Sie ließ sich neben ihre Oma auf das Sofa plumpsen.
„Ich bin grade erst aufgestanden.“
„Schön“, fuhr ihre Großmutter sie an. „Ich bin schon den ganzen Tag auf den Beinen. Du könntest dich mal um deinen Bruder kümmern! Du verkriechst dich in deinem Zimmer, und er sitzt wieder draußen und starrt auf die Gräber.“
Lina starrte ihre Großmutter an. Ihr fiel nichts ein, was sie dazu hätte sagen können. Schlagartig wurde ihr etwas klar, was sie bisher irgendwie hinter ihrem eigenen Schmerz kaum beachtet hatte. Die Tatsache, dass ihre Großmutter ihr eigenes Kind überlebt hatte, traf sie härter als jemals zuvor. In den Monaten seit dem Unfall war Oma immer die gewesen, die sie getröstet hatte, die zwar getrauert hatte, aber niemals so sehr, als dass sie nicht Zeit für ihre Enkel – nun, eher für Lina – gehabt hätte.
Im Garten war Oliver inzwischen so weit, dass er Mimi auf den Arm genommen hatte. Er konnte das Kätzchen kaum ansehen, wollte sich selbst nicht erlauben, es gern zu haben.
Unwillkürlich musste er an den Schmerz denken, den er nach dem Unfall gespürt hatte, bevor die gnädige Ohnmacht seine Gefühle gelähmt hatte. Es ist die Liebe, dachte er. Liebe lässt einen leiden, aber was tut sie sonst noch?
Wenn er nicht mehr lieben würde, wenn er es nicht mehr könnte, so würde er für immer von diesem Schmerz verschont bleiben, ihn nie wieder spüren müssen.
Gegen seinen Willen spürte er einen Schmerz, ähnlich dem, den er verdrängt hatte, in seinem Herzen. Es war ein Gefühl, dass er kaum beschreiben konnte. Kein Verlust, eher das Gegenteil. Er versuchte, es zu bekämpfen, wollte es nicht zulassen.
Wollte das kleine Kätzchen nicht in sein Herz schließen, nicht mit dem Wissen, es irgendwann verlieren zu müssen.
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so, das wars jetzt erstmal, ich hoffe, es gefällt euch =)