„Das ist nicht so einfach, wie du dir das vorstellst. Es liegt mir wirklich etwas an ihm. Liebe muss ja nicht immer gleich die grosse Leidenschaft sein. Ich meine, was ich damals mit Sandro hatte, war eine andere Art von Liebe, mehr wie Schmetterling im Bauch, verstehst du?“
Jackie verzog das Gesicht.
„Neee, versteh ich nicht. Entweder bist du verknallt in den Typen, oder findest ihn zumindest heiss, oder dann lässt du es sein. So seh ich das!“
Und schon war sie wieder aufgestanden und zog Sophia mit auf die Tanzfläche. Aber diese war nicht bereit, das Gespräch schon wieder abzubrechen, denn sie war enttäuscht über Jackies Reaktion und liess sie dies auch spüren.
„Du verstehst es nicht, klar! Aber du steigst ja auch mit fremden Männern für Geld ins Bett!“
„Ja, und?“ meinte diese gelassen, „es ist ein Job wie jeder andere auch. Und meistens machts sogar Spass!“
"Das glaub ich dir nicht! Es ist total widerlich!“
„Sweetheart, versuch es doch selbst! Hey, ich habe in ein paar Wochen so viel verdient wie früher nicht einmal in Monaten! Und was mach ich dafür? Hey, ich geh gut essen, werde eingeladen in die teuersten Bars und Clubs, schlafe in 5-Sternhotels, habe guten Sex, was willst du mehr vom Leben?“
„Dir geht’s echt nur ums Geld! Aber ich glaube dir einfach nicht, dass dir das Spass macht. Es ist eklig, einfach nur schrecklich! Du verkaufst deinen Körper, dich selbst! Hast du gar keine Selbstachtung?“
Ohne auf die letzte Frage einzugehen, erwiderte Jackie:
„In dieser Welt geht es überall nur ums Geld! Hast du das noch nicht bemerkt? Ohne Geld bist du nichts! Schau dir meine Eltern an, Mam putzt den Dreck von irgendwelchen Leuten, krampft sich einen ab den ganzen Tag, Paps flickt anderer Leute Klos und was bleibt? Es reicht gerade mal knapp zum Leben! Sieh dir meine Brüder an, was haben die vom Leben? Ich will so schnell wie möglich eine eigene Bude haben, und weg von hier, in eine grosse Stadt, Berlin vielleicht, oder London. Jedenfalls weit weg von diesem Kaff. Ich will leben!“
„Aber das könntest du doch alles auch mit einem normalen Beruf haben...“ wagte Sophia noch einen letzten Versuch und hatte das Gefühl, sich anzuhören wie ihre eigenen Eltern. War sie wirklich so spiessig, wie Jackie es darstellte?
„Dazu hab ich aber keine Lust!“ meinte diese lakonisch und fügte augenzwinkernd hinzu: „wenn du mal knapp bei Kasse bist, melde dich einfach, rothaarige Frauen sind nämlich sehr begehrt!“
„Nie im Leben! Das wäre das allerletzte, was ich tun würde! Wie kannst du nur sowas machen! Es ist einfach mega widerlich - brrr!“
Sophia schüttelte sich und versuchte gleichzeitig, die ekelerregenden Bilder, die in ihr aufstiegen, zu verdrängen. Sie liess Jackie auf der Tanzfläche zurück, holte sich noch einen Drink und schaute der Freundin zu, welche sich ganz in ihren Verenkungen zur Musik verlor.
Sie fragte sich, ob Jackie nicht vielleicht doch recht hatte mit ihrer Lebenseinstellung? Was lebte sie, Sophia, für ein Leben? Die meiste Zeit verbrachte sie in der Schule und mit Lernen für die Matur nächstes Jahr. Und danach? Studieren stand ausser Frage für sie, aber sie wusste, dass sie sich langsam damit befassen musste, wie ihr Leben nachher weiter gehen sollte. Und das war ihr, der Träumerin, zugegebenermassen sehr zuwider. Sie tröstete sich jedoch einmal mehr damit, dass sie ja noch eine Weile Zeit hatte, sich darum zu kümmern. Bis dahin wollte sie - wenn auch nicht ganz auf die gleiche Art und Weise wie Jackie - ihr Leben in vollen Zügen geniessen!
*Fertig*