Slànach - Heilung

  • Kapitel 3


    Alexandra kratzte sich seufzend am Kopf und sah sich in dem weitläufigen Kleidergeschäft um. „Shylah!“, rief sie und erblickte ihre Tochter hinter einem der Kleiderständer, sie schaute verträumt zum Fenster hinaus.



    „Shylah, komm her. Frau Morberg wird dir jetzt ein Kleid bringen.“
    Shylah hüpfte fröhlich herbei. „Ich freu mich schon so darauf!“, rief sie fröhlich und klatschte aufgeregt in die Hände.
    Alexandra lächelte und gab ihrer Tochter einen sanften Nasenstümper.
    „Nun beruhige dich mal wieder, sonst dauert das ganze noch den ganzen Nachmittag“, lächelte sie und warf einen Blick zu Frau Morberg, der Verkäuferin, die mit einem Stapel raschelnder, weißer Kleider um die Ecke kam.
    „Hier, Frau Schumann – die neuste Kollektion an Brautjungferkleidchen.“
    „Brautjungferkleidchen, hast du das gehört, Shylah?“, lachte Alexandra leise. „Na, wie hört sich das an?“



    Shylah runzelte die Stirn und kratzte sich mit ihren kleinen Händen am Kopf. „Brautjungfer? Was ist das, Mama?“
    Statt Alexandra antwortete ihr die Großmutter, die aus einer stilleren Ecke nach vorne getreten war und den Stapel feinen, weißen Stoffes mit einem skeptischen Blick bedachte.

    „Brautjungfern sind in dem Fall so etwas wie Blumenkinder, Shylah“, erklärte sie. „Das kennst du doch - die Mädchen, die bei einer Hochzeit Blumen werfen.“
    „Ach, so was wollte ich auch schon immer mal machen“, seufzte Shylah verträumt. Alexandra lachte wieder auf.

    „Ja, nur leider hat in den letzten Jahren niemand in der Familie geheiratet…“
    Es war wie ein Stichwort für ihre Mutter gewesen, die nun knurrend sagte: „Eine Schande ist das. Peter und Annette wohnen nun schon seit vier Jahren zusammen und immer noch kein Wort von Verlobung, Alexandra. Kannst du dir das vorstellen? Das ist nicht recht, nein, das ist nicht in Ordnung so.“




    Alexandra seufzte und verkniff sich eine genervte Antwort. Sie hatte dieses Thema schon so oft mit ihrer Mutter besprochen, die einfach nicht einsehen wollte, dass sich die Zeiten geändert hatten und ihr ältester Enkel – der Sohn von Alexandras ältestem Bruder – nun einmal mit seiner Freundin zusammengezogen war, ohne vorher einen Ring an ihren Finger zu stecken.
    „Mama!“, lenkte da die fordernde Stimme Shylahs die beiden glücklicherweise ab. „Soll ich jetzt anprobieren?“
    „Ja, mein Schatz, geh zu Frau Morberg, die hilft dir.“
    Während Shylah in der Kabine verschwand, hoffte Alexandra inständig, ihre Mutter würde das Thema nicht wieder aufgreifen. Um dies zu verhindern, warf sie einen Blick auf die Uhr und seufzte. „Moritz hat fest versprochen, vorbei zu kommen und bei der Auswahl der Kommunionkleides zu helfen“, stieß sie hervor und ihrer Stimme war nicht anzumerken, ob es verbittert, enttäuscht oder gleichgültig klang.
    Ihre Mutter runzelte erneut die Stirn und sagte dann begütigend: „Er wird bestimmt bald da sein. Er arbeitet eben viel, Kind.“
    „Ich weiß… ich weiß…“, seufzte Alexandra. „Aber Shylah hat sich so sehr gewünscht, dass ihr Papa dabei ist, wenn sie das Kleid aussucht…“

    In diesem Moment kam Shylah aus der Kabine gesprungen und drehte sich in einem weißen Kleidchen mit Rüschen einmal im Kreis.
    „Wie findet ihr es, Mama und Oma?“



    „Ganz nett“, gab Alexandra zur Antwort. „Magst du es denn, mein Schatz?“
    Shylah betrachtete sich kritisch im Spiegel, was ihrer Mutter ein Grinsen über das Gesicht zauberte. So wenig sich die Kleine bisher auch für Kleider interessiert hatte, auf die Auswahl ihres Kommunionkleides war sie ganz versessen gewesen und hatte schon seit Monaten von nichts anderem mehr gesprochen.

    „Ja – ganz nett“, gab Shylah wenig begeistert zurück und hüpfte dann im weißen Rüschenkleidchen zu ihrer Mutter, um sich an ihr Knie zu lehnen. „Aber Mama – ich wollte doch so gerne eines, was hinten so eine Schleppe hat…“
    „Ach Schätzchen, das kannst du mal anziehen, wenn du in ferner Zukunft heiraten wirst, aber als Kommunionkleid ist so etwas doch eher ungeeignet…“
    Shylah zog einen Schmollmund, doch Alexandra blieb hart und fügte an Frau Morberg gewandt hinzu: „Es gibt doch gar keine Kommunionkleider mit Schleppen, oder?“
    Diese lachte herzlich und schüttelte den Kopf, woraufhin Shylah sich geschlagen gab und das nächste Kleid anprobieren ging, nicht bevor sie zum x-ten Mal in dieser Stunde nach dem Verbleib ihres Vaters gefragt hatte.



    „Papa kommt gleich“, versprach Alexandra. „Geh ruhig schon mal das nächste Kleidchen anprobieren, ja.“
    Shylah probierte noch drei weitere Kleider an und hatte an jedem etwas auszusetzen. So langsam spürte Alexandra ihre Geduld schwinden, zumal ein gallig-schmeckender Ärger auf Moritz sich in ihr breitzumachen schien. Sie warf erneut einen Blick auf ihre Armbanduhr – er war schon über eine Stunde zu spät.
    Als habe er ihre Gedanken erraten, kam er in diesem Moment in das Geschäft geeilt und warf ihr einen entschuldigenden Blick zu. Seinem Kuss wich sie aus und drehte sich demonstrativ in die andere Richtung. Moritz seufzte und murmelte: „Es tut mir leid, Schatz, ich hatte noch ein wichtiges Meeting mit den Vertrieblern…“



    In diesem Augenblick schoss Shylah aus der Kabine und rief freudig: „Papa!“ Ungeachtet der Tatsache, dass sie nur Unterwäsche trug, hüpfte sie freudig durch das halbe Geschäft und flog ihrem Vater dann in die Arme.

    „Na, mein Schatz? Hast du schon was nettes gefunden?“ fragte dieser, froh über die Ablenkung von seinem Dilemma.
    „Nein – die Kleider sind alle blöd“, gab Shylah zur Antwort.



    „Die Kleider sind nicht alle blöd“, korrigierte Alexandra leicht säuerlich. „Du hattest nur an allen etwas auszusetzen, Shylah. Nun probier mal noch den Rest an Kleidern. Wir werden doch noch etwas finden, was dir gefällt.“
    „Das Kind ist verwöhnt“, stellte Alexandras Mutter in diesem Moment trocken fest und verschränkte die Arme. „Als wir Kinder waren, hatten wir gar keine Auswahl an den Kleidern, wir haben sie oft etliche Male aufgetragen, auch die Kommunionkleidern.“
    „Das war vor langer, langer Zeit, Mutter – vor dem Krieg. Das kann man gar nicht mehr mit heute vergleichen“, seufzte Alexandra und rieb sich den Kopf, der allmählich zu schmerzen begann, wie so oft in letzter Zeit. „Und wenn das Kind die Möglichkeit hat, sich eines auszusuchen, ist das doch schön.“
    Alexandras Mutter brummelte etwas und sagte dann: „Ja… ja… du magst ja recht haben. Ich gönne es unserer kleinen Prinzessin ja auch von Herzen… nur find ich es ein wenig übertrieben. Die heilige Kommunion ist ein Fest, das Gott gewidmet sein sollte und nicht dem schönen Schmuck des Kleides.“



    Wie um ihrer Rede Nachdruck zu verleihen, erhob sich die alte Dame und stolzierte ein paar Schritte durch den Verkaufsraum. Moritz setzte sich neben Alexandra auf die kleine Bank und drückte ihrer Hand, was diese angesichts der moralischen Ausführungen ihrer Mutter sogar geschehen ließ.

  • Shylah hüpfte in ein weiteres Kleid gehüllt nach draußen und verkündete sogleich, dass das Kleid „total doofe Rüschen“ habe.



    Alexandra seufzte inbrünstig, ihre Mutter machte ein undefinierbares Brummelgeräusch, das so etwas wie „hab ich´s nicht gesagt“ heißen sollte und Moritz kratzte sich am Kopf.
    Etwa eine Stunde später hatte man es doch geschafft und Shylah hatte DAS Kleid gefunden, so dass man sich gemeinsam auf den Nachhausweg machen konnte.



    Während Alexandras Mutter zu Fuß nach Hause ging, stiegen Shylah und Alexandra in den schicken, neuen Wagen, den Moritz sich erst vor wenigen Wochen angeschafft hatte und fuhren schweigend nach Haus.
    Dort angekommen dröhnte ihnen die harte Heavy-Metal Musik aus Devins Zimmer bereits auf der Straße entgegen. Alexandra griff sich an den schmerzenden Kopf und stöhnte: „Oh, ich halte das nicht aus. Was soll daran musikalisch sein?“
    „Ich mag die Musik auch nicht“, plapperte Shylah fröhlich drauf los. „Gestern in der Schule war auch jemand, der solche Musik gehört hat und die Lehrerin hat gesagt, dass…“
    „Shylah, tu mir einen Gefallen und halt für einen Moment den Schnabel“, unterbrach Alexandra sie, als Moritz die Haustür aufgeschlossen hatte. „Ich brauch jetzt erstmal ein Aspirin.“
    Shylah zog einen Schmollmund und stolzierte in ihr Zimmer, während Moritz durch den Flur brüllte: „Devin – dreh das leiser, oder sollen wir noch alle einen Hörsturz bekommen?“
    Wie es zu erwarten gewesen war, passierte gar nichts, bis Alexandra die Tür zu Devins Zimmer aufriss, ohne zu warten hinein stolzierte und einfach den Regler der Anlage herunterdrehte, ohne ihren Sohn noch eines Blickes zu würdigen.

    Offenbar war dies ein für beide Seiten nicht ungewöhnlicher Vorgang, denn dieser brummte nur etwas vor sich hin und reagierte nicht weiter, bis die Tür wieder ins Schloss gefallen war.
    Alexandra war schon wieder in der Küche verschwunden und hatte sich eine Aspirin in ein Glas Wasser geworfen, das sie nun in langsam Zügen trank.



    Moritz folgte ihr und blieb bei ihr stehen. Eine Weile musterte er sie nur, dann sagte er: „Bist du etwas immer noch eingeschnappt?“
    Alexandra trank weiter in großen Schlucken und sagte dann langsam: „Weißt du, Moritz, ich frage mich nur eines… wenn du doch genau weißt, dass du es nicht schaffst zu kommen, wieso versprichst du es uns dann immer wieder? Das tut nicht nur den Kindern weh, sondern auch mir… aber dass ich Gefühle habe, scheint dir immer mehr zu entgehen.“
    Sie stellte das Glas geräuschvoll auf den Küchentresen und öffnete dann den Kühlschrank, um mit den Vorbereitungen für das Abendessen zu beginnen.
    Moritz verzog das Gesicht und erwiderte: „Du machst es dir einfach. Ich hatte einen wahnsinnig stressigen Tag, die Bilanz stimmt nicht, der blöde Volksberger hat mir einen guten Kunden vertraut und dann hat sich das Vertriebsmeeting einfach so sehr in die Länge gezogen, dass…“
    Geräuschvoll knallte Alexandra das Tablett mit den Zutaten für die Spaghetti auf die Arbeitsplatte, so dass Moritz verstummte.



    „Was ist jetzt schon wieder?“
    „Nichts“, erwiderte sie ruhig. „Es wäre nur ganz nett, wenn du auch mal nach meinem Tag fragst. Nicht nur du hast stressige Tage.“

    „Alexandra, wir haben uns den ganzen Morgen im Büro gesehen, wenn was gewesen wäre, hättest du es mir sagen können…“
    „Mein Tag besteht nicht nur aus der Firma, Moritz … ich bin um 12 nach Haus gekommen und dann war ich für unsere Kinder da.“
    „Ich weiß ja, Schatz… aber was erwartest du denn von mir?“, fragte Moritz resignierend.
    Alexandra seufzte. „Ich weiß es nicht, Moritz… einfach etwas mehr als momentan. Es gibt auch noch ein Leben neben dem Geschäft, weißt du. Deine Kinder und mich.“



    „Ach, Schatz, nun tu nicht so, als wüsste ich das nicht und würde euch völlig vernachlässigen“, erwiderte er angesäuert.

    „Das tust du aber“, gab Alexandra zur Antwort und füllte die Spaghetti in einen Topf. „Du bist in letzter Zeit so oft unter der Woche unterwegs, teilweise mehrere Tage. Shylah fragt ständig nach dir… und Devin will schon seit Wochen mit dir zusammen die Stereoanlage umbauen… er fragt dich schon gar nicht mehr, weil er genau weiß, dass du keine Zeit haben wirst.“
    „Der Junge hat einfach die falsche Einstellung“, brummte Moritz. „Er sollte sich einfach selbst dran setzen und anfangen, bis ich dazu stoße. Aber er hat keinen Biss. Hast du seine letzte Latein-Note gesehen? Eine vier minus, Alexandra! Minus!“



    Alexandra seufzte. „Ja, ich weiß, Devin könnte mehr für die Schule tun, aber man kann ihn nun einmal nicht dazu zwingen. Und alles in allem sind seine Noten doch ganz in Ordnung. Ich war auch nie eine Einserschülerin.“
    „Das verlange ich auch gar nicht, dass er nur Einsen schreibt“, erwiderte Moritz. „Aber Vieren – Alexandra, das muss nicht sein! In drei Jahren wird er sein Abitur machen und danach vielleicht studieren – da müssen keine Vieren sein.“
    „Nun sei nicht so streng mit ihm, Moritz. Du bist auch nie da, um ihm bei seinen Aufgaben zu helfen und ich bin damit überfordert. Was verstehe ich schon von Algebra und alter römischer Geschichte? Zu meiner Schulzeit gab es sowas noch nicht, jedenfalls nicht in diesem Maße.“
    „Vielleicht sollten wir ihm einen Nachhilfelehrer besorgen, was meinst du?“
    „Ich weiß nicht… ich glaube, er kommt ganz gut zurecht, er ist nur etwas faul, das ist alles.“

    „Aber Faulheit können wir doch nicht dulden, Alexandra!“ rief Moritz aufgebracht. „Ich meine, schau dir Shylah an, die ist erst in der dritten Klasse und lernt jetzt schon fleissiger als Devin.“



    „Shylah ist ganz anders als Devin. Und auch sie hatte ihre Problemfächer, zum Beispiel in Mathe hängt sich manchmal hintendran. Aber das ist doch auch normal, Moritz.“
    Alexandra rieb sich die schmerzende Stirn und warf ihrem Mann einen Blick zu. „Geh dich lieber umziehen, ich hab keine Lust, dir die Krawatten von Spaghettisauce befreien zu müssen, dafür waren sie zu teuer.“
    Moritz verschwand aus der Küche, ohne noch ein Wort zu sagen. Alexandra seufzte schwer. Das Gespräch war mal wieder eine ganz andere Richtung gelaufen als sie es geplant hatte.



  • Wie so oft in letzter Zeit. Seit Moritz sich selbstständig gemacht hatte, schienen sie fast nur noch aneinander vorbei zu reden. Es war nicht zu ändern. Sie hatten sich mit mehreren hunderttausend Mark verschuldet, und nun mussten sie sehen, dass sie das Unternehmen, ein kleines Vertriebs- und Werbegeschäft, am Laufen hielten. Seither war Moritz kaum noch zu Haus anzutreffen. Eigentlich hatte ein gemeinsames Abendessen wie heute Abend schon echten Seltenheitswert.



    Alexandra selbst arbeitete halbtags in der Verwaltung mit. Moritz selbst hatte zwar eine Sekretärin, aber Alexandra leitete die Vertriebsabteilung und hatte zur Unterstützung noch eine Ganztagskraft.
    Die Arbeit machte ihr Spaß, es tat gut, wieder rauszukommen, und es tat gut, für sich selbst zu arbeiten. Die Selbstständigkeit ermöglichte es ihr, zur Not auch einmal später zu kommen oder zu Haus zu bleiben, wenn etwas mit den Kindern war.
    Meist konnte aber ihre Mutter einspringen. Die Kinder gingen jetzt auch meist nach der Schule zum Essen zu ihr, denn auch obwohl Alexandra eigentlich nur bis zwölf Uhr arbeitete, so wurde es meist doch mindestens ein Uhr, bis sie zu Haus war – zumal die Firma zwanzig Kilometer weit entfernt lag.
    Alexandra füllte die Spaghetti in eine große Schüssel und verteilte die Teller dann auf dem Tisch.



    „Kinder, Moritz – Essen ist fertig!“, rief sie dann in den Flur hinein und gleich darauf hörte sie Shylahs kleine Füßchen angetappst kommen.
    „Oh, Spaghetti!“ schrie die Kleine begeistert und fiel ihrer Mutter in die Arme. „Ach Mama, du bist die Beste! Ein tolles, weißes Kleid und Spaghetti! Das ist der beste Tag meines Lebens!“



    Alexandra lächelte und drückte ihr Kind an sich, dann hielt sie die Kleine ein Stück von sich ab und fragte streng: „Hände gewaschen, Syhlah?“
    Die Kleine schaute betreten drein und ohne dass es ein Wort der Mutter bedurft hätte, war sie schon wieder ins Badezimmer verschwunden.
    Derweil kam auch Devin zum Tisch, mit bekannt mürrischer Miene. Er setzte sich und wollte zu essen anfangen, als Alexandra ermahnend sagte: „Devin – wir warten, bis ALLE am Tisch sitzen… wieso muss ich dir das sagen, du bist alt genug und weißt das.“



    Devin verzog das Gesicht und brummte erneut etwas Unverständliches.
    „Diese Pubertät könnte langsam mal zu Ende gehen“, stöhnte Alexandra leise.
    Auch Moritz war inzwischen ins Zimmer gekommen, in legere Kleidung gehüllt, und nahm ebenfalls schweigend Platz. Alexandra warf ihm einen vielsagenden Blick zu und wies dann zu Devin. Sie wollte ihm damit zu verstehen geben, dass er ihn auf die Anlage ansprechen sollte, doch stattdessen fasste Moritz ihren Wink offenbar falsch auf und sagt mit ernster Stimme. „Junger Mann, deine Mutter und ich haben uns eben unterhalten und mussten feststellen, dass wir mit deinen schulischen Leistungen nicht zufrieden sind. Wir überlegen, ob du Nachhilfeunterricht nehmen solltest?“



    Alexandra stöhnte leise auf und musste sich zwingen, nicht dem spontanen Impuls zu folgen, ihren Kopf in den Teller Spaghetti zu versenken.
    „Das ist natürlich nur eine Überlegung“, versuchte sie denn zu retten, was zu retten war. „Wir warten dieses Halbjahr mal noch ab, dann kommt ja ohnehin die Oberstufe und man wird weitersehen.“
    Moritz verzog keine Miene und Devin schluckte nur und starrte auf seine Fußspitzen.
    „Ich hätt doch gar keine Zeit mehr für Nachhilfe. Ich hab Tischtennis und bald jeden Mittag bis mindestens zwei Uhr Schule und bis ich zu Haus bin wird es drei und dann will ich doch auch noch in dieser Band mit machen, ich hab euch doch davon erzählt, wisst ihr nicht mehr…“
    Shylah war fast unbemerkt auf ihren Stuhl geschlüpft und Alexandra griff nach dem Besteck, was das Essen offenbar allgemein für eröffnet erklärte.



    „Eine Band? Mit dieser scheußlichen Musik?“, fragte Alexandra und runzelte die Stirn.
    „Nun ja – dann lohnen sich wenigstens die Schlagzeugstunden“, wand Moritz ein und sah seinen Sohnemann dann wieder strenger an. „Aber nur wenn die Schule nicht darunter leidet, hörst du?“
    Devin nickte und machte sich über die Spaghetti her.

    „Shylah – halt das Besteck nicht wie ein Holzfäller“, sagte Alexandra an ihre Tochter gewandt und richtete das Wort dann wieder an Devin: „Wo wollt ihr mit der Band proben? Diesen Höllenlärm hält doch kein Mensch aus.“
    „Ich dachte, vielleicht in unserer Garage…“, begann Devin vorsichtig. „Da steht doch eh kein Auto drin zurzeit…“
    „Bei uns?“ Alexandra fiel fast die Gabel aus der Hand. „Kommt gar nicht in Frage! Ich will keine von deinen seltsam gekleideten Rockfreunden hier im Haus rumlaufen haben, mit dreckigen Schuhen und am besten noch Zigaretten paffend. Und vor allem will ich den Lärm nicht!“
    Devins Gesichte verhärtete sich. „Das ist kein Lärm, das ist Musik.“




    „Dann erklär mir mal, was daran Musik sein soll.“
    „Nun – sein Ehrgeiz in der Richtung ist aber etwas, das man fördern sollte“, wand Moritz ein. „Vielleicht könnte man irgendwo einen Keller finden, den man abdichten kann, Devin.“
    Devin sah ihn ermutigt an. „Meinst du, Vater? Hast du eine Ahnung, wie man sowas finden könnte. Kannst du mir helfen?“
    „Natürlich, warum nicht… ich hör mich mal um und…“
    In diesem Moment klingelte das Telefon, Moritz stand auf und murmelte: „Ich geh schon.“



    Er ging zum Telefon im Wohnzimmer und sprach leise mit jemanden, während der Rest der Familie schweigend weiter aß. Moritz legte auf und verschwand aus dem Zimmer, wenig später kam er wieder herein und war in seinen Mantel gehüllt.

  • Alexandra starrte ihn an, als wolle sie nicht glauben, was sie da sähe. Moritz jedoch schien das gar nicht zu bemerken und sagte hastig: „Entschuldigt, meine Lieben – aber das war die Firma, mit dem Präsentation für das Dreiweger Projekt stimmt was nicht, und sie kriegen es allein nicht hin. Das ist ganz wichtig für uns, das Projekt – ich muss noch mal fix in die Firma fahren und schauen, was los ist. Lasst es euch auch ohne mich schmecken und gute Nacht, Shylah, wir werden uns nicht mehr sehen.“
    Shylah zog ein Schnütchen.
    „Ach Papa – du hast mir doch versprochen, dass DU mir heute die GuteNacht-Geschichte von Hui Buh vorliest!“
    Moritz eilte zu seinem Töchterchen und gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Entschuldige, mein Schatz, es geht leider nicht, aber Mama macht das sicher genauso gut.“ Er wandte sich Alexandra und drückte auch ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange. „Bis nachher, Schatz. Es kann spät werden, wart nicht auf mich.“




    Ehe noch jemand etwas sagen konnte, war Moritz aus dem Haus gespurtet und die Tür fiel ins Schloss. Nur wenige Sekunden später hörte man, wie er den Motor anließ und anfuhr. Das Geräusch des Motors entfernte sich langsam und am Tisch war es still.
    Devin sah seine Mutter lange an, die mühsam versuchte, ihre Fassung zu bewahren.
    „Er wird sich nicht um einen Keller für uns kümmern, oder Mama?“



    Sie sah ihrem Sohn in die Augen, schluckte und wandte den Blick dann wieder ab.
    „Ich weiß nicht, Devin… dein Vater ist vielbeschäftigt… aber er wird sicher danach fragen, wenn sich die Gelegenheit bietet. Nun lasst uns weiter essen.“
    Devin starrte in seinen Teller, ohne das Essen weiter anzurühren. Auch Alexandra brachte keinen Bissen mehr herunter. Sie sah Devin wieder an und lächelte ihm aufmunternd zu, was ihr nicht recht gelang. Shylah war die erste, die seufzte und sich dann doch wieder ihren Spaghetti widmete, offenbar der Ansicht, dass an der Sachlage doch nichts mehr zu ändern sei und man die Spaghetti darum nicht verachten müsse.



    Erst als Shylah, die ihren Teller rasch aufgegessen hatte, ihr Stimmchen erhob und von ihrem Schultag erzählte, war das beklommene Schweigen gebrochen. Doch der schale Nachgeschmack blieb.



    Fortsetzung folgt.




  • Huhu Innad. :)


    Uff, du hast recht. Es liegt wohl doch eher am Ehemann, dass Alexandra zur Zeit nicht wirklich mit ihrem Leben so zurechtkommt. Das kam in diesem Kapitel deutlich rüber. :(
    Gerade bei dem Kapitel musste ich an meinen Vater denken, der auch immer die Firma vor alles gestellt hat. Nur mit dem Unterschied, dass Moritz seiner Familie immer Versprechungen macht, die er dann nicht einhält. Das hat mein Vater nicht gemacht, sondern er war halt nur immer am Arbeiten. Zum Glück hat sich das alles geändert, als er in Rente ging, aber ich schweife ab...
    Ganz deutlich hast du die Gefühle von Alexandra in der Hinsicht dargestellt. Sie ist einfach enttäuscht und wütend, dass ihr Mann so wenig Zeit mit ihr und den Kindern verbringen will. Klar, will er dafür sorgen, dass es der Familie gut geht, aber wer weiß ob da nicht vielleicht doch was anderes dahinter steckt, dass er so fluchtartig die Familie am Tisch sitzten lässt. :rolleyes


    Ganz liebe Grüße
    Llyn

    You are never more alive than when you're about to lose your pants!



    FS: Sunrise Update: 04.06.19

  • Innad! Das waren wunderwunderschöne Fortsetzungen!!! Und so lang!:applaus


    Also, nun erfahren wir etwas mehr über Alexandra und sie erscheint nicht mehr so kalt und unnahbar sondern schon menschlicher. Sie hat, wie wohl fast jeder Mensch, auch ihr Päckchen zu tragen.
    Ihre Ehe schien ja grundsätzlich viele Jahre glücklich zu sein und wäre es auch jetzt noch, wenn ihr Mann sich nicht nur um seine Karriere kümmern würde. (Ein bisschen erinnert mich das Ehepaar an meine Regula und Clemens).
    Die Liebe ist ja noch immer da, aber von Alexandras Seite aus auch eine grosse Enttäuschung. Sie fühlt sich im Stich gelassen, alleine mit der Erziehung der Kinder. Es ist jetzt aber deutlich zum Vorschein gekommen, dass sie ihre Kinder wirklich liebt und auch das Beste für sie möchte. Zum Teil hat sie ja sehr vernünftige und gute Ansichten. Aber leider haperts es bei der Umsetzung ihrer guten Vorsätze. Sie fühlt sich ganz einfach überfordert. Ich kann mir vorstellen, dass es sehr vielen Müttern so ergeht, es ist ja wirklich alles wie aus dem wahren Leben gegriffen. In so vielen Familien spielen sich tagtäglich sehr ähnliches Szenen ab. Oftmals endet es dann mit Scheidung, was ich nicht hoffen will für deine Familie.


    Dieser Psychiater - also der war mir auf den ersten Blick total unsympathisch. Einfach schrecklich. Dem hätte ich auch nicht meine Lebensgeschichte erzählen wollen. Es braucht ja doch ein wenig Sympathie von Patientin zu Therapeuten, schliesslich gibt man sehr intime Dinge über sich selber Preis. Als der dann ankam mit "Trennung von Mann und Kindern, um sich selbst zu finden.... blablabla" , da dachte ich, das kann ja nicht wahr sein!
    Kurz hatte ich dann das Gefühl, dass der doch nicht sooo schlecht ist, wie ich dachte, dass es vielleicht seine volle Absicht war, so etwas absurdes vorzuschlagen, um Alexandra zu provozieren, aufzurütteln. Ihr zu zeigen, was ihr ihre Familie wirklich bedeutet und dass sie selber eben auch aktiv werden sollte. Ob der Psycho noch einmal vorkommen wird? Ich denke, Alexandra hat ein grösseres seelisches Problem, als sie sich selbst eingestehen will. Vielleicht irgendwas aus ihrer Vergangenheit, was sie verdrängt hat???


    Es ist merkwürdig, grundsätzlich ist mir das Ehepaar sehr sympathisch. Es sind keine schlechten Menschen und sie lieben ihre Kinder wirklich. Stehen sich aber irgendwie selber im Weg.


    Besonders gefallen haben mir auch die Szenen im Kleiderladen. Das ist so typisch, wie die Kleine an jedem Kleid etwas auszusetzen hatte. Aber offensichtlich weiss sie doch genau, was sie will. Entzückend auch, wie sehr sie sich freut über das Kleid und die Spaghetti. Das zeigt auch, dass die Kinder trotz dem Reichtum ihrer Eltern keineswegs verwöhnt sind.


    Die Szene am Tisch ist herrlich! Der Teenie mitten in der Pubertät, grummelnd, einsilbige Antworten, jedes Wort ist zuviel... etc. Und die Eltern reden aneinander vorbei wie wohl so oft. Eine Paartherapie würde ich denen dringend empfehlen!


    Ob die eigene Firma wirklich für BEIDE der grösste Wunsch war, oder eher nur für ihn, und sie sich ihm einfach angepasst hat? Sie kommt ja aus streng katholischem Elternhaus (vielleicht auch mit mittelalterlichen Ansichten) und da wurde ihr vielleicht auch eingetrichtert, dass sich die Frau "dem Manne untertan" ist.....wer weiss?
    Ist sich Alexandra überhaupt im Klaren, was sie wirklich möchte?


    Das Telefonat während des Essens..... war es tatsächlich die Firma oder doch was anderes? Ich hoffe es nicht.....


    Zitat

    Devin sah seine Mutter lange an, die mühsam versuchte, ihre Fassung zu bewahren.
    „Er wird sich nicht um einen Keller für uns kümmern, oder Mama?“

    Dieser Abschnitt sticht so richtig mitten ins Herz und auch sein Blick spricht Bände. Das muss auch seiner Mutter sehr weh getan haben, und hoffentlich wird sie mit ihrem Mann nochmal ernsthaft reden.


    So, jetzt beende ich hier mal, ach, bei dir kann man immer so gut analysieren und spekulieren. Deine Charaktere sind wie immer so interessant und vielschichtig! Einfach toll!


    Ganz lieber Gruss
    Jane

  • Zitat

    Peter und Annette wohnen nun schon seit vier Jahren zusammen und immer noch kein Wort von Verlobung



    Witzig! In unserem Bekanntenkreis heisst ein Pärchen genauso und ist aber mitlerweile schon gut 10 Jahre verheiratet. :D


    Zitat

    Als wir Kinder waren,



    Wie ich diesen Satz hasse. Als ob man die Zeit von damals mit der heutigen vergleichen könnte.

    Zitat

    „Shylah – halt das Besteck nicht wie ein Holzfäller“,



    Ja, ja. Aber all die Anderen dürfen dass, oder wie? :lachen


    Zitat

    „Das ist kein Lärm, das ist Musik.“




    Na ja. Schlager werden ja auch als Musik bezeichnet. :lollen



    Was für ein zwiespalt. Der Vater kann nicht anders und muss permanent für die Firma da sein. Andererseits kann ich die Mutter auch sehr gut verstehen. Ich gehöre auch zu den Frauen, die vormittags arbeiten und sich dann zu Hause um haushalt und Kinder kümmert. Würde ich mir zur mittagszeit nicht die Momente einfach nehmen, käme ich sicherlich nie dazu hier tolle Fotostorys zu lesen.

    :wink

  • So fertig gelesen *g* Da hab ich doch glatt den Anfang deiner neuen Story verpasst! *schäm*


    Also mein erster Gedanke bei Kapitel 1 war, dass die Mutter einen Putzzwang hat! Sie panik vor allerart Dreck hat und fast einen Herzklabaster bekommt, wenn irgendwo ein Staubkorn zuviel liegt.
    Beispiel: Aufstehen und Küche putzen, Shyla verkleckert SChokolade auf dem Kleid, springt auf dem frisch gemachten Bett rum und die Mutter bekommt einen Tobsuchtsanfall.... ich finde da lässt alles drauf schließen!


    Bei Moritz hab ich das Gefühl, dass er eine Affäre hat! Das Telefon klingelt, er flüstert fast und verschwindet dann zur Arbeit, weil ein Projekt nicht funktioniert. Und ich glaube, dass es seine Sekräterin ist, wenn du sie schon erwähnst. *gg*


    Die Ehe der beiden scheint schon länger nicht mehr das zu sein, was sich beide bei der Hochzeit erträumt hatten. Alexandra ist psychisch instabil, Moritz hat keine Zeit für die Familie - beide leben sich auseinander und doch halten sie die Kinder zusammen, welche Alexandra allerdings überfordern.
    Hätte sie die Kinder jetzt gerade erst bekommen, würde ich schlicht weg sagen "Wochenbettdeprisionen".


    Toll fand ich´s wie sie beim Psychater geantwortet hat, seine Antwort mit "Urlaub von der Familie nehmen" ist auch leichter gesagt, als getan. Klar könnte es sein, dass wenn Alexandra sich eine Woche in den Urlaub (vielleicht mit ihrer Freundin) verziehen würde, sie ihr Umfeld wieder stärker wahrnehmen würde und vielleicht nicht mehr so schnell diese "Herzklabaster" bekommen... aber das ist reine Spekulation und hilft ihr in diesem Moment reichlich wenig.


    Ja, Alexandra sollte in eine Terapie gehen, aber mit einem Psychologen/Psychater, der besser zu ihr passt, besser auf ihre Rolle als Allrounder eingehen kann und ihr besser helfen kann ihren Alltag zu meistern. Sie schadet nicht nur sich, sondern auch ihren Kindern.....

    [CENTER][COLOR="White"]Bussi @all Kiara :wink
    ***************[/CENTER][/COLOR]




    [CENTER][SIZE="1"][COLOR="Sienna"]P.S. Für Rehctshcbriefleher wird kiene Hatufng übrnemoemn! *g*[/COLOR][/SIZE][/CENTER]

  • Llynya: Mh, ja, das stimmt, es ist sicher ein Teil deswegen so, dass es Alexandra so schlecht geht, dass Moritz so selten da ist und es bei ihnen so gesehen auch nicht mehr so rund läuft wie es das früher getan hat.
    Mh, ja, und ich kenne das auch, wenn der Vater viel arbeitet ;), wobei das ja ga rnicht so unnormal ist. Auf der anderen Seite glaube ich, Moritz gibt die Versprechen nicht gewissenlos, er schafft es oft einfach nur nicht, sie einzuhalten, auch wenn er sich deswegen vielleicht selbst mies fühlt später. Er ist eben sehr ehrgeizig und Alexandra geht da einfach mit. Ob sie selbst das will, weiß sie vielleicht selbst nicht so ganz.
    Danke für Deinen Kommi!



    @JaneEyre: Ach, Du hast so viel wahres und tiefsinniges und gut analysiertes geschrieben. Ja, das stimmt, Regula und Clemens sind den beiden gar nicht so unähnlich. Was das mit dem Psychiater angeht, so fürchte ich, er hat es einfach falsch angegriffen und handwerklich schlecht gearbeitet. Wenn Alexandra an einen guten therapeuten geraten wäre, würde das ganze viel einfach sein, für alle, das nehm ich an. Aber es wa rja für sie schon eine Überwindung, überhaupt jemanden zu besuchen und dann quatscht der auch noch so einen Müll, ich kann schon verstehen, dass sie die Nase voll davon hat.
    Was Moritz angeht, so denke ich, er versucht sein bestes. Er hat eben einen hohen Ehrgeiz und Ziele, die er unbedingt erreichen will. Das ist eben oberste Priorität, auch wenn er seine Familie trotzdem sehr liebt.
    Alexandra setzt die Prioritäten wohl etwas anders, nehme ich an, aber sie kann sich da auch nicht so richtig durchsetzen, denke ich. Ob sie wirklich weiß, was SIE will, bezweifle ich.
    Evtl kann das auch von den Eltern abhängen, ja - das weiß man nciht so genau. Irgendwoher kommen muss es wohl.
    Dass die Kinder nicht verwöhnt sind, stimmt auch. Sie sind zwar schon etwas an das bessere Leben gewöhnt, können sich aber auch noch über Kleinigkeiten wie neue KLeider und gutes Essen ;) freuen, das stimmt.
    DAnke für Deinen tollen Kommi!



    Rivendell: Hihi, ich glaube, alle Sims essen wie die Holzfäller oder? :D
    Ja, der Zwiespalt ist deutlich zu erkennen, das stimmt. Ich denke, Alexandra nimmt sich schon die Zeit, aber ich glaube, es ist für sie einfach so schwer, dass Moritz so selten da ist, Versprechungen öfters mal nicht einhalten kann und sie dann trösten und irgenwie alles wieder hinbiegen muss, obwohl sie selbst stinksauer ist.
    Danke für Deinen Kommi!




    Kiara:
    Schön, dass Du auch dabei bist! *freu* Ja, Du hast recht, Alexandra hat schon einen kleinen Putzfimmel. Vielleicht keinen Wahn, aber einen Fimmel, das stimmt. IRgendwie möchte sie wohl vieles unter Kontrolle haben, umso weniger gelingt es ihr.
    Was deine Meinung zum Psycholgen angeht, kann ich Dir nur zustimmen!



    @ALL: Sorry dass es mit der FS so lang gedauert hat, aber irgendwie fehlt mir gerade etwas der rote Faden, trotzdem kommt heute ein kleine, zwar unspektakuläre aber doch immer eine FS... abgesehen davon wird es in dieser FS meist nicht so spektakulär zugehen (wie bsp.weise in Tiefer" ) sondern eher ruhig und es wird sich um die zwischenmenschlichen und Gefühlssachen drehen :)

  • Kapitel 4




    Shylah seufzte und sah Christina lange an. „Ich mag nicht von dir getrennt werden“, sagte sie dann langsam. Christina legte den Teddybären beiseite, an dem sie die ganze Zeit herumgezupft hatte und sah ihre Freundin aufmerksam an.



    „Meinst du, ich mag das? Aber Mama sagt, das Gymnasium kommt für mich nicht in Frage.“
    „Aber wieso denn nicht?“, erwiderte Shylah traurig. „Du bist doch so gut in der Schule, fast besser als ich. Du könntest doch wunderbar aufs Gymnasium gehen.“
    „Ich weiß nicht, wieso sie es nicht wollen, Mama und Papa“, antwortete ihre Freundin achselzuckend. „Aber es ist nun mal so, und irgendwie bin ich gar nicht so unglücklich darüber. Dann muss ich nicht so viel lernen und all sowas, du weißt schon.“
    Shylah ging ein paar Schritte und starrte zum Fenster hinaus. Regentropfen trommelten gegen die Fensterscheibe und am Horizont wurde es allmählich dunkel.



    „Aber noch ist doch noch gar nicht heraus, ob wir getrennt werden“, hörte sie die Stimme Christinas hinter sich. „Vielleicht geben deine Eltern ja doch noch klein bei und lassen dich auf die Astrid Lindgren Schule gehen.“
    Shylah seufzte. „Ich weiß nicht, ich kann´s mir nicht vorstellen, wenn ich ehrlich bin“, erwiderte sie dann langsam. „Du weißt doch, dass Devin auch aufs Goethegymnasium geht, und ich denke mal, sie wollen, dass ich das auch tu. Und noch dazu - meine Mutter findet die Vorstellung, dass ich auf diese blöde Nonnenschule in Bergbach, diese Maria Einkehr Schule, gehe, ganz toll.“
    Shylah schauderte es direkt bei der Vorstellung.
    „Bist du dir sicher, dass da immer noch echte NONNEN rumspringen?“, gab ihre Freundin zu bedenken.
    „Wenn man das glaubt, was die anderen erzählen, ja“, erwiderte Shylah, drehte sich um und ließ sich neben ihrer Freundin auf das kleine Sofa plumpsen.
    „Menno, wieso ist das alles so schwierig“, maulte Christina. „Dass die Erwachsenen sich immer so einen Kopf um so blöde Sachen wie Schulen machen müssen. Es ist doch eigentlich egal, wo man hingeht, Lernen muss man überall.“



    Shylah zuckte die Schultern. „Ich weiß nicht“, sagte sie dann langsam. „Willst du nicht auch später mal Abi machen und studieren gehen?“
    „Was weiß ich denn, ich bin gerade mal elf, und du auch – das ist mir doch schnurzpiep… obwohl ich schon gerne mal Tierärztin werden würde, so wie diese Frau Doktor im Fernsehen“, schwärmte Christina.

    Shylah grinste. „Ich weiß gar nicht, was ich später mal werden will. Ich würd glaub ich gerne schauspielern oder sowas. Oder Künstlerin werden.“
    „Papa sagt immer, Künstler sind brotlos“, erwiderte ihre Freundin altklug und sah Shylah dann offenherzig an. „Aber keine Angst, Shylah, wenn du mal Künstlerin bist und ich Tierärztin, verdiene ich so viel, dass ich dir auch Brot kaufen kann.“
    Die beiden Mädchen kicherten, aber dann wurde Shylah wieder ernst. „Ich mag nicht so weit weg auf eine dieser ollen Schulen. Wo ich niemanden kenne und jeden Tag mit dem Bus fahren muss und all so was.“


    Sie schauderte bei dem Gedanken zusammen. „Ich mag bei dir bleiben und bei den anderen aus unserer Klasse.“
    „Aber vielleicht gehen noch mehr von unserer Klasse auch aufs Gymnasium“, gab Christina zu bedenken.

    „Nee, ich hab schon so viele gefragt, und die meisten gehen auch auf die ALS“, sagte Shylah. „Halt dort auf den gymnasialen Zweig, unter anderem zumindest. Sogar Mathis macht das so.“
    „Der Streber?“
    „Ja, sogar der. Und ich muss mich von blöden Nonnen nerven lassen!“, sagte Shylah wütend.
    „Ach komm, Shy, noch ist nix entschieden“, sagte Christina, sprang auf und umarmte ihre Freundin herzlich.



    „Es ist doch erst Januar und wir haben noch ein ganzes Halbjahr auf der Grundschule. Wir müssen unsere Eltern einfach ganz doll bequatschen, oder besser gesagt du deine, dass du auch auf die ALS kommst.“
    Shylah seufzte. „Ich weiß nicht, meine Mama ist da arg streng. Die hört gar nicht auf mich.“
    „Und dein Papa?“
    „Ach, Tine, du weißt doch, der ist fast nie daheim und irgendwie will der auch, dass ich aufs Gymnasium gehe.“
    Christina zog eine Schnute. „Du musst dich halt anstrengen und ganz lieb sein, vielleicht darfst du dann ja doch mit auf die ALS.“
    „Ich weiß nicht“, sagte Shylah achselzuckend. In dem Moment klingelte es an der Haustüre.
    „Das ist meine Mama“, sagte Shylah und rannte die Treppe nach unten.




    Im Flur trafen die beiden Mädchen auf Rosa Anton, Christinas Mutter, die gerade Alexandra Schuhmann die Türe geöffnet hatte.
    „Na, Shylah, hallo Christina“, sagte diese zu den beiden Mädchen. „Habt ihr schön gespielt zusammen?“
    „Ja, haben wir“, erwiderten beide wie aus einem Munde und kicherten dann.

    Alexandra blickte Frau Anton an und lächelte dann. „Ich hoffe, Shylah war brav?“
    „Aber ja, natürlich“, sagte diese lächelnd. „Wie immer, Frau Schuhmann. Und bei Ihnen, alles soweit in Ordnung?“

    „Natürlich“, erwiderte Alexandra. „Alles beim Alten, ich hoffe, bei Ihnen auch?“
    Frau Anton nickte. „Ja – nur dieses Wetter macht mich verrückt. Regen tagein, tagaus.“



    „Wem sagen Sie das…“

    Shylah warf Christina einen bedeutungsvollen Blick zu. Wie es aussah, würden sich die beiden Frauen noch etwas festschwatzen, was wertvolle Zusatzzeit für beide Mädchen bedeutete. Unbemerkt schlichen sie ins angrenzende Wohnzimmer.
    „Weißt du was, ich hab eine Idee“, verkündete Christina begeistert und beugte sich zu ihrer Freundin hinüber. „Pass auf, ich werde meinen Eltern einfach erzählen, wie gern du auf die ALS gehen würdest. Und dann kann meine Mama deine Mama überzeugen.“



    „Würdest du das echt machen?“, rief Shylah vergnügt.
    „Ja, aber psst, nicht so laut“, warnte Christina mit einem prüfenden Blick in Richtung Flur.
    „Vielleicht klappts ja.“
    „Es ist ja eh Erwachsenenkram, und deine Mutter ist so viel lockerer als meine“, erwiderte Shylah und fühlte ihr Herz hoffnungsvoll hüpfen.
    „Shylah!“, ertönte die Stimme ihrer Mutter aus dem Flur. „Wo steckst du? Wir wollen gehen!“
    „Ich muss los“, sagte Shylah schnell und rannte nach draußen. Sie warf beim Herausgehen einen verschwörerischen Blick in Richtung ihrer Freundin, die den Daumen hoch hielt.

    „Das klappt schon“, flüsterte sie.
    Schnell durchquerten Alexandra und Shylah den Vorgarten der Antons und ließen sich ins Auto fallen.



    *geht noch weiter*

  • Auf der Fahrt sprachen sie kein Wort. Shylah bemerkte sofort, dass ihre Mutter wieder einmal schlechte Laune hatte und hielt sich zurück, schwieg, obwohl es da so vieles gab, was sie ihr gerne erzählt hätte.



    Schließlich sah Alexandra ihre Tochter an und sagte: „Shylah, du isst heute Abend bei Oma, ich fahr dich auch direkt da hin. Du weißt ja, dass ich heute Abend Töpferkurs hab.“
    „Ja … aber wo ist denn Papa?“, fragte Shylah enttäuscht. Auf die Dienstagabende freute sie sich immer schon Tage im Voraus, denn dann ging ihre Mutter töpfern und ihr Vater war normalerweise zu Haus und kümmerte sich um sie und Devin. Das waren tolle Abende, denn man durfte im Schlafanzug auf der Couch sitzen und Kekse essen, ungeachtet der Krümel, es gab vorm Schlafengehen heißen Kakao und man durfte länger aufbleiben als sonst.
    „Der ist aufgehalten worden, in der Firma“, erwiderte Alexandra knapp.
    „Wieso das denn?“, klagte Shylah.
    „Shylah, geh mir nicht auf die Nerven mit der Fragerei“, gab ihre Mutter schlecht gelaunt zur Antwort. „Ich hab dir schon tausendmal erklärt, dass Papa eben vielbeschäftigt ist, er hat eben eine eigene Firma.“



    „Andere Väter sind nicht so spät daheim“, erwiderte Shylah trotzig.
    „Die haben auch keine eigene Firma, sondern sind Fabrikarbeiter, die um fünf Uhr Schichtende haben!“, brummte Alexandra leise, doch Shylah hatte es verstanden.
    „Wieso ist Papa dann nicht auch ein Fabrikarbeiter?“, schmollte sie.



    „Herrgott, Shylah, du weißt ja gar nicht, was du da redest!“, rief ihre Mutter verärgert aus und brachte den Wagen mit quietschenden Bremsen vorm Haus ihrer Großmutter sehen.
    „So, jetzt geh rein zu Oma und Opa, und sei dort schön brav. Papa wird irgendwann im Laufe des Abends kommen und dich holen, falls er es schafft. Wenn nicht legst du dich bei Oma schon mal ins Bett, und ich hole dich dann nachher ab.“
    Shylah schmollte. „Ich hab nichtmal meine Barbies mitgenommen!“, rief sie trotzig. „Was soll ich denn den ganzen Abend bei Oma und Opa anstellen?“
    „Das weiß ich doch nicht“, gab ihre Mutter zurück. „Du wirst schon irgendwas zu tun finden, hilf Oma in der Küche oder spiel eine Runde Mensch-Ärgere-Dich-Nicht mit Opa.“
    „Ich würde aber lieber mit meinen Barbies spielen!“
    „Shylah!“, rief Alexandra aus und ihre Stimme überschlug sich fast vor Ärger. „Nun nimm deine Sachen und geh rein. Wir können deine Barbies nicht mehr holen, es ist ohnehin schon spät.“





    „Wo ist Devin? Wieso kann ich nicht einfach bei dem bleiben heut Abend?“, versuchte Shylah noch einen letzten Vorstoß zu wagen, um den Barbie-Abend zu retten.
    „Weil der selbst unterwegs ist, der hat heute Bandprobe“, gab Alexandra zurück und öffnete die Wagentür. „Und nun husch- geh rein, Oma wartet schon.“
    Shylah schmollte und bewegte sich nicht.
    „Shylah“, sagte ihre Mutter mit gefährlicher Ruhe. „Wenn du nicht in zehn Sekunden drinnen bist, bleibt der Fernseher für den Rest der Woche aus…“
    Rasch öffnete Shylah die Tür. DieseWoche kam eine der wichtigsten Folgen ihrer Lieblings-Pferde-Serie, die durfte sie auf keinen Fall verpassen.
    „Na also“, brummte Alexandra, winkte ihr zu und gab Gas. Shylah blieb im Regen stehen und schaute dem Fahrzeug nach. Hinter ihr öffnete sich eine Tür und die Scheme ihrer Großmutter tauchte auf, inzwischen war es dunkel geworden.



    „Shylah – Kind, komm rein, du wirst ja patschnass!“, rief diese. Seufzend drehte Shylah sich um und trottete ins Zimmer.
    Drinnen war es warm und gemütlich. Eigentlich war Shylah gerne hier, sie mochte ihre Großeltern. Ihr Opa las ihr jeden Wunsch von den Augen ab und Oma war auch sehr lieb, wenn auch manchmal etwas ruppig. Sie schälte zog die nassen Schuhe aus und nahm dann am Esstisch Platz. Ihre Großmutter eine Suppe gekocht, wie passend zum kalten Wetter draußen.



    Seufzend dachte Shylah an ihre tollen neuen Barbies, die zu Hause lagen und darauf warteten, von ihrer Puppenmutter in die Betten gelegt zu werden. Heute mussten sie wohl draußen schlafen, in ihrer engen Spielzeugkiste, in die ihre Mutter sie bestimmt heute Nachmittag in ihrer Abwesenheit verbannt hatte.
    „Iss, Kind“, hörte sie die Stimme ihrer Großmutter und seufzend griff sie zum Löffel und ließ sich die warme Suppe schmecken. Normalerweise gab es an Dienstagen Pizza, Döner oder auch mal Pfannkuchen, weil Papa nicht besonders gut kochen konnte.



    Dienstage waren Festtage – aber der heutige war völlig in die Hose gegangen.
    Wenn Shylah dann noch an die Nonnenschule dachte, verging ihr gänzlich der Appetit.
    Und auch ihre Hoffnung von vorhin, Frau Anton könne etwas erreichen, war gänzlich verschwunden. Um die Nonnenschule abzuwenden, müsste wohl noch ein Wunder passieren.
    Und dass es die nicht gab, hatte Shylah schon lange begriffen…









    Fortsetzung folgt.

  • Hallö Innad. :)


    Die beiden Mädchen sind ja süß zusammen und was sie sich für Gedanken machen, niedlich. Zwar ist es nicht gerade ein tolles Thema, worüber die Beiden reden, aber so ein richtig tolles Kindergespräch.
    Klar, dass die Beiden dann nicht getrennt werden wollen, aber leider geht ja meistens nicht um die Wünsche der Kinder, wenn es um Schulbildung geht. Es muss ja das Beste fürs Kind gemacht werden und wenn das heißt, auf eine andere Schule zu müssen als die beste Freundin, dann muss es so sein. :rolleyes
    Auf jeden Fall hört sich die Klosterschule grausam an. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das wirklich gut wäre...


    Das Gespräch zwischen Shylah und ihrer Mutter war ja auch mal wieder ganz klasse. Die Kleine tut mir Leid, wenn ihre Mama so ist. Auch wenn Alexandra da nicht viel für kann, wenn sie gerade mal wieder gestresst, depressiv oder was auch immer ist.


    Den letzten Satz fand ich auch so traurig. So jung und doch schon ganz ohne Illusionen. :(


    Ich bin gespannt wie es weitergeht und ob Shylah nicht doch noch um die Klosterschule rumkommt.
    Ganz liebe Grüße
    Llyn

    You are never more alive than when you're about to lose your pants!



    FS: Sunrise Update: 04.06.19

  • Gut, dass Shyla so eine gute Freundin hat. Und vielleicht schaffen es die beiden ja wirklich ihre Eltern so zu bequatschen, dass Shyla noch auf die ALS gehen kann. Kinder haben doch immer Angst, dass sie sich trennen müssen und sich dann kaum noch sehen, wenn sie auf andere Schulen gehen. Und meistens ist das ja auch so, leider.
    Frau Mama war ja wieder einmal sehr nett zu ihrem Kind. Schwupps hat sie wieder einen Munispunkt bei mir. Ja, ja ich weis. Sie hat es nicht leicht, wenn der Mann kaum daheim ist. Aber da könen die Kinder nichts dafür und zudem hätte sie Shyla doch schon früher darauf Aufmerksam machen können, dass sie abends zur Oma muss. Da hätt sie sich gleich etwas mit nehmen können und Alexandra hätte weniger Stress mit ihrer Tochter gehabt. Schlecht organisiert von ihr.

    Supi Fortsetzung! :up

    :wink

  • Rivendell
    also ich kann dir da nicht zustimmen anja (hallo gleichnamige :wink:roftl). wenn ich mir so den prolog ansehe, kommt sie zu der klosterschule (oder wie die halt heißt) und erlebt dort eine schlimme zeit.


    zur story: super fs!
    deine bilder: ein traum
    dein text : ein wahnsinn
    dein schreibstil : einfach super :applaus


    glg
    anja

    [CENTER].
    .
    .
    .
    [/CENTER]
    [CENTER].
    [/CENTER]
    [CENTER] I refuse, I refuse, I REFUSE!![/CENTER]
    [CENTER]:schabdi[/CENTER]

  • Liebe Innad


    Da fühl ich mich aber sehr geehrt, dass ich jetzt sogar in deiner FS vorkomme! (wenigstens dem Namen nach!):D


    Wirklich herzig gemacht das Gespräch zwischen den beiden Mädchen. Und so typisch sind auch ihre Berufswünsche. "Künstlerin" sagt Shylah; was mag sie sich wohl darunter vorstellen? Und ebenfalls köstlich die Antwort von Christina: "Künstler sind brotlos". Sie nimmt das so ganz wörtlich!:) Nun, ihr Vater hat das gesagt, also muss es schliesslich stimmen!
    Dass die beiden ihre Eltern überzeugen können, zusammen in die gleiche Schule geschickt zu werden, kann ich mir schlecht vorstellen. So wie ich Alexandra einschätze, will sie unbedingt, dass ihre Tochter so eine Art Eliteschule besuchen kann, wohingegen Christinas Eltern wohl nicht so gut betucht sind, um das teure Schulgeld aufzubringen. Andererseits ist es eine Nonnenschule, da dürfte man doch wohl erwarten, dass minderbegüterte Familien Unterstützung bekommen...


    Oh jeh, Alexandra ist ja wieder mal sehr schlecht gelaunt. Ob das wirklich nur deshalb so ist, weil ihr Mann wieder mal Überstunden macht oder ob sie an was anderes denkt? Ich könnte mir jetzt nämlich vorstellen, dass er es so ähnlich wie bei mir Clemens macht... Zu Hause eine frustrierte Ehefrau und lärmende Kinder, also stürzt man sich einfach in die Arbeit, zögert das nach Hause kommen so lange wie möglich hinaus oder sucht Trost bei einer anderen Frau....


    Schön, dass Shylah ja grundsätzlich gerne bei ihren Grosseltern ist und die scheinen ja - soweit ich sie beurteilen kann - recht normal und auch verständnisvoll zu sein. Jedoch kann ich Shylah verstehen, dass sie enttäuscht ist, weil sie sich so sehr auf den traditionellen Dienstagabend mit Papi gefreut hatte. Richtig schöne Verwöhnabende scheinen das ja zu sein!
    Die Mutter ist wirklich mit ihren Nerven so ziemlich am Ende, und sollte sich vielleicht mal ernsthaft überlegen, warum das so ist, und sich Hilfe holen. Dass das mit dem Psychiater nicht geklappt hat, ist ja kein Grund, gleich aufzugeben. Es gibt ja noch so viele andere....


    Ich freu mich schon auf die FS!


    Lieber Gruss
    Jane

  • Llynya: Ja, das stimmt, wenn es um so schwerwiegende Entscheidungen gibt, ist so eine getrennte Kinderfreundschaft oft sehr nebensächlich. Könnte man jetzt wohl drüber diskutieren, ob das wirklich so nebensächlich sein sollte oder nicht. Ich wäre da wohl als Mutter auch recht unschlüssig und würde mir denken, dass man in dem Alter schnell neue Freunde findet... aber das ist ja auch nicht immer so.


    Das Gespräch der beiden hat mir irgendwie auch gefallen :) Da werden fast Erinnerungen wach, hihi. Und das mit der Klosterschule klingt echt grauselig...


    Danke für Deinen kommi!



    Rivendell: Das stimmt, oft halten die Freundschaften dann letztlich leider doch nicht. Aber ob 2 kleine Mädchen von 11 Jahren es schaffen, die Eltenr zu bequatschen??? Ich wag es fast zu bezweifeln.
    Wegen Alexandra - ich glaube, was die Sache mit dem schlechten Organisieren angeht, wird heute etwas Licht ins Dunkel gebracht.
    Danke für deinen Kommi!



    kautschi:
    Oh, vielen Dank für das Lob!! Das freut mich sehr!
    Zu Deiner Theorie schweige ich noch ;)




    @JaneEyre: Oh, was für ein langer Kommi! Das Gespräch zwischen den Mädls fand ich auch schön. Das Brotlose besonders! :)
    Ja, was die Schule angeht, so ist es wohl wirklich eher unwahrscheinlich, dass die 2 Mädls da was erreichen können letztlich.


    *sichaufdieleitungstell* So, so Dein Name kommt vor? Wer heisst hier denn Jane? :D *vonderleitungruntergeht* Das freut mich besonders, dass ich Dir sozusagen ein bißchen eine Ehre erwiesen habe, wenn auch unbewusst.


    Übrigens wegen der Schule - die Nonnenschule mag schon etwas Elitäres haben, ist aber eine "ganz normale" Staatsschule, somit auch nicht schuldgeldpflichtig ... ich weiss jetzt nicht, wie das in der Schweiz ist, aber in Deutschland sind Schulen i.d. R. nicht kostenpflichtig, auch nicht das Gymnasium. Somit glaub ich, das hat bei Christina nicht damit zu tun, dass die Eltern nicht so gut betucht sind (was übrigens stimmt, gut erkannt!), sondern ist bei denen offenbar auch eine Grundsatzfrage...


    Christina ist an sich intelligent und schlau und würde wohl schon gerne auch aufs Gymnasium gehen... warum die Eltern ihr das nicht ermöglichen, weiss sie ja selbst nicht so genau (also liegt die "Schuld" dass Syhlah und sie getrennt werden, nicht unbedingt bei Alexandra und Moritz!).


    Was Alexandra angeht, so ist sie schon fertig. Aber sie hat es halt nicht leicht, was man jetzt aber auch im kommenden Kapitel sehen wird nochmal.


    Danke für den tollen KOmmi!




    @ALL:
    Ich hab es geschafft, eine FS zu schreiben und bin heute wirklich mal ganz zufrieden damit. Ich hoffe, sie gefällt euch und ist nicht zu lang geworden....

  • Kapitel 5


    Moritz betrat nervös den großen Konferenzraum. Er streckte die Schultern, hob den Kopf und ging festen Schrittes zu dem freien Platz am Rande des Tisches. Dicht hinter ihm folgte ihm Herr Decker, sein langjähriger Anwalt und Notar.
    „Guten Abend, meine Herren“, sagte er mit fester Stimme, die nichts von seiner Nervosität verriet.



    Die in feine Anzüge gehüllte Herren nickten ihm freundlich zu und schüttelten ihm reihum die Hand, während man einander vorstellte, sofern man sich noch nicht kannte.
    „Das ist Herr Schulz, unser Notar, Herr Bruchsal, unser Anwalt, Herr Noran, der Prokurist…“
    Als die Vorstellungsrunde schließlich beendet war, setzte man sich wieder und holte die dicken Mappen aus den Aktentaschen.
    „Die Verträge wurden genauso aufgesetzt, wie wir es besprochen haben, Herr Schuhmann“, erklärte einer der Herren und übergab Moritz die dick beschriebenen Blätter zur Übersicht.
    Dieser las die Verträge sorgfältig durch und achtete dabei nicht auf den ein oder anderen ungeduldigen gespielten Hüstler der Herren am Tisch. Diese Verträge waren zu wichtig, um sie nur zu überfliegen. Auch wenn man den Inhalt schon dutzendmal zwischen beiden Parteien besprochen haben mochte, so war Moritz dennoch der Meinung, dass man nicht sicher genug gehen konnte.



    Doch es stimmte alles, alle Angaben und Klauseln waren genauso aufgezeichnet, wie es vereinbart worden war. Moritz flog ein zufriedenes Lächeln über das Gesicht, als der die dick beschriebenen Blätter zur Kontrolle an Notar Decker überreichte.
    Während auch dieser sich noch einmal in die Schriftstücke vertiefte, schweifte Moritz´ Blick nach draußen. Die Lichter der Hochhäuser schimmerten in die dunkle Nacht.



    Es war Dienstagabend, und heute hatte Alexandra ihren Töpferkurs. Sie hatte am Telefon getobt, als er ihr erklären musste, dass die Vertragsunterzeichnung von dem vorhergesehenen Termin am Donnerstagmorgen überraschend auf den heutigen Abend vorverlegt worden war.
    Als er an die Auseinandersetzung mit seiner Frau dachte, trübte sich sein eben noch so froher Gesichtsausdruck.
    „Was soll ich Shylah sagen“, hatte Alexandra vorwurfsvoll in den Hörer gerufen. „Du weißt genau, wie sehr sie sich auf die Abende mit dir freut… abgesehen davon, wo soll ich Shylah unterbringen?“


    „Kann sie nicht einfach ein Weilchen länger bei Christina bleiben?“, hatte er hilflos erwidert, während seine Sekretärin schon mit wichtigen Unterlagen in den Armen ungeduldig im Zimmer auf und ab ging und auf das Ende des Telefonats wirkte.
    Moritz schüttelte seufzend den Kopf. Frau Dietz war eine gute Sekretärin, sie arbeitete ordentlich, aber ihr fehlte es zunehmend an Taktgefühl. Er musste sie noch einmal darauf hinweisen, dass sie sich bei privaten Gesprächen seinerseits aus dem Raum begeben und warten sollte, bis er sie wieder zu sich rief. Das war nicht mehr als anständig, fand er.
    Seine Gedanken schweiften wieder zurück zu dem Telefonat und Alexandras bissiger Erwiderung: „Bist du des Wahnsinns? Ich komme normalerweise nicht vor halb elf zurück, du weißt genau, dass ich gemeinsam mit Annabell und dem halben Kurs noch etwas trinken gehe… ich kann Shylah unmöglich so lange bei Christina lassen, das kann ich deren Eltern doch nicht zumuten. Die Kinder haben morgen Schule!“
    „Na dann… wieso kann sie nicht zu deiner Mutter gehen?“, erwiderte Moritz, der durch die auf seinem Tisch befindlichen Unterlagen, die ihm Frau Dietz mit irgendeinem unverständlichen Gemurmel schließlich doch noch überreicht und sich dann entfernt hatte, bereits wieder abgelenkt schien.



    „Ich kann sie doch nicht jeden zweiten Dienstag zu meinen Eltern geben“, seufzte Alexandra nun am anderen Ende der Leitung.
    „Nun übertreib doch nicht, so oft bin ich dienstags nicht unterwegs… ich weiß ja, dass du diesen Kurs belegt hast“, gab Moritz nun ebenfalls leicht gereizt zurück.
    „Ach Moritz“, hatte Alexandra nur resigniert in den Hörer gemurmelt. „Du bist von zehn Kursen vielleicht fünfmal zu Haus. Ich weiß gar nicht, wieso ich diesen Kurs belegt hab…“
    Moritz verzog das Gesicht und seufzte dann: „Weil er dir gut tut, mein Schatz, und deswegen machst du auch weiter. Aber heute kann ich es nicht ändern, Alexandra. Du weißt, wie wichtig dieser Abschluss ist. Seit Wochen arbeiten wir nur noch darauf hin. Du weißt, was das für uns alle bedeutet…“



    Alexandra seufzte. „Ja – ich weiß, ich weiß. Nun, dann wünsch ich dir viel Erfolg. Ich werde Shylah zu meiner Mutter bringen, auch wenn sie das nicht gerade begeistern wird. Aber ich muss jetzt auflegen, Moritz, ich muss noch zum Frisör und danach werde ich Shylah abholen und zu meinen Eltern bringen. Bitte hol du sie da ab, sobald du zu Haus bist, ja?“
    Moritz rückte unbehaglich seine Krawatte zurecht und sagte dann: „Alexandra, du weißt, dass die Unterlagen bei Ehremann unterzeichnet werden – ich habe alleine eine halbe Stunde Fahrt bis in die Stadt, und ich bin mir nicht sicher, ob ich vor dir da sein werde…“
    Er konnte sich regelrecht vorstellen, wie sich Alexandras Miene verfinsterte. Doch statt des erwarteten Donnerwetters, hörte er sie nur seufzen: „Gut… dann geh ich direkt nach dem Kurs nach Haus und hol sie ab… falls du dann noch nicht da bist.“




    „Wieso? Sie kann sich doch schon bei deiner Mutter schlafen legen…“
    „Moritz, es für Shylah nicht gut, wenn ich sie aus dem Schlaf reiße, du weißt, wie schlecht sie dann wieder einschläft und sie muss morgen zeitig zum Unterricht. Also, wir sehen uns dann irgendwann nachher.“
    Und schon hatte Alexandra aufgelegt…
    „Herr Schuhmann?“, drang die fragende Stimme eines der Herren an sein Ohr.



    Erschrocken fuhr Moritz herum. War er nun wirklich derartig in Gedanken versunken, dass er vergessen hatte, wo er war und um was es hier ging?



    *geht noch weiter*

  • „Ja… entschuldigen Sie“, sagte er verlegen und räusperte sich, um seine Unsicherheit zu überspielen. „Was haben Sie gesagt?“
    „Die Verträge sind laut Ihres Anwaltes alle so wie besprochen“, fuhr der Herr ihm gegenüber fort. „Ich denke, wir sollten jetzt unterzeichnen und dann die weitere Vorgehensweise besprechen…“




    Moritz nickte. „Ja… ja, das ist gut… das sollten wir tun.“

    Er setzte sich aufrecht und schob alle Gedanken an Alexandra, Shylah, Devin und Zuhaus beiseite. Dies hier war jetzt wichtiger. Letztlich würden sie alle davon profitieren… und nur das zählte schließlich.



    „Gute Nacht, mein Schatz“, flüsterte Alexandra und strich Shylah noch einmal über den schwarzen Haarschopf. Die Kleine brummelte nur müde etwas vor sich hin, und war dann sofort eingeschlafen. Kein Wunder, es war bereits kurz vor zehn und somit viel zu spät für das Mädchen. Normalerweise musste Shylah um halb neun schlafen gehen.
    Alexandra blieb einen Moment vor dem Bett des Mädchens stehen und betrachtete es liebevoll, aber nachdenklich.



    Sie war vorhin im Auto wohl sehr hart zu der Kleinen gewesen, aber in ihr hatte es innerlich noch gebrodelt. Es war immer das gleiche, Moritz hielt seine Vereinbarungen nicht ein, und sie, Alexandra, war diejenige, die das vor den Kindern rechtfertigen musste und sich nicht selten deren trotzige oder enttäuschte Vorwürfe anhören musste.
    Wenn Moritz dann nach Haus kam, war die Freude der Kinder groß, und sie war die Böse und Unliebsame.
    Alexandra seufzte. Aber vielleicht war das eben so, ging allen Hausfrauen so. Sie dachte an Annabell, ihre Freundin. Die hatte solche Probleme nicht, aber ihr Mann war auch ein einfacher Angestellter in der Sachbearbeitung – er kam pünktlich nach Haus und kümmerte sich dann ebenso um den kleinen Thomas wie seine Frau.
    Obwohl Annabell eigentlich nicht der Typ Frau war, die ihrem Mann allzu viele Tätigkeiten überließ. Dazu war sie viel zu sehr Macherin – eigentlich manchmal zu sehr, wie Alexandra fand. Alexandra warf noch einmal einen Blick auf das schlafende Mädchen.



    Sanft strich sie ihr eine Strähne aus dem Gesicht und löschte dann das Licht.
    Leise schloss sie die Tür zum Kinderzimmer hinter sich und ging in die Küche, wo sie den Kühlschrank öffnete. Ihr Magen knurrte deutlich. Sie hatte vor dem Kurs keine Zeit mehr zum Abendessen gefunden. Normalerweise war dies nicht schlimm, weil die meisten ihrer Kurskollegen danach noch gemeinsam essen gingen. Da dies heute aber für sie ausgefallen war, musste sie jetzt improvisieren. Da es schon recht spät war, beschloss sie, sich nur schnell ein Brot zu schmieren.



    Während sie damit beschäftigt war, hörte sie den Schlüssel in der Haustür, und ein Blick zur Uhr sagte ihr, dass dies wohl Devin sein musste.
    „Bin zu Hause!“, hörte sie dann auch die wohl vertraute Stimme und einige Sekunden später tauchte Devin in der Küche auf.
    „Hei!“, sagte er schlicht und warf einen Blick auf das Holzbrett, auf dem Alexandra gerade ihr Brot schmierte. „Wär´s okay, wenn du mir auch so eins mitmachen würdest?“
    Alexandra lächelte und nickte. „Natürlich. Wie war eure Probe?“
    „Cool“, erwiderte Devin lässig und grinste. „Wir werde immer besser. Vielleicht spielen wir auf dem diesjährigen Abisturm.“



    Alexandra hob die Brauen. „Ehrlich? Das… wird bestimmt… interessant.“
    Insgeheim fragte sie sich, wer den furchtbaren Lärm Devins und seiner Band hören wollte. Die Jungs hatten im vorigen Jahr tatsächlich mithilfe eines Lehrers aus der Schule einen Proberaum gefunden… Alexandra war einmal dort gewesen, als sie Devin abgeholt hatte und ihr taten noch heute die Ohren weh. Der Sänger konnte nicht singen, er konnte nicht einmal melodisch schreien, was bei dieser Musik eher erforderlich war als echte Gesangskunst. Doch selbst dies schien der Junge nicht zu beherrschen. Devin jedoch machte seine Sache ganz gut, er war mit dem Schlagzeug vertraut und produzierte neben der E-Gitarre wohl den meisten Lärm.
    „Wieso bist du eigentlich zu Haus?“, fragte Devin unvermittelt.
    „Papa unterschreibt heute die Verträge bei Ehrmann“, erwiderte diese.
    Devin zog die Brauen hoch und pfiff durch die Zähne. „Und da bist du so ruhig?“
    Alexandra zuckte die Schultern. „Ich kann es nicht beeinflussen. Aber du hast schon recht, es wäre einfach gut, wenn das klappen würde.“
    Devin nickte. Er wusste nicht viel über die Sache mit Ehrmann, nur dass dies für die Firma seiner Eltern ein sehr wichtiger Kunde war und die Firma sehr viel besser da stände, würde man sich mit ihm einigen.
    Er folgte seiner Mutter ins Esszimmer, wo diese die Teller mit belegten Broten auf den Tisch stellte.



    „Warst du gar nicht an der Volkshochschule heute?“, fragte Devin, während er in eines der Brote biss.
    „Doch, ich bin nur früher los, weil ich Shylah bei Oma abholen musste.“
    Devin runzelte die Stirn. „Sie wird nicht begeistert gewesen sein, oder?“
    „Nein“, sagte Alexandra mit einem bitteren Lächeln. „Sei froh, dass deine Probe von gestern auf heute verlegt wurde, sonst hättest du auf sie aufpassen müssen.“

    Devin zog eine Grimasse und sagte dann großzügig: „Naja, einmal hätte ich das auch geschafft. Sie ist ja nicht mehr so arg nervig wie früher – immerhin kommt sie in ein paar Monaten auch aufs Gymnasium.“



    Alexandra nickte und rieb sich die Stirn, als sie daran dachte, dass diese Entscheidung ihr auch noch in den nächsten Wochen bevor stünde.
    Sie und Moritz waren sich immer noch nicht einig, auf welche Schule sie Shylah schicken sollten. Alexandra selbst war recht angetan von der Klosterschule, die einige Orte weit entfernt lag. Ihr gefiel die Vorstellung, Shylah auf eine reine Mädchenschule zu schicken. Nicht weil sie Angst vor dem Zeitpunkt hatte, da Shylah sich für Jungs zu interessieren begann. Alexandra war in diesem Punkt nicht prüde. Auch nicht weil sie besonders katholisch war – die Strenge der katholischen Mutter hatte Alexandra schon als Kind jedwede Begeisterung für die Religion ausgetrieben.



    *geht noch weiter*

  • Sie schickte ihre Kinder nie zur Kirche, außer in jener Zeit, als die Kommunionvorbereitung dies verlangt hatte, es gab keine Tischgebete und keine besondere Würdigung der katholischen Feiertage, abgesehen von Ostern und Weihnachten. Ihrer Mutter gefiel dies natürlich nicht, aber Alexandra war das gleich. Es war ihr Leben und das ihrer Kinder.



    Aber eine Mädchenschule hatte, das musste Alexandra zugeben, etwas elitäres… und das gefiel ihr auf unerklärliche Weise. Mal abgesehen davon, dass die Schule einfach einen sehr guten Ruf hatte. Und dass Nonnen dort lehrten, wie Shylah immer entsetzt berichtete, war Schwachsinn – es gab wohl noch eine alte Nonne, die als eine Art „Maskottchen“ in den Gängen herumschlurfte und die ein oder andere Religionsstunde gab, aber ansonsten befanden sich auf jener Schule nur noch „normale“ Lehrer.
    „Wisst ihr inzwischen schon, wohin Shylah gehen wird?“, fragte Devin, als habe er ihre Gedanken erraten.



    Alexandra schüttelte den Kopf. „Nein – wir sind noch unsicher, ob wir sie auf deine Schule oder die Maria Einkehr schicken werden. Außerdem wäre da ja immer noch die Möglichkeit, sie auf die ALS zu schicken… immerhin gibt es dort seit vier Jahren einen gymnasialen Zweig…“
    „Och nee, Mama“, stöhnte Devin. „Das ist doch kein richtiges Gymnasium. Shylah ist viel zu gut für so eine Pseudo-Schule.“
    Alexandra zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es noch nicht, Devin. Papa und ich hatten bisher noch nicht so viel Zeit, darüber zu sprechen. Und demnächst ist auch so ein Informationsabend in der Schule, da werden wir mit Shylahs Lehrerin sprechen, was am besten für sie ist.“ Sie lächelte leicht. „Oder bist du so wild darauf, dass wir Shylah mit bei dir einschulen? Du weißt, so bald du einen Führerschein und das Auto hast, wirst du sie jeden Tag mitnehmen müssen…“
    Devin hustete auf, als sei ihm das Essen im Hals stecken geblieben.
    „Das ist nicht dein Ernst, oder?“

    Alexandra grinste heimlich in sich hinein, sagte aber streng: „Natürlich, oder denkst du, ich bezahle dein Benzingeld und das Busgeld für Shylah, wenn ihr doch denselben Weg fahrt?“



    Devin klopfte sich auf die Brust, um den letzten Bissen, der ihm so überraschend im Hals stecken geblieben war, hinunterzuschlucken und sagte dann schnell: „Du hast schon recht – diese Maria Einkehr Schule wäre viel besser für Shylah… ich muss jetzt los, es ist schon spät und ich will noch was für Geschichte lesen.“
    „Mach nicht mehr so lang“, ermahnte Alexandra. „Es ist schon nach zehn, du gehörst langsam ins Bett.“
    Devin brummte nur etwas und verschwand rasch aus dem Zimmer.




    Lachend biss Alexandra in ihr Brot und dachte bei sich, dass der Gedanke, Devin könne Shylah im ersten Jahr mit dem Auto mitnehmen, ihr eigentlich besser behagte, als sie zugeben wollte.
    Shylah war ein liebes Kind, aber sie war so unsagbar verträumt und oft auch tollpatschig. Alexandra dachte mit Bauchschmerzen daran, wie es sein würde, das Kind in einem Bus zur Schule zu schicken. Sie konnte sich ihre Tochter gut vorstellen, wie sie die Haltestelle zum Aussteigen verpasste, weil sie sich in irgendwelchen Träumereien verlor oder mit irgend einer Freundin allzu angeregt am Plaudern war.
    Die zuschlagende Haustür riss sie aus ihren Gedanken. Sie horchte auf und vernahm Moritz´ rasche Schritte im Flur. „Alexandra?“, rief er fragend.
    „Ich bin hier“, gab diese zur Antwort.
    Moritz tauchte im Esszimmer auf. Sein Gesicht strahlte.
    „Und?“, fragte sie gespannt und stand auf, um auf ihn zuzugehen. „Sag, wie war es?“
    Statt einer Antwort umarmte Moritz seine Frau stürmisch.



    „Wir haben den Auftrag! Alle Verträge sind unterschrieben und wir können sofort morgen loslegen! Und das beste ist – sie haben die Vorausbezahlung akzeptiert … und der Preis ist noch besser als wir dachten!“
    Alexandra stand der Mund offen. „Nein, ist das wahr?“
    „Ja! Ja – das ist wahr, mein Schatz!“, rief Moritz strahlend aus. „Du weißt, was das für uns bedeutet?“




    Alexandra sah ihn einen Moment ungläubig an. „Du… du meinst, dass wir…?“
    Moritz nickte aufgeregt. Alexandra konnte kaum fassen, was er da sagte. Sie hatte gewusst, dass er Erfolg dieses Projekts mit ihrem langgehegten Traum zusammen hing… aber sie war keine Optimistin und hatte beschlossen, sich darüber lieber keine Gedanken und keine Hoffnungen zu machen, so lange nichts sicher war.
    Nun war dies jedoch der Fall… und allmählich sickerte in ihr Bewusstsein, was dies alles bedeuten würde. In ihr begann es freudig zu kribbeln und sie strahlte Moritz an.



    „Das … oh, Moritz… das ist einfach wunderbar!“, rief sie freudig aus.
    „Ich weiß! Oh mein Schatz, ich bin so froh! Du doch auch, oder? Dass wir das geschafften haben… wer hätte das gedacht?“
    Statt einer Antwort fiel Alexandra ihrem Mann in die Arme und küsste ihn lange und leidenschaftlich.



    Und in diesem Moment war aller Ärger vergessen.




    Fortsetzung folgt.