Kapitel 21: Leichtes Mädchen
Also eigentlich ein toller Job, wäre da nicht wieder etwas vorgefallen. Ich arbeitete schon fast eine Woche im Saloon, als ein rothaariger Kerl auf mich zukam und mich ganz offensichtlich anmachte. "Hey, Schnecke", begann er seinen plumpen Annährungsversuch, "du hast doch gleich Pause. Mein Wagen steht gleich um die Ecke. Den solltest du dir unbedingt von innen ansehen". Dabei grinste er mich anzüglich an und machte eine eindeutige Hüftbewegung.
Ich war angewidert und entsetzt. Was glaubte dieser Typ, wer ich war? Ich arbeitete in diesem Saloon als Bedienung und nicht als Dame für nette Stunden, auch wenn das früher vielleicht ein und dasselbe gewesen war. Ich schluckte heftig und versuchte mich wieder zu fassen. "Möchten Sie etwas bestellen?", fragte ich mit gedämpfter Stimme. "Ja, dich. In fünf Minuten bei mir im Wagen". Ich konnte nicht fassen, wie unverschämt dieser Typ war. "Wenn Sie nichts trinken wollen, dann möchte ich Sie bitten das Lokal zu verlassen", erklärte ich mit bestimmter Stimme. Aber diese Fassade täuschte. Meine Knie zitterten so sehr, dass ich fast eingeknickt wäre. Wenn er jetzt nicht ginge, wüsste ich nicht, wie ich weiter reagieren sollte, so sehr verunsicherte mich sein Verhalten.
Doch der Typ ging. Er sah mich zwar wenig freundlich an, aber er verließ den Saloon und ich sackte absolut fertig auf einem Stuhl zusammen. Es dauerte eine Weile, aber dann war ich wieder so weit gefestigt, dass ich meine Arbeit aufnehmen konnte.
"Oxana, Herr Longhorn ist im Anmarsch", hörte ich Aron mir noch zuflüstern kurz bevor eben dieser vor mich trat. "Frau Brodlowska", begann er im harschen Tonfall, "ich habe heute eine Beschwerde über sie von einem unserer Stammkunden erhalten. Sie hätten ihn grundlos aus dem Lokal geworfen. Ich wünsche, dass so etwas nicht mehr vorkommt!"
Ich hatte gar keine Möglichkeit zu erklären, wie dieser Vorfall sich ereignet hatte. Und an Herrn Longhorns Gesichtsausdruck konnte ich deutlich ablesen, dass ihn das auch nicht im Geringsten interessierte. Aus diesem Grund nickte ich nur stumm. "Dann wäre das ja geklärt", sagte Herr Longhorn nun etwas freundlicher, aber eine Warnung folgte sogleich: "Aber ich möchte, dass sich so etwas nicht wiederholt. Es gibt genügend andere junge Frauen, die diesen Job gern hätten."
Ich weiß, dass ich eigentlich hätte etwas sagen sollen, aber ich tat es nicht. Stattdessen machte ich mich wieder an die Arbeit, so als ob nichts passiert wäre. Ab diesem Tag begann die Arbeit mir deutlich weniger Spaß zu machen. Ständig hatte ich Angst wieder von einem Typen blöd angemacht zu werden. Außerdem hatte ich das Gefühl, als ob die Damen, die zweimal die Woche zum Bridgeabend in den Saloon kamen, mich abfällig betrachteten. Sie waren zwar nicht offen unfreundlich, aber sie gaben mir das Gefühl, als ob ich nichts wert wäre.
Aber ich musste weiter machen. Schließlich brauchte ich das Geld, denn die Rechnungen bezahlten sich nicht von selbst und ich konnte schließlich nicht erwarten, dass Roland für alles aufkam. Ganz abgesehen davon, dass ich bezweifle, dass seine Gehalt dazu ausreichen würde.
Ganz besonders schlimm war es, als der rothaarige Typ wieder auftauchte. Seine Augen funkelten wütend, als er mich ansah und ich konnte sehen, dass er meine Unsicherheit genoss, als ich ihn bediente. Aber in Gegenwart meines Chefs konnte ich nichts machen und selbst wenn Herr Longhorn nicht anwesend gewesen wäre, hätte ich nicht den Mut aufgebracht mich zur Wehr zu setzen. Also bediente ich ihn, als ob nie etwas passiert wäre.
Und jeden Abend nach sechs Uhr kamen die Bohrturmarbeiter, die sich am Feierabend einen Drink genehmigen wollten. Und im Grunde war immer einer dabei, der mich mehr oder weniger offen anmachte. Das Grinsen und die Blicke konnte ich noch ignorieren, bei den Sprüchen wurde es dann schon schwieriger.
"Komm und setz dich auf Daddys Schoß, Puppe. Mein Bohrstab wird dich schon glücklich machen", musste ich mir von diesem Kerl anhören und er kam sich dabei auch noch ziemlich witzig vor. Ich versuchte es einfach zu überhören. Ich stellte ihm ausdruckslos sein Glas hin und verschwand dann mit einem Karton Flaschen in der Hand im Hinterzimmer des Saloons.
Genau diese Kiste hatte ich erst vor fünf Minuten nach vorne gebracht und das wusste Aron auch ganz genau, also folgte er mir. "Hey, Oxana, was ist denn los?", fragte er besorgt. "Du darfst dich von solchen Typen nicht fertig machen lassen. Die haben eine große Klappe, aber nichts dahinter." Er tätschelte tröstend meinen Arm, aber das machte es eigentlich nur noch schlimmer, denn jetzt konnte ich meine Tränen kaum noch zurückhalten.
Ich drehte meinen Kopf zur Seite und starte durchs Fenster auf den staubigen Wüstenboden. Ich wollte nicht, dass er die Tränen sah, die an meiner Wange hinunter kullerten. "Ich kann einfach nicht weghören", erklärte ich schließlich mit zittriger Stimme. "Jedes Mal, wenn so ein Spruch kommt, trifft es mich mitten ins Herz. Ich kann einfach nicht verstehen, warum diese Kerle so etwas sagen. Und Herr Longhorn gibt auch noch mir die Schuld. Ich bin doch keine Hure!" Ich blickte ihn mit meinen großen feuchten Augen an und er lächelte mitfühlend. "Nein, du bist keine Hure, Oxana, ganz sicher nicht."
Arons Worte bauten mich zumindest soweit auf, dass ich den Rest der Schicht überstehen konnte. Aber kaum hatte ich den Saloon früh morgens verlassen, brach ich erneut in Tränen aus. Wie sollte ich denn hier bloß weiter arbeiten?