Oxana - Wege des Gewissens

  • Super Bilder!! Die Landschaft schaut echt schön aus. :D

    Darf ich fragen woher du die Tiere hast? Sind das einfach so Deko-Objekte oder bewegen die sich?? Wär lustig wenn son paar Hühner durch die Gegend laufen würden....

    LG

    [SIZE=4]Für Shakespeare ist die Liebe eine Krankheit, die oft genug zum Tode führt. Je länger ich lebe, desto mehr bin ich geneigt ihm zu glauben... [/SIZE]

  • star of Night
    Vielen dank für deinen Kommentar. Ich hab mich riesig gefreut.
    Ich weiß leider nicht mehr, wo ich die Tiere runtergeladen habe. Es sind aber alles nur Deko-Objekte, die sich nicht bewegen. Das sieht auf Bildern iner Story ganz nett aus, aber fürs Spiel selbst hat es kaum einen Nutzen.

  • Kapitel 37: Country Roads




    Gerade in den Mittagsstunden blieb uns immer etwas Freizeit. Es war einfach zu heiß und auch Bob legte dann gerne eine kleine Siesta ein. Bis auch uns drei, ihn und Gretchen gab es keine weiteren Menschen auf der Farm. Erst dachte ich, er und Gretchen wären verheiratet oder so, aber scheinbar waren sie es nicht, denn Gretchen verbrachte auffällig viel Zeit mit Roland und war dabei ständig am Kichern.




    Ich glaube, dass sollten Flirtversuche darstellen. Aber sicher war ich mir nicht. Schließlich erkannte ich einen Flirtversuch ja selber kaum, wenn er mir nicht mit der Holzhammermethode präsentiert wurde. Egal, was es nun war, Roland ließ es sich nicht nehmen, Gretchen auf der Schaukel anzustoßen oder mit ihr Spaziergänge durch die umliegenden Maisfelder zu unternehmen. Aber ob er wirklich an Gretchen interessiert war? Immerhin war sie mindestens Mitte dreißig und ihr Hausfrauencharme so gar nicht Rolands Typ.




    Gleich am ersten Tag auf der Farm fiel Roland ein Klavier auf, welches im Klassenzimmer stand. Die dicke Staubschicht ließ darauf schließen, dass es nicht sehr häufig genutzt wurde. Aus diesem Grund starrte Roland es die ersten Tage nur an, traute sich aber nicht darauf zu spielen. Erst als Bob und Gretchen eines Tages nach Ganado Alegro mussten, um einige Einkäufe zu erledigen, sah er seine Chance. Er hob die Klappe an und stellte ein Notenheft auf, welches er schon vor drei Tagen in einem der Bücherregale gefunden hatte. Und dann begann er zu spielen. Und nicht irgendwelche Kinderlieder wie "Alle meine Entchen" oder den "Flohwalzer", wie ich es gerade noch so hinbekommen hätte. Nein, er spielte Stücke von Bach und Mozart und sie hörten sich selbst auf diesem verstimmten Klavier herrlich an. Roland hatte zwar mal erwähnt, dass er als Kind Klavierstunden genommen hatte, aber mit so einem Talent hatte ich nicht gerechnet.




    Er beendet gerade sein Spiel und packte das Notenheft zurück in das Regal, als sein Blick auf eine Glas fiel, welches in der Ecke neben dem Klavier stand. "Was ist denn das?", dachte er und schaute neugierig hinein. Als er nichts erkennen konnte, pustete er kräftig hinein und wirbelte damit den Staub auf, der sich dort über Monate angesammelt haben musste. Schnell kniff er die Augen zusammen um sich vor den herumwirbelnden Schmutzteilchen zu schützen und musste laut niesen. Als er noch mal in das Glas spähte, konnte er gerade noch erkennen, wie ein Spinne herauskletterte und sich geschickt an einem dünnen Faden zum Boden herabließ und hinter dem Klavier verschwand. Ansonsten war das Glas leer.




    Wir waren schon zwei Wochen auf der Farm, als plötzlich eine ganze Horde Menschen hier auftauchten. Und es waren eindeutig keine Farmhilfen. Und dann kam die große Überraschung. Bob öffnete eine Tür im Erdgeschoss der Farm, die bis dahin immer verschlossen war und offenbarte uns eine Bowlingbahn. "Zweimal im Monat können die Bewohner aus Ganado Alegro und den umliegenden Farmen zum Bowlen kommen", erklärte er uns. "Diese Bahn hat noch mein Vater errichtet und seitdem ist sie eine feste Institution in dieser Gegend." Bob gab uns für den Rest des Tages frei und erlaubte uns, ebenfalls zu spielen. Tristan stellte sich zwar nicht sehr geschickt an, aber so erging es auch mir. So war unser Spiel wenigsten ausgeglichen und bis zum Schluss spannend.




    Roland entpuppte sich dagegen als wahres Naturtalent im Bowling. Aber das überraschte mich eigentlich nicht wirklich. Roland war eigentlich in jedem Bereich gut. Egal ob es darum ging, Klavier zu spielen, Fitnessübungen zu machen, die Dusche zu reparieren, zu kochen oder eben auch zu bowlen. Ein Strike folgte dem nächsten und er führte jedesmal einen Freudentanz auf und fing sich dabei Gretchens bewundernde Blicke ein. Aber es machte auch Spaß ihm zuzusehen. Irgendwo konnte ich Gretchen da verstehen.




    Und plötzlich schlug er vor, dass wir die Instrumente, die sich auf der anderen Seite des Raumes befanden austesten sollten. Eigentlich fragte er Tristan und mich nicht wirklich, sondern schob uns zum Schlagzeug und zum Bass und schnappte sich selbst die Gitarre. Doch während Tristan wagemutig begann, den Bass zu bedienen, stand ich wieder vom Schlagzeug auf. Roland guckte mich böse an. "Los mach schon, Oxana. Sei keine Spielverderberin!". Ich schüttelte mit meinen Zöpfen. "Ich singe lieber". Damit war Roland auch zufrieden und grinste mich an. "Na dann los!"

    "Almost heaven, West Virginia
    Blue Ridge Mountains, Shanandoah River
    Life is old there older than the trees,
    Younger than the mountains, blowing like the breeze.
    Country roads, take me home to the place I belong
    West Virginia. Mountain mama, take me home, country roads
    ."




    Die zahlreichen Übungsstunden unter der Dusche zahlten sich aus. Zumindest hatten die übrigen Besucher der Farm ihren Spaß. Sei es nun, weil wir so gut waren, oder weil sie sich über uns lustig machen konnten. Das war mir irgendwie egal, schließlich kannte mich ja niemand aus Ganado Alegro. Roland legte dann noch mal richtig los und lieferte den Zuschauern ein aufregendes Gitarrensolo. Gitarre spielen konnte er also auch.




    Ein paar Tage später kam Benny mich überraschend besuchen. "Ich dachte, du müsstest zum Viehtrieb nach SimVegas?", begrüßte ich ihn überschwänglich. Mit ihm hätte ich nun wirklich nicht gerechnet und ließ ihn kaum zu Wort kommen, weil ein Kuss dem nächsten folgte. "Ich hab es ohne dich nicht mehr ausgehalten und bin mit dem Jeep hergefahren. Mein Chef weiß nichts davon und ich muss morgen früh wieder bei der Herde und den anderen sein."




    Das war ja so lieb von ihm. Einfach alles stehen und liegen zu lassen, nur um mich zu sehen. Wir schlenderten Hand in Hand zur Veranda des Haupthauses und ließen uns auf der Bank nieder. Benny musste kichern, als ich anfing ihn im Nacken zu kraulen. Das machte er immer, wenn ich das tat und ich fand es süß, wie alles andere an ihm auch. Wir blieben sehr lange dort sitzen, bis Benny schließlich los musste, wenn er es noch vor Anbruch des Morgens zurück zur Herde schaffen wollte.




    Bennys Besuch hatte mir neue Kraft für die folgenden Tage gegeben. Und es kam mir auch ganz recht, dass Bob uns nun die Pflege der Rinder anvertraute. So fühlte ich mich Benny irgendwie verbunden, der jetzt irgendwo zwischen Ganado Alegro und SimVegas war, um die Rinderherde seines Chefs zum Viehbahnhof in SimVegas zu treiben, von wo aus das Vieh dann zu den Metropolen der SimNation, wie Simtropolis und SimCity, verfrachtet wurde.
    Tristan und Roland betrachteten die Rindviecher eher vorsichtig, wobei eine der Kühe ihre raue Zunge Richtung Rolands Hand ausstreckte und dabei mit ihren Augen rollte. Rolands Hand zuckte intuitiv weg und ich musste über seine Angst lachen. "Das sind doch nur freundliche, große Vegetarier".




    Obwohl die Farm über einen automatischen Melkroboter verfügte, wollte Bob, dass wir auch lernten, die Milchkühe mit der Hand zu melken. "Man kann schließlich nie wissen, wann die Technik einmal versagt", begründete er seine Entscheidung. "Und auf Eure Hände ist immer verlass". So große Angst ich auch vor den Pferden gehabt hatte, die Rinder waren mir sofort vertraut. Ich platzierte einen Eimer unter die Euter des Tieres und hockte mich auf ein Dreibein, welches griffbereit neben dem Gatter stand. Und auch wenn es eine Weile dauerte, bis ich die richtige Technik heraus hatte, schließlich spritzte die Milch mit kräftigen Strahlen abwechselnd aus einer der zwei Zitzen, die ich in meinen Händen hielt.




    Die Wochen flogen nur so dahin und langsam hatte ich das Gefühl, dass wir drei, Tristan, Roland und ich, es tatsächlich schaffen könnten, aus der "Grünspan Farm" einen erfolgreichen landwirtschaftlichen Betrieb zu machen.
    Dieser Meinung war scheinbar auch Bob, den er zog sich mehr und mehr zurück und überließ uns die Leitung des Hofes für die letzte Woche. Und das klappte wirklich gut. Außer natürlich, Roland und Tristan spielten sich mal wieder gegenseitig Streiche, wie etwa, dass Tristan die Leiter zum Scheunenboden versteckte, während Roland oben war. Und wer durfte die Leiter dann suchen, während Tristan sich irgendwo versteckte und kringelich lachte?




    Immerhin stellte Roland fest, dass wir auf keinen Fall irgendwelche Tier in der Nähe unseres Hauses halten sollten. Zwar hielt sich der Gestank des Misthaufens in Grenzen, da er dank der Hitze sofort austrocknete, angenehm war der Geruch aber trotzdem nicht. In diesem Punkt konnte ich ihm nur zustimmen.




    Und dann war es auch schon so weit. Unsere vier Wochen auf der Lehrfarm waren vorüber. Gefeiert wurde das mit einem großen Feuer, das Bob mitten auf dem Hofplatz entfachte. Gretchen brachte uns Marshmallows, die wir auf Stöckchen aufspießten und in die Flammen hielten.




    Na gut, in die Flammen sollte man sie vielleicht nicht direkt halten, denn dann kommen schwarze verkohlte Irgendetwas dabei heraus. Beim zweiten Mal war ich dann auch schlauer und hielt meinen Marshmallow auch nur in die Hitze über den Flammen und verschlang dann die süße, klebrige, weiße Masse.




    Und wie es sich gehört, musste natürlich auch um das Feuer herum getanzt werden. Da ich das mit Roland schon bei meiner Party für die Farmervereinigung gemacht hatte, schnappte ich mir dieses Mal Tristan. Ich musste ihm zwar erst die Schritte zeigen, aber er begriff schnell und wir hüpften wie kleine Kinder um das Feuer.




    Noch am gleichen Abend holte Albert uns ab. Bob und Gretchen verabschiedeten sich von uns. Insbesondre Gretchen schien sehr betrübt darüber zu sein, dass wir gingen, wobei dies sicherlich Rolands Verdienst war. Bob wünschte uns noch viel Glück für die Zukunft: "Macht genau dort weiter, wo ihr hier aufgehört habt. Was ich euch beibringen konnte, war nur ein kleiner Teil dessen, was ihr noch lernen müsst. Aber immerhin habt ihr jetzt ein Grundwissen, auf das ihr aufbauen könnt. Die Kappes werden euch zur Seite stehen. Und ich hoffe inständig, dass ihr Erfolg haben werdet."


  • Kapitel 38: Blech, Dominik Blech





    In den nächsten Tagen kam Albert immer wieder vorbei, um mit mir die notwendigen Vorbereitungen zu treffen, um mein Land bewirtschaften zu können, so wie die Farmervereinigung es forderte. Dank der Fürsprache der Vereinigung erhielten wir einen günstigen Kredit bei der "Bank für Landwirtschaft" in SimVegas und die Transaktionen konnten bequem über das Internet abgewickelt werden. Roland und Tristan haben mir die Leitung unserer zukünftigen Farm übertragen. Auch wenn wir drei gemeinsam in diesem Haus lebten und sie mich auch unterstützen wollten, es war irgendwie doch mein Haus, mein Land. Und deshalb sollte auch ich die Entscheidungen treffen.




    Und dank Alberts Unterstützung fühlte ich mich damit auch ganz wohl. Die erste Anschaffung war ein Geländewagen. Er war nicht mehr der Neuste und deshalb nicht sehr teuer gewesen. Albert meinte, dass wir unbedingt ein Fahrzeug brauchen würden, schon allein aus dem Grund, weil unsere Felder und Weiden einige Kilometer entfernt lagen. Glücklicherweise hatte ich in Warschau meinen Führerschein gemacht. Früh morgens brach ich mit Albert nach Ganado Alegro auf. In dieser Woche fand dort eine Viehauktion statt und ich hatte vor, dort meine weiteren Investitionen zu tätigen.




    Und so kamen wir zu unseren Rindern. Es waren nicht viele, mit dem Kredit konnten wir nur eine Herde von 22 Stück kaufen. Es waren keine Milchkühe, sondern Rinder, die für die Schlachtung bestimmt waren. Mit dem restlichen Geld, ließen wir die erworbenen Kühe besamen und wenn wir Glück hatten, würden wir nächstes Jahr 22 gesunde Kälber haben. Die männlichen Tier könnten wir mästen und anschließend verkaufen, die weiblichen dazu nutzen, unsere Herde zu vergrößern. Albert hatte mir versichert, dass sich mit Rindern gutes Geld machen ließ. Ich hoffte, dass er Recht behielt, denn die Tiere brauchten viel Pflege und würden erst in etwa zwei Jahren die ersten Gewinne abwerfen.




    Aber so lange konnten wir nicht auf ein Einkommen verzichten. Deshalb schlug Albert vor, dass ich einige der brachliegenden Felder mit Mais bepflanzte. Mais war wenig anspruchsvoll und gedieh gut in diesem Klima. Außerdem konnte er unabhängig von der Jahreszeit angepflanzt werden, auch wenn sich unter den Bauern der Sierra Simlone ein gewisser Anbaurhythmus eingestellt hatte, den ich durchbrach. Die Saat verschlang dann das letzte Bisschen Geld, dass wir noch besaßen, aber wenigsten durften ich Gerdas und Alberts Maschinen kostenlos nutzen und wurde von Albert ausführlich in deren Bedienung eingewiesen. Ich weiß gar nicht, was ich ohne seine Hilfe getan hätte.
    Jetzt stand ich auf meinem Feld und betrachtete den aufgelockerten Boden, der mit Bewässerungsgräben durchzogen war, die mithilfe einer Pumpe in der Nacht geflutet wurden. Und als ich mich hinunterbeugte, konnte ich erkennen, wie die ersten zarten Maiskeime sich der wärmenden Sonne entgegenstreckten.








    Unsere Rinder wurden fetter und der Mais wuchs. Also war es endlich mal Zeit sich eine Pause zu gönnen. Also entschloss ich mich, ein kleines Grillfest bei uns im Garten zu geben. Gegenüber von uns wohnte schon seit längerem eine Familie, die ich bis jetzt nur vom Sehen kannte und das wollte ich ändern.




    Einer dieser Nachbarn war Dominik. "Ach so ist es richtig. Eine hübsche Frau bringt mir das Essen an den Tisch, so wie es sich gehört", war der erste Kommentar, den er von sich gab, als ich gerade die gegrillten Rippchen servierte.




    Ich starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an und er grinste nur anzüglich und zuckte mit seiner Augenbraue. Sprachlos ging ich weiter und stellte die restlichen Teller ab. Was war denn das für einer? Hatte der sie noch alle? Der war ja wohl in der Steinzeit stehen geblieben, was seine Einstellung zu Frauen betraf.




    Glücklicherweise kamen die anderen schnell an den Tisch, so dass ich mich nicht weiter mit diesem Typen beschäftigen musste. Vielleicht hatte es ja einen Grund, dass ich bis jetzt nichts mit ihm zu tun hatte? Wenigstens stellte sich seine Mutter Glinda als sehr nette Frau heraus. "Mhh, diese Rippchen sind wirklich köstlich", bemerkte Dominik und leckte demonstrativ seine Gabel ab. "Jetzt besteht kein Zweifel mehr daran, dass ich meine zukünftige Frau Dominik Blech gefunden habe. Oxana Brodlowska, willst du mich heiraten?" Tristan verschluckte sich fast an dem Stück Fleisch in seinem Mund und musste kräftig husten.




    Und ich starrte ihn an. War...war das ein Scherz? Unsicher schaute ich zu seiner Mutter, die ihn aber genau so überrascht anblickte wie ich. Er hingegen guckte mich erst ganz ernst an und zuckte dann wieder auffordernd mit der Augenbraue. Hilflos sah ich zu Benny hinüber, der mit dieser Situation auch überfordert schien.




    "Nicky, du solltest dich schämen", durchbrach Glinda schließlich die Stille. "Wie kannst du unsere Gastgeberin nur so in Verlegenheit bringen. Und das in Gegenwart ihres Freundes." Dann wand sie sich an Benny und mich und ihre Wangen liefen vor Scham rot an. "Ich muss mich für das Benehmen meines Sohnes entschuldigen. Er hat manchmal die Angewohnheit, sich einen Spaß aus der Verlegenheit seiner Mitmenschen zu machen." Dominiks breites Grinsen zeigte dies ganz eindeutig.




    Der restliche Abend verlief dann aber doch noch ganz angenehm, auch wenn ich immer wieder das Gefühl hatte, von Dominik beobachtet zu werden. Glinda unterhielt uns mit ein paar netten Geschichten aus ihrer Jugend und nur zu schnell verschwand die Sonne hinter den Bergen. "Ich muss jetzt gehen, Xana", erklärte Benny, als er sich von Tisch erhob und mir einen Kuss auf die Wange hauchte. Das verursachte bei Dominik wieder so ein seltsames, abfälliges Lächeln. Na, dem würde ich es zeigen! Ich schnappte mir Benny und küsste ihn so leidenschaftlich, wie ich es nur konnte. "Wow!", konnte Benny da nur erwidern und taumelte glücklich in Richtung seines Jeeps.




    Eigentlich hatte ich gedacht, damit das dämliche Grinsen aus Dominiks Gesicht zu nehmen, aber irgendwie habe ich genau das Gegenteil erreicht, denn jetzt grinste er nur noch breiter. Wütend eilte ich ins Haus und hatte nicht vor, diesen Kerl auch nur eines weiteren Blickes zu würdigen. Sollte Tristans sich doch mit ihm auseinandersetzen. Als ich mir sicher war, dass er und seine Mutter unser Grundstück verlassen hatten, ging ich wieder hinaus, um den Tisch abzuräumen. "Da bist du ja, mein zukünftige Frau Blech", erschreckte mich eine Stimme aus dem Schatten. Ich konnte nur das rote Glimmen einer Zigarette sehen, bis Dominik in das Licht der Verandabeleuchtung trat, eine Rauchwolke in den Nachthimmel blies und die Zigarette schließlich im Wüstenboden austrat. "Du nimmst diesen Zigarettenstummel aber gleich mit!", fuhr ich ihn an. "So weit kommt es noch, dass irgend so ein Möchtegern-Casanova meinen Garten zumüllt." Dominik grinste immer noch. "Ich liebe energische Frauen", sagte er und wieder zuckte seine Augenbraue.




    Und dann griff er meine Hand. Geistesgegenwärtig riss ich meinen Arm nach hinten und seine feuchten Lippen küssten nur die Luft und glücklicherweise nicht meine Hand. "Ich habe eine Freund", erklärte ich ihm, obwohl er das genau wusste. "Noch", war seine einzige Reaktion. Plötzlich wurde er ganz steif und verbeugte sich vor mir. "Gute Nacht, Fräulein Brodlowska. Und ich entschuldige mich vielmals dafür, falls ich ihnen Unannehmlichkeiten bereitet habe." Dann dreht er sich um schritt davon. Doch dann drehte er sich noch einmal um und schrie in den Nachthimmel: "Und denk schon mal daran, die Hochzeit zu planen, zukünftige Frau Dominik Blech". Lachend lief er zu seinem Haus.

  • Kapitel 39: Schmerzliche Nachrichten





    Was für ein eingebildeter Schnösel. Bevor ich in den heiraten würde, müssten schon sämtliche anderen Männer von der Erde verschwinden. Und selbst dann würde ich mir überlegen, ob ich nicht eher lesbisch werden sollte.



    Am nächsten Morgen stand Tristan an der Staffelei und malte. Er wollte ein Porträt von Roland malen. Ich war ja eher skeptisch, aber als ich das bisher gemalte sah, verschlug es mir fast die Sprache. "Tristan, das ist ja genial! Das sieht ja schon fast wie ein Foto aus". Das was ich dort sah, war unglaublich. Tristan lächelte verlegen. "Ähm, ich glaube, ich habe ihn ganz gut getroffen".





    Dann wollte ich Tristan mal lieber nicht stören. Aber wenn er mit dem Bild von Roland fertig war, sollte er noch unbedingt eins von mir und von sich selbst malen. Ich öffnete eine Wasserflasche und schenkte mir ein Glas ein. Dann schnappte ich mir die Fernbedingung und zappte durch die Kanäle, während ich einen kleinen Schluck aus dem Glas nahm.





    Plötzlich verließ mich die Kraft in meiner Hand und das Glas viel zu Boden. Auf dem Laminat zersprang es in tausend Scherben und das Wasser spritzte durch das Wohnzimmer. Doch ich bekam es gar nicht mit. Ich starte auf den Bildschirm und meine Lippen formten sich zu einem Schrei. Doch ich brachte nichts als einen erstickten Laut hervor. Meine Knie gaben nach und ich sackte zu Boden, mitten in die Scherben, und versuchte weiterhin zu schreien und brachte doch keinen Ton heraus.





    Roland kam aus der Küche geeilt. "Was ist passiert?", fragte er noch ganz ruhig, doch als er mich zusammengekauert auf den Boden entdeckte schwang plötzlich Panik in seiner Stimme mit. "Oxana, was ist los". Endlich schaffte ich es zu schreien, doch der Schrei ging über in ein hemmungsloses Weinen. "Oxana, was ist los?!", schrie Roland mich entsetzt an, doch ich konnte nur auf den Fernseher starren.





    Roland kam sofort rüber und kniete sich runter zu mir, versuchte mich in den Arm zu nehmen und herauszufinden, was los war, doch ich wurde von Weinkrämpfen durchschüttelt und starrte immer wieder auf den Bildschirm. Schließlich schaute auch Roland hin und langsam begann er zu begreifen, was passiert war. Auf dem Bildschirm erschien das Foto von Dr. Slake Dewory aus "Wirrungen der Begierde". "Der beliebte Schauspieler, erlag vor zwei Tagen einem schweren Krebsleiden", las die Nachrichtensprecherin von ihren Notizzetteln ab. "Die Fans der erfolgreichen Seifenoper "Wirrungen der Begierde" wunderten sich schon lange über den plötzlichen Ausstieg von Dariusz Brodlowski aus der Serie. Dieses Rätsel dürfte nun seine traurige Auflösung gefunden haben. Die Beisetzung des TV-Stars findet morgen in SimCity unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Dariusz Brodlowski hinterlässt einen Ehemann und seine drei Kinder Joanna, Oxana und Orion Brodlowski."





    Ich saß auf dem Boden und weinte, wiegte mich hin und zurück, als ob das meinen Schmerz nehmen könnte. Paps* war tot. Er war tot! Ein erneuter Heulkrampf durchfuhr meinen Körper. Roland beugte sich zu mir hinunter und zog mich auf die Beine und ich ließ es widerstandslos zu. Dann drückte er mich ganz fest an sich und strich mir beruhigend übers Haar. "Weine so viel du willst, Oxana", flüsterte er mir zu. "Ich bin immer für dich da".





    Tristan beobachtete die Szene durch die Tür des Arbeitszimmers, doch wusste er einfach nicht, wie er sich verhalten sollte. Erst als ich mich auf dem Sofa in den Schlaf geweint hatte, kam er ins Wohnzimmer und setzte sich hinzu. Roland erklärte ihm, was passiert war, zumindest so viel, wie er aus dem Nachrichtenbericht erfahren hatte. "Wie können wir ihr helfen?", fragte Tristan ehrlich besorgt. Doch Roland konnte nur ratlos mit dem Kopf schütteln. "Ihr Vater ist tot. Was können wir schon mehr machen, als einfach in ihrer Nähe zu sein, wenn sie uns braucht."





    Als ich aufwachte, fühlte ich mich nur noch leer. "Ich muss jetzt alleine sein", sagte ich heiser an Tristan und Roland gewandt und ging hinüber ins Arbeitszimmer. Die beiden machten keine Anstalten, mir zu folgen und ich war dankbar dafür. Mein Vater war gestorben und ich hatte ihn im Streit verlassen. Ich konnte seine Entscheidung bei seinem prügelnden Ehemann zu bleiben einfach nicht verstehen und hab ihn seit meinem Fortgang aus SimCity nicht mehr mit ihm geredet. Er hatte immer wieder versucht, mit mir in Kontakt zu treten, doch ich hab es nicht zugelassen und jetzt war es zu spät dafür.





    Das Einzige, was ich jetzt noch machen konnte, war es bei seiner Beerdigung zu erscheinen. Das war ich ihm schuldig. Zitternd wählte ich die Nummer des Flughafens in SimVegas. "Ich möchte einen Flug nach SimCity buchen", sprach ich leise. "Noch heute Abend, wenn es möglich ist".






    Ich hatte Glück und es waren noch Plätze für den Nachtflug frei. Das Packen meines Koffers lenkte mich für einen kurzen Moment ab, aber dann brach ich wieder in Tränen aus. Zusammengekauert auf dem Bett liegend fand mich dann auch Benny vor, als er mein Zimmer betrat. Roland hatte ihn hergerufen. "Es tut mir ja so leid, Xana". Mit diesen Worten nah er mich in den Arm und war einfach für mich da.





    Weinend erzählte ich ihm, wie es dazu kam, dass ich SimCity verlassen musste, wie es dazu kam, dass ich schließlich auch Warschau verließ, warum ich den Kontakt zu meiner Familie komplett abbrechen ließ. Er war der erste Mensch, dem ich das alles anvertraute. Und es tat mir gut, darüber zu reden. "Und du willst wirklich nicht, dass ich dich nach SimCity begleite?", fragt er. Ich löste mich aus seinem Arm und richtete mich auf. "Nein, das muss ich alleine tun", antwortete ich kopfschüttelnd und er akzeptierte es, auch wenn es ihm schwer fiel.





    Benny begleitete mich noch zum Flughafen, doch die Maschine betrat ich alleine. Es war ein ruhiger Flug und die Maschine landete pünktlich in SimCity. Als ich das Flughafengebäude verließ, fror ich ein wenig. Ich hatte bereits vergessen, wie kühl die Nachtluft in SimCity sein konnte. An der Straße warteten mehrere Taxen, sodass ich kein Problem hatte eine Mitfahrgelegenheit zu finden.





    Als das Taxi in das Viertel fuhr, in dem ich aufgewachsen war, fing mein Herz an zu rasen und wieder musste ich weinen. "Können sie bitte schon hier halten?", bat ich den Fahrer. Dieser fuhr rechts ran und ließ mich vor einem knallig pinken Haus aussteigen, auch wenn man das in der Dunkelheit kaum erkennen konnte.


    Langsam ging ich auf die Tür zu und klopfte vorsichtig an.




    Es war zwar schon spät, aber ich konnte sehen, dass im Haus noch überall Licht brannte. Also drückte ich die Türklingel und wenig später öffnete eine Frau Anfang fünfzig die Tür. Sie erkannte mich sofort. "Oxana, Schatz, komm rein", begrüßte sie mich überschwänglich. "Lass dich in den Arm nehmen. Franky!", schrei sie laut in das Haus hinein. "Oxana ist hier!". Ich war so froh, meine Patentante Sylvia wieder zu sehen, und trotzdem, oder gerade deswegen, brach ich in Tränen aus.





    Tante Sylvia führte mich in die Küche und setzte sofort einen heißen Tee auf. Onkel Franky begrüßte mich ebenfalls und wir setzten uns zu dritt an den Tisch. Ich war froh, dass sie mich nicht mit Fragen löcherten. "Ich konnte einfach nicht nach Hause", erklärte ich. "Die Beerdigung morgen ... ich weiß nicht, wie ich das durchstehen soll." Ich begann zu schluchzen und meine Augen füllten sich mit Tränen. "Und ich hab einfach nicht die Kraft, Dad gegenüber zu treten. Er hat gesagt, ich solle sein Haus nie wieder betreten. Noch mehr Ärger halte ich einfach nicht aus." Tante Sylvia sah mich verständnisvoll an. "Du kannst gerne in unserem Gästezimmer schlafen", bot sie mir ohne zu zögern an. "Wir sind doch froh, wenn du bei uns bist."





    Und ich war froh, hier sein zu können. Ich war so erschöpft, dass ich sofort einschlief. Ich weiß nicht, ob ich es nur geträumt hatte oder ob es tatsächlich so war, aber Tante Sylvia kam noch einmal zu mir ins Zimmer, deckte mich zu und streichelte mein Haar. Genau so hat sie es immer gemacht, als ich eine Zeit lang bei ihr wohnte, damals mit zwölf Jahren, als mein Paps Dad zum ersten Mal verlassen hatte. Und auch als ich viel Jahre später ohne Dach über dem Kopf auf der Straße stand, hat sie mich bei sich aufgenommen und sich um mich gekümmert.



    * Wenn im Folgenden von "Paps" die Rede ist, dann ist Oxanas leiblicher Vater Dariusz Brodlowski gemeint. Zur Unterscheidung wird ihr anderer Vater, Arkadiusz Brodlowski, der mit Dariusz verheiratet ist, "Dad" genannt.

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  • Kapitel 40: Beerdigung




    Von Tante Sylvia erfuhr ich den genauen Zeitpunkt der Beisetzung. Ich machte mich schon sehr früh auf den Weg zur Kirche, doch blieb ich draußen stehen und versteckte mich hinter einem Rosenbusch. Ich wollte nicht, dass mich jemand sah. Ich wollte nicht, dass Dad mich sah. Das einzige was ich wollt, war es Paps Beerdigung beizuwohnen und dann wieder nach Sierra Simlone Stadt zu entschwinden. Und dann sah ich sie kommen, die Trauergäste, meine Familie.




    Ich wartete, bis alle das Innere der Kirche betreten hatten und setzte mich dann unauffällig in die letzte Bank. Es war wirklich nur die engste Familie anwesend. Meine Schwester Joanna und ihr Mann Tobias, meine Großmutter Stasia und Paps Schwester Kasia. Es überraschte mich ein wenig, dass Lex Ehrmann, der Anwalt meiner Familie hier war. Ihn und Paps verband eine ganze besondere Beziehung. Ich hatte mir so oft gewünscht, dass Paps Dad verlassen und mit Lex glücklich werden würde. Doch Paps konnte sich nicht von Dad loslösen. Bis zum Schluss nicht. Neben Lex saß eine Frau, die ich nicht kannte. Als ich meinen kleinen Bruder Orion in der ersten Reihe erkannte, musste ich unweigerlich anfangen zu schluchzen. Wie gerne hätte ich ihn jetzt in die Arme geschlossen. Und dann war da noch Dad! Und bei seinem Anblick, hätte ich am liebsten die Kirche wieder verlassen.




    Doch natürlich blieb ich sitzen. Der Gottesdienst war schön. Er war wirklich schön. Es war alles so, wie Paps es sich gewünscht hätte. Die Musik, die ausgewählten Gebete. Als ich den Sarg sah, konnte ich mir nicht vorstellen, dass Paps darin liegen sollte. Es war alles so unwirklich. Ich weinte, weil mir schmerzlich bewusst wurde, dass ich ihn nie wieder sehen würde. Und ich weinte, weil ich glücklich war, denn hier im Hause Gottes spürte ich, das seine Seele nun bei unserem Herrn war.




    Kurz bevor der Gottesdienst endete, schlich ich mich hinaus, um nicht gesehen zu werden. Dad, Tobias, Lex und der Pfarrer trugen gemeinsam den Sarg aus der Kirche und der Rest der Trauergäste folgte ihnen zum Friedhof, der direkt hinter der Kirche lag. Dann wurde der Sarg langsam in die Vertiefung hinabgelassen. Ich beobachtete die Szene weinend aus dem Hintergrund. "Möge der Herr ihn bei sich aufnehmen", endete der Priester schließlich sein Gebet. Er beugt sich hinunter, nahm eine Handvoll Erde und warf sie auf den Sarg. Selbst aus dieser Entfernung konnte ich hören, wie meine Großmutter zu schluchzen begann und von meiner Tante getröstet wurde.




    Einer nach dem anderen ging nun zum Sarg, und warf Erde in das Grab hinunter, um so endgültig Abschied zu nehmen. Wenn alle anderen gegangen wären, dann würde auch ich zum Grab gehen und mich von Paps verabschieden. Doch plötzlich riss ein lautes Rufen mich aus meinen Gedanken: "Da ist Xana, da hinten steht Xana!". Entsetzt sah ich, wie mein kleiner Bruder Orion auf mich zugelaufen kam und sich die Blicke meiner gesamten Familie auf mich richteten.




    Orion lief so schnell seien kurzen Beine es zuließen und fiel mir um den Hals. "Endlich bist du wieder zurück, Xana. Endlich bist du wieder da". Und auch ich drückte meinen kleinen Bruder so fest ich konnte. "Ich wusste, dass du heute kommen würdest", flüsterte er mir ins Ohr. "Ich wusste, dass du Paps noch einmal auf Wiedersehen sagen würdest."




    Jetzt konnte ich mich nicht mehr länger verstecken. Orion fasste mich an der Hand und zog mich zu den restlichen Trauergästen. Da kam auch schon Joanna auf mich zugelaufen. "Xana! Ich hab mir so sehr gewünscht, dass du heute kommen würdest! Ich hab mir so sehr gewünscht, dich widerzusehen. Ich hab dich so sehr vermisst". Ihr Gesicht war tränenüberlaufen, ebenso wie meins. "Ich hab dich auch vermisst", gestand ich ihr ehrlich. "Aber ich wünschte, ich wäre aus einem anderen Grund hier."




    "Wie kannst du es wagen, heute hier aufzutauchen!", schrie Dad und kam auf mich zugestürmt. Ich konnte seine Alkoholfahne augenblicklich riechen. Im Hintergrund sah ich, wie Großmutter begann, hemmungslos zu weinen. Und daran war nur er schuld. " Wie kannst du es wagen, hier auf seiner Beerdigung aufzutauchen, nach allem, was du ihm angetan hast?!", brüllte Dad mich weiter an. "Er hat so oft versucht dich anzurufen! Er hat dir so viele Briefe geschrieben! Er wollte dich nur noch ein einziges Mal sehen, bevor er starb, aber du warst so selbstsüchtig und hast ihm diesen Wunsch nicht erfüllt. Weißt du, wie oft er, sich vor Schmerzen windend, deinen Namen gerufen hat? Aber du bist nicht gekommen! Und jetzt erdreistest du dich auf seiner Beerdigung zu erscheinen?!"




    Seine Worte trafen mich mitten ins Herz. Ich versuchte irgendetwas zu sagen, doch aus meinem aufgerissenen Mund kam kein Ton. Hatte Paps wegen mir wirklich so sehr gelitten? Es stimmte, er hatte immer wieder versucht, sich mit mir auszusprechen, doch ich hatte es jedes Mal abgelehnt. Aber wie hätte ich ahnen können, dass es ihm so schlecht ging? Doch das war keine Entschuldigung. Er war sterbenskrank gewesen und ich habe es abgelehnt mit ihm zu sprechen! Was war ich bloß für eine Tochter?




    Doch dann schoss mir ein anderer Gedanke durch den Kopf: Was war Dad denn für ein Vater, dass er mir solch einen Vorwurf machen konnte? "Nein, Dad, du wirst mir jetzt nicht die Schuld geben", entgegnete ich entschieden. "Du hast mich aus dem Haus geworfen! Das warst du ganz allein und ich hatte nichts Falsches gemacht. Ich wollte Paps beschützen! Vor dir beschützen, weil er nicht gemerkt hat, was für ein verdammter Mistkerl du bist. Und ich habe jedes Recht bei seiner Beerdigung dabei zu sein! Ich habe Paps geliebt, aber du weißt ja nicht einmal, was dieses Wort bedeutet".




    Ich dachte er würde mir gleich mit seiner geballten Faust ins Gesicht schlagen. "Hört auf, alle beide!", schrie Joanna dazwischen. Sie war total aufgelöst. "Könnt ihr nicht einmal an Paps Beerdigung für einen Moment Frieden schließen? Dieser Tag ist schon schlimm genug, aber mit euren Streitereien macht ihr es nur noch viel schlimmer". Sie begann heftig zu weinen, doch Dad und ich starrten uns nur gegenseitig hasserfüllt an.




    "Ich werde ihm niemals verzeihen", zischte ich zwischen zusammengekniffenen Lippen. Dann ging ich zum Grab hinüber, nahm eine Hand voll Erde und warf sie hinunter auf den Sarg. "Ruhe in Frieden, Paps", flüsterte ich ganz ruhig. Dann erhob ich mich und ging wütend zwischen meinem Dad und meiner Schwester hindurch. Dabei stieß ich heftig an Dads Schulter an, doch das geschah ihm nur recht. Joanna stand nur stumm da und ließ mich gehen, doch Dad rief mir noch ein letztes, wütendes, "Lass dich nie wieder hier blicken", hinterher.




    Ich lief direkt zum Haus von Tante Sylvia und Onkel Franky. Ich hatte vor, direkt wieder in die Sierra Simlone zu fliegen und all das hinter mir zu lassen, doch Dads Worte ließen mir keine Ruhe. Hat Paps wirklich so gelitten, weil ich ihn nicht mehr sehen wollte? War ich wirklich so selbstsüchtig gewesen? In meinem Koffer lagen seine Briefe. Ich hatte sie mit aus Warschau genommen und jetzt mit aus Sierra Simlone Stadt, aber ich hatte sie noch nie geöffnet. Doch jetzt musste ich es. Ich musste einfach wissen, was Paps mir geschrieben hatte.




    Er entschuldigte sich in jedem einzelnen Brief und bat mich darum, ihm zu verzeihen. Gott, hätte ich diese Briefe bloß früher gelesen. Am Abend ging ich noch einmal zu Friedhof. Das Grab war bereits aufgeschüttet und mit Blumen bedeckt. "Ich verzeihe dir, Paps", beteuerte ich heiser, als auch ich einen weiteren Strauß Blumen auf sein Grab legte. "Ich bin dir nicht mehr böse, dass du zugesehen hast, wie Dad mich aus dem Haus warf. Und ich hoffe, du kannst mir auch verzeihen". Ich fing an zu schluchzen. "Bitte, Paps, verzeih mir!".








    "Willkommen zurück zu Hause, Oxana!". Tristan nahm mich sofort in den Arm, nachdem ich das Haus betreten hatte. Ich schaffte es kaum meinen Koffer abzustellen. "Ich bin auch froh, wieder hier zu sein", entgegnete ich. "Wie lange war ich weg? Drei, vier Wochen?". "Sechs", antwortete Roland für mich. "Schön, dass du wieder da bist."




    Auf dem Weg in meine Zimmer bemerkte ich sofort die neuen Bilder. "Sind die alle von dir?", fragte ich Tristan. "Nein", gab er ehrlich zu. "Nur das Bild von Roland habe ich selbst gemacht. Die beiden von uns und das Gruppenbild sind von Roland".




    Nachdem ich mir die Bilder genau angesehen hatte, ging ich weiter. Ja, sechs Wochen war ich weg gewesen. Zunächst bin ich in SimCity geblieben. Ich hatte noch so viel, was ich Paps sagen wollte. In seinen Briefen standen so viele Dinge, die er mir nie gesagt hatte. Ich wollte einfach in seiner Nähe sein. In dieser Zeit habe ich aber weder mit meinen Geschwistern, noch mit Dad geredet. Dann bin ich nach Warschau geflogen, denn meiner Großmutter ging es nicht gut. Sie brauchte meine Hilfe und ich...ich brauchte sie auch.




    "Hallo, Schatz". Ich war gerade damit fertig geworden meine Sachen in den Schrank einzuräumen als Benny in mein Zimmer kam. Ich hatte so sehr gehofft, dass er nicht kommen würde. Nicht heute. Er kam auf mich zu und wollte mich küssen. Doch ich hielt ihn zurück. "Halt, Benny, nicht!"




    Er wurde ganz steif und sah mich verwirrt an. "Oxana, was ist denn?", fragte er und Unsicherheit schwang in seiner Stimme mit. Ich wusste, dass ich es ihm nicht schonend beibringen konnte, also sprach ich es einfach aus: "Wir sollten uns trennen, Benny. Das ist mir in den letzten sechs Wochen klar geworden." "Aber, Oxana, was redest du denn da?", unterbrach er mich entsetzt. "Ich liebe dich doch. Und du liebst mich doch auch."




    "Liebe ist manchmal nicht genug", lautete meine nüchterne Antwort. "Mein Vater hat meinen Dad geliebt, und trotzdem wurde er von ihm verletzt. Und mein Dad? Ich glaube auf irgendeine kranke Art hat er Paps auch geliebt und trotzdem war er der Grund, dass es Paps sein Leben lang dreckig ging. Und das will ich nicht Benny. Du sagst, dass du mich liebst. Vielleicht stimmt das sogar, aber du wirst mir trotzdem weh tun. Wenn ich mich auf dich einlasse, dann wirst du mir irgendwann mein Herz brechen. Also mache ich Schluss, bevor es so weit ist. Benny, Geh! Bitte."




    Gedanken:



    [align=center] Ich hatte mein Haus behalten. Und darüber war ich froh, aber freuen konnte ich mich trotzdem nicht. Wie denn auch? Paps war gestorben. Er war tot! Daran konnte ich nichts mehr ändern und auch wenn ich mir immer wieder sagte, dass ich nichts dafür konnte, fühlte ich mich für seinen Tod verantwortlich. Wenn ich seine Entschuldigung zugelassen hätte, vielleicht wäre dann alles ganz anders gekommen?
    Und mir fehlte Benny. Aber meine Entscheidung war endgültig und sie war richtig. Ich habe gesehen, wie Paps gelitten hat, weil er blind war vor Liebe. Das würde ich nicht zulassen. Ich würde nicht zulassen, dass ich mich einem Menschen so sehr öffne, dass ich ihm vollkommen ausgeliefert wäre. Lieber blieb ich ein Leben lang allein.


    Das ich nun die Farm hatte, die mich jeden Tag aufs Neue forderte, war ein wahrer Segen. Natürlich war die Arbeit schwer und auf unserem Konto sah es auch nicht gut aus. 1405§ waren alles, was wir noch hatten und die erste Ernte lag noch viele Monate in der Zukunft.

    Und da wir alle drei nur noch für die Farm arbeiteten, würde auch kein Geld auf anderem Weg in unsere Kasse fließen. Obwohl, vielleicht würde es Roland schaffen, das ein oder andere Bild zu verkaufen. So könnten wir wenigstens die laufenden Rechnungen bezahlen. Aber ich wollte gar nicht so weit in die Zukunft blicken.

  • Kapitel 41: Leere Kassen




    "Morgen, Jungs", begrüßte ich Roland und Tristan, die am Frühstückstisch saßen. Für mich stand auch schon ein Teller bereit und etwas im Magen konnte ich jetzt gut vertragen. Ich kam gerade von der Weide und hatte nach den Rindern gesehen. Vor drei Wochen sind sie in der Nacht durch den Zaun gebrochen und ein Lastwagen hat sie zu spät bemerkt. Dabei haben wir zwei Rinder verloren. Seitdem kontrollierte immer einer von uns früh morgens, wo sich die Herde befand, noch ehe der Verkehr auf den Straßen einsetzt.




    "Und, ist irgendwas vorgefallen?", fragte Roland kauend. Ich sank erschöpft in den Sessel und begann in meinem Essen herumzustochern. "Den Rindern geht es gut. Nur beim Mais gibt es Probleme". "Schon wieder?", fragt Roland genervt. "Was ist es denn diesmal". Ich lachte müde. "Das gleiche wie immer, was glaubst du denn. Die Grundwasserpumpe spinnt erneut. Das gesamte südliche Feld wurde heute Nacht nicht bewässert. Ich hab ein paar Mal draufgehauen, da sprang sie wieder an. Wenigstens bekommen die Pflanzen so etwas Wasser. Aber ich glaube, wir müssen echt einen Handwerker rufen, der das ordentlich hinkriegt. Sonst vertrocknet uns noch die halbe Ernte."




    "Und wovon sollen wir das bezahlen?", fragte Tristan und öffnete den Kühlschrank. "Wir haben ja noch nicht mal genug Geld, um für das Mittagessen einzukaufen." Er betrachtete kurz die gähnende Leere, die er vorfand und schloss die Tür wieder. "Ernsthaft, Leute", sagte er dann zu Roland und mir gewandt, "wir müssen darüber reden, wie es weitergehen soll, sonst verhungern wir hier bald".




    "Vielleicht können wir ja ein paar Möbel bei Simbay versteigern", schlug ich vor, wobei ich selbst nicht glaubte, dass dies die Lösung für unser Problem sein konnte. Tristan winkte auch sofort ab. "Damit kommen wir vielleicht ein paar Wochen lang über die Runden, doch dann haben wir keine Einrichtung mehr und immer noch dasselbe Problem. Nein, einer von uns, oder vielleicht sogar zwei, muss sich wieder einen Job suchen damit wir ein festes Einkommen haben. Es tut mir Leid Oxana, aber anders geht es nicht."




    "Bist du auch dieser Meinung?", fragte ich Roland verunsichert. Er versuchte erst, sich um eine Antwort herumzudrücken und blies seine Wangen auf. Aber letztendlich nickte er. "Es ist das Vernünftigste. Es dauert einfach viel zu lange, bis die Farm endlich Gewinne abwirft." Er seufzte schwer. "Ich weiß, dass wir dir versprochen haben, bei der Farm zu helfen, aber es ist wirklich das Beste, wenn Tristan und...und auch ich wieder zur Arbeit gehen."




    "Und was wird dann aus der Farm?", fragte ich mit leicht verzweifelter Stimme. "Ich verliere das Haus, wenn das Land nicht bestellt wird, das weißt du doch. Wenn ihr beide jetzt wieder arbeiten geht ... dann ... dann nehmen sie es mir weg." Roland schaute betroffen auf seinen Teller. "Ja, du hast ja recht", gab er schließlich klein bei. "Ich werde dir weiter auf der Farm helfen. Zu zweit sollten wir das doch auch schaffen. Aber Tristan muss sich eine Job suchen. Anders geht es nicht. Und vielleicht kann ich ja wieder nebenher im Café arbeiten."







    Tristan ließ sich das nicht ein zweites Mal sagen. Gleich nachdem er sich angezogen hatte, schnappte er sich die Tageszeitung und stürzte sich auf den Teil mit den Stellenangeboten. Jobs gab es auch mehr als genug, wenn man bereit war, für die Ölgesellschaften zu arbeiten. Da Tristan aber wenig Lust hatte, auf den Bohrtürmen zu schuften, bewarb er sich für die Stelle des Postraum-Technikers in ein der örtlichen Verwaltungsstelle der SimÖl-Company. Und natürlich bekam Tristan den Job.






    Zur Feier des Tages lud er uns in den Club ein. Seit meiner Trennung von Benny bin ich nicht mehr ausgegangen und das war jetzt schon sechs Wochen her. Eigentlich hätte ich Spaß haben sollen und es war wirklich nicht schlecht, mal wieder die Tanzfläche unsicher zu machen, aber ich machte mir Sorgen um meine Farm. Wenn Tristan jetzt für die Ölgesellschaft arbeitete, fehlte einfach eine Arbeitskraft. Aber immerhin kam so Geld in die Haushaltskasse. Das musste ich mir immer wieder ins Gedächtnis rufen.




    Da Tristan und Roland ohnehin jedes einzelne Lied auf der Tanzfläche mitgrölten, bemerkte ich spaßeshalber, dass die beiden doch gleich Karaoke singen könnten. Ich hätte wissen müssen, dass die beiden meinen Vorschlag ernst nehmen würden, denn plötzlich tauschten beide geheimnisvolle Blicke aus, ich wurde am Arm gepackt und die Treppe hoch zur Karaokeanlage geschlürt. Mir wäre es viel zu peinlich vor all den Leuten im Club zu singen, ganz besonders weil mich hier alle kannten. Doch die beiden störten sich überhaupt nicht daran und schmetterten eine ohrenzerreißende Version von "Eternal Flame" ins Mikrofon. Das war ja so peinlich! Und mich hinter meiner Hand zu verstecken half leider auch nicht viel.




    Plötzlich legte Tristan das Mikro weg, schaute mich an und fing an, über das ganze Gesicht zu strahlen. Ich wurde nervös, da er überhaupt nicht mehr aufhörte. Hatte Roland mir etwa wieder heimlich einen Aufkleber "garantiert fettfrei" auf die Stirn geklebt? Wenn ich den in die Finger... Aber dann erkannte ich diesen Blick! genauso hat mich Benny immer angesehen. Hier lief plötzlich aber irgendetwas ganz falsch.




    Und als Tristan dann auch noch einen Schritt auf mich zu ging, wich ich nach hinten zurück. Doch er ging einfach an mir vorbei und da erkannte ich, dass seine Aufmerksamkeit gar nicht mir galt. Stattdessen ginge er auf einen Mann zu, der ihn ebenso verliebt anlächelte und von Tristan mit einem Kuss begrüßt wurde.




    Schließlich löste Tristan sich doch von den Lippen des Unbekannten und schob ihn zu uns herüber. "Leute, das ist Frank, mein neuer Freund". Tristan klopfte Frank dabei auf den Rücken und der lächelte uns schüchtern an. "Hallo, schön euch beide auch mal kennenzulernen. Tristan hat mir schon viel über euch erzählt." Ich strahlte über das ganze Gesicht, weil ich mich für Tristan freute. "Hast du davon gewusst?", fragte ich Roland doch der schüttelte ebenfalls überrascht mit dem Kopf.




    "Ich treffe Frank schon seit ein paar Wochen, aber ich wollte abwarten, wie sich alles entwickelt, bevor ich ihn euch vorstelle", erklärte Tristan. "Eigentlich kenne ich Frank ja schon ziemlich lange. Wir haben sogar mal zusammen gewohnt." Ich starte Tristan verwundert an. "Ist das etwa der Frank? Einer deiner alten Mitbewohner, die dich aus dem Haus geschmissen haben?", fragte ich und dass Frank beschämt zu Boden schaute und rot anlief war wohl Antwort genug.




    "Genau der", antwortete Tristan trotzdem. "Aber das ist Schnee von gestern". Er faste Frank an den Händen und sah ihn verliebt an und ebenso verliebt schaute Frank zurück. "Eigentlich waren es nur Franks Bruder Martin und mein anderer Mitbewohner Abdul, die mich beschimpft und aus dem Haus geworfen haben. Frank hatte damit nichts zu tun. Er hatte einfach nur Angst vor der Reaktion der beiden, wenn sie erführen, dass auch er schwul ist. Klar, dass war vielleicht feige und nicht fair mir gegenüber, aber ich kann ihn verstehen. Und als wir uns dann im Fitnessstudio wiedersahen und zusammen was Trinken gingen, hat Frank mir gestanden, dass er schon die ganze Zeit in mich verliebt war."




    Den Rest des Abends verbrachte ich eher allein mit Roland, denn Tristan und Frank waren zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Doch Roland und ich hatten auch so unseren Spaß. Es war fast so wie früher, als ich mit ihm und Benny… Die Erinnerung an Benny und der Anblick von Tristan und Frank weckten plötzlich ein Gefühl von Einsamkeit in mir, das ich bis jetzt nicht wahrgenommen hatte. Bis jetzt hatte die Trauer über Paps Tod dies nicht zugelassen. Doch je mehr ich mich damit abfand, dass ich Paps nie wieder sehen würde, desto mehr sehnet ich mich danach einen Mann an meiner Seite zu haben, der einfach nur für mich da war. "Hörst du mir überhaupt zu?", riss Roland mich aus meinen Gedanken. "Tut mir leid, ich war für einen kurzen Moment woanders", entschuldigte ich mich lachend und nippte an meinem Pina Colada. "Und jetzt erzähl weiter, ich will wissen, was du mit Gretchen in unseren freien Stunden angestellt hast."

  • Kapitel 42: In letzter Sekunde



    Am nächsten Morgen machte ich mich mit Roland auf zur Weide. Dadurch, dass die Tiere sich hier ständig aufhielten, war der Boden am Wasserloch total aufgeweicht. Erst vor wenigen Tagen ist eines der Rinder eingesunken und wir mussten Albert rufen, der es mit seinem Traktor aus dem Schlamm ziehen konnte. Damit das nicht noch einmal geschah, versuchten wir den Boden mit Steinen zu befestigen. Es war eine Knochenarbeit, zumal die Sonne unerbittlich auf uns niederbrannte. Trotzdem wirkte Roland besonders demotiviert, ja schon fast bedrückt.




    "Was ist los mit dir?", fragte ich besorgt. "Du bist schon auf dem Weg hierher so ruhig gewesen". "Es ist nichts", versicherte Roland mir wenig glaubhaft. Also hakte ich weiter nach, bis Roland schließlich mit der Sprache herausrückte.




    "Ich... ich hab schon vor drei Monaten ein Jobangebot bekommen. Also noch bevor wir den Brief von der Farmervereinigung erhalten haben. Ich hab den Job dann aber abgelehnt, weil ich dir helfen wollte Oxana. Aber jetzt haben die noch einmal nachgefragt, weil sie mich noch immer wollen und ich... ich würde diesen Job wirklich gerne annehmen." Er sah mich traurig an und ich fühlte mich plötzlich schuldig. Denn schließlich war ich es, die ihn von diesem neuen Job abhielt.




    Allerdings hatte ich ihn nie gezwungen mir zu helfen. Natürlich war ich sehr froh gewesen, als Tristan und er zugestimmt hatten mir mit der Farm zu helfen und ihre Jobs aufzugeben. Ich hätte mich ohne die beiden nie dazu entschlossen, die Forderungen der Farmervereinigung zu erfüllen. Aber es war ihre Entscheidung gewesen. Und jetzt konnte ich erkennen, dass beide diese Entscheidung bereuten. Tristan hatte es geschafft, sich aus der Affäre zu ziehen, und ich konnte sehen, dass Roland dasselbe wollte. "Was ist es denn für ein Job?", fragte ich resigniert. Auch wenn ich nicht wollte, dass Roland eine andere Arbeit annahm, ihm zum Bleiben zwingen konnte ich auch nicht.




    Rolands Gesicht hellte sich schlagartig auf und stolz verkündete er: "Ich soll im Krankenhaus von Seda Azul anfangen. Als Arzt!". Das war ja jetzt wohl ein schlechter Scherz. Warum sollte das Krankenhaus von Seda Azul einem ehemaligen Bohrturmarbeiter eine Stelle als Arzt anbieten. Roland bemerkte meinen skeptischen Blick. "Ich habe Medizin studiert, Oxana", erklärte er mir. "Ich bin ein echter Arzt, nur nach dem Studium wollte ich erst einmal weg von meinen Eltern und etwas ganz anderes machen. Aber Medizin ist das, was ich schon immer machen wollte und deshalb fällt es mir so schwer, erneut das Angebot des Krankenhauses abzulehnen".




    "Dann musst du diesen Job auch annehmen". Ich versuchte mich für Roland zu freuen, doch ich konnte nicht. Also seufzte ich und schnappte mir die Schaufel, um mich wieder an die Arbeit zu machen und so wenig wie möglich darüber nachzudenken, was für Konsequenzen es hatte, dass nun auch Roland nicht mehr auf der Farm mithelfen konnte. "Hey, warte doch", sagte Roland und legte mir von hinten die Hände auf die Schultern. "Ich werde dich natürlich so gut es geht weiter bei der Farmarbeit unterstützen. Wozu gibt es schließlich Wochenenden und den Feierabend?". Ein Lächeln zeichnete sich auf meinen Lippen ab. Vielleicht hatte Roland ja Recht und ich würde das schon irgendwie hinbekommen.




    Noch am gleichen Tag rief Roland in dem Krankenhaus an und nahm das Angebot an. Und so kam auch schon am Tag darauf eine Fahrgemeinschaft, die Roland zu seinem neuen Arbeitsplatz fahren sollte. Allein der Wagen sah schon nach viel Geld aus und so tröstete ich mich mit dem Gedanken, dass ich gar nicht anders konnte, als Roland diese Chance zu ermöglichen.





    Da Roland nun im Krankenhaus beschäftigt war, musste ich Albert bitten, mir bei der Reparatur der Pumpe auf dem Maisfeld zu helfen. Ich wartete bereits auf dem Feld, als sein Wagen auf dem Feldweg hielt und er mit einer Werkzeugkiste in der Hand auf mich zuschritt. "Dann sehen wir uns die Pumpe mal an", murmelte er vor sich hin und betrachtete die Maschine. Ich beobachtete aufmerksam, wie er einige Schrauben löste und das Innenleben der Mechanik untersuchte. Seine Hände waren schnell völlig ölverschmiert. "Es liegt wohl am Zünder des Pumpenmotors", stellt er schließlich fest. "Der sieht aus, als ob er schon seit Jahren nicht mehr gewechselt worden wäre". "Ist das was Schlimmes?", fragte ich, da ich von solchen Dingen eigentlich überhaupt keine Ahnung hatte. "Nein, keine Angst", beruhigte Albert mich. "Das ist nur eine Kleinigkeit. Ich hab sogar ein passendes Ersatzteil hinten im Wagen". Er ging rüber zu seinem Auto und holte den benötigten Zünder aus einer Kiste auf der Ladefläche. Anschließend wechselte er ihn mit wenigen Handgriffen aus.




    Als er fertig war, wischte er sich das Schmierfett an seiner Hose ab. "Danke, dass du mir geholfen hast, Albert", bedankte ich mich, "Wieder einmal. Ich werde dir den Zünder bezahlen und auch deine Arbeit hier. Du musstest ja extra erst herfahren. Schließlich kannst du nicht ständig umsonst für mich arbeiten". Doch Albert winkte ab. "Das Geld für den Zünder kannst du mir ruhig geben, aber es sind ohnehin nur ein paar Simoleons. Aber ich will kein Geld dafür, dass ich hergekommen bin, Oxana. Nicht wenn du es bist, zu der ich komme."




    Albert sah mir in die Augen und plötzlich erfasste mich wieder das Kribbeln, dass ich auch schon bei meiner Party gespürt hatte, als Albert mich in seine starken Arme schloss. Er legte seine Hand an meine Taille und schob mich zu sich heran und seine Lippen kamen meinen immer näher. Ich stand wie angewurzelt vor ihm.




    In letzter Sekunde drehte ich meinen Kopf zur Seite und zog mich von ihm zurück. "Noch einmal vielen Dank für deine Hilfe. Aber jetzt muss ich schnell zu den Rindern rübergehen", verabschiedete ich mich hastig und machte mich auf direktem Weg zur Herde. Albert blickte mir noch eine Weile hinterher, bevor auch er in seinen Wagen stieg und davonfuhr.




    Ich sah kurz nach den Rindern, doch eigentlich war das gar nicht nötig. Ich brauchte nur einen Vorwand um mich schnell von Albert zu entfernen. Ich hätte ihn beinah geküsst! Wie konnte es nur so weit kommen? Ich habe mir doch geschworen von den Männern endgültig die Finger zu lassen. Dafür hatte ich sogar Benny verlassen. Und jetzt hätte ich um Haaresbreit Albert geküsst. Einen verheirateten Mann. Den Mann meiner besten Freundin!


  • Kapitel 43: Der großartige Dominik




    Das Schlimmste war, dass ich mit niemandem über den Beinahkuss mit Albert reden konnte. Nicht einmal Roland konnte ich mich anvertrauen. Die Sache war mir einfach zu unangenehm. Außerdem wollte ich nicht, dass Gerda davon erfuhr, nur weil Roland sich zufällig verplapperte. Und eigentlich war ja auch nichts passiert. Trotzdem ging ich rüber in den alten Saloon und versuchte meinem angestauten Frust beim Billard Luft zu machen.




    Ich war so in das Spiel vertieft, dass ich nicht bemerkte, dass jemand an den Tisch trat und mich beobachtete. "Das wird nichts, Brodlowska. Die Kugel kriegst du niemals rein". Dominiks Stimme erschreckte mich so sehr, dass der Queue von der Kugel abrutschte und ich es tatsächlich nicht schaffte, die geplante Kugel in die Tasche zu stoßen. "Na, hab ich es nicht gesagt?", grinste Dominik selbstzufrieden.




    "Jetzt zeige ich dir, wie ein echter Mann spielt". Er schnappte sich einen Queue und stellte sich an den Tisch. Ich zog mich gespannt zurück und beobachtete, wie er angeberisch verschiedene Positionen ausprobierte und dabei vorgab, als ob er die verschiedenen Einfall- und Ausfallwinkel der Kugeln mitberücksichtigen würde. Der Typ hatte doch nicht die geringste Ahnung von dem was er da tat. "Wenn ich die blaue Kugel in die mittlere rechte Tasche versenke", schlug er prahlerisch vor, "dann hast du die Ehre, die Gegenwart des großartigen Dominik Blech bei einem Cocktail zu genießen. Abgemacht Brodlowska?" "Abgemacht!", stimmte ich ohne groß zu überlegen zu, denn das würde diesem Angeber nie gelingen.




    Doch dann geschah das Unfassbare. Dominik stieß die rote Kugel an und ich hatte schon einen zurechtgelegten Spruch auf den Lippen. Doch die rote Kugel prallte erst gegen die eine Bande und dann mit Wucht gegen die zweite. Von da aus stieß sie gegen die halbe, dunkelrote Kugel, die sich daraufhin in Bewegung setzte und die schwarze Kugel schnitt. Diese bewegte sich wiederum auf die blaue zu und schnitt diese ebenfalls. Und mit einer langsamen, aber beständigen Bewegung rollte die blaue Kugel in die von Dominik vorhergesagte Tasche. Ich starte sprachlos auf den Tisch.




    Grinsend geleitete er mich zur Bar. "Jetzt zieh doch nicht so ein Gesicht, Brodlowska", forderte er mich auf. "Auch wenn es kaum vorstellbar ist, dass du dich nicht darum reißen könntest in meiner Gegenwart zu sein, du bekommst auch noch einen gratis Drink dazu." Wir setzten uns an die Theke. "Lass mich raten, worauf du so stehst", Dominik musterte mich einen Moment lang und winkte dann die Bardame herüber. "Für mich einen Zombie und für die grimmige Dame neben mir einen Pina Colada", gab er die Bestellung auf.




    "Nein, für mich bitte einen Mai Tai", berichtigte ich ihn. "Du kennst mich halt doch nicht so gut, wie du geglaubt hast". Doch als der Cocktail dann vor mir stand bereute ich die Bestellung. Dominik hatte vollkommen recht gehabt und ich wollte einen Pina Colada. Aber ich konnte doch nicht zulassen, dass dieser Kerl schon wieder Recht behielt. Also schluckte ich wohl oder übel das Gebräu hinunter, das ich mir selbst aufgebrockt hatte. Ich versuchte mir möglichst nichts anmerken zu lassen, doch da Dominik ständig in sein Glas hinein grinste, gelang mir das wohl nicht ganz so überzeugend. Aber wenigstens gab er keinen seiner üblichen Kommentare dazu ab.




    Und erstaunlicherweise entpuppte sich Dominik als ein interessanter Gesprächspartner, sobald man es geschafft hatte, seine ständigen dummen Sprüche zu ignorieren. Und so blieb es nicht nur bei dem einen Cocktail und diesmal konnte ich sogar tatsächlich das nehmen, was ich wollte.




    "Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder, Brodlowska", sagte Dominik beim Verlassen des Saloons. "Eher nicht, Dominik", gestand ich ihm ehrlich, woraufhin er mich skeptisch, aber immer noch von sich überzeugt ansah. "Ähm, das glaube ich eher nicht", war schließlich seine Reaktion. "Keine Frau kann mir widerstehen, auch du nicht. Du wirst sehen, in Null Komma nichts bist du wieder bei mir". Da ich ihn inzwischen etwas besser kannte, konnte ich über diesen Spruch sogar lachen. Irgendwie kam es mir so vor, als ob man bei diesem Mann mit allem rechnen musste.




    Doch eigentlich hatte ich nicht vor, noch einmal mit Dominik auszugehen. Ich war nicht auf der Suche nach einem neuen festen Freund und ganz eindeutig wollte Dominik mehr, als nur mit mir befreundet sein. Und zu mehr war ich nicht bereit. Jetzt nicht und auch in Zukunft nicht.




    Und trotzdem verkrafte sich etwas in mir, immer wenn ich sah, wie liebevoll Tristan und Frank miteinander umgingen. Frank war schon fast so etwas wie ein vierter Mitbewohner geworden. Er wohnte zwar nicht offiziell bei uns, aber eigentlich verbrachte er all seine Zeit außerhalb der Arbeit bei Tristan und so kam ich einfach nicht umhin die beiden zu beobachten. Manchmal erinnerten sie mich sogar etwas an meine Eltern, aber diese Gedanken erstickte ich sofort, wenn sie aufkeimten.




    Und dann sah ich an einem Nachmittag, wie Roland mit einer Frau aus dem Fahrgemeinschaftsauto stieg. Ich wollte sie nicht beobachten, aber durch das Fenster an der Eingangstür konnte ich sehen, wie er Hand in Hand mit ihr die Verandatreppe hinauf stieg und sich dann von ihr verabschiedete. "Wir sehen uns dann morgen im Krankenhaus", sagte er ihr liebevoll. "Ich vermisse dich jetzt schon". "Ich vermisse dich auch", hauchte sie ihm entgegen und verabschiedete sich mit einem letzten sanften Kuss.




    Ich wusste nicht, was los war, aber plötzlich stiegen die Tränen in mir auf. Roland konnte gerade noch erkennen, wie ich hastig in der Küche verschwand und da ich nicht auf sein Rufen reagierte kam er mir nach. "Oxana, was ist denn los?", fragte er besorgt. "Warum weinst du? Was ist passiert?" Ich wollte ihn damit abwimmeln, dass alles in Ordnung sei, doch dann brach es aus mir heraus. "Ich vermisse meinen Paps so sehr", schluchzte ich. "Ich dachte, es würde besser werden, doch es tut immer noch genau so weh wie am ersten Tag. Ich fühle mich so schuldig, dass ich nicht bei ihm gewesen bin, als er starb. Ich hätte für ihn da sein müssen!"




    "Und jetzt fühle ich mich so allein gelassen", ein Weinkrapf durchfuhr mich. "Aber... aber ich bin ja selbst schuld daran. Warum habe ich nicht auf Paps gehört und mich einfach aus der Angelegenheit zwischen ihm und Dad rausgehalten? Dann wäre das alles nicht passiert! Und vielleicht wäre ich dann heute in der Lage, eine vernünftige Beziehung zu führen, ohne Angst haben zu müssen, verletzt zu werden. Dann hätte ich mit Benny glücklich werden können. Wenn ich sehe, wie glücklich Tristan und Frank sind, dann tut mir das weh. Und als ich dich gerade mit Brandy gesehen habe, da wurde mir klar, dass ich so etwas nie haben werde. Und dann ist da noch die Farm! Das wächst mir alles über den Kopf. Die ganze Arbeit, der täglich Aufwand, ich bin ganz alleine damit. Wie soll ich das ganze denn bloß schaffen?"




    Da nahm Roland mich einfach in seinen Arm. "Ist schon gut, Oxana. Alles wird wieder gut", redete er auf mich ein und strich mir beruhigend über den Rücken, während ich mich weiterhin hemmungslos an seiner Schulter ausweinte. "Ich bin immer für dich da, vergiss das nicht, Oxana. Und ich werde auch in Zukunft immer für dich da sein. Wenn du Hilfe bei der Farm brauchst, dann helfe ich dir sofort und wenn du dich einsam fühlst, dann kannst du immer zu mir kommen. Du brauchst nicht allein zu sein. Das verspreche ich dir".




    Nachdem ich mich ein wenig beruhigt hatte, ging Roland ins Badezimmer und ließ mir ein Sprudelbad ein. Das warme Wasser entspannte mich tatsächlich und als ich über seine Worte nachdachte, wurde mir klar, dass er die Wahrheit gesprochen hat. Er würde immer für mich da sein, so wie er es schon immer gewesen ist. Und daran würde sich auch nichts ändern, wenn er jetzt mit Brandy zusammen war.


  • Mir gefällt die Wendung der Story.
    Weiter so! :D

    [SIZE=4]Für Shakespeare ist die Liebe eine Krankheit, die oft genug zum Tode führt. Je länger ich lebe, desto mehr bin ich geneigt ihm zu glauben... [/SIZE]

  • Kapitel 44: Dürre




    Nach meinem Gefühlsausbruch ging es mir erstaunlicherweise besser. Bis sich die nächste Katastrophe anbahnte. In der Sierra Simlone war es heiß, sehr heiß sogar. Aber so heiß wie in den letzten Tagen habe ich es auch hier noch nicht erlebt. In der Mittagszeit erreichte das Thermometer durchaus 45 °C. An diesem Tag waren es sogar 47 °C. Nicht nur dass ich diese Hitze kaum aushielt, meine jungen Maispflanzen taten es erst recht nicht. Eigentlich hatte ich vorgehabt, Albert nach dem letzten Zwischenfall nicht mehr um Hilfe zu bitten, aber ich konnte nicht zulassen, dass meine gesamte Ernte einging. Ich führte ihn aufs Feld und zeigte ihm ratlos den total ausgedörrten Boden und die jungen Maispflanzen die schon begannen dahinzuwelken.




    Doch diesmal konnte selbst Albert mir nicht helfen. "Tut mir leid, Oxana, aber so ist nun einmal die Sierra Simlone", erklärte er mir gedrückt. "Solche Hitzeperioden sind für diese Jahreszeit nicht ungewöhnlich. Deshalb Pflanzen die meisten Farmer ihren Mais auch früher, sodass er zu dieser Jahreszeit bereits ausgewachsen ist und ihm die Hitze nicht mehr so viel ausmacht. Du kannst jetzt nur hoffen, dass diese Hitzewelle nicht zu lange anhält. Lass die Pumpen am besten die ganze Nacht laufen. Dadurch sinkt zwar dein Grundwasserspiegel schneller, als er wieder nachgespeist wird, aber für ein paar Tage solltest du das durchziehen können. Und ganz ehrlich, länger als ein paar Tage hält dein Mais dieser Hitze ohnehin nicht stand."




    Albert sah meinen deprimierten Blick. "Es gibt schlimmeres, Oxana, ganz ehrlich", versuchte er mich aufzumuntern, doch mit wenig Erfolg. Ich könnte meine gesamte erste Maisernte verlieren. Wie viel schlimmer konnte es denn noch kommen? "Lass uns heute Abend doch ausgehen", schlug Albert dann vor. "Du kannst deine Mitbewohner mitbringen und ich komme mit Gerda. Das wird dich auf andere Gedanken bringen. Na was sagst du?" In meinem Kopf schrie eine Stimme ganz laut: "Nein! Nicht nachdem was erst vor kurzen zwischen euch vorgefallen ist." Aber ich überhörte sie einfach. Was sollte denn auch schon passieren, wenn Gerda und die Jungs dabei waren?




    Doch als ich am Abend Roland fragte, sagte er mir überraschenderweise ab. "Tut mir leid Oxana, aber heute Abend habe ich schon was vor", erklärte er, während er im Spiegel noch einmal überprüfte, ob seine Haare auch ordentlich anlagen. "Brandys Eltern haben mich heute Abend zum Essen eingeladen und da kann ich ja schlecht nein sagen. Ganz abgesehen davon, dass ich das gar nicht will."




    Naja, dann halt nur Tristan und ich. Doch als ich ohne anzuklopfen in sein Zimmer platzte, da erwischte ich ihn bei... einer anderen Aktivität. Oh Gott, war mir das peinlich. Mein Kopf lief knallrot an, insbesondere als ich Franks nicht ganz jugendfreie Worte hörte, die absolut nicht an meine Ohren bestimmt waren. Ich schloss die Tür ganz schnell wieder und hoffte, dass die beiden mich nicht bemerkt hatten. Ich schätze, somit war ich die einzige Bewohnerin der Simlane 10, die sich heute mit Albert und Gerda in der Stadt treffen würde.




    Als ich im Longhorn Saloon auftauchte, saßen Albert und Gerda bereits am Pokertisch. "Tristan und Roland hatten leider schon was anderes vor", entschuldigte ich mich für die fehlenden Jungs und setzte mich zu den beiden. "Ach, wir werden auch zu dritt unseren Spaß haben", entgegnete Gerda und spielte mir die Karten zu. "Der Mindesteinsatz beträgt 50 Simolitos, wir wollen es schließlich nicht übertreiben."




    Gerda scherzte viel herum und wir konnten endlich so richtig über Letizia ablästern. Dabei entschuldigte sie sich mindestens fünf Mal bei mir, dass ich diese Frau ertragen musste. Und ich versicherte ihr mindestens fünf Mal, dass ich ihr gerne geholfen hatte. Dass mein schlechtes Gewissen dabei eine nicht zu verkennende Rolle gespielt hatte, verschwieg ich allerdings. Zum Glück war der Spieleinsatz so gering, denn ich stellte mich als grottenschlechte Spielerin heraus. Roland hatte mir mal die Regeln erklärt, das war aber auch schon alles. Von Taktik hatte ich nicht die geringste Ahnung. Allerdings schweifte mein Blick auch immer wieder zu Albert ab. Und ich musste wieder daran denken, wie wir uns fast geküsst hätten. Mein Herz fing an schneller zu schlagen. Doch ein Blick auf seinen Ringfinger rief mir wieder in Erinnerung, dass dieser Mann schon vergeben war. Und selbst wenn nicht, ich wollte keinen Mann mehr. Nie wieder.




    Plötzlich trat Aron an unseren Tisch. "Frau Kappe, entschuldigen sie die Störung", unterbrach er unser Spiel, "aber wir haben einen Anruf für sie. Es ist ihre Tochter Miranda". Gerda sah leicht verwirrt zu Albert, der aber zuckte nur mit den Schultern. "Das Telefon steht hinten im Büro", erklärte Aron und zeigte auf die Tür neben dem Tresen. Gerda seufzte, legte ihre Karten zur Seite und machte sich auf den Weg ins Hinterzimmer.




    Da Gerda ohnehin für eine Weile weg war, nutzte ich die Gelegenheit um mich frisch zu machen. Es war immer noch unerträglich heiß und kleine Schweißperlen bildeten sich überall in meinem Gesicht, die ich lieber wegwischen wollte. Ich war noch auf der Toilette, als Gerda wiederkam. "Es geht um Elvira", klärte sie ihren Mann auf. "Sie will nicht aufhören zu schreien und Miranda wird nicht mit ihr fertig. Wir sollten lieber wieder nach Hause gehen". "Und Oxana einfach allein lassen?", entgegnete Albert empört. "Das ist das erste Mal seit Wochen, dass wir wieder mal aus dem Haus kommen. Ich hab keine Lust jetzt schon wieder zu unseren schreienden Kindern zurückzukehren. Du kannst gerne gehen, aber ich bleibe hier!", fuhr er sie im harschen Ton an. "Albert, bitte, die Leute gucken schon", zischte Gerda zwischen zusammengekniffenen Lippen und schaute unauffällig zu einigen Gästen hinüber, welche die beiden tatsächlich beobachteten. Doch Albert winkte nur ab. "Es ist mir egal, was die Leute denken. Und wie ich schon sagte, ich bleibe noch hier!"


  • die geschichte ist soo cool ich les die total gerne und freu mich schon auf die fortsetzung :)echt gute bilder und die handlung :applaus

  • beatriz
    Oh, es freut mich, wieder einmal von einem Leser zu hören. Ich hoffe, du bis zufrieden mit der neusten Fortsetzung ;) Ich würde mich sehr darüber freuen, wenn du öfters deien Meinung mitteilen würdest. Vielen Dank noch einmal!

  • Kapitel 45: Ein Moment der Schwäche




    Als ich wieder den Schankraum betrat, war Gerda bereits verschwunden. "Wo ist sie denn?", erkundigte ich mich bei Albert, während ich mich zu ihm an die Bar setzte. "Ach, sie musste nach unserer Kleinsten sehen. Nichts Ernstes also. Ich hoffe, wir beide können noch ein wenig länger um die Häuser ziehen? Wie wäre es mit einem Cocktail?", schlug Albert vor. Wieder hörte ich dies leise Stimme in meinem Kopf die "Nein" schrie, doch erneut überhörte ich sie und antwortete, "Ja, gerne", stattdessen.




    "Einen Long Island Ice Tea, bitte", gab ich meine Bestellung bei Aron ab. "Ich hätte gar nicht erwartet, dass du so etwas Starkes trinkst". Albert warf mir einen anerkennenden Blick zu. "Für mich einen einfachen Scotch", fügte er dann an Aron gewandt hinzu und kurze Zeit später standen zwei eisgekühlten Drinks vor uns. "Auf eine weitere gute Zusammenarbeit", prostete Albert mir zu und dem konnte ich nur zustimmen. Ich schlürfte gerade meinen zweiten Ice Tea, als Albert begann ein Melodie zu pfeifen und plötzlich verspürte ich den unstillbaren Drang zu tanzen. "Komm Albert, lass uns rüber in den Club gehen und ein wenig abtanzen", schlug ich deshalb spontan vor. "OK", war Alberts einzige Reaktion und schon war er dabei aufzustehen. Ich kippte das letzte Drittel meines LI-Ice Teas auf Ex herunter und stand dann ebenfalls auf. Zwar musste ich mich ein wenig an der Theke abstützen, weil sich plötzlich alles drehte, aber das gab sich nach einem kurzen Moment wieder. Zumindest nahezu.




    Der Club war fast menschenleer, aber das war nicht ungewöhnlich mitten in der Woche. So hatten wir wenigstens Platz auf der Tanzfläche. Also schnappte ich mir kurzentschlossen Alberts Hand und zog ihn hinter mir her zum Tanzbereich. "Wollen wir nicht vorher noch einen Drink bestellen", versuchte er mir zu entkommen, doch das hatte überhaupt keinen Sinn. Ich fing an, mich im Takt der Musik zu bewegen und auch Albert verlagerte sein Gewicht vom einen Fuß auf den anderen und deutete somit zumindest so etwas wie einen Tanz an. Doch je länger wir tanzten, desto mehr fand er seinen Rhythmus. Und plötzlich spürte ich seine Knie zwischen meinen Beinen, sah, wie Albert seinen Oberkörper im Einklang mit der Musik nach hinten lehnte und sein Becken kreisen ließ. Und ich ging darauf ein. Ich ließ mein Becken kreisen und sank langsam auf seinen Oberschenkel. Dabei fuhr ich mit meinen Fingern durch meine nassgeschwitztes Haar.




    Im Club war es glühend heiß, insbesondere unter den Scheinwerfern. Meine gesamte Haut war schweißnass, sogar mein Shirt war schon durchnässt. Und Albert erging es nicht anders. Der Schweiß tropfte von seiner Schläfe. Ich hatte das Gefühl, nicht mehr genug Luft zu bekommen und atmete durch den Mund, statt durch die Nase. Inzwischen tanzten wir in unserem eigenen Rhythmus. Langsamer...näher beieinander. Albert schaute ununterbrochen in meine Augen, als ob er so meine Gedanken lesen könnte. Ich wagte es kaum zu zwinkern. Meine Hände streichelten unentwegt seine starken Oberarme und unsere Becken kreisten gemeinsam. Alberts Hände glitten über meinen Rücken, meine Hüften, meine Po...




    Ich drehte mich um, tanzte nun mit dem Rücken zu ihm gewandt. Seine Hände glitten über meine Oberschenkel, meinen Bauch. Er hielt mich fest in seinem Griff. Ich spürte seinen kratzigen Bart an meiner Wange. Plötzlich schob er meine Haare zur Seite und seine Lippen berührten vorsichtig meinen nun freigelegten Hals. Ein Schauer durchfuhr meinen Körper und ich stöhnte leise. Dann drehte er mich zu sich herum, hielt mich immer noch fest und dann fühlte ich seine warmen Lippen auf meinen. Mein Atem setzte aus und meine Augen schlossen sich ganz von alleine. Ich spürte seinen Atem, schmeckte das Salz auf seinen Lippen, fühlte, wie seine Zunge sanft meine Lippen berührte und nur auf meine wartete. Und sie musste nicht lange warten.







    Als ich meine Augen aufschlug, war es bereits hell in meinem Zimmer. Durch den Vorhang hindurch konnte ich die aufgehende Sonne erkennen und ich musste blinzeln, um nicht geblendet zu werden. Wann hatte ich überhaupt die Vorhänge zugezogen? Und Wie war ich nach Hause gekommen? Ich hatte einen Filmriss. Und so etwas war mir noch nie zuvor passiert. Dabei hatte ich nicht einmal viel getrunken. An den zwei Long Island Iceteas wird es wohl nicht gelegen haben? Ich richtete mich mühsam auf und in meinem Kopf begann es leicht zu hämmern. Plötzlich hörte ich ein Geräusch. Ein leises Schnarchen. Erschrocken schaute ich auf die andere Betthälfte und konnte einen blonden Haarschopf sehen. Alberts Haarschopf!




    Wir hatten doch nicht etwa...? Doch natürlich hatten wir. Ich saß nur in meiner Unterwäsche bekleidet im Bett und merkte, dass mein BH nicht einmal richtig verschlossen war. Mein Blick schweifte über den Zimmerboden und ich konnte unschwer Alberts und meine Klamotten erkennen, die überall verstreut herumlagen. Alberts Unterwäsche war auch darunter. Albert schnaufte und drehte sich auf die andere Seite, aber er schlief weiter tief und fest. Er sah so friedlich aus. Die Erinnerung an den Club kehrte wieder. Unser eng umschlungenes Tanzen...unser Kuss. Ich setzte mich auf die Bettkante und starte vor mich hin. Ja, wir hatten miteinander geschlafen, daran bestand kein Zweifel. Aber wie konnte ich es nur so weit kommen lassen?




    Doch ich blieb erstaunlich ruhig. Statt durchzudrehen, setzte ich mich in den Sessel gegenüber von meinem Bett und beobachtete Albert. Dabei dachte ich an nichts Bewusstes. Es verstrich einige Zeit bis Albert sich zu rühren begann. Verschlafen blickte er sich im Zimmer um, bis er mich entdeckte. "Guten Morgen, meine Prärieblume". Er lächelte mich an, doch mein Gesicht blieb ausdruckslos. Also stieg er aus dem Bett und kam hüllenlos auf mich zu. Er wollte meine Wange streicheln, doch ich wich ihm aus und richtete mich auf. "Das hätte niemals passieren dürfen", sagte ich ganz direkt. "Wir hätten niemals miteinander schlafen dürfen. Was willst du deiner Frau sagen? Was soll ich ihr...."




    "Psss". Sein Finger auf meinen Lippen ließ mich verstummen. "Darum wollen wir uns jetzt keine Gedanken machen". Ich wollte protestieren, doch als seine Lippen mich berührten, schwand meine Entschlossenheit. Mit Leichtigkeit hob Albert mich hoch und legte mich zurück aufs Bett. Ich zeigte nicht den geringsten Wiederstand. Als er sich über mich beugte und ich in seine vor Lust glänzenden Augen blickte, kehrte die Erinnerung an letzte Nacht vollständig wieder. Die Erinnerung an seine rauen Hände, die wie Sandpapier über meine weiche Haut glitten, seine Entschlossenheit, die es mir erlaubte, mich einfach fallen zu lassen. Und so war es auch dieses Mal. Ich ließ mich fallen und gab mich Albert voll und ganz hin.




    Erschöpft schlief er wieder ein. Ich schmiegte mich dicht an seinen Rücken und liebkoste ihn mit zarten Küssen und genoss es, ihn so nah bei mir zu spüren und den Duft seines Körpers wahrzunehmen. Ich wollte diesen Moment für immer festhalten und nicht an die Zukunft denken. All die Probleme, die auf mich zurasten, waren mir egal. Zumindest für den Augenblick und glücklich fiel auch ich in einen leichten Schlaf.

  • Kapitel 46: Reue




    Doch viel zu schnell war dieser Augenblick vorbei. Als ich aufwachte, konnte ich all die Fragen, die sich mir aufdrängten nicht mehr wegschieben. Ich schnappte mir meine Sachen und verschwand im Badezimmer. Albert schlief immer noch tief und fest. Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass Tristan und Roland bereits bei der Arbeit waren, weckte ich ihn. Und während er unter die Dusche ging, bereitete ich ein Frühstück vor. Wenn ich gleich schon mit ihm reden musste, dann wollte ich wenigstens satt sein.




    Ich saß bereits am Tisch, als Albert aus dem Bad kam. Der Teller für ihn stand am gegenüberliegenden Tischende, so weit entfernt von mir, wie es nur ging. Ich wollte nicht noch einmal riskieren, dass die körperliche Nähe zu ihm, mich zu etwas verleitete, wovon ich wusste, dass es falsch war. Aber schon allein bei seinem Anblick, fiel es mir schwer, ihm nicht um den Hals zu fallen. Albert setzte sich ohne zu widersprechen auf den Platz, den ich für ihn vorgesehen hatte. Schweigend begannen wir zu essen.




    Ich hoffte, dass er irgendetwas sagen würde, doch als Albert stumm blieb, musste ich beginnen. "Das heute Nacht war..." "Schön?", unterbrach er mich und blickte mich dabei eindringlich an. "Eine einmalige Sache", erwiderte ich. Ein trauriges Lächeln zeichnete sich auf seinen Lippen ab und er aß weiter von seinem Pfannkuchen. "Du bist verheiratet, da spielt es keine Rolle, ob es schön war. Zu Hause warten eine Frau und vier Kinder auf dich. Es kann nichts anderes sein, als eine einmalige Sache, verstehst du?"




    Albert nickte stumm. "Gerda...sie darf davon nicht erfahren", sprach ich weiter. Wieder nickte Albert. "Von mir wird sie nichts erfahren. Du hast es ja selbst gesagt, es war eine einmalige Sache. Ein Ausrutscher. Es gibt nichts was sie wissen müsste." Seltsamerweise fühlte ich mich nicht erleichtert. Im Gegenteil. "Was...was wirst du ihr erzählen, wo du warst...heute Nacht?". "Ich habe zu viel getrunken und hab bei dir auf der Coach übernachtet, um die Kleinen nicht zu wecken", antwortete er. "Das ist so nah an der Wahrheit, dass sie nicht misstrauisch wird."




    Mehr gab es nicht zu sagen. Albert aß auf, nahm seinen Hut und ging dann zu Tür. Ich begleitete ihn. Er wollte schon fast hinausgehen, als er sich umdrehte und meine Hand faste. Ich konnte an seinem Blick erkennen, dass er wollte, dass ich ihn aufhielt. Und ich wollte es so sehr, aber ich durfte nicht. "Es war eine einmalige Sache", wiederholte ich leise und eine einzelne Träne lief meine Wange hinunter. Er setzte zum Sprechen an, doch dann seufzte er nur schwer und verließ mein Haus.




    Erst als Albert weg war, wurde mir so richtig bewusst, was ich eigentlich getan hatte. Ich hatte gegen das zehnte Gebot verstoßen, als ich mit dem Mann einer Anderen schlief. Und was noch viel schlimmer war, ich hatte Albert dazu verleitet gegen das sechste Gebot zu verstoßen und Ehebruch zu begehen. Ich fühlte mich so schuldig. Ich konnte an nichts anderes mehr denken, als an die Sünden, die ich begangen hatte. Egal ob ich draußen auf den Feld und bei den Rindern oder ob ich Zuhause war, immer musste ich an Albert und an unser Vergehen denken. Einzig in der Kirche fand ich ein wenig Ruhe, wenn ich mich in das Gebet vertiefte und meine Sünden bereute. Doch es half nur für einen kurzen Moment, denn ich wusste, dass ich Gerda gegenüber nicht ehrlich sein durfte. Auch wenn es mir vielleicht eine Last von der Seele nehmen würde, es würde ihr Leben zerstören.




    Doch ich versuchte es jeden Tag aufs Neue. Wenn ich nur stark genug bereute, dann würde Gott mir verzeihen...aber vielleicht lag ja genau da das Problem. Vielleicht bereute ich nicht genug? Ich war so in mein Gebet vertieft, dass ich nicht bemerkte, wie sich eine Gestalt direkt vor mich stellte. Als ich meine Augen öffnete und Dominik erblickte, zuckte ich vor Schreck zurück. Er grinste wieder einmal. "Irgendetwas muss mit meinem Telefonanschluss nicht stimmen. Denn anders kann ich es mir nicht erklären, dass du nicht pausenlos bei mir anrufst, Brodlowska". Oh, nicht diese Leier schon wieder. Wie oft sollte ich diesem Typen noch erklären, dass ich nichts von ihm wollte?




    "Kann es nicht auch sein, dass ich einfach nichts von dir will? ", fragte ich genervt. "Unwahrscheinlich", antwortete er unverschämt. "Komm schon, Brodlowska, gib zu, dass du mich anziehend findest." Nein, das fand ich nicht. Er ging mir einfach nur auf die Nerven mit seiner überheblichen Art. "Verfolgst du mich etwa?", fragte ich weiter und unglaublicherweise gab er es sogar zu. "Anders bekomme ich dich doch gar nicht zu Gesicht. Wir hatten doch letztens viel Spaß beim Billard. Lass uns das wiederholen, dann merkst auch du irgendwann, dass ich unwiderstehlich bin".




    "Lass mich einfach in Ruhe, Dominik", entgegnete ich ihm. "Wir sind hier in einem Gotteshaus und ich möchte jetzt alleine sein. Wenn ich dich wirklich so unwiderstehlich fände, dann hättest du das schon bemerkt. Und sollte sich an meiner Einstellung zu dir irgendetwas ändern, dann lass ich es dich wissen. Aber an deiner Stelle würde ich nicht darauf warten." Zum ersten Mal sah ich, wie Dominiks unendliche Selbstsicherheit schwand. "Gut, dann lasse ich dich jetzt allein". Er schob sich an mir vorbei und schritt auf das Kirchenportal zu. Doch dann drehte er sich noch einmal um. "Ich werde trotzdem auf dich warten, Brodlowska. Ich glaube, dass könnte sich lohnen. Für mich und für dich". Und schon war seine Überheblichkeit zurückgekehrt. Frustrier ließ ich mich wieder auf die Bank fallen. Würde ich denn diesen Kerl niemals mehr los werden?


  • Kapitel 47: Konsequenzen





    Doch Dominik blieb mein geringstes Problem. Ungeduldig saß ich in der Arztpraxis von Sierra Simlone Stadt. Wir hatten hier zwar keinen wirklichen Arzt, aber eine Landschwester, die den Bewohner der Gegend die notwendigste medizinische Versorgung gewährleistete. Erkrankte man ernsthaft, dann musste man in eine der Kliniken nach SimVegas oder nach Seda Azul. Doch mir fehlte nicht wirklich etwas, obwohl, eigentlich schon. Meine Tage waren nun fast eine Woche überfällig. Und als ich mit Albert geschlafen hatte...wir haben nicht verhütet.




    Die Tür des Behandlungszimmers öffnete sich und eine junge Frau mit einem dicken Babybauch verließ den Raum. Die Landschwester folgte ihr. "Wir sehen uns dann in einer Woche wieder, Frau Fernandés", verabschiedete sie sich von ihrer anderen Patientin. "So, Frau Brodlowska, Sie sind die nächste. Kommen sie bitte herein." Mein Puls schoss vor Aufregung in die Höhe, denn in wenigen Minuten würde ich Gewissheit darüber haben, ob ich tatsächlich schwanger war. Und tief im Inneren wusste ich genau, dass ich in einigen Monaten ebenfalls solch einen dicken Bauch vor mir hertragen würde.




    Ich folgte Schwester Chlora Mphenikohl in das Behandlungszimmer und nahm Platz auf dem Stuhl vor ihrem Schreibtisch. "Meine Menstruationsblutung ist nun schon seit sechs Tagen überfällig", erklärte ich ihr, als sie mich aufforderte ihr den Grund für meinen Besuch zu erklären. "Nun, das ist bei einer jungen Frau wie ihnen noch nicht ungewöhnlich", entgegnete sie. "Stehen sie zurzeit unter außergewöhnlichem Stress?". Ich musste nicken, denn es belastete mich sehr, dass ich mit Albert geschlafen hatte. Aber ich befürchtete, dass es nicht so einfach war. "Ich hatte vor etwa zwei Wochen ungeschützten Verkehr", erklärte ich mit hochrotem Kopf und Schwester Mphenikohl verstand sofort.




    Sie ging hinüber zum Medizinschränkchen und holte ein längliches Packet: Einen Schwangerschaftsschnelltest. Auf dem Rückweg ging sie noch zu einem anderen Schrank und holte einen Plastikbecher, den sie mit meinem Namen beschriftete. "In dieser Praxis habe ich nicht allzu viele Möglichkeiten. Sie können den Schwangerschaftsschnelltest drüben auf der Toilette durchführen", sie zeigte auf die Tür neben dem Raumteiler, gab mir das Päckchen und erklärte mir kurz die Anwendung. Dann gab sie mir noch den Plastikbecher. "Ich benötige auch noch eine Urinprobe von Ihnen. Die schicke ich dann an das Labor in SimVegas, damit wir ein eindeutiges Ergebnis erhalten."




    Ich verschwand im anliegenden Waschraum und folgte den Anweisungen von Schwester Mphenikohl. Als ich zurückkam stellte ich den Plastikbecher und den Schwangerschaftstest vor sie auf den Schreibtisch. Und dann hieß es warten, bis das Ergebnis sichtbar wurde. Ich versuchte nicht unentwegt auf den Test zu starren und betrachtete die Anatomie-Grafiken an den Wänden, während die Landschwester meine Urinprobe für den Transport an das Labor in SimVegas vorbereitete.




    Als sie sich wieder setzte, warf sie einen kurzen Blick auf den Test. "Das Ergebnis ist da, Frau Brodlowska", verkündete Sie. Sie zeigte mir den Test und begann dann zu erklären: "Im Testfeld sind zwei Streifen zu sehen. Der erste zeigt an, dass der Test erfolgreich verlaufen ist. Und der zweite Streifen ist das Ergebnis. Herzlichen Glückwunsch, Frau Brodlowska, Sie sind schwanger." Ich starte bekümmert den Teststreifen an. "Wie...wie sicher ist ein solcher Schnelltest?". "Heutzutage sehr sicher", antwortete Schwester Mphenikohl und bestätigte damit meine Befürchtung. "Aber das Laborergebnis liefert dann das endgültige Resultat."




    Sie versprach mich anzurufen, sobald das Ergebnis eingetroffen sei. Doch das brauchte sie im Grunde gar nicht. Ich wusste, dass auch das Laborergebnis meine Schwangerschaft bestätigen würde. Wie betäubt verließ ich die Praxis und setzte mich in mein Auto, das vor dem Gebäude parkte. Doch anstatt loszufahren blieb ich einfach darin sitzen. Ich würde ein Kind bekommen! Von Albert, einem verheirateten Mann, der selbst schon Vater von vier Kindern war. Und alles nur, weil ich nicht stark genug war. Weil ich nicht genug Kraft aufgebracht hatte, ihm zu widerstehen. Ich wollte weinen, doch meine Augen blieben so trocken wie die Wüste.







    Ich war schwanger! Das war aber auch das einzige in meinem Leben, das sicher war. Alles andere brach gerade wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Als ich nach stundenlangem Umherfahren Zuhause ankam und einen Blick auf die Eidechsen warf, die sich an unserem Teich herumtrieben, wünschte ich mir fast, eine von ihnen zu sein. Die mussten sich nicht mit solchen Problemen herumschlagen. Ihr Leben war einfach. Als ich weiter in Richtung Veranda ging, bemerkte ich plötzlich eine Gestalt, die auf der Bank vor dem Haus saß: Es war Benny!




    Vorsichtig ging ich weiter auf das Haus zu. Als Benny mich sah, sprang er sofort von der Bank auf und kam auf mich zugeeilt. Seitdem wir uns getrennt hatten, habe ich ihn nur ein paarmal gesehen und kaum ein Wort mit ihm gewechselt. Er hatte noch einmal versucht mich um eine zweite Chance zu bitten und es noch einmal mit ihm zu versuchen, doch ich hatte ihn abgewiesen. Auf einmal sank er vor mir auf die Knie und meine Augen weiteten sich entsetzt, weil ich das schlimmste befürchtete. Wollte Benny mir etwa einen Antrag machen. Doch glücklicherweise begann er nur zu singen und legte mir seine Gefühle mit einem eigens für mich komponierten Lied dar. Erleichtert musste ich lächeln, doch leider deutete Benny dieses falsch. "Ich wusste, dass du mich noch liebst!", brachte er überglücklich hervor. "Mein Bruder hatte recht, dass ich um dich kämpfen soll".




    Mit einem Mal entlud sich der gesamte Frust, der sich in den letzten Tagen und heute ganz besonders in mir angestaut hatte. "Mein Gott, Benny, wann kapierst du es endlich, dass ich nichts mehr von dir will?", schrie ich ihn an. "Lass mich endlich in Ruhe! Hast du das verstanden. Ich bin schwanger!", wütend deutete ich auf meinen Bauch, der noch nicht das geringste Anzeichen einer Schwangerschaft zeigte. Und um jedes Missverständnis aus dem Weg zu räumen fuhr ich genau so aufgebracht fort: "Und das Kind ist auf keinen Fall von dir! Ich hab einen anderen Kerl und erwarte ein Kind von ihm, also hau ab!"




    Jetzt konnte ich sehen, wie auch Bennys Welt wie ein Kartenhaus in sich zusammenfiel. Er sah mich nur entsetzt an. Nein, eher enttäuscht, wie ein kleines Kind, dem man gerade erklärt hat, dass es den Weihnachtsmann nicht gibt. Er begann zu zittern und raufte sich hilflos die Haare, darum bemüht, irgendetwas zu erwidern. In diesem Moment wurde auch mir klar, wie sehr ich ihn mit meinen Worten verletzt hatte. Und das Schlimmste war, dass ich es mit voller Absicht getan hatte, nur damit es ihm genau so schlecht ging, wie mir. Wenn ich gekonnt hätte, dann hätte ich die Zeit zurückgedreht. Doch die Worte waren gesagt und ließen sich nicht mehr rückgängig machen. Ohne ein weiteres Wort drängte ich mich an ihm vorbei und lief in das Haus.




    Ich wollte nicht, dass er meine Tränen sah, die unaufhaltsam meine Augen füllten. Ich ging auf direkt Weg in mein Zimmer, um Roland und Tristan nicht über den Weg zu laufen. Und als die Zimmertür hinter mir ins Schloss fiel, konnte ich nicht mehr länger stark bleiben und begann zu weinen. Ich hatte Gerda hintergangen, Albert zum Ehebruch verleitet, ich hatte Benny zutiefst verletzt, vielleicht war ich daran schuld, wenn die Familie von vier unschuldigen Kindern zerbrach. Miranda hatte Recht gehabt; ich war eine Schlampe. Und in weniger als neun Monaten würde ich ein Kind zur Welt bringen. Ein Kind ohne Vater, ein Kind, das Fragen bei meinen Nachbarn aufwerfen würde.