Das Leben danach

[Kapitel 10 – Tief, tiefer, am Boden]

,, […] Sie sind zwar sehr leistungsstark und freundlich, doch andere Bewerber können mit den Kunden einfach besser umgehen. Deshalb können wir Sie hier leider nicht mehr gebrauchen. Es tut uns sehr leid. […]

Einfach…zum…Kotzen! Ich hasse diese Firma! Ich verstehe mich mit allen Kunden! Ich bin immer freundlich und hilfsbereit! Niemand kann mich übertreffen! Nimand! Keiner! Wutentbrannt werfe ich den Brief auf den Boden. Versteht mich hier denn keiner auf dieser Welt? Ich verliere meine ganze Familie und jetzt noch meine Arbeit? Ich will nicht mehr! Ich kann nicht mehr! Ich halt’s nicht mehr aus? Was soll ich tun? Ich...brech gleich zusammen! Ich will nicht mehr leben! Nein! Was bringt sich das überhaupt? Mein Leben kann man vergessen! Vor ein paar Wochen hat alles gepasst! Ich hatte eine Familie, ich hatte eine Arbeit, ich war glücklich! Ich will nicht immer traurig oder wütend sein! Ich will nicht! Es gibt keinen Ausweg! Mein Leben hat keinen Sinn mehr! Noch dazu habe ich keine Freunde! Hat mich jemals irgendwer besucht? Nein! Hat mich irgendwann wer angerufen? Nein! Ich…ich…laufe zur Klippe, die etwa 80 Meter entfernt ist. Tod! Der Tod ist die beste Lösung! Was anderes…geht einfach nicht! Nur mehr wenige Schritte vor der Erlösung.

Nie mehr Trauer…

Nie mehr Zweifel…

Nie mehr Wut…

Nie mehr!

Plötzlich flüstert mir meine innere Stimme etwas zu: ,,Spring nicht!“ Erschrocken bleibe ich stehen. Ein Schritt… ,,Denk über die positiven Seiten nach!“ Es gibt keine positiven Seiten! Meine innere Stimme lässt nicht locker: ,,Doch! Nie mehr Glück! Nie mehr Lachen! Nie mehr Liebe! Nie mehr Freunde! Nie mehr…“ Sei leise! Sei leise verdammt! Du verwirrst mich ganz! Was soll ich denn um Himmels Willen tun? Die innere Stimme antwortet schon wieder: ,,Denk über die positiven Seiten nach…“ Ich will nicht darüber nachdenken! Das erschwert bloß den Selbstmord! Ich will einfach nur springen! Mutig nähere ich mich dem Abgrund. Nur mehr wenige mm fehlen. Die Spitze meines rechten Fußes verlässt schon den Boden. Mutig sehe ich hinunter. Ganz schön tief…

Ich schließe meine Augen. Ich denke noch ein letztes Mal über Melanie und meine Kinder nach. Über die allerletzten Momente, an die ich mich noch erinnern kann.

Wie…

Wie wir im Auto saßen und ich mich mit Melanie gestritten haben…

Wie Melanie auf der falschen Straßenseite fuhr…

Wie uns die Lichter des gegenüberliegenden Autos blendeten…

Wie wir alle schrien und Panik hatten…

Wie unsere Kinder Angst hatten…

Wie ich Angst hatte…

Wir wir alle Angst hatten…

Wir uns schließlich unser Auto das andere traf…

Wie ich ganz plötzlich am Boden lag…

Wie ich hoffnungslos in die Sterne blickte…

Wie ich es nicht glauben konnte…

Wie…

Ich öffne meine Augen. Tränen fallen in die Tiefe. Genau über Merkwürdighausen befindet sich eine kleine schwarze Wolke. Diese kleine Wolke "weint sich gerade aus". Die ersten Tropfen fallen auf meine Haut. Langsam fließen sie von meinen Wangen herunter. Die nächsten Minuten bleibe ich starr stehen. Ich konnte es nicht wagen, mich zu bewegen. Ob mein Gesicht voller Tränen ist oder ob es doch nur der Regen ist?

Die Nässe stört mich nicht. Es ist irgendwie…befreiend. Wegen der Kälte bekomme ich eine Gänsehaut. Mein ganzer Körper friert, als wäre er aus Eis. Ich würde jetzt gerne vor einem Kamin mit einer warmen Decke sitzen und einen heißen Kakao trinken. Ein positiver Gedanke… Wenn ich an meine verstorbene Familie denke, wird mir überall warm. Dieser Gedanke rettet mich vor der Kälte, sowohl auch vor dem Tod? Verblüfft sehe ich in die Tiefe. Vor einigen Minuten war ich fest überzeugt, runterzuspringen. Doch diese Gedanken treiben mich noch zum Wahnsinn. Ich hätte es tun können... Traurig stapfe ich im Regen nach Hause.

[11:18] Dort angekommen ziehe ich mir sofort meine nassen Klamotten aus, als wie nichts gewesen wäre. Ich hätte sterben können. Da muss ich fast schon lachen. Nachdem ich mich wieder neu angezogen habe gehe ich in die Küche. Ich habe eigentlich keine Lust darauf, etwas zu essen, aber was soll ich denn sonst bitte machen? Am besten ist, wenn ich mir einfach ´ne Pizza bestelle.

Der Anruf dauert grad mal eine halbe Minute. In einer halben Minute wird er sicher nicht noch da sein, deswegen werde ich einer meiner größten Hobbies nachgehen: fernsehen.

Langsam schalte ich von Sender zu Sender. Ich weiß, dass in der Früh nichts läuft, aber solchen Mist wie heute gab’s noch nie. Nur Sender für Kleinkinder und langweilige Berichte. Das Atemberaubendste sind derzeit die News. Normalerweise sind die News meine letzte Wahl… Die News gehen zu Ende. Jetzt kommt Werbung. Noch besser. Eh immer die gleiche. Dann erscheint irgendeine Kochsendung. Das wird mir zu viel… Ich schalte den Fernseher aus und entspanne mich ein wenig. Hab ja sonst nichts zu tun, außer zu warten.

[11:49] Na endlich! Die Pizza ist da! Jetzt bin ich erst recht hungrig geworden! Das Wasser läuft mir schon im Mund zusammen. Als es um den Tod gehen würde stürme ich zur Tür. ,,Guten Tag. Sie haben bestellt?“, fragt der Pizzabote höflich. ,,Ja, eine Diavolo – mit extra viel Käse!“ ,,Okay, hier bitte. Das macht dann 9,90€!“ Ich zücke meine Brieftasche heraus und suche einen Zehner. Enttäuscht gebe ich ihm meinen allerletzten Zehner. ,,Der Rest gehört Ihnen.“ Der Mann bedankt sich und fragt noch nach einer Unterschrift. ,,Sie müssen bestätigen, dass Sie ihre Pizza bekommen haben!“ Ich unterschreibe und verabschiede mich. Schnell stelle ich die Pizza in die Küche, sonst würde meine Hand noch verbrennen. Wenn die Schachtel schon so heiß ist, möchte ich gar nicht wissen, wie heiß die Pizza selbst ist! Ich öffne die Schachtel und lasse sie ein bisschen kühlen, damit es nachher umso mehr genießbar ist.

Nach dem Pizza essen werfe ich die leere Schachtel in die Mülltonne. Ich überlege mir, was ich unternehmen könnte. Etwa wieder in die Gedankenkiste kramen? Ich habe ehrlich gesagt keine Lust dazu.

Die nächsten Tage verlaufen nicht anders. Wenn ich nicht gerade schlafe oder esse, fernsehe ich oder heule mich aus. Eva hat sich in Zeit auch nie mehr gemeldet. Vermutlich liegt es daran, dass sie schon ein Leben hat. Ein ordentliches Leben.

Wieviele Tage ist es nun seit dem Autounfall her? Geschätzt würde ich 30 Tage sagen. Da ich genug Zeit habe, rechne ich die Zeit gleich aus. Hm…hier…11 Tage…Illusion…hm….heute ist der 18.Tag seit meines Unfalls! Sozusagen ca. 2 ½ Wochen. Ich habe bei meiner Schätzung auch noch abgerundet. Anscheinend habe ich mein Zeitgefühl auch noch verloren. Juhu…

Am besten werde ich wieder etwa essen. Essen ist schon mein Hobby geworden. Ich muss mir unbedingt ein eher sportlicheres Hobby anlegen. Die Kilos winken mir schon zu. Sie flüstern: ,,Hey Will, ich bin der leckerste Donut auf dieser Welt. Komm, iss mich! Ich bin ganz lecker!“ Verrückt aber wahr… Da fällt mir ein, dass der Kühlschrank schon fast leer ist! Ich hätte gestern schon Einkaufen fahren sollen! Das ärgert mich wieder. Jetzt darf ich zum Supermarkt spazieren! Ich würde lieber mit dem Rad fahren, jedoch kann ich dann die Lebensmittel nicht tragen. Manche können das, aber ich trau mich das nicht. Wenn auf einer Seite mehr Gewicht als auf der anderen ist, kippe ich 100%-ig um. Zum Glück ist der Supermarkt gleich ein paar Ecken weiter. Zu Fuß dauert es höchstens 15 Minuten.

Mist! Jetzt fällt mir noch was ein! Ich hab ja nicht mal Geld! Das letzte habe ich dem Pizzamann gegeben! Argh…Vielleicht finde ich noch Geld in Melanies Schublade. Gesucht, gefunden. Ein 20-er wird wohl reichen. Ich mache mich nun auf den Weg zum Supermarkt.

[16:56] Endlich bin ich angekommen. Einen Vorteil habe ich jedoch: Kein lästiges Parkplatzsuchen. Ich gehe in den Supermarkt. Viel hat sich hier nicht verändert. Die gleichen Anzeigen, die gleichen Verkäufer. Wenigstens haben sie nichts verloren… In der Hoffnung nicht zu weinen kaufe ich mir Brot, Milch, Butter, Semmeln, Wurst, Käse und dann noch einen leckeren Himbeersaft zum Verdünnen. Gottseidank kann ich nicht mehr weinen. Der tägliche Ausbruch war ja heute schon. Bevor ich zur Kasse gehe, hole ich mir etwas zum Naschen. Ich bin schon zwar zu groß dafür, aber mit diesem Problem kann ich schon leben. Mit einem prüfenden Blick auf meine Waren schiebe ich meinen Wagen immer weiter Richtung Kasse. Plötzlich läuft mir ein kleines Mädchen entgegen. Sie bleibt vor mir stehen.

Kapitel 11 – [Ich hätte springen sollen]

Ich bin kurz davor, wegzurennen. Plötzlich spüre ich etwas an meiner Hand. Mein Blick wandert an die Kleine, die mich an meinen Daumen festhält. ,,Hey, was machst du da, lass mich los, bitte!“ Doch Evelin lässt nicht locker und zerdrückt fast meinen Daumen. Ich kann mich nicht mal gegen ein Kleinkind wehren! Starr bleibe ich stehen und vergesse Eveline’s Händchen. Eva kommt. Ich habe total vergessen, wie schön sie eigentlich ist. Es kommt mir vor wie gestern, dass ich in ihre bezaubernden Augen blickte. Dabei sah ich sie heute schon mal! Ja, diese Frau macht mich noch verrückt. Immerhin… ,,Will! Geht‘s dir nicht gut?“ Erschrocken sehe ich sie an. ,,Wieso…äh…was ist…d.denn?“ Du starrtest gerade auf den Boden und bewegtest nicht gar nicht. Es sah so aus, als wärst du in Gedanken versunken!“ ,,Oh, ja, das…ich…ich ging nur meine Einkaufsliste noch schell durch…“ ,,Achso…!“ Sie lacht und blickt zu Eveline. ,,Das ist meine Tochter Eveline.“ Oh nein, sie hat also eine Familie? ,,Aja, dachte ich mir schon.“ Erst jetzt bemerkt sie, dass Eveline eine Packung Haribo und Kleingeld in der Hand hält. ,,Woher hast du das denn her?“, fragt sie scharf. Bitte sag nichts, bitte nicht! Sie zeigt mit dem Finger auf mich. Wie peinlich! Eva grinste und flüstert Eveline zu: ,,Du kannst schon mal vorrausgehen.“ Die Kleine gibt Eva das Päckchen und das Geld und verschwindet zur Kasse. ,,Das ist echt nett von dir, aber du kannst es behalten.“ ,,Doch, das geht schon, nimm es ruhig. Wenn du es jetzt wegpackst, weint sie vermutlich.“ Sie nickt und bedankt sich freundlich. Dann legt sie die Packung weg und erzählt mir aufgeregt: ,,Anscheinend warst und bist du ein guter Vater.

Ich würde mir wünschen, wenn mein Mann…“, sie hat einen Mann???, ,,…auch mehr Zeit mit den Kids verbringen würde. Aber er hat ja keine Zeit. Für Eveline wär es ja nicht so wichtig, aber für Lisa. Sie ist 14 und ich kann dir gar nicht sagen, wie anstrengend sie ist. Ihre Pubertät bringt mich noch um den Verstand. Sie räumt nie ihr Zimmer auf, und…“ Ja, typisch Frau. Reden, reden, reden… Aber ich hör am besten wieder zu, da sie sich sonst noch aufregt. Eva ist verheiratet… ,,…und dann noch SMS schreiben bis tief in die Nacht!“ ,,Ja, toll…“, murmel ich dahin. ,,So, ich muss dann mal wieder. War nett dich wiederzusehen.“ ,,Ja, hat mich auch gefreut.“ Sie dreht sich um geht zur Kasse, wo Evelin schon wartete. Traurig sehe ich Eva an. Sie geht weg von mir. Sie hat Kinder, sie hat einen Mann, sie hat ein Leben. Was habe ich? Nichts. Als ich noch ein Leben hatte, dachte ich, wie schön es wäre, alleine zu sein. Jetzt bin ich allein. Und ich hasse es. Mir fehlen die ganzen Streitigkeiten, die wir hatten. Das war so schön... Ich bekomme immer Gänsehaut, wenn ich an meine Familie denke. Keine Ahnung warum, aber es ist einfach so. Zurück zum „Leben“. Ich kaufe noch schnell 2 Zitronen und gehe zur Kasse.

Zum Glück war sie frei. Während der Verkäufer die Produkte einscannt, reibe ich mir die Hände. ,,Huch, ganz schön frisch heute, was?“ Ich versuche zu lächeln. Offensichtlich hat er mich nicht gehört. Er hätte wenigstens so tun können. Höflichkeit ist eine Kunst, die viele nicht beherrschen… ,,Das macht dann bitte 18 Euro und 20 Cent.“ Und 20 Euro habe ich dabei! Ich nehme nächstes Mal bestimmt mehr mit, da es sich echt knapp ausgeht. Melanie hat ja noch 45 Euro in der Schublade. Jaja, ich muss mir einen Job suchen… Ich gebe ihm den 20-er, packe meine Produkte wieder in den Korb und verschwinde. Kopfhängend verlasse ich den Supermarkt und gehe nach Hause. Inzwischen ist es um einiges kälter geworden. Ich sollte nicht immer dieses Outfit tragen. Grünes Hemd, schwarze Hose, das ist meine Standartausrüstung. Ich könnte echt was anderes ausprobieren. Die Kleidung erinnert mich ebenfalls an das alte Leben… an das Tolle Leben… Ich hätte springen sollen…

[17:46] Zu Hause angekommen stelle ich die Lebensmittel in den Kühlschrank. Das Erste, was ich tue, ist mir einen Job suchen. Wie sehr ich meine ehemalige Firma hasse… Ich schlage die Jobanzeigen auf. Mal sehen, ob was Vernünftiges in Frage kommt. Lkw-Fahrer?! Nein, danke… Ah, Buchhalter gesucht! Das wär super! Nur leider ist das in einem ganz anderen Bezirk… Es muss doch etwas für mich geben! Hm, „Liebenswürdiger Kellner in Schönsichtigen gesucht! […]“ Ja, das ist es! Kellner! Da verdient man einen Haufen. Und Schönsichtigen liegt Merkwürdighausen sehr nahe! Ich rufe jetzt gleich an, damit mir ja keiner zuvor kommt. Nach einem langen Gespräch darf ich zu einem Vorstellungsgespräch kommen. Ich hasse das! Letztens war ich so aufgeregt, dass ich mich fast übergeben hab müssen! Das Gespräch ist in genau 3 Tagen. Anscheinend brauchen sie ->mich<- dringend! Ein schönes Gefühl gebraucht zu werden. So, ich muss sofort anfangen, mich darauf vorzubereiten. Oder…ach, Morgen ist auch noch ein Tag. Ich hab jetzt keine Lust. Hm da fällt mir meine Gedankenkiste wieder ein… Dieses Mal bin ich sogar neugierig, was ich so in meiner Vergangenheit getrieben habe. Ich gehe in den Dachboden, suche die Kiste und öffne sie. Wo bin ich de stehn geblieben? Aja, genau, Freunde verändern jemanden. Mal sehen, was auf den nächsten Zettel steht:

,,Gott ich hasse diese Typen! Ein Tag war ich nicht in der Schule und meine ganzen Hefte sind futsch! Warum ich? WARUM? Wie soll ich denn die M-Schularbeit bestehen, wenn ich keine M-Buch habe! Die gehen hier echt zuweit!

Ich kann mich nur zu gut daran erinnern. In der Schule gab es immer irgendwelche Idioten, die die Hefte und Schuhe versteckten. Ich war ein beliebtes Opfer. Zum Glück war die Mathe-Schularbeit allgemein sehr schlecht ausgefallen. Diesen Fleck werde ich nie vergessen… Ich hatte ja keine Chance zu lernen. Ich hatte keine Freunde in der Umgebung und Mathematik hatten wir vor der Schularbeit auch nicht. Was soll’s.

Jetzt habe ich auf den Geographie-Test eine 1- geschrieben und meine Mutter weiß nix Besseres zu sagen als ,,Tja das Minus sieht aber nicht schön aus“ ? Die soll doch selber alle Bundesländer, Städte, Flüsse, Gebirge und sonst noch welche Daten auswendig lernen! Shut up!!!

Ich beschimpfte meine Mutter und war stinksauer auf sie, weil sie nie besser war als ich. Aber inzwischen verstehe ich das. Eltern wollen nur das Beste. Und 1- ist nicht das Beste… Blödsinn. Ich werde es nie verstehen…

Ich bin so überfordert, Hilfe, Kiste! Morgen eine Schularbeit und ein Referat. Übermorgen 1 Test und eine Prüfung. Und zu guter Letzt noch ein fettes Buch in 3 Tagen lesen!

Die gute alte Schule, ich vermisse sie irgendwie… In den Pausen gab es immer viele Aktionen, die jeden zum Lachen brachte. Mit „Ich vermisse die Schule“ meine ich, dass ich die den ständigen Druck vermisse. In den Ferien war es immer so langweilig. Nun gut, hier und da mal baden gehen, aber sonst? Keine Freunde in der Umgebung.

Der Stress ist vorbei und jetzt ist endlich Wochenende. Leider fürchte ich mich auf Montag, denn da bekommen wir die Englisch-Schularbeit zurück. Ich kann diese alte Mrs. Important nicht ausstehen…

Die Englischlehrerin war ja der (oder die?) Teufel in Person. Si war schon alt und kam sich so wichtig vor. Ich und sie waren verfeindet. Sie quälte mich mit schlechte Noten und ich sie mit unnötigen Kommentaren. Ja, einmal, da musste ich zum Direktor…

Mir fällt kein trauriger Gedanke ein. Wir haben keine Tests, meine Freunde verhielten sich abwechslungsweise mal normal und meiner Mutter geht’s auch wieder besser. Sie hat jetzt schon seit exakt 2 Wochen gar nicht mehr geraucht. Ich bin richtig stolz auf sie.

Solche Tage waren herrlich. Ich hatte keine Sorgen, einfach nichts, was mich beunruhigen konnte. Leider hielten diese Zeiten nicht lange an. Den schon am nächsten Tag kündete die Lehrerin ein Diktat an, die Freunde heckten wieder mal was aus und die Mutter raucht gemütlich im Wald (!).

Obwohl die Kiste interessant ist, habe ich keine Lust mehr auf die Kiste, da sich mich trauriger macht als ich schon bin. Vorher war ich wegen des Vorstellungsgesprächs noch irgendwie glücklich und aufgeregt. Huch, das Vorstellungsgespräch. Ich fang besser heute an, ist doch egal. Ich habe sowieso nie Lust zu lernen… Zuerst lese ich ein Dutzend Seiten, um alles zu wissen, wie man mit Leuten richtig umgeht und wie die Tischmanieren aussehen.

Wow, doch nicht so einfach, wie ich mir dachte… Ich hoffe, dass das Restaurant nicht allzu nobel sein wird. Denn wenn es so wäre, würde ich am ersten Tag rausfliegen. Oder erst gar nicht aufgenommen werden. Aber ein Gasthaus, wo alle besoffen rumliegen, wäre auch nicht angenehm. Nun gut, die geben viel Trinkgeld, doch das wär irgendwie nix für mich. Ich lege das Buch zurück in den Bücherschrank. Danach versuche ich mich an Nudeln! Ich kann doch nicht ewig Müslis und Pizzas in mich hineinstopfen. Zuerst brauche ich mal ein Kochbuch oder in der Art. Ich schau gleich im Internet nach, da ich das Kochbuch eh nicht finden werde. Ich gebe die Stichwörter „Spaghetti zubereiten anleitung“ bei Google ein. Ich nehme gleich die erste Seite. Eine Anleitung mit Text und Bilder? Genau das, was ich gesucht habe. Mal sehen, ob ich das hinkriege. Ich schreibe mir jeden Anhaltspunkt auf einen Zettel. Danach ab in die Küche. Leider habe ich keine Kräuter oder Gemüse eingekauft…und Ölivenöl habe ich auch nicht. Wie konnte ich das bloß vergessen? Verärgert lege ich meine Hand auf die Stirn. Was kann man denn stattdessen nehmen?

Gras wohl nicht, oder doch? Ich sehe in der Tiefkühltruhe nach: Zur meiner Überraschung finde ich eine kleine Packung Petersilie. Kann man die überhaupt öffnen? Die scheint ja festgefroren zu sein… Nach langen Versuchen habe ich es geschafft. Hoffentlich ist es nicht schon abgelaufen. Es ist so grün… Is ja egal, es wird schon schmecken. Dum-da-di-dum, Mehl, dann die Eier in die Mitte, ein bisschen Salz hier, ein bisschen Petersilie dort. Statt Olivenöl gebe ich eine Zitrone hinein, damit es etwas interessanter schmeckt. Nach Rezept muss ich den Teig 30 Minuten in einer Frischhaltefolie eingewickelt haben. Haben wir denn sowas? Hecktisch krame ich in allen Laden und Kästen, bleibe aber erfolglos. Na super, wie soll ich denn das frisch halten? Ich wickle es einfach in Papier und stelle es in den Kühlschrank… Nach etwa 30 Minuten hole ich den Teig wieder raus. Er ist sehr kalt und klebt am Papier. Ich entferne das Papier und auch die Reste, die daran kleben. Dann walzen, in Stücke schneiden, trocknen lassen, 2 – 3 Minuten im Salzwasser garen lassen und dann essen. Endlich, ich habe fast alles so gemacht, wie es in der Beschreibung stand. Eine Sauce habe ich nicht, aber es wird wohl essbar sein. Ich setze mich hin und koste die erste Nudel. Ich muss gleich kotzen! Ich spuck das Essen wieder aus. Da ist ja noch ein Papierstück! Und es schmeckt viel zu sauer. Wer mag so was schon! Typisch, diese Anleitungen im Internet! Da war ein Virus in der Anleitung! Enttäuscht und zugleich wütend schmeiße ich die Nudeln weg und räume zusammen.

Am besten back ich mir einen Kakao. Oder soll ich ihn doch kochen? Das erinnert mich an Harry Potter und der Plastikpokal. Da gab’s auch so eine Stelle. Ich habe mich vor Lachen nicht mehr festhalten können! Naja, Spaß beiseite, ich trinke meinen Kakao. Vielleicht läuft momentan ein guter Film im Fernsehen. Mal sehen. …Ah, eine Action-Komödie! Das passt jetzt super. Den schau ich mir alleine an.

[22:16] Der Film ist zu Ende. Er war wirklich lustig, aber auch voller Action. So sollte es auch sein. Ich bin noch überhaupt nicht müde! Nach dem Film sehe ich mich nach einen anderen um. Bedauerlicherweise bleibe ich erfolglos. Ich gehe in bisschen in die frische Luft. Es ist verdächtig dunkel… Ich setze mich auf einen Sessel und starre ich die dunklen Wolken. Bald fängt es bestimmt zu regnen. Ich rieche förmlich den Regen. Als ich mich ein bisschen in der Nachbarschaft umgeschaut habe, entdecke ich etwas sehr Merkwürdiges. Im Nachbarshaus sehe ich, dass jemand im Garten herumschleicht. Ist das etwa…ein Dieb? Ich verstecke mich hinter dem Zaun. Er oder Sie öffnet langsam die Hintertür. Das muss ein Dieb sein! Ich stürme zum Telefon und rufe Die Nachbarn an. Das dürfte den Dieb wohl erschrecken. Jemand hebt auf und legt sofort wieder auf. Mist! Ich muss den Dieb beseitigen! Achtung, ich komme! Ich springe durch den Garten und öffne still die Hintertür. Dass ich sie aufgemacht habe, hat der Dieb bestimmt gehört. Wenn ich nur wüsste, wo der Lichtschalter ist! Ich hatte überhaupt keine Angst, ich wollte den Dieb einfach schnappen!

Wenn das Haus nicht so groß wäre! Ich schleiche durch Gänge ohne zu wissen, wo sie mich hinführen. Wo ist bloß der Dieb? Vielleicht ist er ja schon abgehauen! Plötzlich geht das Licht in einem anderen Gang an. Was… ich bleibe stehen und versuche so leise wie möglich zu atmen. Auf einmal spricht eine hohe Stimme verängstigt: ,,Hilfe…wer ist da-a?“ Aber…Dieb…was? ,,Dad, ein Einbrecher, Hilfe!“ Sie schreit und läuft die Stiegen hoch. Was ist, wenn es gar kein Einbrecher ist, sondern die Tochter?!? Eine dumpfe Stimme ruft:,, Wer ist da? Ich hab eine Eisenstange dabei!“ Im Hintergrund höre ich, wie die Tochter die Polizei anruft! Nein, das darf doch wohl nicht wahr sein! Hecktisch suche ich den Ausweg, aber der Weg ist versperrt! Außerdem kenne ich mich hier gar aus! Rasend öffne ich eine Tür und schließe sie ab. Ist denn hier kein Fenster? Schweißüberströmt suche ich mir ein Ort, an dem ich mich verstecken kann. Aber ich sehe ja fast nichts! Ich stoße plötzlich an etwas Hartes. Ich ertaste es hastig und erkenne gleich, dass es ein Kasten ist. Die Rettung! Ich quetsche mich in den Kasten. Mein Herz rast. Ich kann meine Finger nicht stillhalten! Bitte lieber Gott, wenn es dich gibt, was ich ja glaube, dann mach, dass sie mich nicht entdecken! Bitte!