[Fotostory] Tiefer als der Schmerz

  • Kapitel 79
    Erklärungsversuche


    Es war nur wenige Tage nach dem recht erfolgreichen Treffen zwischen Jess und Tessas Eltern, als Tessa eines Nachmittags von der Uni nach Hause kam und schon beim Aufschließen der Türe hörte, dass ihr Telefon klingelte.
    Freudig ließ sie ihre Tasche fallen und hastete ins Wohnzimmer; bestimmt war es Jess, und sie war gespannt zu erfahren, wie das Treffen im Nachhinein auf ihn gewirkt hatte, denn bisher hatte sich noch keine weitere Gelegenheit ergeben, um mit etwas Abstand darüber zu sprechen.
    „Hallo“, rief sie freudig in den Hörer, doch ihre muntere Miene verflog, als sich ihr Gegenüber als jemand anders entpuppte.


    „Oh, hallo… Niklas“, sagte sie weitaus gedämpfter und spürte, wie ihr Herz vor Schreck über seinen Anruf schneller zu schlagen begann. Zwar hatte er versprochen, sie anzurufen, nachdem dies aber in den letzten zwei Wochen nicht passiert, dafür aber so viele andere Dinge geschehen waren, hatte sie das Treffen im Park fast völlig vergessen und keinen echten Gedanken mehr daran verschwendet.
    Nun, da sie ihn so unerwartet am anderen Ende der Leitung vorfand, fühlte sie sich befangen und nervös zugleich, ließ es sich aber nicht anmerken und versuchte, nicht zu freundlich, aber auch nicht zu kalt zu sagen: „Entschuldige, ich bin gerade erst nach Haus gekommen.“
    „Macht doch nichts“, erwiderte Niklas langsam und man spürte, dass auch er unsicher war. „Störe ich dich denn auch nicht?“


    „Nein, tust du nicht“, erwiderte Tessa wahrheitsgemäß und wartete schweigend darauf, dass er etwas sagte.
    Langsam begann Niklas dann auch zu sprechen: „Nun… ich hab dir ja gesagt, ich würde dich gerne mal anrufen. Tut mir leid, dass ich das erst heute mache, aber die letzten zwei Wochen waren echt vollgepackt.“
    „Ja, macht doch nichts“, antwortete Tessa und pusselte an einem Faden herum, der sich aus dem Bund ihres schwarzen Tops gelöst hatte.
    „Ganz schön warm ist das heute, nicht?“, fragte Niklas und Tessa musste grinsen. Das Wetter mal wieder, der ultimative Gesprächsstoff, wenn man nicht wusste, was man sagen soll.
    „Ja, ist es“, sagte sie dann. „Ich bin froh, dass ich zu Haus bin, in der Uni ist es bei diesen Temperaturen kaum auszuhalten. Wenn ich gleich noch geduscht habe und was lockeres angezogen, werde ich ein neuer Mensch sein.“


    Sie schwieg einen Moment und sagte dann: „Aber du rufst mich doch sicher nicht an, um mit mir übers Wetter zu sprechen, oder, Niklas?“
    Dieser schluckte am anderen Ende deutlich hörbar und sagte dann langsam: „Nein, natürlich nicht. Ich… Tessa, ich find es einfach so schade, dass alles so gelaufen ist, wie es nun mal gelaufen ist…“
    „Nun…“, erwiderte Tessa zögerlich. „Was soll ich dazu sagen, Niklas? Ich hab´s mir nicht so gewünscht, weißt du.“
    „Ich weiß, ja“, gab dieser langsam zurück. „Aber ich finde diesen Zustand unerträglich.“


    „Welchen Zustand?“, hakte Tessa nach.
    „Na, dass wir nicht mehr miteinander sprechen…“
    „Tun wir doch gerade.“
    „Tessa… komm schon, du weißt, was ich meine.“
    Tessa seufzte. „Niklas, was willst du von mir hören?“
    Dieser gab einen unsicheren Laut von sich und meinte dann: „Nichts, ich… ich will nur sagen, dass ich nicht weiter mit dir verstritten sein möchte und dass… du mir fehlst, seit wir uns verstritten haben. Und ich mich bei dir entschuldigen will und dir erklären, was damals los war mit mir.“
    Tessa zögerte, ehe sie sagte: „Ich weiß nicht, Niklas… ich kann mir nicht vorstellen, wie du das erklären willst.“


    Niklas seufzte. „Ja, du hast recht, eigentlich kann ich das, was ich damals gesagt habe, wohl eher nicht entschuldigen. Aber sollen wir uns deswegen für ewig böse sein? So bist du doch gar nicht, Tessa…“
    Tessa schluckte und sagte dann: „Niklas, du weißt doch gar nicht mehr, wer ich bin oder wie ich bin. Es sind fast zwei Jahre vergangen seitdem.“
    „Ich weiß, entschuldige“, stimmte er ihr zu. „Ich wollte damit nur sagen…“
    „Ich weiß schon“, unterbrach ihn Tessa schnell. „Und ich finde es schön von dir, dass du dich entschuldigst… und ja, ich find es auch nicht schön, aufeinander böse zu sein.“
    Niklas atmete offenbar erleichtert auf und sagte dann: „Das ist schön. Ich würde gerne mit dir darüber sprechen, was damals los war, Tessa.“


    Tessa zögerte einen Moment. Sie war sich nicht sicher, ob sie zustimmen sollte, tat es dann aber doch: „Gut, Niklas, das können wir machen. An was hast du gedacht?“
    „Ich würde mich gerne mit dir treffen, wenn´s dir recht ist.“
    „Und wann?“
    „Sag du etwas. Wann hast du denn Zeit?“
    Tessa dachte einen Moment nach. „Diese Woche nicht mehr. Aber vielleicht nächste Woche einmal, nach der Uni, gegen Abend?“
    „Das passt super“, erwiderte Niklas freudig. „Treffen wir uns doch am Dienstag um 18 Uhr im Eiscafé in der Schröderstraße. Kennst du das noch?“
    „Natürlich“, erwiderte Tessa und dachte mit einem wehmütigen Lächeln daran, wie oft sie und Niklas früher in diesem Café Eis geschlemmt hatten, in der Schulzeit sogar oft gemeinsam mit ihren Freunden.
    „Gut, dann bist Dienstag“, sagte sie schnell und legte auf.
    Nachdenklich schaute sie dann aus dem Fenster. Ob es so eine gute Idee gewesen war, dem Treffen zuzustimmen?

  • Am folgenden Tag äußerte sie ihre Bedenken auch gegenüber Feli und Joshua, mit denen sie gemeinsam zwischen zwei Vorlesungen in einer ruhigen Ecke des Literaturgebäudes saß.
    Am Abend waren schwere Gewitter über die Stadt gezogen und es hatte deutlich abgekühlt, aber in der Sonne, die inzwischen wieder durch die Glasfronten des alten Gebäudes fiel, begannen die drei bereits wieder zu schwitzen.
    „Oh mann, hätte ich doch nur etwas leichteres angezogen“, stöhnte Feli und fächerte sich Luft zu. „Heute Morgen war es so kalt, dass ich gefroren habe und jetzt fließe ich dahin. Ich glaube, ich lasse das Germanistikseminar nachher sausen.“



    „Du bist nicht die einzige, der es so geht“, erwiderte Tessa und zupfte an ihrem engen Oberteil herum, um etwas Luft darunter zu lassen. „Aber nun sagt mir doch mal, was ihr von dieser Geschichte mit Niklas haltet? Meint ihr, ich soll wirklich hingehen?“
    Joshua sah sie verwirrt an. „Denkst du etwa darüber nach, nicht zu gehen? Das wäre nicht besonders nett, muss ich dir sagen.“
    „Niklas war auch nicht nett zu mir“, gab sie trotzig zurück und seufzte dann. „Aber nein, eigentlich will ich schon hingehen, schließlich hab ich es ihm zugesagt. Ich weiß ja nur nicht, was ich davon halten soll. Er war für mich eigentlich gestorben, nach seinem Auftritt damals. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass er seine Meinung ernsthaft geändert hat.“



    „Wenn du nicht hingehst und ihn anhörst, wirst du es nie raus finden“, stellte Feli fest. „Wieso machst du dich dann vorher so verrückt? Du verlierst doch nichts dabei. Wenn du merkst, er ist derselbe Hornochse wie früher, stehst du einfach auf und gehst. Aber dass er sich gemeldet hat, ist doch schon mal ein ganz netter Zug an ihm.“
    „Vielleicht will er aber auch nur sein Gewissen beruhigen“, gab Tessa zu bedenken. „Und wünscht sich von mir, dass ich´s ihm nehme?“
    Joshua zuckte mit den Achseln. „Wäre ein menschlicher Wunsch, oder?“
    „Ja, aber so einfach mach ich es ihm nicht“, gab Tessa zurück. „Er hat damals Mist gebaut und damit muss er nun leben.“



    „Schon, Tessa“, sagte Feli langsam. „Aber seit wann verurteilst du die Menschen denn so im Vorhinein? Wieso lässt du es nicht einfach auf dich zu kommen?“
    Tessa zuckte mit den Achseln. „Ach, ich weiß auch nicht, Feli. Niklas und ich waren so gut befreundet und sogar noch mehr als das. Es tat damals sehr weh, was er getan hat und ich hab lange daran geknabbert. Es war mir jetzt endlich gleich und da taucht er wieder auf und wirbelt alles durcheinander. Ich… hab für so was jetzt gerade gar keinen Kopf. Ich muss mich um Jess kümmern, um die Uni und meine seit neustem so verwandelten Eltern, da fehlt es mir noch, mich wieder mit Niklas beschäftigen zu müssen.“
    Joshua lächelte. „Dir bleibt wohl nichts anderes übrig“, sagte er. „Denn wie ich dich kenne, würdest du es dir selbst nie verzeihen, wenn du ihn jetzt nicht wenigstens anhörst. Das passt nicht zu dir.“



    Tessa seufzte. „Was ihr nur immer alle denkt, was zu mir passt und was nicht. Vielleicht bin ich ja auch mal zickig und ungerecht, wie wäre das?“
    Feli lachte. „Denkst du denn, das bist du nicht?“ Kichernd sah sie ihre Freundin an, die skeptisch die Augenbrauen hochzog.
    „Bin ich das denn?“
    „Ungerecht vielleicht nicht, aber zickig kannst du schon sein“, lachte Feli. „He, was kuckst du so. Du bist eine Frau, oder, das gehört dazu.“
    Tessa streckte ihr die Zunge heraus. „Ihr seid mir ja eine echte Hilfe“, sagte sie sarkastisch.



    „Nun“, stellte Joshua grinsend fest. „Wie gut, dass du niemals ungerecht bist, nicht wahr?“
    Empört funkelte Tessa ihn an, woraufhin er nach seinem Rucksack griff und sagte: „Ich muss los, meine werten Damen. Man sieht sich – und, Tessa, ich bin gespannt, was Niklas dir sagen wird!“
    Er zwinkerte und verschwand. Tessa warf Feli einen Blick zu und musste dann selbst grinsen.
    „Nun, wir dürfen gespannt sein“, kicherte Feli dann philosophisch, griff ebenfalls nach ihrer Tasche und sagte: „Los, du Zicke, wir kommen sonst zu spät zu unserem Kolloquium.“
    Lachend erhob Tessa sich, folgte Feli und schob den Gedanken an das Treffen fürs erste zur Seite.

    Der Zeiger der Uhr zeigte bereits fünf nach sechs, als Tessa am Eiscafé ankam. Sie blieb einen Moment vor dem kleinen Häuschen stehen und lauschte den vertrauten Geräuschen von klappernden Löffeln und zischenden Espressomaschinen. Dann ging sie lächelnd durch das Gebäude hindurch, nickte den Kellnern, die zum Großteil noch dieselben waren wie vor Jahren, als sie hier nach der Schule Eis gegessen hatten, freundlich zu und betrat den kleinen, unspektakulären Terrassenbereich, wo sie Niklas schon an einem der hinteren Tische entdeckte.
    Es war ein seltsames Gefühl, fast, als tauche sie in die Vergangenheit ein. Eine Vergangenheit, von der sie nicht sicher wusste, ob sie diese schön oder eher schlecht empfinden sollte. Ein Teil von ihr sehnte sich hier hin zurück, in diese Zeit, die noch so unbeschwert und naiv gewesen war, ein anderer war heilfroh, all dies schon lange hinter sich gelassen zu haben, gereift und gewachsen zu sein.
    Langsam ging sie auf den kleinen Tisch zu und sagte: „Hei Niklas“, während sie den Stuhl nach hinten rückte. Auf dem Tisch stand eine fast geleerte Schale mit Beeren, die Niklas offenbar schon gegessen hatte.



    Freudig blickte dieser sah an und sagte: „Schön, dass du es geschafft hast. Ich dachte schon, du kommst nicht mehr.“
    Tessa lachte. „Ich musste erst noch einen Parkplatz finden. Früher sind wir immer hier her gelaufen oder mit dem Mofa gefahren, das war etwas einfacher.“
    „Ja“, stimmte Niklas ihr zu. „Ich war schon ein Weilchen nicht mehr hier, und du?“
    „Seit Jahren“, erwiderte Tessa. „Ich bin fast gar nicht mehr in dieser Ecke, weil ich ja nicht mehr bei meinen Eltern wohne. Schon lange nicht mehr.“
    Niklas nickte langsam. „Ich weiß. Wie gefällt es dir in der Wohnung?“
    „Gut“, gab Tessa zur Antwort und lächelte dem Kellner zu, der an ihren Tisch getreten war. „Ich hätte auch ganz gerne die frische Beerenschale, sonst nichts.“ Der Keller nickte, nahm die leere Schale mit und verschwand.
    „Wie? Kein Eis?“, fragte Niklas erstaunt. „Seit wann isst du kein Eis, wenn sich dir die Gelegenheit dazu bietet?“



    Tessa lächelte verbindlich und sagte: „Es hat sich einiges geändert, Niklas. Das sagte ich ja schon…“
    Niklas wurde ernst und nickte. „Ja, stimmt. Es ist eine lange Zeit vergangen…“
    Tessa nickte langsam, dann schwiegen beide eine Weile und starrten vor sich hin, bis der Kellern kam und eine große Schale mit frischen Beeren auf den Tisch stellte. Langsam begann Tessa daran zu knabbern und sagte dann: „Nun, Niklas… du wolltest mich sprechen, also rück mit der Sprache heraus…“
    Niklas schluckte, starrte die Beeren an und sagte dann: „Ich denke, du weißt, worum es geht…“
    Tessa wischte sich über den Mund und nickte. „Ich nehme es an, ja.“



    „Nun…“, begann Niklas zögerlich. „Es tut mir echt leid, was damals passiert ist.“
    Tessa nickte wieder. „Das sagtest du aber schon.“
    Niklas seufzte. „Das ist nicht so einfach, Tessa. Ich… ich war damals ein ziemlicher Idiot. Ich hab viel gesagt und getan, was Unsinn war.“

  • Tessa dachte einen Moment nach und sagte dann spitz: „Das müsstest du mal genauer definieren, Niklas. Was davon war denn genau Unsinn? Dass du mich beleidigt hast? Dass du mich verfolgt hast, dass du mich bei meinen Eltern an den Pranger gestellt hast, dass du meinen Freund aufs härteste beleidigt hast, oder war es vielleicht viel mehr deine allgemeine Einstellung zu solchen Dingen?“
    Niklas schluckte betroffen. „Du bist wohl doch noch ganz schön sauer“, stellte er fest.



    Tessa seufzte. „Nicht sauer, Niklas. Enttäuscht, noch immer… und… nicht wirklich bereit, das zu vergessen und vergeben. Du hast dich ja nicht einfach nur mit mir gestritten, du hast dich völlig inakzeptabel verhalten und mein Vertrauen aufs gröbste missbraucht, das muss dir klar sein.“
    Niklas nickte. „Ja, das ist mir schon klar, Tessa. Auch wenn mir nicht ganz klar war, wie schlimm es für dich gewesen ist. Ich dachte, du wärst sauer, weil ich dich verpetzt habe und weil ich mich so unfair verhielt.“
    „Das ist nur einer der Punkte, Niklas“, erklärte Tessa. „Ich meine… deine Einstellung… was ist mit der? Würdest du heute wieder so handeln, so reden?“



    Niklas schüttelte den Kopf. „Natürlich nicht, Tessa. Es war falsch, wie ich mich verhalten habe und was ich sagte.“
    „Aber was ist mit deiner grundlegenden Einstellung dazu? Zu Menschen wie Jess?“, wollte Tessa wissen.
    Niklas seufzte und sagte dann ratlos: „Ich weiß es nicht, Tessa. Ich kann es dir nicht sagen. Ich denke nach wie vor, dass das, was du damals gemacht hast, nicht allzu ratsam war… aber ich hätte mich nicht so einmischen dürfen. Ich habe völlig falsch gehandelt.“
    „Das hast du“, gab Tessa ihm recht. „Aber du solltest wissen, dass ich nach wie vor mit Jess zusammen bin. Und wie sollte ich normal mit dir reden können, wenn ich den Eindruck habe, du denkst über Menschen wie ihn noch immer so wie du es damals gesagt hast?“
    Niklas schüttelte den Kopf. „Nein, das ist nicht so. Ich … ich denke doch gar nicht schlecht über diese Menschen, jedenfalls nicht so wie du das meinst. Natürlich finde ich es nicht gut, ganz und gar nicht. Und nimm mir nicht übel, wenn ich sage, dass man einer guten Freundin nicht unbedingt einen Freund wünscht, der drogensüchtig und obdachlos ist, Tessa. Du hättest andersherum auch nicht gerade vor Begeisterung aufgejuchzt, wäre ich mit dieser Offenbarung zu dir gekommen, sei ehrlich…“



    Tessa dachte einen Moment nach und räumte dann ein: „Das nicht, nein. Und ich kann ja verstehen, dass du besorgt warst und beunruhigt. Aber ich bot dir damals mehrmals an, Jess selbst kennenzulernen. Dir mehr über ihn zu erzählen, damit du verstehst, was ich an ihm finde und warum deine Sorge zumindest zum Teil unbegründet ist.“
    „War sie das denn?“, fragte Niklas. „Gab es in eurer Beziehung nie eine Situation, in der es gefährlich war für dich? Oder in der man sich um dich hätte sorgen müssen?“
    Tessa schluckte und kämpfte gegen die Bilder aus jener Nacht an, in der sie in der Ruine angegriffen wurde.
    „Nein“, antwortete sie dann ehrlich. „Diese Situationen gab es durchaus. Aber … das berechtigte dich dennoch nicht dazu, mir diese Beziehung verbieten zu wollen.“
    Sie funkelte ihn an und wunderte sich, wie viel alte Wut da noch in ihr war. „Ich kann gar nicht verstehen, dass du dir das heraus genommen hast, Niklas…!“



    Niklas nickte langsam. „Ja, ich weiß, Tessa. Ich weiß, das war nicht richtig. Aber ich will es dir erklären, wenn du mich lässt…“
    Tessa nickte zustimmend und Niklas fuhr fort: „Tessa, ich… wir waren so lange befreundet, wir waren lange zusammen und… ich war nie richtig über dich hinweg. Ja, ich weiß, wir hatten gesagt, wir sind nur Freunde. Und ich war mir auch nicht bewusst darüber, dass da noch mehr ist, was ich für dich empfinde. So wie es war, war es gut für mich. Wir waren so nah befreundet, dass ich dich immer an meiner Seite hatte. Ich konnte dich umarmen, wenn ich wollte, ich konnte dich praktisch sogar küssen, du hast nie etwas gesagt…“
    Er sah sie lange an. „Du weißt, dass es so war. Was zwischen uns bestand, war nie reine Freundschaft. Es war ein seltsames Zwischending…“
    Tessa schluckte und musste ihm recht geben.
    Wie oft hatten sie sich auf eine Art und Weise berührt, die durchaus Spekulationen über die Art und Weise ihrer Beziehung zugelassen hätte.



    Aber sie beide waren frei gewesen und hatten sich wohl nur langsam voneinander gelöst.
    „Ja“, gab Tessa zu, auch wenn es ihr schwerfiel. „Aber zu jenem Zeitpunkt, als ich Jess kennen lernte, hattest du doch schon eine neue Freundin. Es war anders, wir waren beide voneinander weg.“
    Niklas seufzte. „Das dachten wir. Oder ich. Es war etwas anderes, dass ich eine Beziehung hatte, Tessa. Ich… das klingt furchtbar, aber… ich wollte dir keine zugestehen. Und dann auch noch mit so einem… so einem Kerl. Bitte nicht mir das nicht übel. Ich denke heute nicht mehr so. Aber damals erschien es mir so. Ich dachte mir, was findest du nur an ihm, wenn du mich haben könntest?“
    „Aber du wolltest mich doch auch gar nicht mehr!“, rief Tessa verwirrt aus.
    „Das dachten wir beide. Aber ich wollte dich noch“, gab Niklas zu und starrte auf seine Schuhspitzen. „Und irgendwie glaube ich, ich hatte Besitzansprüche auf dich.“ Er seufzte. „Ich muss echt irre gewesen sein. Wenn ich das heute so höre, wie ich das sage, denke ich, das gibt es doch nicht. Aber es war so. Ich glaube, ich dachte irgendwie, es geht immer so weiter… dass ich mal hier und mal da eine Freundin habe, aber du ständig mein Hinterhalt bist…“



    Tessa schnaubte. „Das ist ziemlich harter Tobak, Niklas. Ich war also immer dein Trostpflaster?“
    „Nein… nein, wirklich nicht!“, bestritt dieser. „Du warst viel mehr immer meine große Liebe…“
    Betreten schwiegen beide einen Moment, dann sprach Niklas weiter. „Ich hab das erst bemerkt, als du nicht mehr da warst, als wir verstritten waren. Bettina machte bald mit mir Schluss, denn sie merkte ja, dass ich gar nicht so viel für sie empfand, wie ich es gemusst hätte. Und dann wurde mir nach und nach alles klar.“
    „Und heute?“, fragte Tessa bange. „Heute empfindest du aber nicht mehr so?“
    Niklas schüttelte den Kopf. „Nein, heute nicht mehr. Aber ich bedaure, dass unsere Freundschaft zerbrochen ist. Die war nämlich viel wert.“
    Tessa seufzte. „Und du denkst, wir können wieder Freunde sein?“
    „Ich weiß es nicht. Sag du es mir…“



    „Nein“, erwiderte diese. „Oder … ich weiß nicht. Niklas, ich… ich kann das alles nicht vergessen. Okay, ich verstehe nun eher, wieso du damals so ausgetickt bist. Aber deine Einstellung zu Jess, dein anmaßendes Verhalten… ich meine… ich hätte das nie von dir gedacht.“
    Niklas sah sie betreten an, nickte aber. „Ja, ich kann dich ja irgendwie verstehen.“
    „Dass du mir sogar nachspioniert hast… und dachtest du etwa, du kriegst mich zurück, wenn du mich bei meinen Eltern anschwärzt?“
    „Nein,“ erwiderte Niklas. „Das nicht. Aber ich hatte dich an jenem Tag mit ihm gesehen und das, was ich befürchtet hatte, war Wahrheit geworden – ihr hattet euch verliebt. Mir war das von Anfang an klar, Tessa.“
    Tessa sah ihn irritiert an. „Wieso? Wir waren anfangs nur befreundet, Jess und ich.“



    Niklas lachte trocken auf. „Hach, Tessa, da kannte ich dich wohl besser als du dich selbst. Schon vom ersten Moment an, wo du mir von ihm erzählt hast, habe ich gemerkt, dass du etwas für ihn empfindest.“
    „Na, dann hast du mehr gewusst als ich.“
    „Mag sein“, erwiderte er. „Und als ich euch dann sah, sind mir die Sicherungen durch gebrannt. Ich dachte, wenn ich deine Eltern mit ins Spiel bringe, werden sie dir den Umgang verbieten. Ich hätte nie gedacht, dass du dich über sie hinweg setzt.“
    „Tja, da siehst du mal“, erwiderte Tessa leicht spöttisch. „Aber wieso hast du ihnen nichts gesagt, als ich behauptete, Jess wäre weggegangen? Und du hast auch nicht gesagt, dass wir zusammen sind.“
    „Das hab ich mich nicht getraut“, erwiderte Niklas langsam. „Es wäre zu hart gewesen. Auch für deine Eltern. Und… ich war mir nicht sicher, ob du wirklich lügst, als du sagtest, er ginge fort. Es hätte ja sein können."

  • "Außerdem dachte ich mir, dass deine Eltern nun sicher alarmiert wären und darauf achten, was du so machst.“
    Tessa schnaubte entrüstet. „Niklas, ich war doch kein Kind mehr, ich war fast zwanzig, dachtest du, sie schleichen mir nach – so wie du?“ Sie lächelte. „Das war total abwegig!“



    „Ich weiß“, gab Niklas zu. „Aber ich habe mit so etwas gerechnet. Ich hätte nicht gedacht, dass du so ausrastet, muss ich zugeben. Oder zumindest nicht, dass du dich tatsächlich von mir abkapselst.“
    „Das war doch klar, Niklas. Wie hätten wir danach nur noch ein Wort sprechen können?“
    „Ehrlich gesagt dachte ich, das mit dir und Jess geht ohnehin in die Hose, früher oder später. Ich habe darauf gewartet, dass du kommst und dich mir anvertraust und … ich dich trösten kann.“
    Tessa schluckte. „Das war also mehr oder weniger ein gut zurecht gelegter Plan, mh? Nur leider hat er nicht funktioniert.“
    Niklas grinste schief und betreten. „Nein, hat er nicht. Du bist nicht gekommen, und ich wusste nicht, was los war. Ich hätte nie gedacht, dass das zwischen euch so lange hält. Ich meine… ich dachte nicht einmal, offen gestanden, dass er es so lange überleben wird… nachdem du von Heroin sprachst.“
    Tessa wusste zuerst nicht, was sie sagen sollte. Zu heftig war Niklas´ Geständnis.
    Letztlich sagte sie: „Wir beide haben es überlebt, Niklas. Und wir sind sehr glücklich.“
    Von den Problemen und Schwierigkeiten sagte sie bewusst kein Wort.



    „Das freut mich für euch. Wirklich“, sagte Niklas und er klang aufrichtig dabei. „Nun, jetzt weißt du, was mich damals geritten hat. Natürlich hab ich mich auch um dich gesorgt, Tessa, das sei nicht außer Acht gelassen. Ich meine, ich wusste ja nicht, ob du nicht eines Tages aus Solidarität auch etwas nimmst. Oder in welchen Kreisen ihr euch bewegt.“
    „Ich hätte nie etwas genommen“, sagte Tessa entschieden. „Du weißt, ich habe damals nicht einmal wirklich den Pott mitgeraucht.“
    „Ja, aber das war etwas anderes“, räumte Niklas ein. „Man tut viel für jemanden, den man liebt.“
    „Jess hätte mich verflucht, hätte ich auch nur einmal an einem Joint gezogen“, gab Tessa kalt zurück. „Und überhaupt, wenn man sieht, wie kaputt ein Mensch durch Drogen werden kann, kommt man niemals auf die Idee, etwas anzurühren. Niemals. Eine bessere Schocktherapie kann es nicht geben.“



    Niklas nickte langsam. „Kann ich mir vorstellen…“, sagte er dann. „Naja. Jetzt weiß du jedenfalls alles. Und ich kann verstehen, wenn du sauer bist. Aber trotzdem möchte ich dich bitten, dass wir uns nun nicht mehr ignorieren und hassen.“
    „Ich hab dich nie gehasst“, erwiderte Tessa aufrichtig. „Ich war nur verletzt und gekränkt und wütend.“
    Niklas erwiderte nichts. Tessa starrte auf die verbliebenen Beeren in der Schale vor sich. Ihr war der Appetit vergangen. Eine Weile saßen beide mehr oder weniger schweigend beieinander und hielten das Gespräch mühsam im Gange, in dem sie ein wenig über die Uni und ihre Familien sprachen.
    Schließlich seufzte Tessa und sagte lächelnd: „Sei mir nicht böse, Niklas. Aber ich habe noch einiges zu tun heute. Ich muss dann los, ich hoffe, das ist okay.“



    Niklas nickte. „Ja, natürlich. Ich muss dann auch los.“
    „Gut, dann werde ich mal zahlen…“
    „Lass schon, ich mach das.“
    Unbequem sah sie ihn an. „Niklas…“
    „Als eine kleine Wiedergutmachung… auch wenn das so einfach nicht geht, ja, aber trotzdem…“
    Tessa seufzte und nickte dann. „Gut, von mir aus.“
    „Tessa?“
    „Mh?“
    „Treffen wir uns bald mal wieder?“, wollte Niklas wissen.
    Tessa sah ihn unsicher an und sagte dann: „Niklas, ich … ich muss das erstmal alles verdauen und sacken lassen. Ich bin dir jetzt nicht unbedingt böse, aber… weißt du, mein Leben hat sich ohnehin geändert und ich habe viel zu tun und… lass mir Zeit, ja? Du kannst mich ja mal anrufen, wenn du magst. Oder wir chatten mal abends, irgendwann demnächst. Okay?“



    Niklas nickte. „Ja, ich verstehe… ist okay, Tessa. Dann komm mal gut nach Hause.“
    Tessa lächelte und stand auf. „Macht´s gut, Niklas. Grüß zu hause.“
    „Du auch.“
    „Mach ich“, sagte Tessa und dachte sich insgeheim, dass es wohl keine so gute Idee sein würde, gegenüber ihrer Eltern in der momentanen Situation Niklas wieder ins Spiel zu bringen und am Ende alte „Ideen“ zu erwecken.
    Sie winkte eben jenem noch einmal zu und verließ dann schnellen Schrittes das Eiscafé.
    Als sie im Auto saß und den Ort ihrer Jugend im Rückspiegel verschwinden sah, atmete sie tief durch.



    Es war wie eine Befreiung. Es war gut gewesen, Klarheit zu bekommen. Aber je mehr Entfernung sie zwischen dem Café und sich ließ, desto deutlicher wurde ihr, dass Niklas ihre Vergangenheit war. Er passte nicht mehr zu ihr und ihrem Leben. Und das war gut so.

    Fortsetzung folgt.

  • Hallö Innad, :)


    Ich kann Tessas Zweifel ob sie sich wirklich mit Niklas treffen soll verstehen, er hat sie schließlich sehr verletzt. Aber ich kann auch verstehen, warum sie trotzdem gegangen ist. Neugier und einfach Höflichkeit, nachdem man sowieso schon zugesagt hatte. Mir wäre es nicht anders gegangen und manchmal wünschte ich mir, dass ich auch nochmal die Chance kriegen würde, einen alten Streit aufzuklären, aber leider hab ich noch nicht mal Ahnung, wo ist derjenige zur Zeit aufhält (und ich glaube auch nicht, dass ich da den ersten Schritt machen sollte, aber ich komm vom Thema ab).
    Das Gespräch zwischen Niklas und Tessa fand ich sehr interessant, endlich weiß Tessa warum Niklas so reagiert hat und um ehrlich zu sein, kann ich ihn jetzt auch besser verstehen. Klar er hat absolut falsch reagiert, aber wer weiß, wie man selbst mit der Situation umgegangen wäre. Vielleicht war es auch seinem Alter zu zu schreiben, dass er nicht wie ein erwachsener Mann sondern eher wie ein gekränkter Junge gehandelt hat. Das er Tessa sehr verletzt hat damals und das sie ihm das nicht so einfach verzeiht, ist auch selbstverständlich, auf jeden Fall für mich.
    Trotzdem ist es sicher eine, hm, Erleichterung für Tessa endlich mit Niklas abschließen zu können. Nun sind alle Fronten geklärt und sie kann weiter nach vorne schauen und muss sich nicht mehr mit der Vergangenheit beschäftigen. :)
    Was ich sehr witzig fand, war die Unterhaltung zwischen Feli, Joshua und Tessa. Klar hat auch Tessa mal das Recht zickig zu sein, aber die Unterhaltung war göttlich. :roftl


    Ganz liebe Grüße
    Llyn

    You are never more alive than when you're about to lose your pants!



    FS: Sunrise Update: 04.06.19

  • Wow was für eine megalange Fs. :eek:



    Kann gut nach fühlen wie Tessa sich gefühlt hat als Niklas und nicht Jess am Telefon war. Man freut sich scon lange auf diesen Anruf und dann ist jemand ganz anderer dran. Das gibt erstmal einen gewaltigen Dämpfer. :rolleyes
    Ihre Reaktion ist gut nachvollziehbar, denn auch wenn er sagte er würde sich melden und es dann auch tatsächlich zu tun sind zweierlei Dinge.


    Trotzdem ist es gut das sie dem Treffen zugesagt hat, allein schon um zu erfahren was damals seine Beweggründe waren so zu handeln. Allerdings habe ich nach dem Telefonat schon vermutet, das er mehr als nur eine Freundin in ihr gesehen hat und er aus Eifersucht heraus so gehandelt hat. ;)


    Bei dem Gespräch zwischen Feli, Joshua und Tessa hat Joshua - wie ich finde - sogar Partei für Niklas ergriffen. Ob er vielleicht auch eine Vermutung in dieser Richtung hatte, denn ihm geht es ja ähnlich mit Tessa, auch wenn er sie zu dem Zeitpunkt noch gar nicht kannte. Aber ich denke er hätte vielleicht auch so gehandelt. Keiner sieht gerne zu wie seine große Liebe mit offenen Augen ins Verderben rennt. Von der Eifersucht ganz zu schweigen. Aber vielleicht interpretier ich da auch einfach zu viel hinein. :rolleyes


    Auf jeden Fall denke ich, hat Tessa eine ganz andere Sicht auf diesen Streit bekommen. Auch wenn Niklas Verhalten trotz allem nicht wirklich entschuldbar ist und er sich unmöglich benommen hat. Aber er hat bei diesem Gespräch gradezu einen Gefühlsstriptease hingelegt und sich ganz und gar offenbart. Diese Aussprache war gut, ehrlich, gefühlvoll, total anstrengend und vor allem überfällig.


    Und auch wenn Tessa für sich mit Niklas abgeschlossen hat, glaube ich trotz allem das wir ihn wieder sehen werden. *mich an Moni erinnere* ;)

    My Name Is Love - Nina Love

  • @LLyn: Ja, ich kenne das auch gut, wenn man so im Streit auseinander ging und eine Weile danach ist alles relativeirt, aber man verliert sich aus den Augen. So gesehen war es ja auch heir eher dem Zufall zu verdanken, dass die beiden wieder Kontakt aufgenommen haben.
    Ob tessa diese Vergangenheit allerdings ganz so leicht ruhen lassen kann, ist fraglich. Schließlich war Niklas schon ein großer Teil ihres Lebens. Auch wenn sie jetzt anders ist.
    Die Unterhaltung zwischen den dreien fand ich auch witzig, machte Spass, sie zu schreiben! :)
    DAnke für Deinen Kommi!



    Nina
    : Hihi, Du glaubst also, wir sehen Niklas noch wieder. Dem kann ich zustimmen, nur wie und wann... erfahrt ihr sehr bald :D
    Dass Niklas schon auch Großmut zeigte durch seine Aussprache, finde ich auch. Aber irgendwie war es für Tessa halt auch schon verletzend, so vieles mehr zu erfahren. Ich meine, es sich zu denken, ist das eine, es zu wissen,d as andere.
    Danke für Deinen Kommi!



    @ALL: Ich bin etwas rührselig heute, denn vor 1 Jahr (am 29.6.) habe ich die erste Folge on gestellt! :) Ich danke euch allen an dieser Stelle nochmal für eure Treue!!!

  • Kapitel 80
    Gewitterstimmung



    Tessa warf einen Blick aus dem Fenster. Der Himmel hing voller Wolken, und ein warmer Sommerregen prasselte gegen die Scheiben. Es war schwül in dem kleinen Zimmer und Tessa musste zugeben, dass dringend gelüftet hätte werden müssen. Sie warf Jess einen Blick zu, der auf der Couch saß und unmotiviert an seinem Pullover herum fistelte.
    „So ein blödes Wetter!“, stellte er fest. „Immer diese Gewitter, das ist schlimm.“
    Tessa lächelte und setzte sich wieder neben ihn. „Es ist eben Sommer“, sagte sie aufmunternd. „Und der Regen ist wichtig für die Pflanzen.“


    Jess verzog das Gesicht. „Du alte Besserwissern“, sagte er und Tessa war sich nicht sicher, ob es im Scherz gemeint war oder nicht. „Ich find nichts an diesem Wetter, draußen ist viel schöner als in dieser Muffelbude hier.“
    „Das könntest du ändern, indem du mal ein paar Fenster auf machst“, setzte Tessa vorsichtig an, doch Jess murrte nur etwas vor sich hin und sagte nichts weiter.
    Tessa saß eine Weile schweigend neben ihm. Dass Jess heute mal wieder keinen guten Tag hatte, war ihr schon aufgefallen, als sie herein gekommen war. Inzwischen waren die Besuchzeiten für ihn so aufgelockert worden, dass sie ihn auch alle zwei Wochen Donnerstagsnachmittags besuchen konnte, was heute der Fall war. Sie hatte extra ein Seminar für ihn sausen lassen, was er natürlich nicht wusste.
    Dass er nun so übellaunig war, ließ sie es fast bereuen, die Uni frühzeitig verlassen zu haben.
    Sie warf ihrem Freund einen Blick zu, doch dieser starrte nur gelangweilt auf die gegenüber liegende Wand.


    „Jess, ich kann nichts für das Wetter“, sagte Tessa schließlich seufzend. „Oder ist noch etwas, was dir diese herrliche Laune beschert?“
    „Was? Ich bin nicht schlecht gelaunt“, erwiderte er patzig. „Nur du scheinst heute ziemlich empfindlich zu sein.“
    Tessa schwieg und sagte schließlich: „Das Wetter war doch die ganze Woche wirklich gut, oder? Und es soll morgen auch wieder unheimlich heiß werden. Ich bin jedenfalls ganz froh über diese Abkühlung.“


    Jess brummte nur, dann sagte er langsam: „Was hast du die ganze Woche so gemacht?“
    „Uni“, erwiderte sie schlicht. „Wie immer. Nein, warte, vorgestern waren Feli und ich im Schwimmbad.“
    „Na toll“, erwiderte er gereizt. „War bestimmt schön.“
    Tessa schluckte verletzt und sagte dann: „Hast du ein Problem damit?“
    „Nein, wieso sollte ich“, gab Jess schnippisch zurück, stand auf und ging im Zimmer auf und ab. „Ist doch schön, dass du mit irgendwelchen Leuten, die ich nicht einmal kenne in der Gegend herum flippst, während ich hier versaure.“


    Auch Tessa erhob sich jetzt und versuchte, ihre Kränkung nicht zu zeigen und freundlich zu antworten: „Jess, ich hätte sie dir gerne schon alle vorgestellt, aber das holen wir bald nach, das weißt du. Und schwimmen gehen kannst du hier doch auch wunderbar. Du hast es da sogar fast besser als ich, denn du hast den Pool immer vor der Haustür.“
    Jess stöhnte auf und klatschte sich mit der Hand gegen die Stirn: „Das meinst du jetzt nicht wirklich ernst, oder?“


    Tessa schluckte. „Was ist denn jetzt schon wieder falsch?“, seufzte sie.
    „Tessa, denkst du echt, das ersetzt es! Du könntest ja fast dein Vater sein, der auch so tolle Reden über diesen Pool hier geschwungen hat! Den ganzen Tag habe ich diese blöden Sitzungen, und inzwischen kann ich das Gelaber nicht mehr hören! Ich hocke hier in dieser Bude seit geschlagenen drei Monaten, fast noch mehr sogar! Und ich kann´s nicht mehr sehen! Da draußen ist das Leben und ich bin hier eingesperrt, es kotzt mich einfach an! Und dann kommst du hier immer alle paar Wochen oder Tage rein spaziert und gehst wieder in dein ach so tolles Luxusleben zurück, in das ich doch eh nicht passe!“
    Er schnaubte aus. „Du weißt gar nicht, wie gut du es hast! Aber ein bisschen Verständnis ist dafür wohl auch zu viel, da erzählst du mir noch, wie gut es mir hier geht, weil ich ja einen Pool vor der Haustüre habe!“
    Er stemmte die Hände in die Hüfte und sah sie missmutig an. Tessa derweil verzog wütend das Gesicht und wusste zuerst nicht, was sie sagen sollte.


    „Denkst du das echt von mir?“, sagte sie dann so ruhig wie möglich.
    „Ach, was weiß ich“, erwiderte Jess genervt. „Ich weiß gar nicht mehr, was ich denken soll. Manchmal denke ich, es wäre besser, wenn ich dich gar nicht mehr sehe, damit ich nicht immer vor Augen gehalten bekomme, wie schön das Leben da draußen sein kann, während ich hier versauere…“
    „Aber… Jess… du hast dir das rausgesucht, du bist kein Gefangener“, versuchte Tessa einzuwenden, doch Jess schnaubte nur verächtlich und sagte: „Du musst´s ja wissen, mh?“
    Tessa schwieg und fühlte sich gekränkt, so sehr, dass sie spürte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen und ein dicker Kloß in ihrem Halse entstand.
    „Du bist verdammt ungerecht“, murmelte sie weinerlich.


    Jess sagte nichts, schob das Kinn nach vorne und starrte zum Fenster hinaus.
    Tessa schniefte und sagte: „Ich versuche wirklich, dich zu verstehen, Jess. Und ich denke mir, dass das alles nicht einfach für dich ist. Ich weiß es vielmehr. Aber ich kann auch nichts dafür, wie es ist. Es ist nicht meine Schuld. Ich zwinge dich nicht, hier zu sein. Ich zwinge dich zu gar nichts… und… das tut übrigens niemand. Und ich finds nicht richtig, dass du deine schlechte Laune an mir auslässt, wenn ich schon alles tu, um hier her zu kommen und dich zu sehen. Ich freu mich auf dich und dann bist du… so ein… Ekel. Das ist echt nicht fair“, sagte sie mit zitternder Stimme und wischte sich mit dem Handrücken über die feucht gewordenen Augen.


    Dieser sah sie einen Moment zerknirscht an und bemerkte dann, wie verdächtig ihre Schultern zuckten. Seufzend löste er sich aus seiner starren Haltung und kam einen Schritt auf sie zu.
    „Nun wein doch nicht gleich“, sagte er deutlich freundlicher. „Das bringt doch nichts.“

  • „Ich wein doch gar nicht“, sagte Tessa schnell. „Aber ich… ich meine, es ist nicht gerade schön, wenn ich immer dein Prellbock für alles bin. Ich kann doch nichts an deinen Problemen ändern.“
    „Ich weiß“, sagte Jess seufzend. „Tut mir leid, aber… weißt du, du gehst mir manchmal einfach mit deinem Heile-Welt-Getue auf die Nerven.“ Er fasste sie sanft an die Schulter. „Sei mir nicht böse, Tessa. Du weißt ja, ich hab dich lieb. Aber … es ist einfach alles so nervig im Moment.“



    „Wie meinst du das?“, schniefte Tessa. „Heile Welt? Was meinst du damit?“
    „Ach, ich weiß nicht… in allem versuchst du was schönes zu sehen. Im Regen oder sonst was. Das nervt. Manches ist eben einfach total mistig, und wieso siehst du das dann immer als positiv? Und dann ist es auch nicht einfach für mich, dass du hier rein kommst und mir von deinem Alltag erzählst, und ich mir keine Vorstellung davon machen kann.“
    „Soll ich nichts mehr davon erzählen? Warst du nicht derjenige, der gesagt hat, wir müssen uns kennen lernen, auch unseren Alltag?“, gab Tessa trotzig zurück.
    Jess zuckte mit den Schultern. „Ja. Grundlegend schon. Aber manchmal ist mir das alles zu viel. Ich hab ja auch noch gar keinen Alltag. Vielleicht liegts daran. Was weiß ich. Ich hab jetzt auch keine Lust, darüber zu diskutieren.“
    Einen Moment standen sie schweigend voreinander, bis Tessa sagte: „Ich gehe dann besser.“
    Jess widersprach nicht, sondern nickte nur stumm.
    „Sind wir uns nun sauer?“, fragte Tessa verunsichert. Jess schüttelte langsam den Kopf.
    „Nein, sind wir nicht. Heute ist wohl nur nicht unser Tag.“
    Er zog sie kurz in seine Arme und gab ihr einen schnellen Kuss auf die Wange. „Komm gut heim“, sagte er dabei schlicht.



    Tessa drückte ihn an sich, doch er löste sich energisch aus ihrer Umarmung, lächelte sie schief an und öffnete dann die Türe, was Tessa klar machte, dass er sie mehr oder weniger heraus komplimentierte.
    „Wir sehen uns nächste Woche?“, fragte er sanft, als sie an ihm vorbei auf den Flur trat. Tessa nickte langsam, auch wenn sie nicht recht wusste, ob sie zurzeit wirklich Lust dazu verspürte, wieder her zu kommen. „Ich denke schon“, sagte sie darum nur knapp. Jess drückte noch einmal ihre Hand und schloss dann die Tür.
    Einen Moment stand Tessa verdattert im Flur, dann schnaubte sie wütend aus und ging schnellen Schrittes den Flur entlang, die Treppe hinunter, rannte durch den prasselnden Regen zum Auto und warf den Motor an.
    Aufgebracht trat sie aufs Gas und fuhr mit quietschenden Reifen los. Sie fuhr nur wenige Kilometer und schon riss der Himmel auf und die Sonne schien. Sie merkte es kaum, ebenso wie die Tatsache, dass ihr die Tränen übers Gesicht liefen, bis sich ihre Sicht so sehr vernebelte, dass sie kurz recht heranfahren musste, um sich zu beruhigen und die Nase zu putzen.
    Sie ließ die Scheibe hinunter und atmete mehrmals tief durch. Neben ihr rauschten die Blätter der mächtigen Bäume des Waldgebietes, durch das der Zubringer zur Autobahn führte, im Wind.



    Tessa schniefte, schloss das Fenster wieder und warf erneut den Motor an. Je schneller sie nach Hause kam, desto besser war es.
    Rasch bog sie auf die Autobahn ab und gab Gas, so dass sie nur eine knappe halbe Stunde später wieder in das Herz der Stadt hinein fuhr. Doch hier war die Straße war voll, es herrschte Feierabendverkehr und kaum in der Stadt angekommen, geriet Tessa rasch in den unvermeidlichen 18-Uhr- Stau, der nur in die Stadt hinein ging, während die Straße in die andere Richtung verlassen und leer wirkte. Seufzend drehte sie das Radio lauter und starrte aus dem Fenster, wo eine Katze auf dem Bürgersteig saß und nach Fliegen schnappte.



    Einen Moment lächelte Tessa, dann gab sie wieder Gas, da die Kolonne vor ihr sich wieder in Bewegung setzte und kaum war das Kätzchen aus ihrem Blickfeld verschwunden, kehrten ihre Gedanken wieder zu Jess zurück. Sie fühlte sich miserabel und ungerecht behandelt. Dabei war dies nicht der einzige Fall, in dem es so gelaufen war. Schon etliche Male war sie zu Jess gekommen und hatte ihn schlecht gelaunt, frustriert und oft auch ungerecht vorgefunden. Auf manch einen mochte es wirken, als handele er den Entzug völlig locker und unproblematisch, doch dem war nicht so. Zwar hatte er die ersten Wochen gut überstanden und auch insgesamt konnte man eigentlich zufrieden sein. Doch immer wieder holte die Sucht ihn ein, machte die psychische Abhängigkeit ihn nervös und übellaunig. Wenn er dann noch über seine Zukunftsperspektiven nachdachte oder aber in einer Sitzung Dinge aus der Vergangenheit aufarbeitete, war er in einer mehr als mäßigen Verfassung.
    Tessa seufzte. Alles in allem ging es Jess aber gut in der Villa. Er fand einen Ausgleich im Training und ging nun fast täglich in den Fitnessraum, um sich fit zu machen.



    Außerdem bot sich ihm in der Villa die Gelegenheit, seiner Leidenschaft – der Malerei – nachzugehen. So oft ihm sich die Gelegenheit dazu bot, widmete er sich dieser Tätigkeit, und hatte schon einige atemberaubende Bilder gezaubert.



    Dann dienten natürlich die regelmäßigen Einzel- und Gruppenstunden, die Suchtbewältigungsseminare, die man regelmäßig abhielt und der ein oder andere Ausflug, den man in der Gruppe unternahm – meist nur in die nahegelegenen Waldgebiete, beispielsweise zum Grillen oder Feiern – dazu, Ausgleich und Ablenkung zu schaffen.
    Aber all dies konnte es nicht schaffen, die Dämonen völlig zu vertreiben- und an Tagen wie diesen hatte Tessa manchmal das Gefühl, Jess treibe ein gewisser Neid auf ihr Leben zu einem derartigen Verhalten.
    Tessa schluckte und spürte, wie ihr erneut die Tränen in die Augen stiegen. Das alles nahm sie mehr mit als sie sich eingestehen wollte.
    „Ich muss mit Moni reden“, dachte sie bei sich. Heute Abend war diese auf einem Seminar, das wusste sie. Doch gleich morgen, so nahm sie sich vor, wollte sie mit ihrer Freundin über den Streit sprechen. Moni würde ihr sicher sagen, was sie davon halten sollte. Auf Moni war immer Verlass.


    So stand Tessa also am folgenden Abend vor Monikas Wohnungstür. Sie hatte die Freundin den ganzen Tag vergeblich zu erreichen versucht und hatte darum spontan beschlossen, einfach bei ihr vorbei zu schauen. Es war heiß draußen und die Schwüle des Sommerabends trieb einem den Schweiß auf die Stirn.
    Tessa fächelte sich Luft zu und drückte dann dreimal den Klingelknopf – ein vereinbartes Zeichen zwischen den Freundinnen.



    Tessa lauschte gespannt, doch es waren keine Schritte auf dem Flur zu hören. Irritiert kratzte sie sich am Kopf. Sie hatte vor drei Tagen mit Monika telefoniert, diese hatte ihr nichts davon gesagt, dass sie am Wochenende nicht erreichbar wäre. Normalerweise berichteten sie dies einander immer. Zwar hatten sie auch kein Treffen vereinbart, aber es war nicht unüblich, dass sie einander unangemeldet besuchten.
    Obwohl Monika in den letzten zwei Wochen durchaus sehr eingespannt gewesen war mit ihrem Beruf, und Tessa und sie darum nicht viel Gelegenheit zum Reden gehabt hatten.
    Tessa lauschte angestrengt und hörte Geräusche aus der Wohnung dringen, ein Poltern und leise Musik. Verwirrt drückte sie erneut dreimal auf die Klingel. Vielleicht stand Moni auch einfach nur unter der Dusche oder war gerade am Telefon?
    Sie lauschte erneut und hörte schließlich, wie Schritte durch den Flur zur Wohnungstür kamen. Lächelnd blickte sie ihrer Freundin ins Gesicht, als diese die Tür öffnete.
    „Tessa!“, rief diese aus. „Das ist ja… eine Überraschung!“



    Tessa lächelte. „Hei Moni. Ich hab den ganzen Tag versucht, dich zu erreichen. Störe ich dich?“
    Moni warf schnell einen unsicheren Blick hinter sich und sagte dann zerstreut: „Nein… nun… nicht wirklich… ist… ist was passiert oder kommst du einfach so vorbei?“
    „Beides“, erwiderte Tessa wahrheitsgemäß. „Darf ich reinkommen?“
    Unsicher sah Monika sie an, was Tessa verwirrt registrierte. Dann trat ihre Freundin zur Seite und sagte: „Ja natürlich, komm rein… ich… hab gerade nur nicht so viel Zeit, aber komm rein.“

  • Tessa betrat den kleinen, gemütlichen Flur und stellte erstaunt fest, dass Moni hier stehen blieb und direkt fragte: „Also, was ist los?“
    Einen Moment war sie unschlüssig, ob sie nicht lieber gehen sollte. Doch dann sagte sie: „Nun… weißt du, es ist so… ich hab mich mit Jess gestritten. Gestern.“



    Sie warf einen Blick über Monikas Schulter und wollte gerade fragen, wieso sie nicht wie sonst in das gemütliche Wohnzimmer gingen, als Monika rasch erwiderte: „Schon wieder? Herrjeh, war es schlimm?“
    Tessa nickte langsam. „Schlimmer als sonst. Er hat mir ganz schön doofe Sachen an den Kopf geworfen. Ich weiß, ich muss Geduld haben, Moni, aber ich weiß nicht, wie…“
    Moni sah sie sanft an. „Ach, Tessa, die Situation ist für euch beide schwierig. Lass euch einfach noch etwas Zeit.“



    Tessa schluckte. „Ja, aber… das ist nicht so einfach, weißt du.“
    Sie musterte ihre Freundin genau und stellte fest, dass diese unruhig von einem Fuß auf den anderen wippte.
    „Sag mal, was ist denn los mit dir?“, fragte sie verwirrt. „Störe ich dich vielleicht doch?“
    „Ja… nein… ach, Tessa, es ist…“, sagte Moni mit unglücklichem Gesicht. „Es ist ein bisschen schwierig gerade…“



    Sie kratzte sich am Kopf und sagte dann: „Also… da ist etwas, das ich dir auch sagen muss. Aber nicht hier und nicht heute… und… ich würde auch gerne mit dir über dein Problem reden, wirklich, nur ist das gerade etwas schlecht, weil… ja, also… ich würde dich morgen anrufen, wenn das geht… okay?“ Sie versuchte ein Lächeln.
    Verwirrt sah Tessa sie an.



    „Ja… klar… nur… was ist denn los, Moni?“, fragte sie erneut und sah ihre Freundin an. „Hast du Probleme, Kummer? Du weißt, du kannst mit mir darüber reden.“
    Sie biss sich auf die Lippen und dachte bei sich, wie egoistisch sie doch war, hier her zu kommen und Moni sofort mit ihren Problemen zu bedrängen, ohne zu bemerken, dass diese offenbar selbst genug zu bewältigen hatte… was auch immer das war.
    „Moni, wirklich, du weißt, wir sagen uns alles“, sagte sie darum schnell. „Ich höre dir gerne zu, wenn du magst. Wieso gehen wir nicht einfach hinein und…“
    Aus dem Wohnzimmer drang ein lautes Gepolter und Tessa stockte.
    „Sag mal, hast du Besuch?“, fragte sie irritiert.
    Monika biss sich auf die Lippen und sah sie schuld bewusst an. „Ja…“, sagte sie dann langsam.
    „Aber… wieso sagst du das denn nicht!“, rief Tessa aus und lachte auf. „Denkst du, ich bin böse, weil du heute etwas anderes vor hast? Ich verschwinde einfach wieder, und wir reden morgen.“



    Monika schluckte und sagte dann: „Nein, Tessa…bleib ruhig… ich… weißt du, es geht nicht darum, dass ich Besuch habe, sondern wer es ist… und… ach, irgendwann muss ich es dir ja ohnehin sagen…“
    Verzweifelt nahm sie ihre Freundin am Arm und stieß die Wohnzimmertür auf. Tessa ging langsam ins Zimmer und blieb wie angewurzelt stehen.
    „Hallo Tessa“, hörte sie eine wohl bekannte Stimme und starrte wie vom Donner gerührt auf Niklas, der verlegen in Monikas gemütlichem Korbsessel saß und sie angrinste.



    „Was… was macht du denn hier?“, stieß Tessa hervor und blickte mit weit aufgerissenen Augen zwischen Monika und Niklas hin und her.



    Ihre Freundin trat zu ihr und schob sie sanft weiter ins Wohnzimmer. Die Tür fiel mit einem dumpfen Knall ins Schloss und für einen Moment herrschte betretene Stille. Dann stand Niklas auf, der Korbsessel, in dem Tessa schon oft gelümmelt und Monika ihr Herz ausgeschüttet hatte, machte ein knarzendes Geräusch und Niklas kam langsam auf Tessa zu.
    „Tessa… hör mal… bitte denk jetzt nicht, ich hab dich neulich nur angerufen weil… ja… wegen Moni und mir… das hätte ich auch so gemacht. Ehrlich.“



    Tessa sah ihn verwirrt an.
    „Wegen… Moni und dir… wie… was meinst du damit?“, stammelte sie und sah beide argwöhnisch an. „Ich… verstehe nicht so recht, was ihr mir damit sagen wollt…“

  • „Tessa… wir… also… Niklas und ich…“, begann Monika hilflos.
    Tessas Augen verengten sich zu Schlitzen, als ihr allmählich eine Erkenntnis dämmerte, die sie weder glauben konnte noch wollte.
    „Wie… Moni… was… willst du damit sagen, dass…?“



    Monika schluckte und kam auf ihre Freundin zu.
    „Tessa, bitte sei nicht böse. Ich hätte es dir gesagt, wirklich. Aber ich wusste ja, welche Meinung du über Niklas hast, wollte erst einmal euer Gespräch abwarten. Und als du mir dann sagtest, was du davon hältst und ich merkte, dass du immer noch nicht ausgesöhnt bist, habe ich mich nicht getraut, dir reinen Wein einzuschenken…“
    Unglücklich sah Monika ihre Freundin an. „Es tut mir leid, Tessa.“



    „Ihr wollt mir jetzt nicht ernsthaft sagen, dass… ihr beiden… dass ihr zusammen seid??“, rief Tessa aus.
    Monika schluckte und wusste nicht recht, was sie sagen sollte, doch genau dies genügte ihrer Freundin bereits als aufschlussreiche Antwort. Sie warf Niklas einen funkelnden Blick zu und dieser zuckte entschuldigend die Achseln.
    „Tessa… es ist einfach passiert“, versuche er zu erklären. „Keiner von uns hat es geplant. Nachdem wir uns im Park gesehen haben, sind wir noch zusammen Kaffee trinken und dann hat es einfach gefunkt…“
    Tessa schluckte und starrte wieder Monika an. „Wie… wie kannst du mir das nur antun!“, stieß sie hervor. „Ich… ich dachte, wir sind Freundinnen!!“



    Monika schluckte und sah sie verzweifelt an.
    „Tessa, das sind wir doch auch. Aber… ich kann doch auch nichts für meine Gefühle!“
    „Aber… wieso gerade Niklas? Nach allem, was du über ihn weißt!“
    „Tessa!“, rief Monika aus. „Du bist zu schnell in deinem Urteil. Menschen ändern sich!“
    „Und wenn schon!“, rief Tessa und ihre Stimme überschlug sich fast. „Wie konntest du nur… und mir dann nicht mal sagen, was los ist…?“
    „Das war falsch“, gestand Monika ein. „Und es tut mir leid!“
    „Ach – ihr könnt mich alle mal!“, krisch Tessa, funkelte erst Niklas, dann Monika an und rief: „Macht doch was ihr wollt!!!“
    Sie drehte sich auf dem Absatz um und rannte aus der Wohnung, ehe noch jemand der beiden etwas sagen konnte.



    Monika zuckte zusammen, als die Tür ins Schloss fiel. Zitternd trat sie an die Fensterscheibe und beobachtete, wie Tessa auf die Straße lief, in ihr Auto stieg und mit quietschenden Reifen davon fuhr. Auf ihren Wangen waren Tränenspuren zu erkennen.
    „Mist! Mist, Mist, Mist!“, fluchte Monika. „Ich… ich sollte ihr nachfahren, Niklas!“
    Niklas trat an sie heran und legte die Hände auf ihre Hüften.
    „Nein“, sagte er entschieden. „Ich glaube, sie würde jetzt gar nicht mit dir sprechen. Lass sie sich erst einmal beruhigen. Sie kriegt sich schon wieder ein.“
    Monika blickte ängstlich in Richtung der Straße. „Ich weiß nicht“, sagte sie. „Ich kenne sie inzwischen besser als du, Niklas.“ Sie schluckte. „Tessa hat sehr viel Leid erfahren in den letzten Jahren. Dass ich sie belogen habe, muss furchtbar für sie sein.“
    Sie schluckte. „Und dann auch noch der Streit mit Jess… sie muss furchtbar fühlen…“



    Sie trat an das gegenüberliegende Fenster heran und fühlte die Kühle der Fensterbank auf ihrer Haut. Seufzend lehnte sie die Stirn an die Scheibe, während Niklas ihr über den Rücken strich.
    Über ihnen ging ein fahler Halbmond auf. Die Schwüle schien sich bis ins Unermessliche zu steigern, und obwohl der Himmel noch klar war und die Sterne auf sie herab funkelten, schien sich ein Gewitter anzubahnen. Und irgendwo unter diesem Sternendach fuhr Tessa tränenblind durch die Nacht – ohne recht zu wissen, wohin.






    Fortsetzung folgt.

  • Hallo Innad!

    Erst mal, es tut mir leid dass ich so lange nichts geschriebenhabe, ich habe immer fleissig mitgelesen und gefiebert, allerdings wusste ich nie recht, was ich so schreiben soll. Heute Abend hab ich jedoch fast genug Muse für eine Horde Poeten ;)

    Die Stimmung von Jess kenne ich nur zu gut. Ich denke, es ist fast normal wenn man total genervt und sich deswegen schon etwas unfair verhält. Natürlich hat es mir nicht gefallen, wie er mit Tessa redet, aber überrascht hat es mich nicht, zumal er es echt nicht leicht hat. Auf die andere Seite reagiert auch sie übertrieben, objektiv betrachtet, allerdings ist dies wohl eine der Situationen, in denen man als halbwegs sensibler Mensch schon nah am Wasser gebaut ist. Die Armen, solche Launen müssen sicher eine sehr grosse Belastung für die beiden sein, zusätzlich zur Ungewissheit wie es wohl wird, wenn Jess draussen ist. Natürlich wird viel erhofft und ausgemalt, aber ob sich das erfüllt, ist auch so eine Frage...
    Ja, als Tessa bei Moni hereingeplatzt ist, fand ich es auch ziemlich egoistisch von ihr, aber das hat sie ja selbst bemerkt. Nun... die Sache mit Niklas... Man hat ja schon im Park bemerkt, dass sich die beiden gut verstehen, aber das fand ich dann schon zu offensichtlich und dachte, dass ich mir das sowieso nur einbilde ^^''
    Es freut mich für Moni, ich mag sie nämlich sehr gern. Tessas Wut war in meinen Augen zwar übertrieben, aber verständlich. Niklas hat ihr sehr wehgetan und niemand wird gern so eiskalt überrumpelt.

    Interessant, so haben beide in dieser Fortsetzung überreagiert, also Jess und Tessa. Mir gefallen solche Parallelen, ob mit Absicht oder nicht ist egal. Aber kann es sein, dass Tessa in den letzten drei Teilen immer übers Wetter gerdet hat? Ich musste echt grinsen, als ich den Anfang des Gesprächs mit Jess gelesen habe :)

    Liebe Grüsse

    PS: Ich werde versuchen, mehr zu schreiben. Ich mag deine Story wirklich sehr.

    Editiert: Nachträglich noch herzlichen Glückwunsch zum einjährigen Bestehen der Story!

    [LEFT][center]I get my kicks above the waistline, sunshine.[/center][/LEFT]
    [LEFT][center][SIZE=1][glowred]->PROMISE ME DELIGHT[/glowred][/SIZE][/center][/LEFT]
    [right][SIZE=1][SIZE=2]Layla, you've got me on my knees...[/SIZE][/SIZE][/right]

    Einmal editiert, zuletzt von Gwendoline D. () aus folgendem Grund: Tomaten auf den Augen

  • Liebe Innad, da hat Tessa wohl einen schlechten Tag bei Jess erwischt. Es muss hart für sie gewesen sein, sich so voll motzen zu lassen, wohl mal sie gar nichts getan hat. Aber es gibt Tage, da ist jedes Wort zuviel und wenn es auch noch so lieb gemeint ist. Jess ist halt noch nicht ganz übern Berg und er wird noch häufiger solch deprimierte Phasen haben. Phasen wo er sich immer wieder fragt; „Was mach ich hier eigentlich?“ und manchmal helfen da auch die vielen Gespräche bei der Therapie nichts. Es ist besser ihn an solchen Tagen in ruhe zu lassen, doch das muss Tessa erst lernen, damit es manchmal nicht unbedingt einen triftigen Grund geben muss um so schlecht gelaunt zu sein. Das kenne ich zu genüge, wenn man glaubt einem wächst alles übern Kopf, wenn es Trostlos wirkt und man keine ende seine momentanen Situation sieht. Jess zweifelt vielleicht ein wenig an sich, oder hat Angst vor der Zukunft. Zu lange hat er dieses Drogenleben geführt und selbst wenn sein Körper nach diese nicht mehr verlangt, muss es ihn nicht unbedingt besser gehen. Damit meine ich, er hat jegliche Probleme immer im Drogenrauch vergessen oder besser gesagt, verdrängen können.
    Nun muss er einen anderen Weg finden damit fertig zu werden und das ist halt nicht so einfach. Doch er wird sich wieder fangen und morgen kann die Welt schon wieder bunter sein.

    Nun wollte Tessa mit ihrer Freundin Monika reden, doch es kam alles ganz anders.
    Irgendwie ahnte ich schon, das es zwischen Monika und Niklas sich was anbahnt.
    Auch wenn es für Tessa in Moment sehr schrecklich ist, das Monika sich ausgerechnet in Niklas verliebt hat und umgekehrt genauso, freue ich mich aber für sie.
    Monika hat ja auch viel durchgemacht und so eine neue Liebe bring neue Hoffnung richtig Glücklich zu werden. Ob Niklas jetzt der richtige dafür ist, das muss Monika selber raus finden. Auch wenn Tessa es nicht verstehen kann, weil sie weiß wie Niklas war, muss sie doch aber am besten wissen, wie es ist wenn man jemanden liebt und die anderen nicht verstehen können warum gerade er.
    Monika hat es ja nur gut gemeint, Tessa nicht gleich alles zu erzählen und Tessa hat wiederum einen schlechten Tag gehabt um diese Neuigkeiten aufnehmen zu können.
    Ich hoffe doch die beiden vertragen sich wieder und Tessa kommt gut nach Hause. Nicht da ihr in ihrer Wut noch was passiert.
    War wieder eine tolle Fs und man sieht das das Leben kein Zuckerschlecken ist.
    Freu mich schon auf die nächste Fs.
    Bis dann!:)

    [SIZE=3]*liebe grüße Ines*[/SIZE]
    [SIZE=3]Meine erste FS! Eine etwas andere Familie! [/SIZE][SIZE=3]
    [/SIZE]
    Liebe Grüße an Nintendog, Rivendell, PeeWee, Jane Eyre, Kautschi, Llynya, colle Omi, wawuschel, Panakita, Josijusa, Filour, fallin'angel undalle Leser!:knuddel



  • So ein Mist, hab heut Nachmittag schon einen ellenlangen Kommi geschrieben und dann ist mein Rechner abgestürzt. Natürlich ohne das ich ne Chance hatte es zu speichern. :angry Mal sehen ob ich´s wieder zusammen kriege.



    Zunächst einmal meinen herzlichsten Glückwunsch zu deinem 1. jährigen Jubiläum!!!




    So nun zur Story:
    Wer kennt das nicht, das man aus heiterem Himmel urplötzlich super schlechte Laune hat und mit sich und seiner Umwelt total unzufrieden ist. Also ich schon!
    Und da Jess tagtäglich immer nur das gleiche Zimmer, die gleiche Umgebung, fast ausschließlich die selben Menschen und den immer gleichen Tagesablauf erlebt und ihm das manchmal tierisch auf die Nerven geht, vor allem in seiner Situation, ist verständlich. Und sicherlich fragt er sich oft genug welche Perspektiven er überhaupt hat und wie es weiter gehen soll. Ja, warum er eigentlich da ist und das alles macht? Da reicht dann ein klitzekleiner Funken aus um alles in ein Feuer zu verwandeln.
    Trotzdem sollte Tessa seine Worte nicht auf die Goldwaage legen, klar fühlt sie sich gekränkt, aber solche Situationen werden immer wieder kommen. Und Jess wird sich bestimmt beim nächsten Mal für sein Verhalten entschuldigen. Ich finde viel mehr das wenn sie bemerkt das er mal wieder einen seiner schlechten Tage hat, sie ihn lieber allein lassen sollte. Klar wird er auch darin einen Grund zum meckern finden, aber im Grunde ist es für beide besser. Er braucht nicht versuchen sich vor ihr zu verstellen und sie braucht sich sein Genöle nicht anhören. Was sie so wie so nur aufregt. :misstrau


    Dieses Bild passt super zur Situation, darauf sieht sie so richtig traurig aus:




    Ich hab´s doch gewusst, das wir Nikolas wieder sehen. :D
    Das war sicher ein Schock für Tessa, die jetzt nicht nur den Ärger mit Jess hat sondern sich auch noch von ihrer besten Freundin verraten fühlt. Aber Moni hatte ihr schließlich mitgeteilt, das sie für eine neue Beziehung bereit ist. Und das es ausgerechnet Nikolas sein würde hat sie sicherlich nicht geplant. Denn wie heißt es so schön, für seine Gefühle kann man nichts. Klar ist das eine blöde Situation, aber trotzdem hoffe ich das Tessa noch mal in Ruhe drüber nach denkt und Moni eine Chance gibt. Auch finde ich es gut das Moni Nikolas eine Chance gibt, denn schließlich weiss sie sehr viel über ihn und seine Vergangeheit und auch sein Verhalten Tessa gegenüber. Aber es stimmt: Menschen können sich ändern.



    Naja, ist nicht 100% das was ich vorhin geschrieben hatte, aber es kommt ganz gut hin. ;)

    My Name Is Love - Nina Love

  • Liebe Innad!

    Auch von mir herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum, nachträglicherweise.

    Ich war etwas stiller letzte Zeit, weil mal wieder andere schon für mich Wort ergriffen hatten oder ich das eine oder andere auch nicht so recht auszudrücken wußte.
    (z.B. Niklas und Moni, das knisterte bis zu mir her.. oder Tess Eltern, da drückt deine Antwort auf Janes Kommi ganz meine Gefühle dazu aus...)

    Dem letzte Geschehen will ich aber doch versuchen mich mal wieder selber zu widmen:
    Jess`s miese Laune und die Besuche:
    So schlechte Tage wie Jess hat wohl jeder mal, auch im "ganz normalen" Alltag.
    Auf Kommando lieb, nett und fröhlich sein, geht nun mal nicht immer.
    Und angezickt wird dann der nächst "Beste".
    Und wenn man so drauf ist, sind nette Schönrederei und friedfertige, freundliche, verständnisheischende Erklärungsversuche nur Zunder für die Wut, die in einem gärt. (Die Sinnbilder sind nicht so ganz stimmig, aber egal.)
    Da hat Tess eigentlich nur einmal eine Portion Beziehungsalltag abbekommen, finde ich. Irgendwann geht nun mal nicht automatisch die Sonne auf, wenn der/die Liebste den Raum betritt, ganz ehrlich.
    Das ist außerdem auch ein typisches Problem von "Teilzeit"-beziehungen, dass man mit verschiedenen Vorgaben zu den Treffen kommt, verschiedene Absichten, Erwartungen, Stimmungen treffen aufeinander, das endet manchmal auch enttäuschend. Und eigentlich ist das nicht mal so schlecht abgegangen.

    Vielleicht hätte es genutzt, wenn Tess Jess gleich zu Beginn den Kopf zurecht gesetzt hätte, und klipp und klar gesagt hätte, dass sie sich das so nicht bieten läßt - andererseits, wenn man so recht "in Stimmung" ist, ist dann der Streit erst recht perfekt und sie hätten sich nicht so relativ versöhnlich getrennt.

    Überhaupt kommt in den letzten Folgen die alte Tess wieder an die Oberfläche, scheint mir. Niklas gegenüber ist sie so stur und engstirnig, wie er es einst ihr gegenüber war. Und die Reaktion auf Monis Eröffnung war wieder beinahe kindisch.
    Ok, da war sie durch die Sache mit Jess schon aufgewühlt.
    Bei der hat sie sich aber, wenn man jetzt ihr Verhalten bei Niklas´Aussprache vergleicht, viel zu nachgiebig und unterordnend verhalten - für meinen Geschmack halt, bzw. wenn man bedenkt, wie reif, bewußt und kontrolliert sie sich davor schon verhalten hat, z.B. bei ihren Eltern. Aber da ist vielleicht auch der Blick durch die Brille der Liebe schuld.
    In beiden Fällen: Niklas kann sie seine Worte über Jess nicht vergeben und Jess darf sich fast alles erlauben, solang er nur sagt, dass sie noch gut sind.

    [center]I scream, you scream, we all scream for ice cream [/center]

    [center]I still want to find a real good book and never have to come out of it.[/center]

  • Liebe Innad


    Erstmal herzlichen Glückwunsch zu deinem Jubiläum!!!


    Zuerst möchte ich dir noch etwas zu deinem Kommi auf meinen Kommi sagen. Vielen Dank dass du mir so ausführlich geantwortet hast! Natürlich kann man in einer FS nicht alles so darstellen, wie man möchte, und klar, man vergisst, dass ja einige Zeit vergangen ist zwischen Tessas Gespräch mit ihnen und ihrem erneuten Besuch jetzt. Ich denke schon, dass sie sich bemühen, mehr auf ihre Tochter einzugehen, und dass das nach so langen Jahren nicht einfach ist, versteht dich von selbst. Ich zweifle nicht an ihrem guten Willen, jedoch daran, ob sie es schaffen, ihre guten Vorsätze auch wirklich umzusetzen, ohne jemanden in Bedrängnis zu bringen.
    Die Begegnung zwischen Tessas Eltern und Jess ist doch ziemlich gut gelaufen, besser jedenfalls, als ich gedacht hatte. Mir ist auch aufgefallen, dass das Ehepaar Wagner sich sehr schlicht angezogen hat, die Mama im T-Shirt z.B. Das fand ich dann doch sehr positiv!
    Und trotzdem herrschte eine merkwürdige Stimmung und es wollte kein wirkliches Gespräch zustande kommen. Ich kann da wirklich beide Seiten verstehen. Es war weder für Jess noch für die Eltern einfach, und erst recht nicht für Tessa. Im Grossen und Ganzen haben sie sich anständig verhalten
    Was mir jedoch auffiel war, dieses "Ja, Herr Wagner" und "ich kann Sie gut verstehen, Herr Wagner" , das Jess immer wieder einfliessen liess. Es kommt ziemlich schleimig rüber und das hat Jess wirklich nicht nötig. Ich schreibe es aber seiner Unsicherheit in dieser Situation zu.


    Niklas - aus ihm werde ich nicht wirklich schlau. AUch Tessa scheint ihm noch nicht verzeihen und erst recht nicht vertrauen zu können.
    Beim ganzen Gespräch wird eigentlich überhaupt nicht klar, wie Niklas' Einstellung zu bestimmten Dingen heute wirklich ist. Klar, er entschuldigt sich mehrmals, gibt zu, einen Fehler gemacht zu haben, bietet einige Erklärungsansätze (seine Eifersucht z.B.), aber dennoch scheint es mir, dass er der wesentlichen Frage immer wieder geschickt ausweicht.


    Tessas Besuch bei Jess: Oh jeh, was ist bloss mit Jess los? Hat ihm der Besuch der Eltern doch mehr zugesetzt, als er zugeben will? Er scheint einen richtigen Frust zu haben, den er jetzt an seiner Freundin auslässt. Und doch kann ich ihn sehr gut verstehen. Besonders seine Aussage, dass Tessa an allem etwas Positives findet und das einen auch ganz schön nerven kann, da kann ich ihm voll und ganz beipflichten. Er denkt sich wohl, dass Tessa leicht reden hat, sie ist "frei", hat Freunde, hat eine Aufgabe, während er nur in diesem Zimmer sitzen muss. Da kann einen schon mal einfach alles verleiden. Vielleicht hat er auch mal wieder Angst, ihren Ansprüchen nicht genügen zu können. Doch denke ich eigentlich nicht, dass Tessa von ihm immer ein Sonntagsgesicht erwartet, so schätze ich sie nicht ein. Und doch war es ziemlich gemein, was er ihr an den Kopf geworfen hat. Ich hoffe, dass er jetzt nicht noch in eine Depression hinein schlittert, denn so hat er sich ein bisschen angehört.


    Der unerwartete Besuch bei Moni: hm.... Tessas Reaktion ist etwas heftig, aber natürlich ist das für sie schon ein kleiner Schock, und erst recht in ihrer momentanen Verfassung.
    Ein Mensch kann sich ändern, sagt Moni, ja, das denke ich auch, aber in wieweit hat sich NIklas wirklich geändert? Und ist seine Liebe zu Moni echt? Ich hoffe es sehr für sie! Ich denke, Tessa kann Moni vertrauen, dass diese genügend Menschenkenntnis besitzt, um NIklas etwas einschätzen zu können. Andererseits, Liebe macht ja auch bekanntlich blind. Und erst recht, wenn es so schnell und so heftig eingeschlagen hat wie bei den Beiden. Moni ist ja sonst doch eher eine bedächtige, vernünftige Person.. Naja, wir werden sehen. Auf jeden Fall hast du jetzt da wieder einiges angerissen, worauf man gespannt sein darf!


    Liebe Grüsse
    Jane

  • Oha! Das ist wirklich nicht Tessas Tag! Erst der kleine Streit mit Jess und dann will sie sich bei ihrer Freundin ausheulen und wird lieb abgewimmelt, weil Moni unbedingt vermeiden will, dass Tessa sieht, dass Niklas da sitzt. Das muss echt ein Schlag in die Magengrube sein, aber ich muss zugeben, ich habe sowas geahnt.
    Schon bei dem gestammel im Park zwischen beiden und das Niklas sie sofort Heim geleiten wollte, verriet da etwas.
    Ich freue mich ja für Moni, doch war es absolut nicht ok, dass sie es für sich behalten hat, obwohl ich das auch wiederum irgendwie verstehen kann! Ach das ist aber auch eine Zwickmühle!
    Ich glaube, dieses Tag wird Tessa definitiv aus ihrem Kalender streichen. Sie ist von allen enttäuscht, Jess, weil er ihr Vorwürfe macht, Moni, weil sie sich von ihr hintergangen fühlt. Da ist glaube ich zwischen den Mädels ein dringendes Gespräch von nöten.
    Andererseits muss Tessa das auch verstehen, gegen Gefühle kann man sich nicht wehren und wenn es klick gemacht hat gibt es für sie persönlich wohl nur 2 Alternativen:


    1. sie akzeptiert es und versucht mit der Situation klar zu kommen und sich schließlich für ihre Freundin zu freuen


    oder


    2. sie muss mal wieder einen Schlussstrich ziehen, was ich allerdings bezweifel. Dafür haben die Mädels viel zu viel gemein, man könnte wohl sogar sagen, dass beide eine Art Seelenverwandtschaft haben.


    Ich bin sehr gespann, wie es weitergehen wird und was Tessa nun macht, wie sie ihr Gefühlschaos meistern wird usw.


    Zum Schluss möchte ich noch deine Bilder loben. Die Mimiken deiner Sims sind mal wieder SUPER! Ich hoffe, es geht bald weiter!

    [CENTER][COLOR="White"]Bussi @all Kiara :wink
    ***************[/CENTER][/COLOR]




    [CENTER][SIZE="1"][COLOR="Sienna"]P.S. Für Rehctshcbriefleher wird kiene Hatufng übrnemoemn! *g*[/COLOR][/SIZE][/CENTER]

  • Hallö Innad, :)


    Erst einmal ziemlich verspätet, aber von Herzen kommend: Herzlichen Glückwunsch zum Einjährigen. :rosen


    Aber was für eine Fortsetzung zu so einem freudigen Ereignis. *g*
    Tessa hast du es wirklich nicht leicht gemacht, erst den Streit mit Jess und dann so einen Abschluss des Tages. *kopfschüttel*
    Aber zuerst zum Streit: klar gibt es Tage wo man schlecht drauf ist und man alles hasst und sich einfach nicht wohl fühlt. Und sicher lässt man dann seinen Frust an anderen aus, ich denke, dass ist ganz natürlich und gehört einfach auch mit zu einer Freundschaft/Beziehung. Ich kenne persönlich niemanden, der sich immer so zurücknehmen kann und dann nicht so reagiert wie Jess. Ich denke, das Tessa auch weiß, dass Jess ihr nicht wirklich vorwirft, dass sie ein momentan für ihn "normales" Leben führt. Er fühlt sich einfach eingesperrt und ich kann mir vorstellen, dass eine ständige Therapie ganz schön an den Nerven zerrt. ;)
    Die Beiden haben das aber auch richtig gelöst, in dem Tessa gegangen ist. Das war auch das einzige Vernünftige was sie hatte tun können, alles andere hätte entweder nichts gebracht oder alles nur noch schlimmer gemacht.
    Das sie dann zu Moni fährt, die ihr immer so gut zuhört und für sie da war, auch das ist verständlich und auch nicht allzu egoistisch. Sicher brauchte Tessa mehr Zuwendung als Moni, die immer so stark war und ich kann mir nicht vorstellen, dass Moni denkt, dass Tessa egoistisch war. Für Beide war es doch so eine Art Vergangenheitsbewältigung, wenn sie über Tessas momentane Probleme geredet haben. Aber gut, wenn man schon einmal einen Dämpfer am Tag bekommen hat, sieht man meist mehr Probleme als eigentlich da sind. *g*
    Nun aber zu der Sache mit Niklas... Klar hätte Moni auch schon früher sagen können, dass sie mit ihm zusammen ist, aber ich kann ihre Gründe, warum sie es nicht gemacht hat vollkommen nachvollziehen. Es hätte Tessa genauso verletzt, wenn sie es ihr schon gleich gesagt hätte. Sicher dann wäre das Gefühl belogen worden zu sein, nicht ganz so groß, aber viel einfacher wäre es für sie auch nicht gewesen damit umzugehen. Alles in Allem ist es einfach nur blöd gelaufen, dass sie es gerade an dem Tag rausgefunden hat. Nur dadurch, dass sie eh so aufgewühlt war durch den vorherigen Streit, hat sie so überreagiert, denke ich. Und bestimmt kriegt sie sich auch genauso schnell wieder ein, wie sie da abgehauen ist. ;)


    Ich freu mich auf jeden Fall auf die nächste Fortsetzung. *g*
    Ganz liebe Grüße
    Llyn

    You are never more alive than when you're about to lose your pants!



    FS: Sunrise Update: 04.06.19

  • Gwendoline: Hm, ich weiß nicht, ob es wirklich so sehr überreagiert war. Tessa fühlt sich eben einfach total verraten und hintergangen und das von einem der wichtigsten Menschen ihres Lebens. So viel haben Moni und sie durchgestanden und ich glaube, tessa hätte ihr jeden Mann zugetraut, nur nicht Niklas, was nach dessen Aussagen damals ja auch klar ist.
    Dass Tessa egoistisch war, weil sie reinplatzte, finde ich übrigens nicht ;) Ich habe ja geschrieben, dass die beiden sich sehr oft "einfach spontan" besucht haben. Tessa dachte zuerst nur, Monika habe ein Problem und fand sich egoistisch, weil sie das nicht sofort bemerkt hat, als diese die Tür öffnete. Was das Problem war, ist dann ja klar geworden.
    Jess hat sich überreagiert, er war aber eben halt einfach nur schlecht gelaunt und überreizt, das ist ja jeder mal. Und gerade in einer Situaiton wie seiner kann man ja auch nicht nur gut gelaunt sein.
    Das Wetter - ja, das hat sich da so reingeschlichen *lach* Aber ist im wahren Leben ja auch oft so, dass man übers Wetter redet, ständig und überall!
    Danke für Deinen KOmmi!!




    Ines:
    ich gebe dir recht, es gibt einfach Tage, an denen ist man mies drauf. Und da ist Abstand oft das einzig vernünftige, solange bis sich alle wieder beruhigt haben, von daher war es ganz gut, dass sie gegangen ist.
    Was Moni anbelangt, natürlich ist ihr eine neue Liebe zu gönnen.
    Aber sie hätte es Tessa schon sagen müssen. Ich glaube nicht, dass das nur aus Rücksicht war. Sondern auch ein bißchen aus Feigheit. Auch wenn das Monikas Image sicher etwas ankratzen würde. Aber der Moment wäre ja eh irgendwann gekommen und was hätte es für einen Sinn, es Tessa zu verschweigen, außer sich selbst vor der unbequemen Situation zu drücken? Tessa war nicht mehr oder weniger belastbar als sonst auch, dass Moni hätte sagen müssen, ich warte noch. So ist nur passiert, was unbedingt verhindert hätte werden sollten - dass Tessa es durch Dritte oder eben zwischen Tür und Angel erfährt.
    Wie es mit Moni und ihr weitergeht, ist noch fraglich, aber man wird es bald erfahren!
    Danke für Deinen tollen Kommi!




    Nina:
    Ja, Du hast recht, Tessa war in dem Streit auch etwas seltsam drauf. Ich denke, sie muss das auch erst noch lernen und ihr Helfersyndrom zurück stellen. Jess darf ja auch mal mies drauf sien. Aber die beiden haben halt noch gar keine Erprobung und Übung im Beziehungsalltag, das merkt man deutlich an dieser Stelle.
    Was Moni gemacht hat, war sicher keine Glanzleistung. Dass sie Niklas eine Chance gibt, ist die eine Sache, aber es Tessa nicht zu sagen, die andere.
    Wie es weitergeht mit den beiden, erfährt man bald!
    Danke für Deinen Kommi!




    Josijusa: Interessant, wie Du das siehst. Ich finde aber nicht so ganz, dass Tessa so kindisch war. Ich finde, sie ist viel mehr "nur" emotional. Ich finde auch ihre Reaktion gegenüber Niklas eigentlich korrekt. Ich meine, er hat ihr sehr weh getan damals. Und seine Aussagen, was er heute über Drogensüchtige denkt, waren doch mehr als nur schwammig. Und auch dass er damals aus Eifersucht so gehandelt hat - das ist zwar menschlich, aber nicht halb so heldenhaft wie man damals dachte. Da dachten alle Leser noch, es sei, weil er Tessa schützen will. Aber das hat ihn gar nicht in edr Hauptsache getrieben. Er war viel mehr berechnend. Also eigentlich ist Niklas ein ganze Stück schlechter weggekommen als man dachte ;) und darum ist es für mich ganz klar, dass Tessa nun nicht unbedingt superversöhnlich sein kann. Außerdem war sie ja auch gar nicht sooo unversöhnlich, sie hat ihn ja angehört und gesagt, man kann in kontakt bleiben, nur eine echte Freundschaft hat sie ausgeschlossen, weil sie die Zeiten eben geändert haben. Ich denke, alte Freundschaften zu beleben, ist ohnehin etwas sehr schwieriges. Bei mir perösnlich hat es bisher nur seltenst geklappt. Man verändert sich einfach zu sehr und wenn das, worauf man von früher zurück greifen kann, nicht sehr stark ist oder das Zerwürfnis nicht schlimm war, klappt es vielleicht, aber meiistens ist es schwierig.
    Was Jess angeht, so denke ich auch, es war Beziehungsalltag. Und beide müssen das einfach noch lernen. Und ich glaube auch, Niklas und Jess kann man da nicht so ganz vergleichen. Abgesehen davon würde ich meinen Freund auch viel mehr vergeben als einem Mann wie Niklas *lach* ist wohl normal.
    Was aber stimmt ist, dass Tessas Emotionalität der ersten Folgen wieder etwas rausgekommen ist, das stimmt. Sie hat durch Monis "Verrat" eben einfach ihre Sicherheit verloren. Moni ist und war so wichtig für sie, der Mensch, dem sie voll vertraut hat. Wohl mehr als Jess sogar! Sicher!
    Und dann passiert sowas. Das bringt das Weltbild gerne mal zum Wanken, auch wenn es "eigentlich" gar nicht soooo schlimm ist.
    Danke für Deinen sehr tiefsinnigen Kommi!



    Jane: Wow, was für ein langer Kommi! Was Deinen Re-Kommi angeht, sprichst Du viele wichtige Punkte an. Ich denke, man wird sehen müssen, wie sich das Verhältnis weiter entwickelt zwischen den Wagners und Jess/Tessa.
    Was Niklas angeht, so bin ich froh, dass Du die erste bist, die dessen "Herumschleichen" um echte Antworten bemerkt hat und auch, dass er zwar Erklärungen angegeben hat, aber keine echte Aussagen zu treffen fähig war. Darum ist auch Tessas Zurückhaltung zu verstehen, finde ich.
    Ich dachte schon, ich habe das total vergrutzt beim Schreiben, weils niemandem aufzufallen schien.
    Was Monika angeht, gefällt mir auch Deine Skepsis sehr gut. Monika ist eigentlich sehr vernünftig, ja. Aber vielleicht ist sie bei Niklas doch etwas blind geworden? Man weiß es nicht genau, das ist richtig. Es ist auf jeden Fall seltsam, dass die beiden sich gefunden haben und durchaus mit etwas Skepsis zu betrachten, völlig richtig.
    Die Zeit wird zeigen, ob Niklas sich wirklich verändert hat oder nicht.
    Danke für Deinen Kommi!



    Kiara: Deine Alternativen sind korrekt. Eigentlich kann tessa sich nun nur distanzieren oder aber verzeihen und annehmen. Wobei das erste natürlich sehr schwer wäre. So viel wie beide durchgemacht haben. Und ganz korrekt wäre das auch nicht.
    Ja, diese zwei Tage gingen echt in die Hose für die ARme.
    Danke für Dein Lob bzgl der Bilder und danke für Deinen Kommi!




    @Llyn: Was Tessas Weggehen bei Jess angeht, war das wohl echt das beste. Was Moni angeht, so glaube ich gar nicht unbedingt, dass die immer so viel stärker war. Zum einen wurde es durch mich so dargestellt, weil es ja nicht um Monis Geschichte ging. Zum anderen ist es glaub auch einfach ihr Alter, denn sie ist ja etwas älter als Tessa und das merkt man deutlich.
    Aber Moni ist auch oft schon einfach so zu Tessa gekommen, das hatte ich ja erwähnt, und daher ist das für beide eigentlich auch normal.
    Wo ich Dir widersprechen muss :) ist bei dem Punkt, dass Moni es ihr nicht gesagt hat. Ich glaube durchaus, es wäre für Tessa viel weniger verletzend gewesen, hätte sie es ihr gesagt. In Ruhe und im rechten Zeitpunkt. Denn so fühlt sie sich ja völlig hintergangen, verraten und verkauft. Und anders wäre sie sicher auch platt, durcheinander und völlig geschockt gewesen, aber Monika hätte in Ruhe mit ihr reden können und es wäre wohl gar nicht so eskaliert. Alleine dass Niklas in dem Moment anwesend war, ist ja eigentlich Grütze gewesen.
    Und ich denke, darum auch ihre sehr emotionale Reaktion.
    Danke für Deinen Kommi!

  • Kapitel 81
    Weitsicht


    Tessa wischte sich unwirsch die Tränen aus dem Gesicht. Ihre Hände zitterten, ebenso ihre Knie, als sie langsam aus dem Wagen ausstieg. Ohne nachzudenken ging sie den vertrauten Weg entlang. Sie wusste nicht einmal recht, was sie hier tat. Ein Schaudern überlief sie. Immer wieder stiegen ihr die Bilder von Monika und Niklas in den Kopf und die Schmach, die sie erfasst hatte, als sie erkennen musste, was zwischen beiden vor ging.
    Wieder stiegen ihr die Tränen in die Augen. Ihr MakeUp musste inzwischen völlig verschmiert sein, doch es war ihr gleich. Langsam setzte sie einen Fuß vor den anderen, fast mechanisch, bis sie ihr Ziel erreicht hatte.
    Seufzend blieb sie vor dem großen, hellen Gebäude stehen. Durch die Fenster drang heimeliges Licht nach draußen. Irgendwo zierpte eine Grille. Es wirkte alles so friedlich. Tessa schluchzte leise auf und ließ die Schultern hängen.


    Was tat sie hier eigentlich? Sie wusste es nicht genau. Sie wusste nur, dass Jess hinter diesen Mauern war, und allein das schien ihr wie automatisiert genügt zu haben, hier her zu fahren. Erst jetzt, da sie im Garten der Villa stand, fragte sie sich, was sie hier tat. Es war keine Besuchszeit. Sie war Jess so nah, und doch war er unerreichbar für sie.
    Wieder begann sie zu schluchzen. Sie fühlte sie so einsam wie selten zuvor.
    „Kann ich Ihnen irgendwie helfen?“, klang eine verwundert-besorgte Stimme an ihr Ohr.
    Tessa sah auf und blickte einem rothaarigen Mann ins Gesicht, den sie anhand seiner Kleidung sofort als einen der Ärzte der Anstalt identifizierte.


    Tessa schniefte und sah den Mann unsicher an. „Ich… ich weiß nicht“, stammelte sie dann verunsichert und wusste nicht recht, was sie sagen sollte.
    Der Mann kam einfühlsam ein Stück näher und sagte: „Ich bin Doktor Teving… und… ich kenne sie… sind Sie nicht die Freundin von Herrn Berger?“
    Tessa nickte langsam. „Ist etwas geschehen?“, fragte der Arzt vorsichtig. „Sind sie darum her gekommen?“
    Tessa schniefte wieder. „Ja… nein… ich…“, stammelte sie dann und schämte sich zugleich. „Ich wusste nicht recht wohin“, sagte sie darum wahrheitsgemäß und starrte auf den Boden.
    „Sie wissen, dass keine Besuchszeiten mehr sind?“, fragte der Arzt sanft und sie nickte betreten.
    „Ist etwas schlimmes geschehen?“, wollte ihr Gegenüber wissen. Tessa wusste nicht recht, was sie sagen sollte und zuckte mit den Schultern.
    „Das kommt wohl auf die Betrachtungsweise an“, sagte sie mit zitternder Stimme.
    Doktor Teving nickte verständnisvoll und spürte, dass er nicht weiter in sie dringen sollte.
    „Hören Sie“, sagte er vorsichtig. „Eigentlich verstößt es gegen die Regeln, aber ich denke, in Ihrem Fall kann ich durchaus eine Ausnahme machen. Soll ich Herrn Berger benachrichtigen, damit Sie beiden kurz sprechen können?“


    Tessa sah ihn überrascht an. „Das… würden Sie das tun?“
    Er nickte. „Ja, auch wenn es nicht dem Reglement entspricht. Aber natürlich ist das hier kein Gefängnis, und Herr Berger nicht völlig unerreichbar, das wissen Sie doch. Ich werde sehen, ob ich ihn finde. Bleiben Sie doch so lange hier, ja…“
    Er warf ihr einen besorgten Blick zu. „Ich kann Sie doch alleine lassen?“
    Tessa nickte tapfer. „Ja“, sagte sie und versuchte ein dankbares Lächeln, was nicht ganz gelingen wollte. „Natürlich. Vielen Dank.“
    Der Arzt nickte und ging durch die Tür. Tessa sah ihm nach, wie er die Treppen nach oben ging.


    Einen Moment blieb sie stehen und starrte bewegungslos in die Richtung, in welche der Arzt verschwunden war. Dann fuhr sie sich seufzend über die feuchten Augen und schauderte.
    Sie warf einen Blick in den klaren Sternenhimmel und spürte, wie sich ihre Augen erneut mit Tränen füllten. Sie fühlte sich so verletzlich, so verraten… es gab wenig Menschen, denen sie je so vertraut hatte wie Monika. Und ausgerechnet sie war es, die ihr so weh tat- wer sollte das begreifen, fassen, verarbeiten können?
    Erneut musste Tessa schniefen und hätte beinahe wieder zu weinen angefangen, wäre die Türe hinter ihr nicht schwungvoll geöffnet worden und gleich darauf Jess´ warme Stimme an ihr Ohr gedrunen.
    „Tessa!“, rief er atemlos. „Was… was ist denn los? Doktor Terving hat mir gesagt, dass du hier unten bist und etwas passiert sein muss!“
    Tessa wischte sich übers Gesicht und antwortete mit zitternder Stimme: „Ja… oder nein… ich… ach Jess…“


    „Hey, was ist denn los?“, fragte dieser besorgt, trat näher an sie heran und fasste sie sanft am Arm. Sie sah auf und blickte direkt in seine blauen Augen, die sie besorgt und fragend musterten. Seine Nähe und fürsorgliche Gegenwart schienen ihre letzte Beherrschung dahin gehen zu lassen und Tessa begann hemmungslos zu weinen.
    Erschrocken zog Jess sie näher an sich und redete beruhigend auf sie ein.
    „Schhh…“, sagte er sanft. „Schh, ist ja gut, Tessa. Was immer es ist, wir schaffen das schon. Schh… beruhig dich doch.“
    Doch Tessa konnte nicht, sie schluchzte haltlos weiter.
    „Ach Jess“, stammelte sie zwischen den Schluchzern. „Du wirst mich für dumm und hysterisch halten!“


    Nach einer Weile schaffte sie es, sich wieder so weit zu beruhigen, dass Jess sie zu einer der Bänke führen konnte, wo sich beide hinsetzten.
    Jess zog sie an sich heran und sagte sanft: „Nun erzähle mal von vorne… was ist passiert? Ist etwas mit deinen Eltern?“
    Tessa schüttelte den Kopf. „Nein“, sagte sie leise. „Nein, nein, gar nicht. So schlimm ist es nicht… es ist… ach, Jess… ich bin so traurig und fühle mich so verraten.“
    Und so schnell wie möglich schilderte sie ihm unter einigen Schluchzern, was sich nur eine Stunde zuvor ereignet hatte. Jess strich ihr dabei immer wieder beruhigend über Rücken und Haar und hörte ansonsten schweigend und aufmerksam zu.


    Als Tessa schließlich fertig war, schniefte sie noch einmal und sah Jess dann fragend an. Dieser jedoch erwiderte zu erst nichts, strich ihr nur weiter über den Rücken und sah sie aufmerksam an.
    „Was sagst du?“, fragte Tessa schließlich traurig.
    „Nun… es war sicher ein Schock für dich, das so zu erfahren“, erwiderte Jess vorsichtig.
    Tessa verzog das Gesicht.
    „Ein Schock ist gelinde gesagt!“, erwiderte sie wütend. „Ich… fühle mich so verraten und verkauft, Jess! Monika hat mir immer alles gesagt! Und ich dachte, sie zu kennen! Es will mir einfach nicht in den Kopf, wie sie sich mit einem wie… wie Niklas einlassen kann! Nach allem, was sie über ihn weiß!“
    Jess überlegte einen Moment und betrachtete das Wasser des Teiches vor sich.


    „Niklas… du hast nie viel über ihn erzählt“, sagte er dann. „Nur dass er dir sehr weh getan hat und so eine schlechte Meinung über mich äußerte.“
    Tessa nickte und erklärte ihm in kurzen Worten, was damals geschehen war und was sich ereignet hatte, seit sie Niklas im Park wieder begegnet war.
    Jess nickte langsam. „Aber Tessa, war es nicht auch mutig von Niklas, sich mit dir auszusprechen?“