.“
    „Fieber? Aber Sie sagten doch eben noch, er hätte keinerlei Verletzungen! Wieso bekommt er
    dann Fieber? Das verstehe ich nicht.“
    „Da bin ich im Augenblick selbst etwas überfragt. Er könnte natürlich eine Verletzung im
    Inneren des Schädels selbst haben, aber das glaube ich eigentlich nicht. Es deutet ja sonst
    nichts darauf hin. Ich...“ er räusperte sich.






    „Ja Doktor?“ Seine offenkundige Ratlosigkeit ließ ihre Stimme zittern.
    „Ich... ich würde Mylady empfehlen, einen Spezialisten aus London kommen zu lassen. Und
    das am besten gleich.“
    „So schlimm? Ich meine, er war doch gerade eben noch wach? Vielleicht ist er ja nur
    erschöpft?“ Der Mann schüttelte den Kopf.
    „Seine Gnaden schien vor ein paar Minuten auch noch kein Fieber zu haben und doch...“ er
    beugte sich noch einmal zu Patrick. „Und doch fühlt er sich immer wärmer an. Das muss eine
    Ursache haben, die ich aber leider nicht finden kann.“ Und wohl auch nicht finde werde, fügte
    er in Gedanken hinzu und sah zu, wie die Viscountess an der Seite ihres Sohnes auf einen
    Stuhl sank und nach dessen Hand griff. Sollte er ihr davon erzählen, was ihm gerade eben
    durch den Kopf geschossen war?






    Aber dann schüttelte er den Kopf. Womöglich machte er sich nur lächerlich mit seinen
    Vermutungen, die niemandem helfen würden. Wenn er sich irrte, saß der Duke schon morgen
    wieder an seinem Schreibtisch. Und wenn nicht, dann.... nahm er dessen Mutter nur die
    Hoffnung, die sie aufrecht hielt und ihr Kraft gab, eine Kraft, die sie jetzt brauchte.
    Obwohl man sie in den folgenden Stunden desöfteren bat, doch wenigstens etwas zu essen,
    weigerte sie sich, von Patricks Seite zu weichen. Sie blieb an seinem Bett, dirigierte die
    Diener, die den Bewusstlosen in feuchte Tücher einschlugen, um das ständig steigende Fieber
    zu senken. Doch was sie auch unternahmen, nichts schien zu wirken. Irgendwann am späten
    Nachmittag ließ sie sich wieder auf den Stuhl fallen. Was, wenn das die ganze Nacht so
    weiterging? Wenn sein Fieber weiter derart stieg? Seine Haut war blass und glühte, doch sein
    Atem ging ruhig. Das alles passte irgendwie nicht zusammen, aber wenn er nicht bald wieder
    wach wurde, dann...





    +++++++++++++++++++
    geht noch weiter

  • *






    Zur selben Tag flog im Erdgeschoss mit einem unwilligen Knarren die schwere Eingangstür
    auf, noch bevor der Butler sie öffnen konnte. Ein Diener in fremder Livree sprang beflissen
    zur Seite, um Lady Elizabeth Fairchild herein zu lassen. Sie rauschte an dem leicht
    konsterniert blickenden Edwards vorbei, nickte ihm gerade mal zu, sodass dem Butler nichts
    weiter übrig blieb, als ihr zu folgen.
    „Wann ist das passiert? Und was genau ist denn nun eigentlich passiert? Wie schwer ist er
    verletzt? Wieso erzählt hier jeder immer nur die Hälfte?“ prasselten die Fragen auf den Mann
    herunter, ohne dass er eine Chance bekam zu antworten.






    „Wo ist der Duke?“ verlangte die Countess schließlich zu wissen, als sie endlich einmal Luft
    holen musste, doch nur um sich die Frage gleich darauf selbst zu beantworten. „In seinem
    Schlafzimmer, vermute ich. Danke, ich ... kenne den Weg!“ Zielstrebig und in einem beinahe
    jugendlichem Tempo durchquerte sie die Halle, ohne weiter auf den Butler zu achten.
    Und ob sie den Weg kannte. Obwohl sie nun schon eine lange Zeit nicht mehr hier gewesen
    war, die Ereignisse in diesem Haus hatten sich so fest in ihre Erinnerung eingegraben, dass
    sie, sofern Johns Nachfolger keine wesentlichen Änderungen vorgenommen hatten, sich hier
    niemals verlaufen könnte, trotz der Größe des Schlosses und dessen verwinkelten Gängen. Ja,
    sie konnte sogar mit Fug und Recht von sich behaupten, dass sie Ravensdale Hall besser
    kannte, als jeder andere, die Besitzer eingeschlossen.






    Sie hatte den Fuß der Treppe fast erreicht, als die Mutter des Dukes auf der Galerie erschien
    und erstaunt zu ihr hinunter sah. Eine Kutsche sei die Auffahrt hinauf gekommen, hatte ihr die
    Zofe gemeldet, doch nicht, wer da im Schloss erschien. Und so war sie eigentlich nur in die
    Halle gegangen, um den unangemeldeten Besuch so schnell es ging wieder hinaus zu
    komplimentieren. Nun traute sie ihren Augen kaum.
    „Elizabeth?“ fragte sie zögernd, bevor in ihren Augen plötzlich neben der Überraschung auch
    Freude aufflackerte. „Was machst du denn hier?“ fragte sie, während sie zusah, wie die alte
    Countess die Treppe hinaufhastete und sie ohne zu zögern liebevoll in die Arme nahm.
    Voller Freude folgte Alice ihrem Beispiel und drückte sie an sich.






    „Dass du gekommen bist, und das gerade jetzt!“ seufzte sie leise. „Als hätte der Himmel dich
    geschickt! Woher wusstest du das nur?“
    „Ich hab es gar nicht gewusst“entgegnete Lady Elizabeth. „Dass Patrick einen Unfall hatte,
    erfuhr ich erst, als ich hier aus der Kutsche stieg. Deine Stallknechte laufen mit einer Miene
    herum, die einfach nichts Gutes verhieß. Ich musste einfach fragen.“
    „Aber wo kommst du denn so plötzlich her?“ Alice verkniff sich die Bemerkung, dass
    Elizabeth nach allem, was geschehen war, die Letzte war, mit der sie hier gerechnet hätte.






    „Ich war bei Jason“, antwortete die Countess und löste die Umarmung. „Du erinnerst dich
    sicher an den Bruder Patricks Großmutter? Wir haben..“ sie zögerte kurz, „...ein wenig
    geplaudert, über die alten Zeiten. Und da ich ohnehin auf dem Weg nach Hause diese Strecke
    nehmen musste, dachte ich, es wäre vielleicht nicht so schlecht, wenn du und ich...“
    Lady Alice legte ihr die Hand auf den Arm und sah sie leicht verlegen an.
    „Was damals geschehen ist, auf dem Ball, ich... das war wirklich unverzeihlich. Ich habe dir
    sehr weh getan, und ich möchte mich entschuldigen. Ich hätte dich nicht wegen einer solchen
    Kleinigkeit aus dem Hause werfen dürfen. Es tut mir leid, bitte glaub mir!“






    „Weißt du, ich hätte schon längst wieder herkommen sollen, statt die Gekränkte zu spielen
    und mich in meinem Haus zu verkriechen,“ begütigte sie die Countess „Ich hätte an deiner
    Stelle vielleicht sogar ebenso gehandelt. Wir sollten diese dumme Sache einfach vergessen
    und uns statt dessen um Patrick kümmern. Bringst du mich zu ihm?“
    Lady Alice nickte mit deutlich sichtbarer Erleichterung und ging schweigend voran, in
    Gedanken schon wieder bei ihrem Sohn. So bemerkte sie die nachdenklichen Blicke nicht, die
    Elizabeth ihr immer wieder auf dem Weg durch den langen Korridor zuwarf. Arme Alice,
    wenn sie recht hatte, und das befürchtete sie, angesichts des Zeitpunkts von Patricks Unfall,
    dann stand ihr der Schock ihres Lebens bevor.




    ++++++++++++++++++
    geht noch weiter

  • *






    Als sie das Zimmer betraten, lief Elizabeth ein leichter Schauer über den Rücken. Viel hatte
    sich seit ihrem letzten Besuch hier nicht verändert. Wie lange war das jetzt her, sechzig Jahre?
    Noch immer waren die Wände durch die alte Holzvertäfelung mit der Damasteinlage
    verkleidet. Sie strahlte, als hätte man sie erst gestern aufpoliert und neu befestigt. Vermutlich
    hatte man sie ebenso erneuert, wie die meisten anderen Wandverkleidungen im Schloss.
    George hatte dafür jedenfalls kein Geld übrig gehabt, das wusste sie.
    Nur die schweren Samtvorhänge hatte man gegen leichtere aus Seide ausgetauscht. Obwohl
    sie ebenfalls rot waren, und auch die Sitzgruppe lediglich eine neue Polsterbespannung
    bekommen hatte, verlor der Raum auf diese Weise viel von seiner Düsternis, an die sich
    Elizabeth trotz der vielen Jahre noch gut erinnern konnte.






    Der Arzt kam ihnen entgegen, doch auf die stumme Frage der Mutter schüttelte er nur den
    Kopf. Lady Alice eilte zurück an das Bett ihres Sohnes, während Lady Elizabeth den alten
    Mann, der schon seit langer Zeit der Hausarzt der hier ansässigen herzoglichen Familie war,
    auf die Seite zog.
    „Sagen Sie mir bitte genau, was passiert ist, Doktor Hastings!“ forderte sie. „Wie schlimm
    ist es?“ Der Arzt zuckte hilflos mit den Schultern
    „Viel vermag ich nicht zu sagen, Mylady. Seine Gnaden hat keine Verletzungen erlitten, nur
    eine starke Prellung an seinem Knöchel und eine leicht geschwollene Abschürfung an seinem
    Kopf. Er war bereits ohnmächtig, als man ihn fand und nach Hause brachte und ist seither nur
    ein einziges Mal ganz kurz zu Bewusstsein gekommen. Ich glaube nicht, dass er irgendwelche
    inneren Verletzungen erlitten hat, dennoch hat er hohes Fieber, das ihn förmlich zu
    verbrennen scheint. Das ist alles sehr seltsam, vor allem eines...“ der Arzt stockte, doch sie
    drängte ihn fortzufahren.






    „Nun als man ihn herbrachte, war er lediglich bewusstlos, aber innerhalb kürzester Zeit stieg
    seine Temperatur in so dramatischer Weise, wie es eigentlich undenkbar ist. Allerdings...“
    wieder zögerte er, dass Elizabeth fast die Geduld verlor. „Ich habe einen solchen Fall schon
    einmal erlebt in dieser Familie, vor gar nicht langer Zeit, und zwar als der letzte Duke
    verstarb. Auch er stürzte ja vom Pferd, wie Euer Ladyschaft sicher wissen. Im Gegensatz zu
    Seiner Gnaden zog er sich dabei sehr schlimme Verletzungen zu, was zumindest das Fieber an
    sich erklärte, nicht aber dessen plötzlichen ungeheuren Anstieg, man könnte sagen fast von
    einer Minute zur anderen.“
    „Ich danke Ihnen.“ Lady Elizabeth war bei den letzten Worten des Mannes blass geworden.






    Sie warf einen kurzen Blick auf ihren Neffen, der bleich, schweißnass und dabei völlig reglos
    in den Kissen lag und verließ das Zimmer. Langsam und schleppend stieg sie die Treppe
    hinunter. Dem wartenden Butler schien es, als sei sie in den wenigen Minuten um Jahre
    gealtert, als hätte eine viel zu schwere Last ihre Schultern gebeugt und ihren Gang
    verlangsamt, als müsse sie sich zu jedem Schritt förmlich zwingen. Sie schien den Diener gar
    nicht wahr zu nehmen, der vor ihr her schritt und ehrerbietig die Tür zum Salon öffnete. Ohne
    einen Blick für ihn trat sie ein und ging geradewegs auf den Kamin zu.






    Trotz der spätsommerlich warmen Temperaturen draußen brannte dort ein kleines Feuer.
    Lady Alice fand es so gemütlicher und außerdem fröstelte sie in den Abendstunden leicht.
    Und obwohl sie den letzten Tag fast ausschließlich im Schlafzimmer ihres Sohnes zugebracht
    hatte, kam doch niemand auf die Idee, ihre einmal getroffenen Anordnungen außer acht zu
    lassen.
    Und Elizabeth war dankbar dafür, denn im Augenblick steckte ihr die Angstkälte in den
    Knochen. Zitternd streckte sie ihre immer noch schlanken, aber von Altersflecken übersäten
    Hände dem Feuer entgegen und fragte sich, wie sie das Verderben aufhalten könne.
    „Wie meinen Mylady?“ hörte sie da eine Stimme hinter sich, erschrak und fuhr herum.






    „Ach Sie sind's Edwards, ich habe nur mit mir selbst gesprochen. Ich mache mir große Sorgen
    um Seine Gnaden.“ Der weißhaarige Mann nickte würdevoll.
    „Das kann ich verstehen, Mylady. Sie waren Seiner Gnaden ja immer sehr zugetan. Kann ich
    etwas für Euer Ladyschaft tun? Wünschen Mylady vielleicht eine Tasse Tee oder ein Glas
    Sherry?“
    „Eine Tasse Tee wäre in der Tat sehr gut. Und dann sagen Sie Lady Alice bitte, sie möchte
    doch zu mir in den Salon kommen. Ich habe etwas Wichtiges mit ihr zu besprechen.“
    „Sehr wohl Mylady“. Ohne einen weiteren Laut zog der alte Butler sich zurück und Lady
    Elizabeth blieb allein zurück.






    Sie starrte in die Flammen und dachte nach. Wie konnte sie Alice von ihrem Verdacht
    erzählen, ohne dass diese sie für verrückt erklärte? Das hatte sie schließlich schon im Frühjahr
    getan und damals hatte sie nur Andeutungen machen können, machen dürfen. Wenn sie
    Patricks Mutter jetzt mit der ganzen Geschichte konfrontierte, würde die kaum anders
    reagieren, oder? Zudem, wenn sie es recht bedachte, würde sie sich nicht anders verhalten,
    denn schließlich beweisen konnte sie die Geschichte nicht. Aber sie musste, denn für den Fall,
    dass sie recht hatte, war der Junge verloren, dann konnte kein Arzt der Welt ihm mehr helfen.
    Nein sie musste etwas unternehmen, selbst auf die Gefahr hin, erneut von seiner Mutter aus
    dem Haus gewiesen zu werden und diesmal wohl für immer. Sie hatte nicht umsonst ihren
    Stolz hinunter geschluckt und war nach Ravensdale gekommen. Nun konnte sie nur hoffen, es
    war noch nicht zu spät.





    ++++++++++++++++++++
    Und das war es für heute. Ich weiß, eigentlich ist ja nicht allzu viel passiert, aber auch das muss sein. An der nächsten FS ist schon gearbeitet, kommt wieder am Wochenende. Ich wünsch euch allen eine schöne Woche und wenn ihr Zeit habt, schreibt mir eure Gedanken.
    LG
    Nery

  • Auch wenn Du sagst es wäre nicht viel passiert, dieser Teil war absolut wichtig. Was wären Geschichten ohne die ruhigen Teile, ohne die Gedanken und Gefühle der Protagonisten, nichts. Nur eine Aneinanderkettung von Ereignissen.
    Ausserdem war dieser Teil gar nicht ruhig, er war spannend, sehr spannend sogar.


    Also hat man meinen armen Schnuckel gefunden. Und sogar mit relativ heilen Knochen, aber Knochen sind eben nicht alles, besonderns wenn eine "unheilvolle Macht" die Finger im Spiel hat. Hohes Fieber hat schon manchen umgebracht und es sieht mir fast so aus als soll der liebe Patrick nicht an den Folgen des Sturzes sterben; der war nur das Mittel der Wahl unbemerkt an ihn heranzukommen.


    Ich hätte mit allem gerechnet, nur nicht mit dem Auftauchen Lady Elizabeths. Die alte Dame schneit irgendwie passend herein und ist auch noch sehr umgänglich. Gut, was würe es ihrem Liebling nutzen wenn sie sich gerade jetzt mit Alice zofft, aber es muss sie doch einiges an Überwindung gekostet haben sich wieder mit Alice zu versöhnen. Und nun fängt sie praktisch von vorne an, sie muss ihr Wissen mit Alice teilen auf die Gefahr hin das die beiden Damen sich wieder entzweien. Aber vielleicht hilft Patricks merkwürdiger Zustand dabei, das Alice ihr nun aufmerksamer zuhört.


    LG, Lenya

  • Hallo liebe Nery,


    endlich habe ich die Muße gefunden, hier weiterzulesen.
    Ich glaub, ich muss gleich alles nochmal lesen, zum Genuss.


    Deine Bilder sind mal wieder der Hammer. Und ich fand übrigens nicht, dass in der letzten Fortsetzung "nichts" passiert ist. Solche Teile sind so wichtig für die Stimmung und das Gesamtbild, ich lese die unheimlich gern.


    Schön, dass Elizabeth den Weg nach Ravensdale gefunden hat. Sie sollte Alice auf jeden Fall erzählen, was sie weiss. Weil ich es nämlich auch wissen will :roftl.
    Dieser Unfall ist ja schon merkwürdig. So ähnlich zu dem letzten Erben der Herzogswürde. Da hat doch jemand seine kalten Finger im Spiel.
    Ja, auch mir ist aufgefallen, dass Patrick den Geist erkannt zu haben schien. Hm. Kann es sein, dass ich eine schwache Vorstellung davon haben könnte, was sich in dem ominösen Kästchen befindet ?!?


    Ich freue mich sehr, dass Du wieder da bist, und hoffe, es geht jetzt gesundheitlich nur noch aufwärts.
    Ich bin schon sehr gespannt auf die nächste FS!


    LG!

  • Huhu Nery, :)


    Also erstmal:



    Ob er den Hausgeist kennt? Da wirst du wohl noch ein Weilchen warten müssen, bis ich dir das verrate. :D


    :Schmoll^^
    Quatsch, das halte ich eh nicht lange durch. Und es würde ja auch gleich die ganze Spannung wegnehmen, wenn du mir jetzt schon verrätst ob der gute Patrick dem Geist schon mal begegnet ist.


    Oha, da sieht das um Patrick ja doch ernster aus als vermutet. So plötzliches Fieber ist ja nicht auf die leichte Schulter zu nehmen und gerade wenn der alte Herzog schon unter ähnlichen Umständen ums Leben gekommen ist... Wer weiß was da auf Patrick zu kommt? Vor allem weil irgendwo schon mal erwähnt wurde, dass er der letzte Herzog sein wird aus der Familie... obwohl ich mir nicht vorstellen kann, dass er jetzt an diesem Zeitpunkt ums Leben kommt, wo sollte sonst die Geschichte hinführen, nur noch in die Vergangenheit? Nein, das trau ich dir nicht zu.


    Nun Elisabeth hatte das wohl im Gefühl, dass etwas nicht stimmt und hat ihren Groll gerade rechtzeitig runtergeschluckt. Ich bin genauso gespannt, wie meine beiden Vorschreiberinnen, was sie nun zu erzählen hat und ob Alice ihr zuhört. Aber warum auch nicht, schließlich sollte sie ja aus der Vergangenheit gelernt haben und es geht jetzt ja schließlich um ihren Sohn.


    Wie immer war ich schlichtweg hingerissen von deinen Bildern und freu mich, mehr davon zu sehen. *g*


    Ganz liebe Grüße
    Llyn

    You are never more alive than when you're about to lose your pants!



    FS: Sunrise Update: 04.06.19

  • Schreck, was ist mit Patrick!! er kommt nicht zu sich, hat keine äusserlichen Verletzungen und ich glaube auch nicht das er innerliche hat.
    Das Fieber wirkt sehr bedrohlich, noch dazu wenn man nicht weiss woher es kommt und wieso.

    Warum wird er nicht wach, was hält ihn zurück oder besser wer!!

    Dahiner steckt die unbekannte Frau, der Geist, da bin ich mir ganz sicher. Die verletzte Frau, die hier keinen Mann mehr haben will, die die ganze Linie austerben lassen will, weil sie vor langer Zeit, von jemanden aus der Familie, sehr verletzt wurde und daher nicht ihre Ruhe fidnet.

    Kann man sie aufhalten??

    Schön zu sehen das Elizabeth von selbst wieder gekommen ist und sie den Streit aus der Welt schaffen will. Der Zeitpunkt ihrer Ankunft ist tragisch, aber wahrscheinlich auch sehr wichtig. Sie weiss etwas was Patrick vielleicht helfen kann.

    Was will sie unternehmen, da bin ich noch am überlegen. Ich denke nicht das Lady Alice sie aus dem Haus weisen wird, ich glaube sie wird für jede Hilfe froh sein und auch vielleicht doch so manch unglaublich klingender Geschichte mehr Gehör schenken.

    Auch wenn nicht viel passiert ist, so ist es doch ein sehr wichtiger Tail in dieser Folge. Deine Bilder sind wieder Klasse geworden und machen die Story dadurch noch viel wirklicher.

  • Guten Abend, es ist mal wieder Sonntag und Zeit für das nächste Update.
    Ich hoffe, ihr hattet alle eine schöne, ruhige Woche.



    Auch heute wieder ein liebes Dankeschön an alle, die fleißig kommentiert haben oder Karma gespendet und anderweitig ihr Feedback abgegeben haben.
    Es hat wie immer Spaß gemacht, Eure Gedanken zu lesen.



    Lenya: ok, ich geb mich geschlagen, natürlich ist das wichtig.
    Mittel der Wahl, so könnte man das durchaus nennen. Und da er ja nun schon mal da liegt, ist es doch ganz leicht, ihn umzubringen. :applaus
    Es hat Elizabeth einiges gekostet, ihren Stolz herunter zu schlucken und wieder zu kommen. Aber es stimmt, was sie weiß, ist viel zu wichtig, als dass man schmollend in einer Ecke sitzen könnte.



    Julsfels: oh du darfst das gern so oft lesen, wie du willst. Und vielen Dank für das Lob, die Hälfte davon geb ich gern an den tollen Bastler zurück. Danke für deine wundervollen Bilder, sonst wären die Wände doch reichlich kahl. :rosen
    So, du willst also wissen, was genau Elizabeth weiß. Hmm, das verrate ich dir aber erst nächste Woche, heute noch nicht.
    Und wie wir ja inzwischen festgestellt haben, hast du nicht nur eine vage Vorstellung davon, was in dem Kästchen ist, sondern eine ziemlich genaue. Ich freu mich schon sehr darauf.


    Llynya: na jetzt bin ich aber erleichtert, dass du mir meine Geheimnisse noch ein bissel gönnen willst.
    Was da auf Patrick zukommen würde, kann man mit einem Wort sagen: der Tod. Aber natürlich geht die Geschichte noch ein ganzes Stück weiter, wie, das... nein, das sag ich nicht, meine Lippen sind versiegelt. :megafroi
    Und ich denke mal, Alice wird wohl nun mehr oder weniger gezwungen sein, der Tante zuzuhören, ob sie ihr nun glaubt oder nicht. Es stimmt, es geht um ihren Sohn und in der Not greift man nach allem und jedem.



    @gotti: Das Fieber ist bedrohlich, oh ja, lebensbedrohlich. Und wer ist die richtige Frage. Und deine Antwort: psst, sags niemandem... :rollauge
    Elizabeths Ankunft ist sehr wichtig, ohne sie geht es nicht, sie wäre Patricks einzige Chance, sollte er wirklich noch eine haben.
    Und sie wird etwas unternehmen, das wirst du gleich sehen. Ob es dann zum Erfolg führen wird, das wird sich zeigen müssen.



    So, nun aber genug der kryptischen Worte. Ich werde jetzt einfach beginnen.
    Die Fortsetzung selbst ist nicht ganz so lang, aber da die nachfolgende ein in sich abgeschlossenes Kapitel ist, musste ich das abtrennen, damit es beim nächsten Mal nicht zuuuuu lang wird.
    Viel Vergnügen.



    Und: ein besonders großes Dankeschön für diese Folge an Julsfels, mit deren Hilfe ich eine wunderbare Kirche einrichten konnte, wie ich sie mir vorgestellt haben. :anbet


  • *





    Eine ganze Weile war Elizabeth in Gedanken versunken durch den Salon gewandert, sich
    immer neue Worte zurechtlegend, mit denen sie Alice zu überzeugen gedachte. Aber nichts
    schien ihr wirklich dafür geeignet zu sein. Wie erklärte man einer Mutter, dass ihr Sohn
    sterben würde, obwohl ihm nichts fehlte?
    Jemand räusperte sich hinter ihr und sie fuhr herum. Edwards schob soeben einen kleinen
    Servierwagen in den Salon. Er zögerte einen Moment, als er sie dort stehen sah.
    „Darf ich den Tee jetzt servieren?“ Sie nickte und setzte sich wieder an den Kamin. Noch
    immer fröstelte sie, doch nicht vor Kälte.





    „Ihre Ladyschaft wird sogleich herunter kommen. Sie bittet Mylady noch um ein klein wenig
    Geduld.“ erklärte der Butler, während er alles auf dem kleinen ovalen Tisch vor ihr
    arrangierte und dann mit eleganter Bewegung eine der Tassen füllte.
    „Ist gut Edwards.“ Er reichte ihr die Tasse und wandte sich zum Gehen. „Ach Edwards,“
    hielt sie ihn zurück. „Ist mein Gepäck schon ausgeladen worden?“
    „Selbstverständlich Mylady.“
    „Dann richten Sie meiner Zofe bitte aus, sie möchte mir das Buch bringen, dass sich in der
    Ledertasche befindet. Sie weiß, welches gemeint ist.“
    „Sehr wohl!“





    Wenig später reichte ihr der Butler mit einer würdevollen Verneigung ein eher unscheinbar
    aussehendes Buch. „Haben Mylady sonst noch einen Wunsch?“
    „Nein danke.“
    Nachdem der Butler verschwunden war und Elizabeth die belebende Tasse heißen Tees
    ausgetrunken und sich selbst noch einmal nachgegossen hatte, griff sie nach dem Buch und
    begann darin herumzublättern. Es war kein gewöhnliches Buch, keines, das man bei einem
    Buchhändler erwerben konnte. Im Grunde war es nur eine Sammlung handgeschriebener
    Blätter, Briefe und Tagebucheinträge, die man in einen festen Einband gebunden hatte.
    Die Geschichte, die man darin lesen konnte, kannte sie fast auswendig, obwohl es lange
    [FONT=&quot]gedauert hatte, bis sie die altertümliche Sprache verstand. [/FONT]






    Gerade als sie die Stelle, nach der sie suchte, gefunden hatte, öffnete sich die Tür und Lady
    Alice kam herein.
    „Du wolltest mich sprechen.“ Als sie näher kam, konnte Elizabeth sehen, in welch
    mitleiderregendem Zustand sie sich befand. Dunkle Ringe unter den vom Weinen glänzenden
    Augen, blasse Wangen und das kraftlose Herabsinken der Schultern zeugten von dem
    anstrengenden Tag. Nur einmal hatte sie Alice so erlebt, als deren Mann Henry vor vier
    Jahren einen Schlaganfall erlitt und wenig später trotz ihrer aufopfernden Pflege starb.
    „Komm, setz' dich zu mir und trink eine Tasse Tee.“ bat die Countess in mütterlichem Ton
    und wies auf den Platz ihr gegenüber, während sie das Buch achtlos neben sich legte und
    scheinbar unabsichtlich unter ihren Röcken verschwinden ließ. „Das wird dir gut tun und neue
    [FONT=&quot]Kraft schenken. Du wirst sie brauchen!“ [/FONT]






    Dankbar nahm Lady Alice den Tee an und setzte sich. Elizabeth nutzte die Zeit, während sie
    das heiße Getränk genossen, um ihre Gedanken zu sammeln und noch einmal abzuwägen, wie
    viel sie der anderen würde erzählen müssen, damit sie ihr Glauben schenkte. Schließlich
    stellte sie ihre Tasse zurück, beugte sich leicht nach vorn und begann.
    „Ich weiß, was ich dir jetzt zu sagen habe, wird dir nicht gefallen. Du wirst mir
    wahrscheinlich nicht glauben, so wie schon im Frühjahr, als ich euch beide warnte.“ Sie
    wehrte den Einspruch von Lady Alice ab. „Ja, ich weiß, eigentlich sollten wir nicht mehr
    davon reden, aber nun, da eingetroffen ist, was ich befürchtet habe, müssen wir.“
    [FONT=&quot]Lady Alice sah sie erstaunt an. [/FONT]






    „Soll das heißen, du wusstest, dass er vom Pferd stürzen würde?“
    „Nicht dass er einen Reitunfall haben würde, aber dass er in Gefahr war, und ihm etwas
    geschehen würde, das wusste ich, ja.“
    „Aber woher? Wie konntest du das wissen?“
    Ich weiß nicht, wie ich dir das erklären soll. Ich konnte es nie jemandem erklären. Alle haben
    mich für verrückt gehalten, wenn ich es auch nur versucht habe. Du auch.“ Sie starrte einen
    Augenblick lang in die Flammen, die gierig über das Holz im Kamin tanzten und merkte
    [FONT=&quot]nicht, wie sie einen tiefen Seufzer ausstieß. [/FONT]






    „Ich wollte dir gewiss nicht weh tun“ unterbrach Alice in bekümmertem Ton die drückende
    Stille, „aber du musst zugeben, was du damals erzählt hast, ergab einfach keinen Sinn. Du
    sprachst von einer unheimlichen Bedrohung, von einem Fluch, der auf dem Geschlecht der
    Dukes of Ravensdale lastet und jeden trifft, der den Titel trägt. Das war alles. Wie hätte ich
    dir glauben können? Ich begreife es ja selbst heute noch nicht.“
    [FONT=&quot]Elizabeth nickte und sah sie mit einem gütigen Blick an. [/FONT]






    „Ich weiß, ich muss mich angehört haben, wie eine alte Kräuterhexe. Ich hoffte damals, ich
    würde mich irren, Patrick wäre aufgrund seiner Herkunft aus unserem Zweig der Familie
    nicht mehr betroffen. Ich gab mich der Hoffnung hin, der Fluch wäre nun, da der Titel auf die
    jüngere Linie übergegangen ist, endlich gebrochen. Deshalb wollte ich nicht zuviel sagen.
    Doch ich habe mich geirrt. Es wäre wohl besser gewesen, ich hätte Patrick gleich alles
    erzählt, dann wäre uns das heute sicher erspart geblieben. Aber mich band ein Versprechen,
    damals wie heute.“
    Sie blickte auf und bemerkte, dass Lady Alice sie völlig verwirrt ansah.
    „Was um alles in der Welt meinst du? Ich bitte dich, Elizabeth, hör endlich auf, in Rätseln zu
    sprechen. Was hättest du Patrick sagen sollen und was hat das mit dem andern Zweig der
    [FONT=&quot]Familie zu tun?“ [/FONT]






    ++++++++++++++++++++
    geht noch weiter

  • *






    Lady Elizabeth wurde einer Antwort enthoben, da in diesem Augenblick der Butler eintrat.
    „Ich bitte um Vergebung, Euer Ladyschaft, aber Dr. Hastings bittet Sie beide, nach oben zu
    kommen. Das Fieber seiner Gnaden scheint wieder gestiegen zu sein. Er befürchtet das
    Schlimmste.“
    „Oh nein!“ Lady Alice warf einen hilfesuchenden Blick nach oben und stürzte verzweifelt die
    Hände ringend zur Tür hinaus, gefolgt von Edwards.
    Auch Elizabeth verließ den Salon, doch ohne Lady Alice nach zu gehen. Es musste etwas
    geschehen und zwar gleich, sonst war Patrick womöglich nicht mehr zu retten. Sie lief durch
    das totenstille Haus, nur den einen Gedanken im Kopf, sie musste versuchen, dieses Unheil
    abzuwenden, irgendwie.






    Ohne einer anderen Menschenseele als dem in der Halle diensttuenden Lakaien zu begegnen,
    erreichte sie die Hauskapelle. Als sie den Raum betrat, spürte sie für einen kurzen Moment
    wieder jenen Frieden, der sie immer erfasste, wenn sie ein Gotteshaus betrat. Hier gab es
    keine Bosheit, keinen Schrecken ... so könnte man meinen. So viele Generationen von
    Morgans hatten hier mehr oder weniger aufmerksam den Predigten der Pfarrer gelauscht und
    keine Ahnung davon gehabt, dass sich hinter den dicken Mauern der geweihten Stätte das
    furchtbarste Geheimnis dieser Familie verbarg!






    Ohne recht zu wissen warum ging sie geradewegs auf die kleine Apsis zu. Man hatte der
    Kirche, obwohl sie längst nicht mehr katholisch war, ihre alte mittelalterliche Ausstattung
    belassen, und so stand auch der kostbare Flügelaltar mit den Szenen aus dem Leben der
    Heiligen Katharina noch immer an seinem angestammten Platz. Mit einem leisen Seufzer sah
    Elizabeth zu ihr hinauf. Nein, die Schutzheilige der Familie Morgan hatte ihnen kein Glück
    gebracht. Kopfschüttelnd wandte sie sich wieder ab und betrat die kleine Seitenkapelle.






    Hier befanden sich die ältesten Grabdenkmäler der Familie, die der ersten Herzöge, ihrer
    Gemahlinnen und auch einiger ihrer Söhne. Sie erinnerte sich noch, wie sie das das erste Mal
    hierher gekommen war, gerade 11 Jahre alt und voller Neugier. Damals hatte sie, aus
    Langeweile in der Familienchronik der Herzöge gelesen und beschlossen, sich deren Gruft
    anzusehen. Eine eigenartige Beschäftigung für ein Kind ihres Alters, aber angesichts dessen,
    was sich gerade in den Stockwerken über ihr abgespielt hatte, vielleicht doch zu verstehen.
    Doch statt durch die kleine Tür in die Gruft hinabzusteigen, hatte eine ihr unerklärliche Macht
    sie zum Epitaph des ersten Duke of Ravensdale geführt. Furchteinflößend wirkte die
    gedrungene Gestalt des Mannes auf der Grabtafel noch heute auf sie.






    Sie erinnerte sich, er war als ein Mann geschildert worden, der zwar stets ehrenhaft seine
    Pflicht erfüllte und dafür von Königin Mary Tudor den Titel des Duke verliehen bekam, der
    aber auch seine Familie mit eiserner Hand regiert hatte und äußerst rücksichtslos sein konnte,
    wenn es galt, seine Interessen zu verfolgen. Der Bildhauer hatte es verstanden, genau diesen
    Zug auch in der Plastik einzufangen. Wie spielerisch waren ihre Finger damals über die
    einzelnen Wappen am rechten Rand geglitten. Die Platte schien aus einem Guss zu sein,
    doch... das war ein Irrtum, denn auf einmal passierte genau das, womit sie nie, nicht einmal in
    ihrer Fantasie gerechnet hätte.






    Doch das alles war schon so lange her, sie konnte sich nicht mehr entsinnen, welches der
    Wappen sie drücken musste, um den Mechanismus auszulösen.
    „Nimm dich zusammen!“ rief sie sich selbst zur Ordnung. Sie atmete tief durch, suchte sich
    zurück zu versetzen in die alte Zeit und begann die kleinen Wappen abzutasten. Aber nichts
    tat sich, wieder und wieder versuchte sie es, bis sie schon fast verzweifelt mit dem Fuß
    aufstampfte und Kirche hin oder her zu fluchen begann. „Ich weiß, dass ich es kann, ich weiß
    es. Verdammt noch mal, jetzt geh endlich auf!“
    Ihr Daumen presste sich auf den Helm eines Wappens, so kräftig, als wolle sie ihn
    eindrücken. Sie erschrak regelrecht, als er nachgab und ein eigenartig knirschendes Geräusch
    durch den Kirchenraum hallte.






    Sie riss die Augen auf und sah, wie der Epitaph nach hinten rückte und den verborgenen
    Eingang freigab. Trockene, sehr stickige Luft schlug ihr entgegen und raubte ihr einen
    Moment den Atem. Genauso war es auch damals gewesen, als dieser Gang sich vor der
    staunenden Elfjährigen geöffnet hatte.
    Damals wie heute hatte sie in die Finsternis gestarrt, bis sie schließlich mit zitternden Knien
    doch voller Abenteuerlust hineingegangen war. Irgendwohin musste dieser Gang doch führen
    und nach den Spinnweben zu urteilen, war schon lange niemand mehr hier gewesen. Und als
    am Ende dieses engen langen Ganges eine weitere Tür aufgetaucht war, da hatte sie nichts
    mehr halten können. Sie wusste nur nicht, dass sie in diesem Moment vor dem größten
    Abenteuer ihres Lebens stehen würde, ein Abenteuer, das sie nun wieder einholte.






    +++++++++++++++++++++++++++++++
    Und das war es wieder für heute. Wo der Gang denn nun hin führt, und was Elizabeth dort zu finden hofft, das gibt's dann am nächsten Wochenende.
    Danke noch einmal an alle für das Lob für die Bilder und ich hoffe, ich konnte dem auch heute wieder gerecht werden.
    Bis zum nächsten Mal
    LG
    Nery