Nun, ich gebe zu, ich bin etwas gemein, und wir reisen erstmal wieder zurück in die Schweiz zum Rest der Familie Winter, bevor es mit Sophia wieder weiter geht!
Es waren einige Überredungskünste Erics vonnöten gewesen, um Regula dazu zu bewegen, sich mit ihm in der Stadt in einem kleinen Café zu treffen. Traute sie sich doch in letzter Zeit fast gar nicht mehr unter Menschen und auch das Einkaufen bereitete ihr regelmässig Angst.
„Du siehst etwas blass aus“, meinte Regula und musterte ihren Sohn aufmerksam. „Geht's dir gut?“
„Was?“ Verwirrt hob er seinen Blick und betrachtete sie wie durch einen Nebel hindurch.
„Ja, es geht mir gut, Mami, warum fragst du?“
„Du bist etwas blass“, wiederholte sie, „schläfst du auch genug?“
Er nickte.
„Trotz eurer jungen Liebe?“
Nun lächelte er.
„Keine Sorge, Mammi, wir sind keine Teenager mehr.“
„Helga ist nett. Irgendwie habe ich sie bereits in mein Herz
geschlossen. Ist auch alles in Ordnung mit euch beiden?“ Regula hatte das Gefühl, dass Eric's Verhalten in letzter Zeit nicht wirklich dem eines verliebten jungen Mannes entsprach und das machte ihr Sorgen.
Ein Strahlen erhellte sein Gesicht als er leise antwortete:
„Ja. Oh ja, ich war schon lange nicht mehr so glücklich wie mit Helga. Sie ist einfach eine wunderbare Frau!“
„Und an der Uni?“ Sie wollte nicht bohren aber sie kannte ihren Sohn gut genug um zu merken, dass ihn irgend etwas beschäftigte. Manchmal brauchte er nur eine genügend lange Anlaufzeit, bis er ihr schliesslich sein Herz ausschütten würde.
„Ach!“ Er machte eine weg werfende Handbewegung. „Hör bloss auf! Wenn ich daran denke, was ich noch alles lernen muss, wird mir fast schlecht! Aber auch das werd ich schaffen. Bloss überlege ich mir die letzte Zeit, ob es wirklich das ist, was ich will.“
Fragend schaute seine Mutter ihn an.
„Weißt du, seit ich diesen PC-Kurs für Senioren gebe, merke ich, dass es mir wirklich grossen Spass macht, Menschen etwas beizubringen. So dass mir mein Studium daneben so trocken vorkommt. Ich muss mir aber noch darüber klar werden, was genau mir denn mehr entsprechen würde.“
„Du hast noch Zeit, dich für eine andere Studienrichtung zu entscheiden.“
Eine Weile sassen beide nur da, beobachteten die anderen Gäste oder sahen durchs Fenster den Menschen zu, welche auf dem Marktplatz auf und ab gingen.
„Mam?“ fragte er plötzlich, „liebst du Papa eigentlich noch?“
Regula war perplex. Was für eine Frage! Eine solche Direktheit war sie sich von ihren Töchtern gewöhnt, jedoch bestimmt nicht von ihrem zurückhaltenden Sohn. Sie lachte verlegen.
„Wie kommst du denn jetzt darauf?“
„Neulich, als er abends angerufen hat, weil er anscheinend zu viel getrunken hatte, um noch nach Hause fahren zu können, hast du dir da keine Gedanken gemacht?“ sagte er, ohne auf ihre Frage einzugehen.
„Doch, natürlich hab ich mir Sorgen gemacht. Clemens ist kein grosser Trinker, und schon gar nicht, wenn er noch fahren muss. Da ist er absolut seriös.“
Erich starrte sie schweigend an.
„Es ist nicht einfach für ihn“, fuhr Regula fort, „meine Depressionen machen ihm glaub ich sehr zu schaffen und er hat sich in letzter Zeit die grösste Mühe gegeben, mich aus meiner Lethargie rauszureissen.“
„So?“ Eric zog die Augenbrauen hoch.
„Eric“, sagte sie sanft und streichelte kurz seine Hand, „ich weiss, dass du und Papa das Heu nicht auf der gleichen Bühne habt, aber du tust ihm unrecht. Er ist nicht so schlecht, wie du ihn immer darstellst.“
„Liebst du ihn noch?“ kam Eric auf seine Frage zurück.
Nachdenklich antwortete Regula:
„Ja, ich glaube, ich liebe ihn. Er ist mein Mann.“
„Glaubst du, ihn lieben zu müssen, weil er dein Mann ist? Egal, was er dir angetan hat?“
„Er hat mir doch nichts angetan. Wenn, dann haben wir beide Fehler gemacht. Worauf willst du denn hinaus?“ fragte sie, und auf ihrer Stirne bildete sich eine senkrechte Falte.
„Die ständigen Weibergeschichten zum Beispiel?“
„Warum um Gottes Willen willst du jetzt solch alte Geschichten wieder aufwärmen, das ist lange vorbei...“
„Ist es das?“ fragte er, ohne seine Mutter anzuschauen.
Was rede ich da? Dachte er gleichzeitig für sich, was gibt mir das Recht, meine Mutter mit meinen bösen Bemerkungen noch mehr ins schwarze Loch zu stossen, wenn ich sie doch eigentlich aus ihrer immer wiederkehrenden Trübsinnigkeit rausholen wollte?!
„Tut mir leid. Ich muss in letzter Zeit immer wieder daran denken, wie du damals diesen Brief von...... dieser........ Tamara an Papa gefunden hast.“
„Was ich damals viel schlimmer fand, war, dass du so etwas erleben musstest und meintest, mich schützen zu müssen. Du konntest mit niemandem darüber reden. Und was mich betrifft: ich habe dir schon damals gesagt und sage es dir heute wieder:
es hat mich vermutlich viel weniger schockiert als dich, da ich längst so etwas geahnt hatte. Aber schiebe nicht die ganze Schuld auf deinen Vater. Es war mindestens zu gleichen Teilen meine eigene Schuld. Ich hatte mich damals nur noch auf euch Kinder konzentriert. Ihr wart mein Ein und Alles, mein Leben, verstehst du? Der erste Gedanke, wenn ich aufwachte, wart ihr, meine Kinder, der letzte bevor ich einschlief, ebenfalls ihr! Clemens musste sich ausgeschlossen fühlen. Wie kann ich es ihm da verdenken, dass er.....“
„Mama!“ unterbrach Eric sie heftig, „Du hast alles für ihn getan! Hast ihn in seiner Karriere unterstützt, wo du nur konntest, ihm den Rücken freigehalten, jeden Abend pünktlich das Essen auf den Tisch gestellt, den ganzen Haushalt und drei nicht eben pflegeleichte kleine Kinder praktisch alleine aufgezogen, und da sagst du, dass es deine Schuld war?!“
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Er war nahe daran, mit der Faust auf den Tisch zu schlagen, aber er beherrschte sich. Ihr zuliebe.
geht gleich weiter!