Ich und Chrissie wurden mit der Zeit echt gute Freundinnen. Innerhalb von zwei Wochen war sie fast jeden Tag bei mir gewesen und hatte auch schon bei mir geschlafen, natürlich am Wochenende, wegen der Schule. Meine Mutter verstand sich prächtig mit Chrissie.
Die beiden saßen zusammen, und Mama zeigte Chrissie ihre Schminktricks und Chrissie übte mit Mama, die man seine Haare richtig von einer Seite zur anderen schwingt. Das wirkte extravagant, manchmal auch ein bisschen verrückt. Doch trotzdem war Chrissie mittlerweile meine beste Freundin, denn sie hatte auch andere Dinge im Kopf als Schminke und Disco.
In der Schule gingen wir gemeinsam über den Schulhof, obwohl es für die Mädchen aus der Neunten eigentlich peinlich war, wenn sie sich mit Jüngeren abgaben. Doch bei Chrissie sagte niemand was. Sie war schließlich auch die Freundin von Basti. Irgendwann erzählte mir Chrissie auch, warum alle so einen Respekt vor Basti hatten und sie in ihm eine Art "Vorbild" sahen.
Sie sah sich mal wieder das Lichtspiel an, welches bei uns in der Küche hing, und erzählte: "Basti hatte es nicht leicht. Seine Mutter ist gestorben, als er elf Jahre alt war. Sein Vater schlug ihn und deshalb kam er zu einer Pflegefamilie. Doch alle wussten, dass er sich die meiste Zeit auf der Straße aufhielt. Das gab ihm diesen Bad-Touch. Er war stets hart und unverletzlich, nur bei mir, da ist er ganz anders."
Wenn die beiden zusammen waren, dann konnte man gar nicht glauben, dass er DER Basti war, von dem die ganze Schule sprach.
In der nächsten Woche dachte ich noch oft an die Sache mit den beiden Jungen, aber Chrissie schaffte es wunderbar, mich abzulenken.
In der Schule kam sie zu mir in die Klasse, wenn große Pause war oder sie Freistunden hatte. Meine Klassenkameraden bewunderten mich, dass ich mit einer "Großen" befreundet war, und noch dazu mit so einer Hübschen.
Alle Blicke waren stets auf uns gerichtet. Leider wurde Basti in jener Zeit von der Schule geworfen und musste nun auf eine Schule für schwer erziehbare Kinder gehen. Das war vor allem für Chrissie schrecklich. Sie jammerte eine Zeit lang, wie schlimm es ohne ihn wäre, fast nicht auszuhalten!
Oft weinte sie, wenn wir in Freistunden in der Aula saßen, einfach los. Sie holte den verpassten Schlaf auf einem der gemütlichenSofas nach, den sie in der Nacht verpasst hatte, weil sie so geweint hatte. Ich verstand gar nicht, was daran so schlimm war, aber für sie brach eine Welt zusammen. "Wir waren sonst den ganzen Tag zusammen, und jetzt sehen wir uns nur noch Nachmittags. Wir sind immer zusammen zur Schule gegangen, und jetzt?"
Wir saßen eines Tages in der Caféteria, als uns Alexa, meine Klassenkameradin, erzählte, dass sie gehört hätte, dass Basti eine Überraschung für Chrissie hätte. Sie hatte gehört, dass er sich mit Chrissie um acht Uhr im "Wundergarten" treffen wollte. So nannte man den kleinen Garten in der Nähe vom JUZ, der dafür bekannt war, dass sich Liebende darin heimlich trafen und schöne Stunden zu zweit verbrachten. Viele hatten da drin auch ihr "Erstes Mal".
Chrissie war sichtlich geschokt.
Wir verzogen uns in die Aula. "Bitte, Gyani, komm nach der Schule mit zu mir nach Hause. Ich muss mit Dir reden. Geht das?"
Ich nickte.
"Ich hol Dich um eins vom Klassenzimmer ab!" Dann ertönte die Schulglocke und wir begaben uns alle zurück in unsere Klassenzimmer.