Aber Jorino winkte ab und lachte nur:
„Schon gut, schon gut, die Ehrlichkeit deiner Tochter ist erfrischend, liebes Schwesterherz! Und ist mir im Übrigen tausendmal lieber als ein Geflüster hinter meinem Rücken!“
Diese Worte waren ganz eindeutig an seinen Schwager gerichtet, der jedoch tat, als ob es ihn nichts anginge und in der glühenden Kohle herum stocherte.
„Hast du wieder mit Gott gesprochen?“ wollte Sabrina wissen. Sie hatte ihre Arme um den Onkel geschlungen und wollte ihn gar nicht mehr los lassen.
„Ja natürlich, das gehört zu meinem täglichen Leben. Ich spreche mit ihm, er spricht mit mir.“
„Und der Engel Josephine?“
„Jaja, die Josephine. Die hat sich in letzter Zeit etwas zurück gezogen,“ er nickte nachdenklich mit seinem Strubelkopf, zog dann seine Nichte zu sich heran und flüsterte ihr ins Ohr: „aber bestimmt hat sie viel wichtigeres zu tun als auf den alten, verrückten Jorino aufzupassen...“
„Du bist nicht alt und nicht verrückt, Onkel Jorino, du bist ein besonderer Mensch!“ plapperte sie ihm ins Ohr und er lächelte.
„Jeder Mensch ist etwas besonderes, und jeder Mensch ist einzigartig, jedoch - vor Gott sind wir alle gleich.“
Vater Winter verdrehte die Augen zum Himmel. Er hatte nichts gegen Religion, aber die geschwollenen Reden dieses Möchtegern-Pfarrers gingen ihm einfach auf den Geist. Sollte das jetzt wieder den ganzen Abend so weitergehen?
"Nimmst du ein Glas Prosecco, Jorino?" bot Regula ihrem Bruder an, bevor ihr Ehemann mal wieder eine ironische Bemerkung auf Kosten Jorinos rauslassen konnte.
"Gerne meine Liebe, sehr gerne! Wie gehts dir denn, hm?"
Die Geschwister plauderten ausgiebig während die Jungen mit dem Hund spielten und Clemens die Plätzchen auf dem Grill überwachte.
Das Telefon klingelte. Froh um jede Ablenkung eilte Clemens Winter ins Haus, um den Hörer abzunehmen.
„Ja? Winter?“
„Hallo Schwager! Hier ist Judith! Stör ich?“
Na toll! Judith. Regulas Schwester. Es würde nicht mehr lange dauern, und die ganze Familie von Regula würde auf der Matte stehen!
„Du, ich bin gerade auf dem Weg von Bern nach Hause und dachte, wenn es euch recht ist, komme ich schnell auf einen Kaffee vorbei.“
„Hm, naja....“ Er überlegte kurz und schon ertönte wieder ihre schrille Stimme:
„Ihr seid also zu Hause? Dann bis später, okay?“
„Ja, gut. Wir sind zwar gerade am essen. Jorino ist hier.
„
„Ah, Jorino, mein Brüderchen! Na, dann ist ja alles bestens. Also bis dann!“ Für einmal war Clemens fast froh um seine Schwägerin, wenn er auch sonst mit ihr nicht viel anzufangen wusste, aber wenigstens war sie witzig und man konnte mit ihr auch über etwas anderes als Engel, sprechende Bäume und weinende Steine diskutieren.
geht gleich weiter!