Kapitel 39: Wut
Elias erwachte und wusste nicht wo er war. Sein Kopf schmerzte und mit einem Stöhnen versuchte er sich aufzurichten. Erst da spürte er die Fesseln an seinen Armen und Beinen. Einen kurzen Moment wusste er nichts damit anzufangen, doch dann erinnerte er sich wieder daran, was am Abend zuvor geschehen war. "Dieses verdammte Miststück," fluchte er mit krächzender Stimme. Sein Mund war völlig ausgetrocknet und mühsam schluckte er ein paar Mal. Danach fluchte er ausgiebig weiter. Er war so wütend auf die Hexe, hatte sie ihn doch so an der Nase herumgeführt und nun auch noch hier hilflos zurückgelassen. Aber er würde sie finden, das schwor er sich.
Doch erst einmal muss ich die Fesseln hier loswerden. Er versuchte sich aus den einfachen Bänder an den Händen heraus zu winden, aber die Hexe hatte gewusst was sie tat. Sie gaben nicht ein bisschen nach. Wieder fluchte er und sah sich um, ob er irgendetwas sehen konnte womit er die Fesseln lösen könnte. Auch mit den Händen suchte er auf dem Waldboden nach etwas, was scharf genug war die Bänder zu durchschneiden. Und er hatte Glück, ein wenig links neben ihm lag ein Stein, der scharfe Kanten hatte. Stöhnend bewegte er sich ein wenig nach links und tastete dabei danach. Er kam nur mit den Fingerspitzen an und seufzte. Mühselig versuchte er mit seinem Hintern den Stein etwas näher zu den Händen zu schieben und nach einer gefühlten Ewigkeit konnte er ihn endlich erreichen.
Es dauerte eine Weile bis er die richtige Technik drauf hatte, aber er schaffte es mit dem Hilfsmittel die Bänder durch zu säbeln. Erleichtert knotete er auch das Band um die Füße auf und stand mit schmerzenden Gliedern auf. Er streckte sich, schaute sich kurz um, aber er konnte sich nicht vorstellen, dass die Hexe noch in der Nähe war. So beschloss er dann erst einmal zum Fürstenhof zurückzukehren. Er knirschte mit den Zähnen bei dem Gedanken daran, dass er sich vor der Fürstin verantworten musste. Das würde nicht leicht werden. Auf jeden Fall würde er sofort nach seiner Rückkehr Sebastian und ein paar andere der Wache losschicken um die Hexe zu suchen. Das war am wichtigsten. Für alles andere würde sich schon eine Lösung finden.
Missmutig stapfte er den Hügel wieder herauf und versuchte nicht an die Schmach zu denken. Er bekam langsam stechende Kopfschmerzen, die genau hinter dem rechten Auge begannen. Mit einer Hand fasste er sich vorsichtig in Gesicht und war erschrocken darüber getrocknetes Blut zu fühlen. Außerdem schmerzte selbst die leichte Berührung und er zuckte zusammen. Das würde sie ihm büßen. Er beschleunigte seinen Schritt um so schnell wie möglich zurück bei Hof zu sein, einmal um die Männer los zu schicken und um sich das Gesicht zu waschen. Er musste sehen wie schlimm die Hexe ihn erwischt hatte.
Nach einer Weile angestrengten Klettern kam endlich die Kuppe des Hügels in Sicht und somit auch die Mauern vom Fürstenhof. Elias ging sofort zum Haupteingang, da er hoffte, dass er gleich Sebastian erwischen würde. Schließlich sollte er um diese Zeit noch in der Wachstube sein und nicht schon unterwegs. Elias schaute einmal kurz zum Himmel wo sich die Morgendämmerung abzeichnete und hoffte, dass Sebastian seinen Dienst überhaupt schon angetreten hatte. Sonst schmeiße ich ihn halt aus dem Bett. Diese Sache ist wichtiger als Schlaf, dachte Elias grimmig.
Ohne zu zögern betrat Elias die Wachstube und rief nach Sebastian, der auch innerhalb von kürzester Zeit erschien. Zwar hatte er seinen Helm noch nicht auf, aber er war schon in voller Rüstung.
"Was kann ich für Euch tun, Herr?" fragte er Elias neugierig.
"Nimm dir ein paar Mann und durchsuche den Wald nach einer entflohenen Magd. Sie ist ungefähr so groß wie ich und hat braune Haare. Das auffälligste sind ihre dunklen blauen Augen mit denen etwas nicht stimmt, denn man sieht Lichtpunkte in ihnen. Bringt sie mir," er machte eine kurze nachdrückliche Pause, "lebend. Ich will sie lebend, aber seid vorsichtig. Sie ist gefährlich und verfügt über Magie. Es ist mir egal wie ihr das anstellt, aber ich will sie. So schnell wie möglich. Wenn sie verletzt wird ist es nicht so schlimm, aber sie muss noch atmen und sprechen können. Und nun los, beeile dich."
"Ja wohl Herr," nickte Sebastian und wunderte sich über den scharfen Ton. Das musste ja eine ganz gefährliche Frau sein, wenn sein Herr schon so ramponiert aussah. "JOHN, MICHAEL, TOM," brüllte er als Elias sich anschickte die Wachstube wieder zu verlassen.
Zufrieden soweit alles in die Wege geleitet zu haben ging Elias auf das große Haupttor des Hofes zu. Er hoffte, dass er erst einmal ungesehen zu seinen Gemächern gelangen würde. Bevor er der Fürstin übertreten wollte, wollte er sich erst einmal die Spuren aus dem Gesicht waschen.
Auch der Fürst war schon früh aufgestanden, hatte er doch endlich vor mehr über das Mädchen herauszufinden, die er für seine Tochter hielt. Er musste unbedingt Gewissheit haben und er würde die Suche nach Informationen nicht irgendeinem seiner vielen Diener überlassen. Nein, das würde er persönlich erledigen. Zum Glück war er unter den einfachen Dienern als etwas wunderlich verschrien, so dass sich niemand wundern würde, wenn er mit ihnen ungezwungen plaudern würde. Leise um keine unnötige Aufmerksamkeit auf sich zu lenken machte er sich auf den Weg und ging auch seinem Leibdiener aus dem Weg. Alleine, ich schaffe das alleine, sagte er sich den ganzen Weg zur Küche vor.
*geht gleich weiter*