[Fotostory] Absolut unwiderstehlich

Ich wollte nie eine solche Klette sein, eine dieser durchgeknallten Frauen, die nicht loslassen können und sich immer wieder an Hoffnungsschimmer klammern.
Ich bin verzweifelt und völlig durch den Wind, aber ich glaube noch immer an den Menschen, der mich in diese Lage gebracht hat.
An den Mann der mich verlassen hat.
Ich denke, einer der Gründe, warum mir das Loslassen und Abfinden so schwer fällt, ist dass es so urplötzlich kam.
Ich war komplett ahnungslos.
Als es passierte, hatte ich nur ein einziges Problem - ich konnte mich nicht für ein Dessert entscheiden.

"Ich weiß einfach nicht was ich wählen soll. Lieber den Schokoladenkuchen oder den Sirupbiskuit mit Vanillesoße?"
Ich will keinen Nachtisch Liz, ich muss dir was sagen."
"Ja, ich weiß - ich bin ein Vielfraß und laufe Gefahr schon beim Blick auf die Speisekarte dick zu werden."
"Ich ziehe aus Liz."
"Jaja du hast recht, wenn ich beides nehme, werde ich so dick, dass ich unsere ganze Wohnung ausfülle und für dich kein Platz mehr bleibt, also werde ich wohl besser nur den Schokoladenkuchen nehmen."
"Liz, ich meine es ernst."
"Was? Du meinst ich habe wirklich zugenommen?" Ich sehe an mir herunter und begutachte meinen Bauch. "Naja, das Kleid spannt wirklich ein bisschen mehr als sonst. Vielleicht verzichte ich lieber ganz auf das Dessert, schließlich will ich dir auch morgen noch gefallen."
"Liz!", fährt er mich so laut an, dass die Leute am Nebentisch ihre Unterhaltung unterbechen und zu uns herübersehen.

Das bringt mich schließlich dazu, meinen Blick von der Dessertkarte abzuwenden und ihn anzusehen.
"Liz", wiederholt er, diesmal etwas sanfter, "ich ziehe aus."
"Äh, was?" Ich schaue ihn verwirrt an.
"Ich brauche ein bisschen Zeit für mich."
"Wie bitte?"
"Ich brauche ein bisschen Zeit für mich."
Ich habe mich also nicht verhört. Nur glauben kann ich es nicht wirklich.
Der Mann den ich liebe, kommt plötzlich auf den Gedanken mich verlassen zu müssen?
"Es läuft einfach nicht mehr richtig, Liz. Schon seit längerer Zeit, das muss dir doch auch aufgefallen sein."
Nein, eigentlich ist mir gar nichts aufgefallen.
Offenbar ändert sich gerade alles von Schlag auf Schlag.
Ich starre ihn immernoch fassungslos mit offenem Mund an, klappe dann meinen Mund zu und greife nach meinem Wasser.
"Das verstehe ich nicht", ist alles was ich dazu zu sagen habe.

Wieso trennen sich Paare normalerweise? Laut Statistik klappt es entweder nicht im Bett, oder es geht ums Geld, die Arbeit oder absurderweise ums Heiraten.
Jason und ich hatten nie darüber gesprochen mal zu heiraten. Auch wenn ich schonmal heimlich geübt hatte, wie es ist, mit "Liz Bowman" zu unterschreiben.
Auch die anderen Trennungsgründe habe ich gründlich durchgekaut, um den Mann der mich noch vor ein paar Tagen geliebt hat, eventuell verstehen können.

Nummer 1: Sex?
Sex ist ziemlich wichtig in einer Beziehung finde ich.
Also wie war unser Sexleben?
Ohne zuviel preiszugeben: Es war großartig.
Genügt das? Es sollte doch.

Nummer 2: Geld?
Eigentlich sind unsere Finanzen gut geregelt. Wir haben getrennte Konten und ein gemeinsames Sicherheitskonto.
Wir wohnen in einer schönen Gegend, in einem kleinen Haus, für das wir monatlich eine akzeptable Miete zahlen und obendrein ist unser Vermieter sehr umgänglich.
Dafür dass wir fast in London wohnen, sind das nahezu perfekte Umstände.

Nummer 3: Arbeit?
Wir arbeiten beide in derselben Firma. Wir teilen uns aber kein Büro, denn wir haben Angst, dass sich das negativ auf die Beziehung auswirken könnte.
Es handelt sich um eine Immobilienfirma, die ungenutzte Immobilien in Designerwohnungen umgestaltet.
Wir verdienen anständig und sind ziemlich zufrieden mit unseren Jobs.

Nummer 4: Streit?
Wir streiten so gut wie nie. Und wenn dann sind es irgendwelche Belanglosigkeiten und man kann es auch nicht Streit nennen.
Es sind Fragen à la: "Hast du etwa das letzte Eis gegessen?"
Antworten à la: "Ja."
Und Entgegnungen à la: "Du Vielfraß, das wollte ich haben."
Nichts Ernstes also, wegen dem man sich Sorgen machen müsste oder so.
Keine Wutanfälle bei denen wir uns die Seele aus dem Leib schreien und uns mit Vasen und anderen Gegenständen bewerfen.
Nein tut mir leid, ich verstehe es einfach nicht. Was ist schief gelaufen? Was bringt ihn dazu, ausziehen zu wollen? Was??

"Ich liebe dich noch immer, Liz."
"Warum dann das Ganze, Jason?"
"Es kann so nicht weitergehen. Ich muss ausziehen, ich halte es sonst nicht mehr aus und das könnte böse enden. Das wollen wir doch beide nicht."
Es hat bereits böse geendet.
"Warum läuft es nicht mehr? Seit wann bist du dir dessen bewusst? Wieso hast du nicht früher etwas gesagt?"
Er antwortet nicht und blickt zur Seite.
"Du denkst schon länger so, oder?"
Er nickt.
"Das war's also? Nach drei Jahren verlässt du mich einfach so."
"Ich verlasse dich nicht, ich brauche nur ein wenig Freiraum. Ich werde heute Abend nicht mit nach Hause kommen. Ich werde morgen so gegen zehn vorbeikommen und meine Sachen holen und ich glaube es ist besser für uns wenn du nicht da bist."
Dann steht er auf und geht. Er verschwindet ohne sich nochmal umzudrehen.

Ich sitze wie betäubt auf meinem Stuhl, bis ich von der Kellnerin aufgeschreckt werde die neben mir steht und mich fragt ob sie noch was für mich tun könnte.
Ich blicke sie mit meinem tränenverschmierten Gesicht an und stammle, dass ich gern ein Taxi hätte.
Die Kellnerin versteht, ruft mir ein Taxi und geleitet mich noch zum Ausgang.
Ich lasse mich auf die Rückbank des Taxis fallen und bitte den Fahrer ziellos in der Gegend herumzufahren.
Ich grüble und grüble und mir kommt die Idee, dass Jason vielleicht bemerkt hat, dass er einen Fehler gemacht hat und weise den Fahrer an mich nach Hause zu fahren.

Doch als ich nach Hause komme, betrete ich eine dunkle verlassene Wohnung. Ich gehe in jedes Zimmer, doch von Jason keine Spur. Schließlich gehe ich ins Schlafzimmer und öffne den Kleiderschrank. Er war schon da. Er hat fast alle seine Klamotten mitgenommen.
Es trifft mich urplötzlich. Es war sein voller Ernst. Er ist ausgezogen - weg.

Ich gehe ins dunkle Wohnzimmer und lasse mich seufzend auf das Sofa fallen. Ich lasse das Licht aus.
Das war' s dann also. Es gibt kein Jason und Liz mehr. Es gibt nur noch mich.
Da fällt mir ein, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt.
Ich heiße Liz Riley, Einzelkind, durchschnittlich attraktiv und mit einer Figur die zeigt, dass ich ein paar Schokokuchen zuviel hatte.
Außerdem bin ich, wie es scheint, ab sofort wieder Single.

"Das kann nicht dein Ernst sein Liz."
Da sitze ich seit zehn Minuten in der Küche meiner Freundin und heule, als ob mir jemand mit dem Auto über die Finger gefahren wäre und meine Mascara läuft mir in Sturzbächen die Wangen runter, und sie denkt immer noch ich wäre nur ein bisschen überspannt.
Ich greife zitternd nach dem nächsten Taschentuch und putze mir protestierend die Nase.
"Er ist heute morgen ausgezogen, Mel."
"Oh verdammt. Warum denn nur?"
"Er ist einfach abgehauen, ich weiß es nicht."
"Aber er liebt dich doch, er kommt bestimmt zurück."
Ich schaue sie an. "Meinst du?"
Sie nickt bestimmt.
"Aber er hat alles mitgenommen, seine Klamotten, den Fernseher, den DVD-Player, den Grill, den Toaster, fast alle CDs..."
Es ist Samstagnachmittag und ich habe mich so schnell es geht aus der leeren Wohnung verdrückt.

"Oh verdammt", entfährt es Melanie erneut.
"... die Stereoanlage, den Couchtisch, den Staubsauger, die Kaffeemaschine, sogar die Zahnpasta hat er mitgenommen. Ich dachte immer das wären unsere Möbel."
"Warum ist er nur abgehauen?"
"Ich weiß es einfach nicht. Er hat nur gesagt, er brauch Zeit für sich, dass es in letzter Zeit nicht mehr so gut gelaufen ist. Wir verstehen uns seiner Meinung nach in letzter Zeit nicht mehr so gut. Ich dachte immer alles wäre bestens."
"Das war auch mein Eindruck. Wo ist er jetzt?"

"Wie meinst du das?"
"Naja, er ist kein kleiner Junger, er wird wohl kaum wieder zu seinen Eltern gegangen sein, oder?"
"Eher nicht, die leben in Schweden. Ich war so neben der Spur, dass ich ihn das gar nicht gefragt habe. Du hast recht, wo ist er bloß hin?"
"Mit dem ganzen Kram den er mitgenommen hat, muss er eine Wohnung haben, wo er das Zeig unterbringen kann. Das würde bedeuten, er hat den Auszug schon länger geplant."
"Oh Gott du hast recht, er muss das Ganze schon ewig geplant haben." Ich bin geschockt. "Glaubst du jetzt nicht mehr, dass er zurückkommt?"
"Schwer zu sagen. Als ich dieser Ansicht war, wusste ich ja noch nicht dass er mit Sack und Pack verschwunden ist.
Ich fange sofort wieder an zu weinen. Ich hasse ihn weil er mich verlassen hat, aber ich würde ihn am liebsten in den Arm nehmen und ihn nie wieder loslassen.

"Vielleicht leidet er ja unter einer Art Midlifecrisis."
"Er ist zweiunddreißig Melanie."
"Naja, da hat man doch sozusagen sein halbes Leben hinter sich, oder nicht? Ihr seid jetzt mehr als drei Jahre zusammen. Vielleicht macht er irgendeine blöde Phase durch, vielleicht will er jetzt erstmal sein eigenes Leben leben."
"Du meinst er brauch eine Pause und kommt dann wieder zurück?"
"Ja, das könnte doch sein."
Ich klammere mich verzweifelt an diesen kleinen aber durchaus realistischen Hoffnungsschimmer. Natürlich, er will Männersachen machen, er ist zweiunddreißig und will noch einmal richtig leben und nach einem letzten Austoben kehrt er wieder zu mir zurück.
Und während ich mich auf diese Fantasie einlasse, wird in mir eine Stimme laut: Was bin ich doch für ein kleines dummes Naivchen?!

Melanie steht auf und umarmt mich ganz fest.
"Vielleicht war es ein bisschen zuviel des Guten, dass ihr auch noch in derselben Firma arbeitet."
"Ach ich weiß nicht, das Gebäude ist so riesig, wir sind uns nicht ständig begegnet." Da kommt mir ein Gedanke." "Er ist doch befördert worden. Vielleicht passe ich jetzt nicht mehr zu seinem Image."
"Spinn doch nicht rum, du siehst klasse aus."
"Ich habe zugelegt."

"Ein bisschen vielleicht, aber du siehst toll aus."
"Naja ich habe mich in letzter Zeit vielleicht etwas gehen lassen. Glaubst du wirklich er kommt zurück zu mir?"
"Ich kann es dir nicht sagen, aber du musst ihn nicht aufgeben."
"Was ist wenn er eine andere hat? Er hat zwar behauptet das sei nicht der Grund..."
"Wenn er das sagt, dann wirst du ihm wohl glauben müssen."
"Vielleicht hat er sich entliebt. Sowas soll es ja geben. Das passiert wirklich. Vielleicht war für ihn auf einmal alles langweilig und unspektakulär."
Melanie schüttelt den Kopf, aber ich lasse mich nicht beirren.

"Ich habe ihn einfach gelangweilt, das muss es sein."
"Oh nein, Liz, du bist wundervoll. Wenn er dich für langweilig hält ist er ein Vollidiot."
Ich weiß, sie würde mir am liebsten sagen, ich soll ihn vergessen, ihn in den Wind schießen und nie mehr einen Gedanken an ihn verschwenden, all das was dir deine Freundinnen eben sagen, nachdem er dich verlassen hat.
Ich will doch auf keinen Fall eine von diesen Heulsusen sein, ich will stark sein. Doch die Wahrheit ist nun mal, dass ich ihn immernoch liebe.
Melanie lächelt mich an und fragt mich was ich jetzt machen will.
"Ich habe keine Ahnung." Meine Lippe zittert schon wieder verdächtig.
"Willst du um ihn kämpfen, Liz?"
"Ich habe meine Zweifel, ob er wieder mit mir zusammen sein will."

"Aber es kommt doch darauf an, was du willst."
Meine Lippen formen bereits "keine Ahnung" als es mich wie ein Blitz durchzuckt.
"Ich will ihn wiederhaben!" Um jeden Preis."
"Na endlich, Liz. Dann kämpfe um ihn - hol ihn dir zurück!"