Tessa schluckte und warf einen besorgten Blick zu Joshua, der still da saß und auf den Tresen starrte, als ob er dort eine unsagbare Entdeckung gemacht habe.
Feli starrte Tessa einen Moment verwirrt an und lächelte dann.
„Mein Gott, das ist… das ist ja der Hammer! Und das erzählst du uns erst jetzt? Wie genau ist das alles geschehen und… wie geht es nun weiter? Wo war er die ganze Zeit und wie stehen die Dinge zwischen euch jetzt?“
Tessa rang sich ein Lächeln ab und versuchte, nicht zu sehr auf den fast in Salz gegossenen Joshua zu achten, sondern unbeirrt weiter zu sprechen: „Ja… nun… er war das ganze Jahr wirklich in einer anderen Stadt wegen der Hellows… damit sie ihn nicht erwischen. Aber er wollte noch einmal zurück kommen, um mich zu sehen… er hat mir einen Brief geschrieben und als er diesen einwerfen wollte, ist er von den Hellows überrascht worden…“
„Sie haben ihn zusammengeschlagen?“, stieß Feli erschrocken aus, als ob sie Tessas Worte erst jetzt richtig begriff. „Ist es denn auch wirklich nicht schlimm?“
„Es war schlimm“, erwiderte Tessa langsam und dachte mit Schaudern an die furchtbare Nacht von Freitag auf Samstag zurück. „Wir wussten erst nicht, ob er durchkommen wird. Aber er hat es geschafft und ist inzwischen außer Gefahr, es geht ihm soweit ganz gut, er muss einfach nur noch etwas kräftiger werden, dann wird er sich auch bald erholen, sagen die Ärzte.“
„Dann warst du eben gerade bei ihm?“, fragte Feli.
Tessa nickte. „Ja, ich versuche, ihn so oft es geht zu besuchen.“
„Und… wie stehen die Dinge zwischen euch jetzt?“ wollte Feli wissen.
Tessa schluckte und warf erneut einen Blick auf Joshua, der sich nun zum ersten Mal in den letzten Minuten zu ihr umdrehte und ihr fragend und aufgewühlt ins Gesicht sah.
Sie schluckte und fühlte sich plötzlich, als habe man ihr die Kehle zugeschnürt.
Doch es half alles nichts – früher oder später würde er sich der Wahrheit stellen müssen, also war es besser, sie ihm jetzt zu sagen.
„Es ist alles wieder in Ordnung“, sagte sie darum langsam. „Wir haben uns ausgesprochen und… uns ist klar geworden, dass wir beide Fehler machten… Jess kann sich wirklich nicht verzeihen, was er damals getan hat. Aber ich bin ihm nicht böse. Er hat seinen Fehler eingesehen und daraus gelernt. Er möchte jetzt noch mal einen Entzug machen, sobald er aus dem Krankenhaus entlassen wird. Und ich denke, er wird es diesmal sicher schaffen.“
Da sie sich bewusst war, dass das die eigentliche Frage noch nicht in Gänze beantwortet hatte, fügte sie schließlich noch leise hinzu: „Unsere Gefühle füreinander sind immer noch dieselben, Joshua… Feli. Wir… wir lieben uns nach wie vor.“
Es war wieder einen Moment still, dann lächelte Feli ihre Freundin herzlich an.
„Mensch, Tessa… das klingt doch eigentlich alles ganz gut. Natürlich musst du uns noch die Details erzählen, aber… ich freu mich echt für dich.“
Tessa lächelte und warf dann einen fragenden Blick zu Joshua.
Dieser schluckte schwer und sagte dann mit ungewöhnlich dünner Stimme. „Ja… ja, ich kann mich Feli da nur anschließen…“
Er fuhr sich nervös durchs Haar und warf dann einen Blick auf seine Uhr.
„Oh, schon so spät“, stammelte er. „Ich… ich muss los, ich muss… ich hab noch was… vor… Hausarbeit… Referat, mein ich… und Arbeit… und muss noch telefonieren mit… ja, also…“
Er versuchte schief zu grinsen und schob den Stuhl nach hinten. Tessa schluckte und wandte den Blick ab.
Unschlüssig blieb Joshua einen Moment neben Tessa stehen, streckte vorsichtig die Hand nach ihrer Schulter aus und zog sie dann verunsichert wieder zurück.
„Also, Tessa… wir sehen uns“, sagte er dann nur unsicher. „Ich freu mich wirklich für dich und… und Jess. Bis dann irgendwann.“
Und rasch drehte er sich auf dem Absatz um und ging schnellen Schrittes die Treppen hinab.
Tessa seufzte und schloss für einen Moment die Augen. Sie fühlte sich schlecht.
„Ach, Tessalein – nimm´s nicht so schwer“, hörte sie Felis Stimme zu sich dringen. Sie sah ihre Freundin traurig an.
„Das war nicht einfach“, sagte sie dann langsam. „Ich wusste nicht, dass es doch noch so schlimm ist bei Joshua… ich dachte… wenn ich das gewusst hätte, ich…“
Feli winkte ab. „Hör auf, dich verrückt zu machen, Tessa. Joshua muss das mit sich selbst abmachen.“
Sie warf der Kellnerin, die seit einigen Minuten offenbar nichts mehr zu tun hatte, einen Blick zu und beugte sich dann zu Tessa. „Komm, lass uns an einen der hinteren Tische gehen, da sind wir ungestörter…“
Tessa nickte und beide begaben sich zu einem der freien Ecktische.
„Und nun erzähl mir mal alles ganz genau und von vorne“, drängte Feli und Tessa begann bereitwillig und nun viel befreiter zu berichten, was in den letzten Tagen vorgefallen war, ohne etwas auszulassen – von jenem Zeitpunkt an, als sie Jess halb erfroren vor dem Haus gefunden hatte, über das Gespräch mit ihren Eltern bis hin zu dem letzten Besuch am Nachmittag, wo Jess schon wieder einige Schritte selbst gegangen war und wesentlich frischer und kräftiger wirkte.
*geht noch weiter*