Hoppla, da habe ich mich ja tatsächlich im Namen getäuscht... wie peinlich!
Sorry, aber ich bin in diesen Tagen gerade ziemlich ausgelastet und habe kaum freie Zeit. Aber ich arbeite in Gedanken an einem neuen Kapitel und hoffe, es morgen oder Samstag spätestens realisieren zu können.
Annas letzte Reise
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Kapitel 10
Alles, was man vergessen hat, schreit im Traum um Hilfe.
Elias Canetti, bulgarischer deutschsprachiger Schriftsteller und Literatur-Nobelpreisträger
Meine Geschmacksknospen wollen sich nicht mit dem labbrigen Sandwich anfreunden, ausserdem entzieht mir der aufkommende Wind zunehmend die Körperwärme. Ich fange an zu frieren und beschliesse, mich schlafen zu legen. Ich stolpere den Deich hinunter und quetsche mich mühsam auf die Rückbank. Vielleicht hätte ich doch noch ein wenig weiter fahren und eine Gaststätte suchen sollen. Doch jetzt ist es zu spät. Ich schliesse das Auto von innen ab und strecke mich so gut es geht auf der Rückbank aus.
Die Müdigkeit zieht mir die Augen zu und mein Rücken ignoriert die unbequeme Lage, als ich die dünne Decke über mich ziehe. Die Nächte auf meiner Reise habe ich mir anders vorgestellt. Doch irgendwie passt das zu dem letzten Funken Abenteuergeist, der in mir glüht. Trotzdem merke ich, dass ich nicht mehr jene jugendliche Energie von damals besitze, als mich die Diagnose Krebs noch nicht tief in einen Strudel aus Sorgen, Schmerzen und Angst gezogen hat.
Ich träume auch in dieser Nacht intensiv und wirr. Ich irre durch eine eisige Schneelandschaft, in der der graue Himmel mit dem gefrorenen Boden Ton in Ton zu verschmelzen scheint. Plötzlich steht da eine nackte junge Frau, neben ihr zwei Eisbären. „Wir spüren die Kälte nicht. Tust du es?“ brummt eines der Tiere und die junge Frau dreht den Kopf nach mir um. Ich erkenne das Gesicht von Sarah, eher die Szene in Schneegestöber verschwindet.Im nächsten Moment sitze ich auf jenem Sofa, das in der Wohnung meiner Mutter stand. Neben mir sitzt einer ihrer Bekanntschaften, mit denen sie damals ausgegangen war. Er lächelt mild und legt die Hand auf meinen Oberschenkel. Ich sitze da wie eine Statue, starr, unfähig mich zu bewegen. Sein Gesicht verschwimmt und wird durch das meines besten Freundes ersetzt. „Hast du Angst?“ fragt er.
Sekunden später sitze ich auf einem Stein in einer kargen Wüstenlandschaft. Mir ist schrecklich heiss und meine Kehle ist ausgetrocknet. Meine Glieder schmerzen. Als ich meinen Kopf wende, sehe ich, wie sich zwei dämonische Gestalten unterhalten. „Wir schätzen, dass sie noch ein halbes Jahr haben“ – „vielleicht auch weniger“, kreischen sie und grinsen mich an. Mein Brustkorb drückt sich zusammen, ich schwitze Blut und Wasser.
Ich schrecke hoch und knalle mit dem Kopf gegen die Autodecke. Draussen dämmert es in der Ferne. Mein Atem geht stossweise und mein Herz rast. Wieder mal einer jener Träume. Sie haben sich in letzter Zeit gehäuft und quälen mich nachts. Es scheint mir, als würden all meine tiefsten Gedanken sich gegen mich wenden und mir einen Spiegel vorhalten, während dem eine Uhr im Hintergrund leise tickt.
Ich setze mich auf und versuche, einigermassen klar zu denken. Mein Kreuz schmerzt und mein Brustkorb scheint mich ersticken zu wollen. Ich quäle mich aus dem Auto und ringe nach frischer Luft. Die morgendliche Feuchte dringt kalt in meine Knochen und ich trete ein wenig auf der Stelle um warm zu werden. Dann setze ich mich wieder hinter das Steuer und verlasse fluchtartig den kleinen Parkplatz. -
gute fortsetzung aber leider soooo kurz . wie viele kapitel wird es eigentlich geben ?
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RocKaNgEl: Weiss ich noch nicht... Jedenfalls noch einige!
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Teil II-----------------------------------------------------------------
Kapitel 11
Ich fühle mich nicht alt, weil ich so viele Jahre hinter mir habe, sondern weil nur noch so wenige vor mir liegen.
Ephraim Kishon, israelischer Schriftsteller
Der Wind streichelt meine Wangen, während ich entspannt an der Reling stehe. Fast 20 Stunden dauert die Überfahrt zwischen Kiel und Oslo. Genügend Zeit, um sich die Beine zu vertreten und nach der langen Fahrt frische Luft zu schnappen. Nach der Nacht im Auto haben sich die Rückenschmerzen nicht gebessert und ich frage mich langsam, ob ich sie für den Rest der Reise haben werde.
Ich gehe in meine Kabine und wühle in meiner Tasche. Die Tabletten habe ich ganz unten versteckt in der Hoffnung, sie nicht benutzen zu müssen. Doch jetzt überwinde ich meinen inneren Schweinehund und schlucke das Schmerzmittel. Ich will mir die Überfahrt nicht durch sowas vermiesen lassen. Ich höre, wie der Motor zu brummen beginnt und das Schiff in leichte Vibration versetzt.
Die Fähre legt ab als ich das letzte Mal nach meinem Auto sehe. Ich beschliesse es mir irgendwo an Deck gemütlich zu machen und setze mich in eine Art Lounge auf dem zweiten Oberdeck. Zuvor habe ich mir mein Briefekästchen geholt, das ich mir sorgfältig eingepackt hatte. Ich bestelle mir einen Tee Rum und suche nach einem ganz bestimmten Brief.
Meine Cousine hatte mir schon lange nicht mehr geschrieben. Doch nach meiner Diagnose habe ich den Kontakt wieder aufgenommen. Sie ist vor Jahren mit ihrem Mann nach Norwegen ausgewandert. Und jetzt werden wir uns nach der ganzen langen Zeit wiedersehen. Wir werden uns wiedersehen, nur damit ich mich von ihr verabschieden kann. Unwillkürlich schiessen mir Tränen in die Augen. Ich wische sie energisch weg. Ich habe mir vorgenommen, nie meinetwegen zu weinen.
Eine Hand hält mir ein geöffnetes Päckchen Papiertaschentücher unter die Nase. Ich blicke auf und erkenne durch den Tränenschleier einen Herrn in Anzug, der mir aufmunternd zulächelt. „Alles in Ordnung bei ihnen?“ fragt er. Ich nehme danken ein Taschentuch entgegen und trockne mir verstohlen die Wange. „Ja, alles ok, Sie wissen schon, sentimentales Unsinn,“ murmle ich.
„Ist es gestattet?“ fragt der Herr und deutet auf den Sessel gegenüber. Ich nicke und falte den Brief zusammen, ohne ihn nochmals gelesen zu haben. „Fahren Sie auch alleine?“ fragt der Herr und ich nicke. „Schrecklich langweilig, nicht?“ Er blickt zum Fenster hinaus, durch das in der Ferne die Küste langsam verschwindet. „Ich werde sterben“ platzt es plötzlich aus mir heraus.
Im selben Moment frage ich mich, was ich da eigentlich tue. Ich will schon aufstehen und gehen, bevor das ganze noch peinlicher wird, doch der Herr nickt nur. „Ich weiss,“ sagt er ungerührt. Ich starre ihn an. Er lächelt, als er meinen fragenden Gesichtsausdruck sieht. „Glauben Sie mir, Leute wie ich sehen sowas.“ Ich schnaube unwillkürlich. Der Mann winkt entschuldigend ab. „Nein, nein, keine Bange, Sie sehen fantastisch aus! Aber auch wie jemand, der sich bewusst ist, dass er nicht mehr viel Zeit hat auf Erden.“
Ich schaue ihn an und verstehe intuitiv, dass er ganz genau weiss, wovon er spricht. Verlegen greife ich zu meiner Tasse und nippe an dem Tee. „Ich bin Tom“ stellt er sich vor. „Anna“ murmle ich und muss unwillkürlich lächeln. Was für eine absurde Begegnung. Die Fähre brummt unter uns. Draussen am Fenster fliegt eine Möwe vorbei. Tom stützt seinen Kopf in die Hände und schaut mich ruhig an. „Erzählen sie, Anna“.
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gute fortsetzung wobei ich es komisch finde das sie erst vom parkplatz wegfährt und dann plötzlich auf dem schiff ist... freu mich schon auf den nächsten teil !
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dieser tom hat sehr viel ähnlichkeit mit dem mann dort etwas weiter oben
der mit den schwarzen haaren .
p.s. : sorry das ich das bild kopiert habe um es dir zu zeigen -
Ich finde nicht, dass er sonderlich viel Ähnlichkeit hat. Andere Haare, andere Augen, andere Gesichtszüge, anderer Typ.
Zudem ist das jetzt Teil II, da ist also ein Zeitsprung dazuwischen! Von Hamburg nach Kiel ist es auch nicht sonderlich weit...
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Ok. Nun weis ich zumindest, das sie nach Norden fährt um sich da zu verabschieden. Bis jetzt wusste ma ja eigentlich nicht so recht, ob sie nun einfach depressiv ist, suizid machen will oder sonst etwas. Klar wusste man von der Krankheit. Aber diese hätte auch geheilt sein können.
Diese reise dient also wirklich dazu um von allem geliebten Abschied zu nehmen. Wirklich traurig.
Dieser Tom ist sehr nett und ich würde ihr wünschen, das sie vielleicht noch in netter gesellschaft mit ihm bleibt.
Besondere Bilder diesmal. Der Traum, die Eisbären und Dämonen. Sehr gut gelungen.
LG Rivendell -
sorry .... ich meinte auch n bissl ähnlichkeit ... schuldigung das ich so doof bin und nich weiss das hamburg und kiel nah annander sind . ich wollte damit nur vorschlagen dass du vielleicht ja noch hättest schreiben könntest das sie zum hafen faährt oder so ...
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Hi Meine Cousine ist wirklich mit ihrem Mann nach Norwegen ausgewandert genau wie in deinr Geschichte.
Ich finde das ist eine gute Story mit coolem Schreibstill!
Es macht sehr viel spaß sie zu lesen.Könnt mir mal einer sagen wie man hier bilder einfügt? Danke!!! -
Tut mir leid, dass ihr so lange nix von mir gehört habt, aber ich habe mich schlicht mehr auf die andere FS konzentriert!
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Kapitel 12
Denn nicht Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde, wie es in der Bibel steht, sondern der Mensch schuf Gott nach seinem Bilde.
Ludwig Feuerbach, dt. Philosoph und Religionskritiker
Also erzähle ich. Es fliesst einfach so aus mir raus, und ich kann nichts dagegen unternehmen. Vielleicht will ich das auch gar nicht. Tom scheint mir vertrauenswürdig und vielleicht ist es mal ganz gut, mit einer unbekannten, neutralen Person darüber zu reden. Ich erzähle ihm von der Diagnose von vor zwei Jahren, und er hört mir aufmerksam zu.
Damals wurde ich vom Arzt in das örtliche Krankenhaus überwiesen. Die Gewebeproben waren eindeutig: Es war Krebs, und zwar die bösartige Form. Meine Welt brach von einem Tag auf den anderen völlig zusammen. Einige Tage lang lag ich nur im Bett und heulte vor mich hin. Ich glaubte, augenblicklich sterben zu müssen. Und dazu war ich noch nicht bereit.
Meine Brust betrachtete ich voller Hass, als würde irgendwo da drin ein kleiner Kobold sitzen, der sich langsam in meine Eingeweide frass. So ähnlich wie jene Dämonen in meinem letzten Albtraum. Dämonen, die sich auch in meinem Kopf einnisteten und anfingen, meine Hoffnungen zu zerfleischen. Sehnlich erwartete ich den Termin im Krankenhaus, der endlich Gewissheit bringen sollte.
Nach eingehenden Untersuchungen im Krankenhaus, sagte man mir, dass der Knoten entfernt werden muss, und dass sie auch einige Lymphknoten rausschneiden müssen. Meine Angst wuchs ins Unermessliche. Ich fragte mich, ob sie es schaffen würden, alles schädliche Gewebe zu entfernen. Mussten sie meine Brust abnehmen? Oder würden hässliche Narben bleiben? War überhaupt noch etwas zu machen?
Die Operation verlief komplikationsfrei und ich war erst mal erleichtert. Die hässliche Narben würden auch verschwinden, meinte der behandelnde Arzt. Man sagte mir, dass man noch eine Untersuchung machen würde, die ausschliessen sollte, dass sich bereits Metastasen in den Knochen oder Organen gebildet haben. Dazu wurde ich gründlich geröntgt und ein Ultraschall von Leber und Nieren gemacht.
Der Befund war erschrecken. „Wir fürchten, dass sich die entarteten Zellen bereits über ihr Blutsystem verbreiten konnten. Wir fanden kleine Metastasen in der Niere und an den Beckenknochen. Das Labor zeigte, dass Ihre Tumorart nicht auf eine Hormonbehandlung ansprechen würde. Wir schlagen daher eine Chemotherapie vor,“ informierte mich der Chefarzt.
Ich weiss nicht mehr genau, was ich in dem Moment gedacht habe, bloss, dass ich in ein bodenloses Loch fiel und der Sturz gar nicht mehr aufhören wollte. Ich war davon überzeugt, dass Metastasen meinen sicheren Tod bedeuten würden. Ich machte mir keine Hoffnung auf Heilung. Ich fing an, meinen Körper zu verfluchen, der es zugelassen hatte, so krank zu werden.
Ich hebe meinen Kopf und sehe, dass Tom immer noch mir gegenüber auf dem Sessel sitzt und mir schweigend zuhört. „Ich wusste damals noch nicht, dass ich wirklich sterben werde. Jedenfalls nicht so früh!“ Tom nickt und lächelt mich dann freundlich an. „Wollen Sie meine ehrliche Meinung dazu hören, Anna?“ fragt er mich und ich nicke. Er lächelt wieder. „In solchen Fällen sage ich immer: Es ist wohl Gottes Wille.“
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Halllo!
"Es ist wohl Gottes Wille"???:misstrau Was erzählt der den für einen Müll. Sehr tröstlich. Ist das ein Sekten-heini??:angry
Ich empfinde das als taktlos aber hochgradig.
Dadurch wird mir Gott gleich viel sympahtischer: einen netten Menschen umbringen. tststs
Ich möchte keine Gläubigen Diskrimminieren. Nur wenn man an Gott glaubt, ist das ja gerade kein Grund ihm zu vertrauen oder irgendwie hoffnungsspendend (finde ich).Jetzt bin ich ja mal gespannt wie Anna das aufnimmt.
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Kapitel 13
Wenn es einen Glauben gibt, der Berge versetzen kann, so ist es der Glaube an die eigene Kraft.Marie von Ebner-Eschenbach, österreichische Schriftstellerin
Mein Kiefer klappt unwillkürlich nach unten und ich schnappe nach Luft. „Sie wollen sagen, dass Gott kurzerhand beschlossen hat, mich zu töten?“ Tom winkt ab: „Gott tötet nicht, Gott schenkt das Leben und bestimmt, wann es Zeit für jeden ist, zu gehen.“ Ich kann es mir nicht verkneifen kurz aufzulachen, doch ich versuche, mich zu beherrschen. „Mein Körper hat Krebs, der bestimmt, dass ich sterbe!“
„Und wer hat Ihnen den Krebs gegeben?“ fragt Tom unbeirrt. Ich schüttle den Kopf: „Glauben Sie allen Ernstes, dass es da einen Gott gibt, der Lepra, Cholera und Tuberkulose über uns bringt und Kinder qualvoll verhungern lässt weil es ihm eben mal so Spass macht?“ Tom lächelt jetzt nicht mehr. „Nein, aber Gott hat gesehen, dass irgendetwas in Ihnen, eine innere Wut vielleicht, Sie vom Glauben abhält. Daher hat er Ihnen den Krebs geschenkt.“
Ich werde wütend, doch Tom redet unbeirrt weiter: „Gehen Sie in sich und finden Sie zum Glauben zurück, dann wird auch die Wut und der Krebs verschwinden!“ Ich stehe auf und schaue verächtlich auf Tom herab. „Die Metastasen sind in meinem ganzen Körper. Sie zerfressen meine Knochen und meine Organe. Ich habe unsägliche Schmerzen und werde bald ebenso qualvoll sterben. Ich habe ein Recht darauf, auf jemanden wütend zu sein, der mir sagt, dass das Gottes Wille ist!“
Ich packe meine Briefe und lasse Tom stehen. Wütend knalle ich die Tür zu meiner Kabine zu und lasse mich aufs Bett fallen. Ich muss mich beherrschen um die Briefe in meiner Hand nicht zu zerknüllen. Was erdreistet der sich? Glaubt der in allem Ernst, ich hätte Krebs, weil ich nicht gläubig bin? Ich will die Briefe im Nachttischchen verstauen, öffne die Schublade und finde die Bibel darin liegen. Mir fällt ein, dass dieses Buch in jedem Hotelzimmer aufliegen muss.
Abwesend blättere ich durch die Seiten. Es ist das neue Testament. Ich habe es auch gelesen, wie auch das Alte Testament, die Thora und den Koran. Ich sehe nicht ein, wieso man sein Leben einem einzigen Buch verschreiben, danach leben und nicht kritisch hinterfragen soll. Meine Mutter hat mir oft gesagt, dass wir uns an die zehn Gebote halten sollen, dann würde unser Leben lange und unbeschwert sein.
Lange und unbeschwert. Wer hat nicht schon gelogen? Oder geflucht? Oder war eifersüchtig auf einen Nachbarn? Und darum beschert Gott uns Krankheit, Krieg, Katastrophen und Tod? Mit 25 habe ich dem Glauben abgeschworen. Ich bin aus der Kirche ausgetreten und bin Atheist geworden. Ich glaube an keinen Gott. Ich sehe nicht ein, wieso ich meinem Leben einer höheren Macht unterwerfen soll und seiner ganzen launischen Auswirkung.
Gleichzeitig habe ich mir damit die Vorstellung genommen, dass nach dem Leben noch etwas kommt. Wie gerne würde ich an das Paradies glauben, einen Ort, wo man keine Schmerzen mehr hat und wo die Seele eine vollkommene Zufriedenheit empfindet. Aber meine Vernunft macht mir auch hier einen Strich durch die Rechnung. Wahrscheinlich werde ich dann einfach tot sein und nichts mehr mitbekommen. Schwärze nach dem hellen Licht, von dem so viele berichten.
Ich versuche, mich abzulenken und breite die grosse Strassenkarte auf dem Tisch aus. Mit dem Finger fahre ich die Küste Norwegens hoch bis zu dem kleinen Fleckchen, wo der Ort liegen muss, wo meine Cousine wohnt. Er ist noch nicht mal auf der Landkarte verzeichnet. Rund herum nur Wald und im Westen die Küste. Ich freue mich auf das Meer und die Fjorde, von denen ich schon so viel gehört habe. Morgen würde die Fähre anlegen und meine Reise würde weitergehen. -
ZITAT: "Mein Kiefer klappt unwillkürlich nach unten und ich schnappe nach Luft."
Genau so ist es mir ergangen, als ich diese unglaublich überhebliche Aussage über "Gotteswillen" gelesen habe. Also echt wahr! :motz
ZITAT:"„Wollen Sie meine ehrliche Meinung dazu hören, Anna?“ fragt er mich und ich nicke."
(ach herje, wie geht das bloß mit den blauen Balken?)
Trotzdem - sooo geht das nicht! Ehrlichkeit schön und gut. Gut nur, das Anna sich nicht einschüchtern läßt und selbst auch ehrlich ihre Meinung sagt.
Und die Argumentationskette danach ist sooo simpel und vorhersehbar wie sie falsch ist. Es ist eigentlich müßig, aber trotzdem: z.B. Kinder, die mit Aids geboren werden, was haben die bloß falsch gemacht nach dieser Theorie?? (Außer man läßt "Restschulden" aus vorigen Leben gelten - aber das scheint mir nicht Toms Religionsrichtung zu sein. Und auch dann ...)
So was kann doch nur einer sagen, der sich selbst für "rein" und perfekt hält. Gesegnet von Gott, quasi persönlich beschützt, weil er den "rechten" Glauben hat.:bredigt Pfff....
Es ist ja "nur" eine Fotostory, deshalb kann ich mir ohne Selbstvorwürfe wünschen, diesen Tom würde so ein ähnliches Schicksal treffen! Mal schauen, was er dann darüber sagen würde...
Du mußt keine Bedenken wegen des Inhalts deiner FS haben - (ja, ich hab deinen Blog gelesen) - mußt uns nicht schonen, gerade wegen der Brisanz der Themen schätze ich deine Sachen ja so!
:up Liebe Grüße,
Josijusa -
Zitat
Es ist wohl Gottes Wille
Ja und hoffentlich auch sein Wille, das der Typ über die Reling stolpert. :motz
Zitat„Gott tötet nicht, Gott schenkt das Leben und bestimmt, wann es Zeit für jeden ist, zu gehen.“
Macht er das nach dem Adlerprinzip? Kreist einfach über die Menge und stürzt sich über igrendjemanden ab, den es dann erwischen soll?
Zitat„Nein, aber Gott hat gesehen, dass irgendetwas in Ihnen, eine innere Wut vielleicht, Sie vom Glauben abhält. Daher hat er Ihnen den Krebs geschenkt.“
Jesses, was müsste ich dann alles schon für Gebrechen haben. Nette Geschenke macht er ja, der liebe Gott. Bei mir wird er sicherlich nie eingeladen.
Zitatöffne die Schublade und finde die Bibel darin liegen
Danach öffnete sie ein Bullauge, wenn möglich, und warf es weit, weit ins Meer. :angry
Ich glaube mit dieser Folge hast Du uns ganz schön aufgewühlt. Jedenfalls bin ich nun nicht mehr der vorigen Meinung, dass sie noch in Toms netter Gesellschaft bleiben sollte.
LG Rivendell -
Also ich muss sagen, dass ich keine Atheistin bin, sondern Christin.
Keine Angst! Nicht solche konservativen Kein-Sex-vor-der-Ehe-Sager, aber ich glaube an Gott und stehe auch dazu.
Wenn ich nicht an Gott glauben würde, könnte ich mir vieles nicht erkären. Ehrlich, ich bin ein Mensch der immer alles sachlich erkärt haben muss. Wie alles funktioniert und so was... Ich interessiere mich deswegen auch für Physik und Biologie.
Ich glaube, dass es kaum Physiker gibt, die nicht an Gott glauben.
Alles ist so genau abgestimmt. Das Sonnenstystem, die Jahreszeiten, die Lebewesen.
Wenn es nicht eine 'höhere Macht' geben würde, wie wäre alles entstanden? :rolleyes
Vor ein paar Jahren habe ich oft darüber nachgedacht. Über das Leben... Und dann machte es 'Klick' und ich war mittendrin und möchte sofort Antworten. (Ehrlich... Ich kann diesen Zustand nicht erkären) Über mich. Wenn ich sterbe, was wird passieren? Was bringt sich das Leben überhaupt?
Hat es einen Sinn das ich hier bin? Irgendwann werde ich sowieso nicht mehr da sein. Ein minimaler Bruchteil dieser Weltbevölkerung wird micht vermissen, aber auch wieder vergessen. :hua
Da brauche ich den Gedanken, dass nacher noch was kommt. Eine 'Belohnung' oder 'Urlaub'.
Vielleicht irre ich mich auch darin. Wahrscheinlich gibt es kein Paradies. Aber der 'Glaube' heißt 'Glaube', weil man an etwas glaubt und nicht weiß, dass es existiert. Und ich glaube an sowas.
(Trotzdem lebe ich nach wie vor für das hier und jetzt.)
Zu Christen: Ich gehe nicht gerne zur Kirche. Nur wegen meinen Eltern... :rolleyes Aber ich glaube an einen Gott und die Grundaussage des Christentums: "Alle Menschen sind gleich."
Zu Tom:Zitat„In solchen Fällen sage ich immer: Es ist wohl Gottes Wille.“
Ich finde solche Aussagen sehr unpassend und stimme Tom nicht zu. Ich glaube, dass es kein Schicksal gibt und das kein Leben für uns 'vorbestimmt' ist. Eher das jeder Mensch seinen eigenen Weg gehen kann. Möglicherweiße sind wir alle 'Versuchskanninchen von Gott?
Aber manche Menschen brauchen einfach diesen Satz, um sich etwas unerwartetes zu erkären.
Nicht so wie: "Ich hab die richtige Religion - jetzt bin ich gesund... hahaa!" sondern eher wie "Es ist etwas unerwartetes passiert... vielleicht hat das etwas mit höheren Mächten zu tun... vielleicht ist er/sie jetzt an einen besseren Ort"
Ich persönlich glaube nicht an so etwas, kann es aber trotzdem verstehen, wenn manche Menschen einfach an den Glauben festhalten wollen und dadurch Halt bekommen (wollen).
Zitat...deshalb kann ich mir ohne Selbstvorwürfe wünschen, diesen Tom würde so ein ähnliches Schicksal treffen!
Ich würde keinen Menschen Krebs wünschen, auch wenn er einen totalen Blödsinn erzählt. Er hatt ja keinen getötet oder so... :misstrau
Über diese Aussage lässt sich wahrscheinlich streiten.
ZitatIch glaube an keinen Gott. Ich sehe nicht ein, wieso ich meinem Leben einer höheren Macht unterwerfen soll und seiner ganzen launischen Auswirkung.
Ich werfe mich Gott auch nicht unter, und viele Christen glauben auch nicht daran, dass wenn sie sich nicht genau an die Bibel halten, krank werden oder sowas... Das sind höchstens die 'Zeugen Jehovas' (oder auch die 'Bibelfanatiker' ... :roftl)
Doch diese "Super-Christen" gibt es sehr selten. (Zumindest in meinem Umfeld...)
Der Text ist super, die Bilder auch. Das ist kein Thema...
Aber du schreibst tolle Inhalte! Darüber kann man so schön diskutieren... (Ich liebe diskutieren!... ^freu^)
Liebe Grüße
Edit: Hätte nicht gedacht, dass das soooo viel Text wird... Hoffe dir macht das nichts aus...
Edit 2: Da hat sich ja Rivendell vorgedrängt... -
Liebe Nonuna,
und noch eine Geschichte von dir, die mit viel Herz und Liebe geschrieben ist.:applaus
Annas letzte Reise, eine Reise vom Leben ins ungewisse. Eine Frau, mit der es das Schicksal nicht gut gemeint hat und doch gibt es leider tausende solcher Frauen.
Sie hat Krebs, der auch noch gestreut hat, wo die Hoffnung auf Heilung immer geringer wird.
Du beschreibst so schön ihre Gedanken, ihre Gefühle und wieder können wir etwas lernen, lernen von etwas das wir nie erleben möchten, aber wir können dann besser verstehen, verstehen wie es in Menschen wie Anna vorgeht. Jemanden zu begleiten, dessen Weg nicht einfach werden wird, mit Hoffnung, wie sie vielleicht auch Anna damals hatte, dass sie doch den Krebs besiegen kann.
Der eigene Wille kann Berge versetzen, aber er kann auch etwas zur Heilung beitragen. Für das Leben zu kämpfen auch wenn man nicht weiß, ob man diesen Kampf gewinnen kann.
Gut wie wir wissen, dass Anna leider diesen Kampf verloren hat, genauso wie viele vor ihr.
Also dieser Tom, ich weiß jetzt nicht ob er ein Priester ist, aber falls doch, hat er seinen Beruf verfällt oder seine Berufung verkehrt verstanden.
Ich weigere mich zu glauben, dass Gott jemanden Krankheiten zukommen lässt.
Und finde dass unfassbar, das Tom zu Anna sagt;
„Nein, aber Gott hat gesehen, dass irgendetwas in Ihnen, eine innere Wut vielleicht, Sie vom Glauben abhält. Daher hat er Ihnen den Krebs geschenkt.“
Wenn er das wirklich tun würde, würde die Erde nicht an Überbevölkerung leiden und die halbe Menschheit, wenn nicht sogar noch mehr, müsste wegen irgendwelchen Krankheiten dahinscheiden.
Ich bin zwar nun nicht gerade ein sehr gläubiger Mensch, doch auch ich habe schon in der Bibel gelesen und mir Gedanken über den Glauben gemacht. Sogar schon Mal gebetet, wie vielleicht jeder der in einer Hilfesuchende Situation war.
Die Bibel ist genauso schwer zu verstehen, wie unser Steuerrecht oder das Gesetzbuch.
Man kann jeden Psalm in so viele verschiedene Varianten auslegen, dass man es so hinbiegen kann, wie man es hören will und das ist für manche Scharlatane oder Sekten vom großen Vorteil. Das einzige was klar und deutlich verständlich geschrieben ist, sind die zehn Gebote. Und jeder anständige Mensch, lebt nach diesen auch ohne sie zu kennen. Ich finde nur, wenn es Gott wirklich geben sollte, sollte er drauf achten, dass in seinen Namen nicht soviel Unheil angerichtet wird. Immer heiß es; „Es ist Gottes Wille!“
Aber oft stecken eher sehr irdische Kräfte dahinter.
So ich höre jetzt auf mit diesem Thema, sonst führt das noch ins unendliche.:rollauge
Vielleicht eröffnet ja jemanden solch ein Thema, wird bestimmt sehr interessant werden.
Gerne werde ich Anna auf ihre letzte Reise begleiten auch wenn es eine sehr traurige Geschichte ist. Aber der Tod gehört nun Mal zum leben und keiner kann vor ihm davonlaufen.
Bis dann!:) -
Hehe, schön, dass eine kleine Diskussion entstanden ist... nun möchte ich euch das neue Kapitel nicht vorenthalten!
Kapitel 14
Als Kind ist einem doch die Welt ziemlich klar - und wenn man stirbt, weiß man gar nichts.
Hans-Joachim Kulenkampff, dt. Schauspieler und Moderator
Beim Abendessen starre ich lustlos auf meinen Teller. Ich habe mir Fisch bestellt, Scholle in irgendeiner Weissweinsosse. Aber mein Appetit will sich einfach nicht einstellen. Wird das mein letzter Fisch sein, den ich in meinem Leben esse? Habe ich überhaupt genug Fisch gegessen? Ich wollte schon immer mal Sushi probieren und habe es nie gemacht. Jetzt bereue ich das.
Ob es so was in Norwegen wohl gibt? Ich versuche mir die Bilder aus den Reiseprospekten in Erinnerung zu rufen. Tannenwälder. Seen. Fjorde. Elche. Die Vorurteile ziehen vor meinem inneren Auge durch und füllen mein Herz mit einer Sehnsucht, die ich vorher nie gekannt habe. Wie weit mag mein Vater damals gekommen sein?
Ich muss an Tom denken und schaue mich um, ob ich ihn irgendwo entdecken kann. Nichts hätte ich jetzt weniger gebrauchen können als eine zweite Begegnung mit ihm. Seine religiös motivierte Frechheit mir gegenüber hat mir gereicht. Ich versuche mich auf den Fisch zu konzentrieren und bewusst jeden Bissen zu geniessen.
Zurück in der Kabine strecke ich mich auf dem Bett aus. Ich lausche dem Summen des Schiffsmotors und schliesse die Augen. In meinem Kopf erklingt die Melodie eines Kinderliedes, das von einer Schifffahrt handelt. Ich habe den Text vergessen. Früher habe ich das immer mit meinen Schülern gesungen. Wir kann es mir nur entfallen sein?
Ich erinnere mich daran, wie ich das erste Mal nach der Diagnose wieder vor meiner Klasse gestanden bin. Ich schaute mir diese Kinder an, die noch so viel vor sich hatten und sich nicht dessen bewusst waren, was sie im Leben noch so alles erwarten würde. Sie wussten nichts von Steuern, Ehekrisen und Hypotheken. Ihre kleinen Köpfe waren wie leere Gefässe, die gefüllt werden wollen mit Erfahrungen.
Und da stand ich nun und wusste nicht, wie ich meinen Kindern erklären soll, dass sie eine neue Lehrerin bekommen würden. Soll ich ihnen sagen, dass ich bald in den Himmel komme? Soll ich ihnen sagen, dass ihre Lehrerin krank ist und bald sterben wird? Ich sah in diese unzähligen unschuldigen Kinderaugen und brachte es einfach nicht übers Herz.
Also bin ich gegangen, ohne dass ich ihnen gesagt habe, dass ich nicht wiederkommen werde. Sie hätte geweint, das weiss ich genau. Sie hätte mir Zeichnungen geschenkt mit „Gute Besserung“ in ungeübter Kinderschrift darauf gekritzelt. Besorgte Eltern hätten angerufen. Ich hätte es nicht ertragen können, sie traurig zu sehen.
Ich vermisse die Kinder. Ich vermisse ihr fröhliches, unbeschwertes Lachen, das mich so oft danach noch aufgeheitert hat. Ein Stück Normalität im grauen Alltag, dessen Strasse mich langsam ins Nichts führt. Mit diesem Gedanken lege ich mich schlafen und versuche, die Erinnerung an die schöne Zeit lebendig in meinem Kopf zu behalten. Wieder eine Nacht. Eine Nacht, die mich weiter an das Unvermeidbare bringt. -
Huhu...
ich mal wieder.
Ich finde diese Geschichte wunderschön.
Wenn man mir sagen würde, ich werde sterben binnen eines halben Jahres oder so.
Ich würde noch heute springen.
Ich bewundere Anna dafür, wie sie damit umgeht defenitiv sterben zu müssen.
Wie sie das alles organisiert bekommt, ihre Pläne umsetzt etc.Mach weiter so...
Freue mich schon auf baldige Fortsetzungen!
Cat