Seit Tagen sprach man bei uns zu Hause von nichts anderem mehr als von der Verhandlung, die uns bevor stand. Es ging um Lorenas Baby. Rankali war der Angeklagte, ich wurde Gott sei Dank weitgehend herausgehalten und war nur als Zeugin geladen. Morgen würde es so weit sein.
Ich war gerade zum vierten Mal schwanger.
Meine Tochter Rajani fragte mich ständig, warum Aruna nicht mehr da war, und ob das, was in meinem Bauch heranwuchs, eine neue kleine Schwester sein würde. Mit Mohan wollte sie nicht so gern spielen, weil er immer alles kaputt machte.
Die Schule hatte bereits begonnen, und Rajani musste nun Hausaufgaben machen. Rankali kümmerte sich nicht mehr um seinen Sohn. Er hatte jetzt andere Sorgen. Er trank viel. Ich weiß, dass er Angst vor der Verhandlung hatte, auch wenn er es nie zugab.
Er schlug mich nun immer häufiger, oft wegen Lapalien.
Ich war mittlerweile total eingeschüchtert. Ich redete zu Hause nicht mehr sehr viel, nur noch mit meinen Kindern, weil ich Angst hatte, etwas falsch zu machen.
Als der Tag der Verhandlung gekommen war, ging ich zu Fuss zum Gericht, da Rankali den Wagen hatte. Er war am tag zuvor weggefahren, womöglich zu einer seiner Sauftouren, und seitdem nicht wiedergekommen. Wahrscheinlich hatte er die Nacht bei einer anderen verbracht. Mutter passte auf die Kinder auf.
Der Fussmarsch betrug fast vier Kilometer. Nach einer Stunde war ich da. Wegen meiner Schwangerschaft schmerzten meine Beine.
Vor dem Gericht stand die Polizistin, die uns wegen Arunas Verschwinden vernommen hatte, und unterhielt sich mit Lorena.
Der Anwalt und noch ein älterer Herr standen vor dem Eingang. Rankali war nirgends zu sehen. Auch seine Anwältin sah ich nicht. Wie ich später erfuhr, hatten sie eine Affäre. Doch zu jenem Zeitpunkt wusste ich noch nichts davon.
Es war mir auch egal.
Dann tauchte Rankali auf. Er kratzte sich verschlafen und sah ziemlich fertig aus.
Lorena kehrte ihm den Rücken zu. Sie musste ihn schrecklich hassen.
Wir begaben uns beim Dong in das Gerichtsgebäude.
Alle nahmen auf den für sie vorgesehenen Plätzen platz und Die Verhandlung begann.
Die Anklage gegen Rankali wurde von seiner Verteidigerin stets vehement zurückgewiesen. Der Richter hörte sich alles interessiert an und schließlich tauchte ein Dokument auf, welches eine Unterschrift beinhaltete, mit der Lorena der Adoptionsfreigabe ihres Kindes zustimmte. Mit dieser womöglich gefälschten oder erzwungenen Unterschrift fiel der erste Anklagepunkt weg. Freispruch für Rankali.
Der Anklagepunkt der Kindesentführung blieb also noch aufrecht erhalten, doch es gab keine Spuren, die auf den Verbleib des Kindes hindeuteten, und man hatte keine Informationen, dass Rankali der Entführer war. Zum Zweifel für den Angeklagten gab es auch hier einen Freispruch.
Rankali jubelte innerlich, das sah man ihm an. Triumphierend ging er an Lorena vorbei, die Tränen in den Augen hatte, und schrie: "Gib mir mein Kind zurück! Ich will doch nur mein Kind wiederhaben!"
Er tat, als höre er sie nicht, und verließ den Saal. Er fragte mich nicht, ob ich mit nach Hause fahren wolle, und so musste ich wieder zu Fuss zurücklaufen.
Rankali feierte wohl seinen Sieg in einem Wirtshaus, denn als ich nach Hause kam, war er noch nicht da.
Mutter verließ, nachdem ich ihr Bericht erstattet hatte, sehr schnell das Haus, um rechzeitig nach Hause zu kommen, da Irgano sonst wütend geworden wäre.
Und ich half meiner Tochter bei den Hausaufgaben.
Gegen zehn fiel ich totmüde ins Bett. Ich hörte nicht mehr, wie Rankali nach Hause kam, doch ich wurde mitten in der Nacht von einem lauten Schrei geweckt. Ich zog mir sofort einen Morgenmantel an und lief die Treppe hinunter. Ich machte Licht. Auf der Uhr sah ich, dass es vier Uhr morgens war. Und das nächste, was ich sah, war Blut. Viel Blut.
Und dann Rankali, der auf dem Boden lag und ein Messer in der Brust hatte. Plötzlich öffnete er die Augen, sah mich an und schrie: "Hure! Du wolltest mich umbringen!"
-------Fortsetzung folgt-------