[Fotostory] Tiefer als der Schmerz

  • Tessa schluckte und warf einen besorgten Blick zu Joshua, der still da saß und auf den Tresen starrte, als ob er dort eine unsagbare Entdeckung gemacht habe.



    Feli starrte Tessa einen Moment verwirrt an und lächelte dann.
    „Mein Gott, das ist… das ist ja der Hammer! Und das erzählst du uns erst jetzt? Wie genau ist das alles geschehen und… wie geht es nun weiter? Wo war er die ganze Zeit und wie stehen die Dinge zwischen euch jetzt?“
    Tessa rang sich ein Lächeln ab und versuchte, nicht zu sehr auf den fast in Salz gegossenen Joshua zu achten, sondern unbeirrt weiter zu sprechen: „Ja… nun… er war das ganze Jahr wirklich in einer anderen Stadt wegen der Hellows… damit sie ihn nicht erwischen. Aber er wollte noch einmal zurück kommen, um mich zu sehen… er hat mir einen Brief geschrieben und als er diesen einwerfen wollte, ist er von den Hellows überrascht worden…“
    „Sie haben ihn zusammengeschlagen?“, stieß Feli erschrocken aus, als ob sie Tessas Worte erst jetzt richtig begriff. „Ist es denn auch wirklich nicht schlimm?“



    „Es war schlimm“, erwiderte Tessa langsam und dachte mit Schaudern an die furchtbare Nacht von Freitag auf Samstag zurück. „Wir wussten erst nicht, ob er durchkommen wird. Aber er hat es geschafft und ist inzwischen außer Gefahr, es geht ihm soweit ganz gut, er muss einfach nur noch etwas kräftiger werden, dann wird er sich auch bald erholen, sagen die Ärzte.“
    „Dann warst du eben gerade bei ihm?“, fragte Feli.
    Tessa nickte. „Ja, ich versuche, ihn so oft es geht zu besuchen.“
    „Und… wie stehen die Dinge zwischen euch jetzt?“ wollte Feli wissen.
    Tessa schluckte und warf erneut einen Blick auf Joshua, der sich nun zum ersten Mal in den letzten Minuten zu ihr umdrehte und ihr fragend und aufgewühlt ins Gesicht sah.
    Sie schluckte und fühlte sich plötzlich, als habe man ihr die Kehle zugeschnürt.


    Doch es half alles nichts – früher oder später würde er sich der Wahrheit stellen müssen, also war es besser, sie ihm jetzt zu sagen.
    „Es ist alles wieder in Ordnung“, sagte sie darum langsam. „Wir haben uns ausgesprochen und… uns ist klar geworden, dass wir beide Fehler machten… Jess kann sich wirklich nicht verzeihen, was er damals getan hat. Aber ich bin ihm nicht böse. Er hat seinen Fehler eingesehen und daraus gelernt. Er möchte jetzt noch mal einen Entzug machen, sobald er aus dem Krankenhaus entlassen wird. Und ich denke, er wird es diesmal sicher schaffen.“
    Da sie sich bewusst war, dass das die eigentliche Frage noch nicht in Gänze beantwortet hatte, fügte sie schließlich noch leise hinzu: „Unsere Gefühle füreinander sind immer noch dieselben, Joshua… Feli. Wir… wir lieben uns nach wie vor.“




    Es war wieder einen Moment still, dann lächelte Feli ihre Freundin herzlich an.
    „Mensch, Tessa… das klingt doch eigentlich alles ganz gut. Natürlich musst du uns noch die Details erzählen, aber… ich freu mich echt für dich.“
    Tessa lächelte und warf dann einen fragenden Blick zu Joshua.
    Dieser schluckte schwer und sagte dann mit ungewöhnlich dünner Stimme. „Ja… ja, ich kann mich Feli da nur anschließen…“
    Er fuhr sich nervös durchs Haar und warf dann einen Blick auf seine Uhr.
    „Oh, schon so spät“, stammelte er. „Ich… ich muss los, ich muss… ich hab noch was… vor… Hausarbeit… Referat, mein ich… und Arbeit… und muss noch telefonieren mit… ja, also…“
    Er versuchte schief zu grinsen und schob den Stuhl nach hinten. Tessa schluckte und wandte den Blick ab.


    Unschlüssig blieb Joshua einen Moment neben Tessa stehen, streckte vorsichtig die Hand nach ihrer Schulter aus und zog sie dann verunsichert wieder zurück.
    „Also, Tessa… wir sehen uns“, sagte er dann nur unsicher. „Ich freu mich wirklich für dich und… und Jess. Bis dann irgendwann.“
    Und rasch drehte er sich auf dem Absatz um und ging schnellen Schrittes die Treppen hinab.
    Tessa seufzte und schloss für einen Moment die Augen. Sie fühlte sich schlecht.


    „Ach, Tessalein – nimm´s nicht so schwer“, hörte sie Felis Stimme zu sich dringen. Sie sah ihre Freundin traurig an.
    „Das war nicht einfach“, sagte sie dann langsam. „Ich wusste nicht, dass es doch noch so schlimm ist bei Joshua… ich dachte… wenn ich das gewusst hätte, ich…“
    Feli winkte ab. „Hör auf, dich verrückt zu machen, Tessa. Joshua muss das mit sich selbst abmachen.“


    Sie warf der Kellnerin, die seit einigen Minuten offenbar nichts mehr zu tun hatte, einen Blick zu und beugte sich dann zu Tessa. „Komm, lass uns an einen der hinteren Tische gehen, da sind wir ungestörter…“
    Tessa nickte und beide begaben sich zu einem der freien Ecktische.


    „Und nun erzähl mir mal alles ganz genau und von vorne“, drängte Feli und Tessa begann bereitwillig und nun viel befreiter zu berichten, was in den letzten Tagen vorgefallen war, ohne etwas auszulassen – von jenem Zeitpunkt an, als sie Jess halb erfroren vor dem Haus gefunden hatte, über das Gespräch mit ihren Eltern bis hin zu dem letzten Besuch am Nachmittag, wo Jess schon wieder einige Schritte selbst gegangen war und wesentlich frischer und kräftiger wirkte.


    *geht noch weiter*

  • Draußen wurde es allmählich dunkel und eine Bedienung ging von Tisch zu Tisch, um die kleinen Teelichter in den Lämpchen anzuzünden.
    „Nun ja… nun weißt du alles“, schloss Tessa ihre Erzählung schließlich und warf einen gedankenverlorenen Blick zum Fenster hinaus.



    Feli pfiff leise durch die Zähne und holte tief Luft.
    „Und ich dachte, in dein Leben wäre mal ein bisschen Ruhe gekommen“, sagte sie langsam und lächelte. „Aber wenn es solche Aufregungen sind, dann kann man sich ja nicht beschweren. Ich will mir trotzdem gar nicht vorstellen, was du durchgemacht hast in jener Nacht im Krankenhaus. Wieso hast du denn nicht angerufen?“
    Tessa zuckte mit den Schultern. „Sei nicht böse, Feli. Moni war ja bei mir, und ich war ehrlich gesagt ohnehin völlig kopflos. Was hätte ich dich da auch noch in Angst und Schrecken versetzen sollen. Du bist deswegen doch nicht eingeschnappt?“
    Feli lachte leise auf. „Nein, Tessa, um Himmels Willen, natürlich nicht. Ich wollte damit ja nur sagen, dass ich für dich da bin, wenn du mich brauchst und Moni mal nicht zur Stelle ist.“
    Sie zwinkerte und Tessa grinste. „Das hört sich jetzt auch überhaupt nicht eingeschnappt an…“
    Feli lächelte. „Ich bin es nicht, wirklich! Ich freu mich einfach für dich, dass das alles trotz dieser Schrecken noch eine so gute Wendung zu nehmen scheint…“



    Tessa nickte und wurde nachdenklich. „Ja, das stimmt. Aber ich kann mich noch nicht so ganz darauf einlassen. Irgendwie ging das alles zu schnell. Noch vor einer Woche habe ich mich schon fast mit dem Gedanken abgefunden gehabt, Jess niemals wiederzusehen, vor allem nach dem Treffen mit Jasmin im Januar. Und nun… nun ist er wieder da, es ist so viel geschehen und noch darüber hinaus weiß ich, dass er mich liebt und dass er mich nicht verlassen hat, weil er böse war… und noch dazu bietet sich die Hoffnung auf ein gemeinsames Leben, auf einen Jess, der nicht süchtig ist… ich kann mir das noch gar nicht vorstellen. Und manchmal denke ich, ich wache auf und habe das alles nur geträumt… wie so oft, wenn auch nie in derartiger Heftigkeit…“
    Sie seufzte und sah Feli an. „Und ich denke daran, wie viel noch schiefgehen könnte… ich schäme mich fast, es zu sagen, weil ich doch an Jess glauben muss und sollte… aber… da ist ein Funken Angst und Misstrauen in mir, den ich einfach nicht still kriege…“



    Feli sah Tessa nachdenklich an. „Und du denkst, das sei nicht normal oder in Ordnung?“, fragte sie dann langsam, und Tessa zuckte die Schultern.
    Feli schüttelte den Kopf. „Nein, Tessa, das ist Unsinn. Es ist nur menschlich, dass du diese Gedanken hast. Ich kann mich nicht in deine Lage versetzen, aber ich fände es fast schon abnormal, wenn du diese Gedanken nicht hättest. Immerhin bist du sozusagen gebrandmarkt, was das angeht. Und so unschön es auch sein mag, es zu sagen, Jess hat noch nicht allzu viel getan, um sich dein Vertrauen zu verdienen, oder?“
    Tessa schluckte. „Ja… ja, das stimmt wohl, aber darum sollte es doch nicht gehen… ich liebe ihn, er liebt mich… das sollte doch reichen.“
    Feli nickte. „Ja, das tut es ja auch. Aber das heißt ja nicht, dass da nicht auch Zweifel, Ängste und eine gewisse Skepsis sein dürfen. Das ist doch letztlich auch ein gewisser Selbstschutz, Tessa. Mach nicht den Fehler, alles Schlechte wieder weg zu ignorieren, so wie damals, als du das erste Mal mit ihm zusammen warst…“



    „Denkst du, das hab ich?“, erwiderte Tessa nachdenklich.
    „Ja, das hast du mir selbst mal gesagt“, gab Feli zur Antwort. „Und du hast doch auch gesagt, du hast es deinen Eltern nur darum anvertraut, um nicht wieder die gleichen Fehler wie damals zu machen. Also – Skepsis ist richtig und wichtig. Und vielleicht kannst du dich sogar trauen, das in gewissem Maß auch Jess gegenüber zu zeigen. Nicht, um ihm das Gefühl zu geben, dass du ihm nicht vertraust. Sondern um dich nicht wieder zu verstellen ihm gegenüber.“
    Tessa nickte langsam. „Du hast recht. Das sollte ich vielleicht tun. Es ist alles eben nicht so einfach.“
    „Ja, und ich bewundere dich wieder einmal für deine Stärke“, sagte Feli langsam.
    Tessa lächelte. „Ich weiß nicht, so stark bin ich gar nicht.“



    Feli lachte leise auf. „Das bist du durchaus, nur siehst du selbst es nicht so, und das ist vermutlich auch normal. Und wie geht es jetzt genau weiter? Ich meine, vom zeitlichen Ablauf her? Wann wird Jess entlassen?“
    Tessa zuckte mit den Schultern. „Das ist jetzt noch schwer zu sagen. Er macht sich zwar ganz gut und die Ärzte sind sehr zufrieden mit ihm. Aber er ist eben doch noch sehr schwach.“
    „Ja, aber du sagtest doch, er ist nun auf einem Ersatzmittel? Wird das dann einfach immer weiter herunterdosiert?“
    Tessa schüttelte den Kopf. „Die Ärzte sagen, der beste Weg, wirklich zu entziehen, ist immer noch der Totalentzug. Auch wenn er der schwerste ist. Und für den muss Jess schon wieder richtig stabil sein. Sie werden ihn offenbar so lange im Krankenhaus behalten, bis das wirklich gewährleistet ist. Dann geht er mehr oder minder direkt in die Entzugsklinik. Die Ärztin hat schon mit dieser Einrichtung telefoniert und er bekommt einen Platz dort.“



    „Ah, das ist gut“, sagte Feli. „Und diese Einrichtung soll sehr gut sein, oder?“
    Tessa nickte. „Laut der Ärztin schon. Sie ist auch nicht in der Stadt, sondern etwas außerhalb, mehr auf dem Land. Das klingt alles vielversprechend, muss ich sagen.“
    Feli sah sie nachdenklich an. „Aber… wenn das so etwas besonderes oder sagen wir mal besseres ist, wer bezahlt das dann?“
    „Laut dem Krankenhaus werden die Kosten erstattet“, erwiderte Tessa. „Es ist eine ganz normale Einrichtung, nur ist es offenbar so, dass der übliche Weg natürlich nicht in eine so weit entfernte Einrichtung – im Verhältnis zumindest – geht, sondern in die Einrichtungen hier in der Stadt. Man hat uns das so erklärt, wie wenn man zum Arzt geht und der einem erstmal immer die günstige Therapie verschreibt, obwohl man die bessere durchaus auch bezahlt bekäme.“
    Feli schnaubte. „Das ist ja mal wieder typisch! Unfassbar eigentlich!“



    Dann fiel ihr noch etwas ein: „Aber Jess ist doch gar nicht versichert… wie soll das gehen?“
    „Er muss Sozialhilfe beantragen“, erwiderte Tessa und machte einen unbequemen Eindruck. „Das passt ihm natürlich nicht… aber es führt kein Weg daran vorbei, denn nur dann ist er versichert. Das muss er alleine auch, um die Krankenhauskosten erstattet zu bekommen. Sobald er gesund und entlassen ist, wird ihm der Weg auf die Ämter nicht erspart bleiben. Das kann alles rückwirkend gemacht werden, sagte mir die Ärztin. Aber er muss es trotzdem beantragen.“
    „Ich verstehe gar nicht, wieso er damit solche Probleme hat“, stellte Feli fest. „Es ist doch allemal besser, als ein armes, hungriges, obdachloses Leben…“
    Tessa seufzte. „Ich glaube, es ist bei Menschen wie Jess so …. sie haben nichts mehr, nichts, als ihren Stolz, weißt du…“



    „Ich weiß echt nicht, ob ich das bewundernswert oder einfach nur idiotisch finden soll“, erwiderte Feli in ihrer direkten Art.
    Tessa lächelte. „Kann ich nachvollziehen“, sagte sie.
    Feli dachte einen Moment nach und sagte dann schnell: „Aber Tessa… sag mal… was ist nun mit diesen Hellows?“



    *geht noch weiter*

  • „Was soll mit ihnen sein?“
    „Na, wenn Jess nun entzieht und wieder in der Stadt ist… dann bleibt das Problem doch bestehen, oder?“
    Tessa zuckte die Schultern. „Ich hab da auch schon dran gedacht. Aber Jess sagt, für die müsste der Fall jetzt erledigt sein, weil sie ihn ja erwischt haben. Jasmin sagte auch mal sowas in der Richtung, dass es denen nicht unbedingt darum geht, den anderen wirklich umzubringen, sondern einfach nur darum, ihm einen Denkzettel zu verpassen… um sich Respekt zu verschaffen. Ich hoffe nur, dass die Polizei nicht wirklich jemanden von denen fasst, denn dann steht Jess als Verräter da und es wird wieder eng für ihn. Aber man muss auch dazu sagen, dass er nur wirklich in Gefahr ist, wenn er sich in der Szene aufhält. Die Hellows sind durchaus gefährlich, aber eigentlich nur für die Szene selbst, weißt du. Es ist ja nicht die Mafia… mit den Ottonormalverbrauchern legen die sich nicht an.“



    Feli machte ein skeptisches Gesicht. „Bist du dir sicher?“
    Tessa seufzte. „Ich weiß es nicht genau. Ich denke, wir sollten schon vorsichtig sein, ja. Aber auch der Polizist, der mich am Samstag vernommen hat, sagte mir, dass diese Straftaten innerhalb der Szene meistens schwer zu bekämpfen sind… naja, wenn du mich fragst, ist das Interesse seitens der Polizei da einfach nicht so groß, die lassen das sich untereinander ausmachen. Der Polizist sagte selbst ganz klar, dass die Sache noch mal anders ausgesehen hätte, wenn mich jemand angegriffen hätte.“
    „Eigentlich schon ein starkes Stück, oder?“, schnaubte Feli. „Was ist denn da der Unterschied?“
    „Tja… so ist die Realität wohl, auch wenn man es gar nicht glauben mag“, stellte Tessa kopfschüttelnd fest.
    „Aber du bist doch damals auch in ihr Revier eingedrungen“, sagte Feli. „Und Jess sagte, du sollst auch aufpassen, oder?“




    Tessa nickte. „Ja, das ist richtig. Aber ich hab auch nicht vor, nachts allein in den dunklen Gegenden herumzulaufen. Nicht mehr…“
    Sie grinste schief. Feli jedoch war immer noch nicht beruhigt.
    „Ja, aber, Tessa… du hast ihn vor deiner Haustür gefunden. Wurde er denn auch dort zusammengeschlagen? Wissen die vielleicht, wo du wohnst?“
    Tessa schüttelte den Kopf. „Nein – Jess wurde nicht direkt dort zusammengeschlagen. Es war einige Straßen weiter, und er hat sich dann noch bis zu mir geschleppt, geklingelt, aber ich war ja nicht zu Haus…“, sie schluckte und durfte gar nicht daran denken, was geschehen wäre, wenn sie noch später nach Haus gekommen wäre. „Und selbst wenn, ich glaube auch nicht, dass sie sich an mir vergreifen würden… nicht in meinem Revier sozusagen… das ist viel zu riskant für die, da haben die kein Interesse dran. Das glaub ich nicht.“
    Feli rieb sich die Stirn. „Mann – ich könnte an deiner Stelle nicht mehr ruhig schlafen.“
    „Ich hab wachsame Nachbarn“, erwiderte Tessa und zwinkerte. „Nein, ernsthaft – ich denke nicht, dass da Grund zur Sorge besteht. Für die ist der Fall erledigt.“
    Einen Moment schwiegen beide junge Frauen wieder, dann erhob Tessa unsicher die Stimme.
    „Du… Feli… noch mal wegen Joshua… es… tut mir so leid, ihm so weh getan zu haben. Wusstest du, dass er anscheinend doch nicht über mich weg ist?“



    Feli nickte. „Ja… was heißt, er hat´s mir nie gesagt, aber ich finde, man hat es schon gemerkt, auch wenn er es recht gut verstecken konnte. Aber als du das eben erzählt hast, war mir schon klar, dass er nicht so gut drauf reagieren würde.“
    Tessa seufzte. „Ich will ihn nicht als Freund verlieren“, sagte sie dann langsam. „Ich mag ihn sehr.“
    Feli tätschelte ihrer Freundin tröstend die Hand. „Ich weiß, und ich denke nicht, dass du ihn verlieren wirst. Vielleicht war diese kalte Dusche genau das, was er gebraucht hat um endlich zu begreifen, dass er nicht auf dich warten kann. Ich fürchte, er hat die ganze Zeit gehofft, dass du irgendwann über Jess weg bist und dich doch noch für ihn selbst öffnen kannst.“
    Tessa seufzte. „Er hat nie mehr etwas dazu gesagt.“
    „Ist doch auch verständlich“, erwiderte Feli. „Hättest du das in seiner Situation?“



    Tessa schüttelte den Kopf.
    „Nein, vermutlich nicht. Ach, ich fühl mich einfach mies deswegen.“
    „Tessa, lass es – ehrlich, es hilft niemanden mehr, am allerwenigsten dir. Joshua kommt schon zurecht. Ich denke, er hat sich da an etwas festgebissen, von dem er selbst wusste, dass es keine Hoffnung gibt. Jetzt kann er endlich abschließen und danach wird er sicher wieder besser mit dir umgehen können. Abgesehen davon weiß ich, dass er auch noch mit ein oder zwei anderen Mädls liebäugelt.“
    „Echt? Er hat gar nichts gesagt“, stieß Tessa hervor.
    „Och, Tessa, du bist manchmal echt keine Schnellmerkerin“, stöhnte Feli grinsend. „Natürlich hat er dir nichts davon erzählt – ist doch klar. Aber wenn er erstmal über dich hinweg ist, und das wird jetzt, so wie die Dinge stehen, bestimmt schaffen, wendet er sich bestimmt anderen Objekten der Begierde zu, so dass ich euer Verhältnis von ganz alleine entspannen wird.“



    „Ich hoffe es“, erwiderte Tessa. „Ich hoffe es wirklich.“
    „Nun genug davon“, fiel ihr Feli ins Wort und grinste. „Es ist schon fast acht Uhr, und ich hab einen Bärenhunger. Was hältst du davon, wenn wir uns irgendwo eine Pizza holen und dann zu mir fahren? Oder hast du was vor heute Abend? Ich hab nämlich noch einen tollen Film rumliegen, den ich mir gestern geliehen hab. Was meinst du?“
    Tessa lächelte. „Also, Hunger hab ich definitiv, und ein bisschen Ablenkung kann ich auch gut gebrauchen. Worauf warten wir also?“



    Lächelnd drehte sie sich zur Kellnerin um und winkte sie heran, um zu bezahlen.
    Dann hakte sie Feli unter und gemeinsam machten sie sich auf den Weg, um diesen aufreibenden Tag mit einem gemütlichen Mädls-Abend ausklingen zu lassen.


    Fortsetzung folgt.

  • Hallö Innad, :)


    Du hattest völlig recht damit die Fortsetzung nicht zu teilen. Das wäre nicht so toll gewesen. Gut es war etwas länger, aber so tragisch ist das doch nicht. :D



    Das Joshua doch noch mehr von Tessa wollte als sie dachte, war irgendwie abzusehen. Allzu lange ist es ja noch nicht her gewesen und da sie sich ja auch häufiger gesehen haben, hatte Joshua ja nicht wirklich Gelegenheit und Grund sich zu "entlieben". Klar, dass es ihn dann doch sehr trifft, dass Jess wieder da und wieder mit Tessa zusammen ist. Aber er hat es doch ganz gut gemeistert, dass er gegangen ist und sich erstmal woanders abreagiert, bzw. den beiden Frauen nicht die Feierstimmung vermiest.
    Das Tessa allerdings nichts mehr von seinen Gefühlen mitbekommen hat... Nun ja, der Betroffene erfährt es ja meistens eh zuletzt und vielleicht war da ja auch der Wunsch der Vater des Gedanken. ;)
    Feli ist ja gar nicht neugierig. *gg* Aber gut, wer wäre das nicht und für Tessa war es ja auch noch eine Gelegenheit das Ganze nochmal Revue passieren zu lassen. Ich denke dadurch konnte sie wohl auch besser einschätzen, wie es jetzt weitergehen wird für sie. Sie hat sich ja vorgenommen nicht mehr soviel zu verstecken und so besteht ja die Chance, dass sie sich auch daran hält, denn jetzt ist ja noch jemand da, der sie daran erinner kann, sollte sie in Versuchung kommen den Vorsatz zu brechen.
    Aber ob ich die Überzeugung was die Hellows betrifft teile, weiß ich nicht... Ich denke, so sicher wie Tessa glaubt, ist sie nicht. Der Zufall oder sonstige Umstände könnten dafür sorgen, dass sie nochmal in die Nähe der Gang kommt und ob die wirklich ihr Gesicht vergessen haben... :misstrau


    Alles in Allem eine tolle und schön lange Fortsetzung, die noch so ein paar Fragen offen lässt und viel Raum zum Spekulieren gibt, gerade was Joshua und die Hellows betrifft. *g*
    Ganz liebe Grüße
    Llyn

    You are never more alive than when you're about to lose your pants!



    FS: Sunrise Update: 04.06.19

  • Liebe Innad


    Langsam lese ich mich wieder durch die Fotostories und will auch versuchen, mich wieder dazu zu äussern.
    Wow, da war ja sooooo viel bei dir zu Lesen und es ist auch wahnsinnig viel passiert!
    Dass Jess überlebt hat, hätte ich zugegebenermassen nicht geglaubt, denn ich hatte eher die gleichen Gedanken wie Kiara. Aber nun freue ich mich umso mehr, dass er lebt, dass ihm geholfen wird und er freiwillig in eine Entzugsklinik gehen wird. Ich denke, jetzt kann nichts mehr passieren, denn das würdest du uns bestimmt nicht antun, oder?


    Deine BILDER sind ein Traum, wie immer! Mich haben besonders die Nachtaufnahmen des Elternhauses von Tessa beeindruckt und auch die der Nachbarschaft. Das sieht unheimlich echt aus und versetzt einen in genau die passende Stimmung zu der Geschichte.


    Das Gespräch mit den Eltern hast du auch mal wieder super rübergebracht, es wirkt bei dir einfach immer alles so authentisch, so real, gerade so, als ob das alles wirklich passiert! :applaus


    Ob die Eltern nun wirklich einsichtig geworden sind, wird sich ja wohl noch zeigen. Ich glaube noch nicht so recht daran. Es ging mir etwas zu schnell. Kaum war Tessa draussen, ist alles anders? Es kommt mir eher vor, dass sie aus Angst, ihre Tochter ganz zu verlieren, nun (scheinbar) einlenken und Verständnis heucheln. Ist vielleicht ungerecht ihnen gegenüber und vermutlich wissen sie es nicht besser. Sie sind ja noch immer völlig überfordert mit der ganzen Situation. Der Vater (Materialist!) denkt sofort wieder an die staatlichen Institutionen, und dass doch in der heutigen Gesellschaft niemand mehr obdachlos sein "muss". . . diesen Satz von ihm habe ich kopfschüttelnd gelesen und mir gedacht, dass er halt in seiner eigenen kleinen Welt lebt und im Grunde genommen überhaupt nichts begriffen hat. Aber nun gut, wenigstens haben sie es versucht.... ich befürchte jetzt aber, dass sie - um ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen - Tessa und auch Jess finanziell unterstützen werden. Was ja an sich nichts Schlechtes ist, aber viel besser wäre es, sich auch wirklich mit Jess auseinanderzusetzen und ihn nicht mit Geld abzufertigen ..... nun, ich lass mich überraschen.....


    Dass Joshua so sehr enttäuscht ist, hab ich mir schon gedacht, der gute "Trottel" hat die Hoffnung eben nie aufgegeben. Auch diese Szene war genial beschrieben. Man konnte sich richtig in Tessas Lage versetzen, wie schwierig es für sie war, ihm die Wahrheit zu sagen.


    Also waren es wirklich die Hellows, welche Jess so zugerichtet hatten und meine Vermutung mit der "Ironie des Schicksals" trifft somit zu. Es ist wirklich schon fast absurd, dass sie ihm letztlich das Leben gerettet und ihn und Tessa wieder zusammmen gebracht haben, denn hätten sie ihn nicht verprügelt, hätte er nur den Brief eingeworfen, wäre dann in eine andere Stadt gegangen und hätte nicht mehr lange gelebt. Schon merkwürdig, was für seltsame Wendungen das Leben oft nimmt.


    So, nun ists doch ein längerer Kommi geworden.... irgendwie kann ich mich einfach nicht mässigen...


    Alles Liebe und danke für diese wunderbaren Fortsetzungen!


    :knuddel
    Jane

  • Llynya: Ja, Du hast recht, dass Tessa es nicht bemerkte, wie es nach wie vor um Joshuas Gefühle steht, ist schon irgendwie seltsam. Aber so wie Du schreibst, war da vielleicht der Wunsch Vater des Gedanken.
    Was Du zu den Hellows schreibst, ist natürlich richtig. Aber irgendwie kann ich Tessa verstehen, dass sie das so ein wenig zur Seite schiebt, sonst könnte sie sich ja niemals mehr sicher sein. Auf der anderen Seite ist es ja schon so, dass es damals sehr dunkel dort war und Tessa sich zudem verändert hat. Und so wie sie sagt, greifen die Hellows in der Regel keine Ottonormalverbraucher an, es ist mehr so eine Art Banden- und Szenenkram, der da untereinander ausgemacht wird. Darum schaut die Polizei auch so ein bißchen darüber hinweg, was natürlich nicht richtig ist.
    Aber wenn die Hellows sich an jemanden wie Tessa in deren Gebiet wagen würden, gingen sie damit schon ein Risiko ein, und ob es das lohnt? Da Tessa ihnen ja eh nicht mehr gefährlich wird? Das ist fraglich. Anders schaut es natürlich aus, wenn die Polizei den Anschlag auf Jess´ nun doch irgendwie vergelten kann in der Szene. Dann wird es für ihn wieder brenzliger, denn sein Gesicht kennen sie natürlich sehr gut.


    Tessa wird nun nicht mehr so viel falsch machen können mit Jess wie zuvor. Sie hat Feli und Moni, die sie sozusagen mit der Nase darauf stoßen werden, da kann man sicher sein. Das stimmt schon.


    Danke für Deinen lieben Kommi!





    @JaneEyre: Oh, das ist aber süß, dass Du trotz Aua-Händen tipst. Aber schön langsam, ja?


    Ob Jess nun noch etwas passiert, verrate ich nicht, das ist ja klar. ;)


    Was Du zu Tessas Eltern schreibst, ist völlig korrekt. Natürlich ging das alles sehr schnell. Ich denke, das hat zweierlei Dinge in sich, die man ansehen muss. Zum einen ist so, wie Du schreibst, dass sie sicher noch nicht eine grundlegend andere Einstellung haben. Auf der anderen Seite ist es glaub ich aber schon so gewesen, dass Tessas Standhaftigkeit und ihre echte Konsequenz-Bereitschaft ihnen ein Stückweit die Augen geöffnet haben. Manchmal merkt man ja nur durch einen "Schock", wie daneben man sich eigentlich verhalten hat.


    Trotzdem hast Du recht mit dem, was Du schreibst, dass sie in ihrer Grundeinstellung sicher noch nicht völlig umgekrempelt sind und das wenn überhaupt noch lange dauern wird.
    Ob du mit deiner Vermutung bzgl der Unterstützung, die sie Tessa und Jess evtl einmal zukommen lassen werden, recht behältst, verrate ich noch nicht, aber es ist durchaus denkbar.


    Das mit den Hellows hab ich so anfangs gar nicht gesehen, dass sie ihm eigentlich das Leben gerettet haben. Aber Du hast ja recht, das ist wirklich ein komischer Schicksalstreich, der in diesem Fall schöne Früchte mit sich bringen könnte, sowohl für Jess als auch für Tessa. Falls denn alles gut geht... noch steht Jess ja der schwere Entzug bevor, den er immerhin schon dreimal nicht überstanden hat.


    Übrigens noch ein dickes Danke für das Lob zu den Bildern. Das freut mich, dass die Nachbarschaft so echt ausschaut, da hab ich beim Erstellen im Vorjahr nämlich ewiglich dran gesessen :D


    Ich wünsch Dir weiterhin gute Besserung und heute bedanke ich mich besonders herzlich für Deinen Kommi!!!




    @ALL: Heute im Laufe des Tages gibt es die Fortsetzung, sobald Photobucket nicht mehr seine Seite wartet und ich die Bilder hochladen kann!

  • Kapitel 68
    Das erste Mal




    Aufgeregt schlug Tessa die Autotür hinter sich zu und hastete durch das Krankenhausfoyer zu den Aufzügen. Freundlich nickte sie der Schwester am Empfang zu, die ebenso nett zurücklächelte.
    So unangenehm und beklemmend es hier anfangs für Tessa gewesen war, so sehr hatte sie sich inzwischen an diese Umgebung gewöhnt. Immerhin kam sie nun schon seit fast sechs Wochen täglich hierher, um Jess zu besuchen.
    Jene Nacht, in der sie hier mit Moni gezittert und gebangt hatte, war ihr zwar immer noch allzu gut in Erinnerung, aber deutlich verblasst.
    Doch heute war ein besonderer Tag – es würde das letzte Mal sein, dass sie Jess hier besuchte. Vielmehr war es heute gar kein wirklicher Besuch mehr, dachte Tessa sich lächelnd, stieg aus dem Aufzug und ging raschen Schrittes zu der wohlbekannten Tür. Ihre Füße fanden den Weg schon fast von selbst. Sie klopfte nicht an, da sie wusste, dass Jess seit gestern Abend wieder allein auf dem Zimmer war, nachdem sein Zimmernachbar, der vierte in diesen sechs Wochen, entlassen worden war.
    Lächelnd trat sie ins Zimmer ein. Jess saß am Tisch, hatte sich in seine alten, abgewetzten Kleider gehüllt und lächelte ihr zu.


    „Na?“, fragte Tessa lächelnd. „Bist du bereit?“
    Jess lächelte zurück und zuckte unsicher mit den Schultern. „Ich denke schon“, sagte er dann langsam.
    „War die Ärztin schon da?“
    Jess nickte. „Ja, ich hab die Entlassungspapiere und alles weitere von ihr bekommen. Ich habe nun nur noch auf dich gewartet, sozusagen.“
    Tessa sah ihn liebevoll an. „Dann können wir gehen, oder, Jess?“


    Jess nickte langsam. „Ja – ja, ich denke schon.“
    Langsam erhob er sich und stand auf. Tessa musste daran denken, wie wacklig dies noch vor wenigen Wochen von statten gegangen war und wie mühelos und zuverlässig ihn seine Beine inzwischen wieder trugen.
    Laut der Ärzte war Jess nun in einer – abgesehen von der immer noch bestehenden Abhängigkeit – sehr guten und stabilen Verfassung. Stabil genug, um das, was ihm bevor stand, zumindest von körperlicher Seite her verkraften zu können.



    Jess rückte den Stuhl ordentlich zurück an seinen angestammten Platz und verharrte dann einen Moment reglos, um sich im Zimmer umzublicken und einen Blick aus dem Fenster zu werfen.
    Vorsichtig berührte Tessa ihn an der Schulter.
    „Hey“, sagte sie sanft. „Ist alles okay?“
    Jess drehte sich langsam zu ihr um und nickte schwerfällig.
    „Ja… weißt du… es klingt bestimmt unsinnig, aber das Zimmer hier war für mich irgendwie eine Art Zuhause in den letzten Wochen. So lange war ich sozusagen noch nie an ein- und demselben Ort.“
    Er schnitt eine Grimasse, konnte aber nicht seine Unsicherheit und Rührung verbergen.
    Tessa strich ihm sacht ein Haar aus dem Gesicht und sagte dann: „Es ist okay, wenn du dich dabei seltsam fühlst. Aber bald hast du ein besseres und richtiges Zuhaus, das glaub ich ganz fest.“
    Jess nickte langsam. „Das hab ich schon. Du bist mein Zuhaus.“
    Er zog sie fest in die Arme.


    „Nun, dann wollen wir mal“, seufzte er dann, ließ den Blick noch einmal durch das leere Krankenzimmer schweifen und folgte Tessa dann zur Tür.
    Schweigend gingen sie durch den Flur, stiegen in den Aufzug und meldeten sich im Foyer bei der freundlichen Schwester endgültig ab.
    Dann traten sie hinaus in die frische Luft. Einen Moment blieb Jess stehen und sog die Lungen tief voll davon. Es war Ende März, und inzwischen war es recht mild geworden, so dass man keine Jacke mehr brauchte, auch wenn der Himmel sich immer wieder bewölkt zeigte.
    Langsam gingen Jess und Tessa auf den direkt vor dem Krankenhaus geparkten Wagen zu.


    Sie lächelten sich einen Moment an, bevor sie einstiegen. Tessa schlug die Autotür zu und auch Jess ließ sich in den Sitz sinken.
    Es herrschte eine seltsame Stimmung zwischen ihnen. Ohne es auszusprechen, war beiden klar, dass dies der Beginn eines neuen Lebens für Jess sein konnte – und somit auch für sie beiden.
    Doch viel mehr noch als das – es war sowohl für Jess die letzte Chance, als auch für die Liebe zwischen beiden.
    Tessa warf Jess einen langen Blick zu und dieser hielt ihm stand. Dann ließ er die Autotür ins Schloss fallen, Tessa wandte den Blick ab und warf den Motor an.



    „Wo fahren wir jetzt hin?“, fragte Jess, nachdem Tessa zurück gesetzt und den Wagen sicher auf die Straße gelenkt hatte.
    „Erstmal zu den Behörden“, erwiderte diese. „Du musst dich dort jetzt unbedingt als arbeits- und mittellos melden, Jess, damit die ganzen Formalitäten noch über die Bühne gehen. Krankenversicherung und all sowas eben. Ich hab vor einigen Tagen schon mal mit einer Dame vom Amt telefoniert, und die sagte, es wird dann noch mindestens vier Wochen dauern, bis das erste Geld überwiesen werden kann, aber für das Krankenhaus und die Entzugsklinik ist das in Ordnung. Offenbar auch kein Einzelfall.“
    Jess nickte langsam. „Mir behagt es nicht, dahin zu gehen, Tessa.“


    Tessa seufzte. „Das weiß ich, Jess, und doch muss es sein.“
    „Ja, ich weiß. Immer diese ganze Bürokratie“, brummte er.
    Tessa sah ihn von der Seite an. „Jess… wenn du wirklich etwas verändern willst, musst du das hinter dich bringen. Und verglichen mit allem anderen, was da… auf dich zukommt“, sagte sie langsam, so als wolle sie nicht von dem Schrecken sprechen, der Jess noch bevor stand. „Da wird das doch die leichteste Übung sein, oder? Ich komm ja auch mit.“
    Jess lächelte und drückte ihre Hand. „Danke. Das hilft mir wirklich.“


    Schweigend fuhren beide weiter, bis sie an einem großen, grauen Hochhaus ankamen, in dem sich die verschiedenen Ämter befanden. Tessa lächelte Jess aufmunternd zu und gemeinsam stiegen sie aus dem Auto.



    *geht noch weiter*

  • Beklommen starrte Jess an der hohen, grauen Wand nach oben, doch er sagte nichts mehr, nahm statt dessen nur Tessas Hand und ging auf die Eingangstür zu.
    Gemeinsam verschwanden sie im Inneren des grauen Betonklotzes.



    Nach anderthalb Stunden ließen sich beide erschöpft wieder in die Sitze des Wagens fallen.
    „Was für ein Behördenwahnsinn“, stöhnte Jess. „Ich hätte fast vergessen, wie kompliziert das alles sein kann. Gottlob waren wir gut informiert, sonst würden wir morgen früh noch darin herum irren und die richtigen Ansprechpartner suchen!“
    Tessa nickte seufzend. „Da muss ich dir recht geben“, sagte sie und lächelte Jess dann an. „Aber nun ist alles geklärt und in die Wege geleitet, und du kannst mit völlig freiem Kopf morgen in die Entzugsklinik gehen. Das ist doch schon einmal ein echter Fortschritt, oder? Und es ist sogar erst früher Nachmittag, so dass wir den Rest des Tages noch für uns haben.“
    Jess lächelte. „Ja, das ist das schönste daran. Was wollen wir jetzt machen?“
    Tessa betrachtete kritisch Jess´ Äußeres. Sie hatte schon am Morgen beschlossen, ihm noch bevor er in die Klinik ging, einige neue Kleider zu besorgen. Doch sie kannte seinen Stolz und wusste, dass sie dieses Unterfangen geschickt einfädeln musste, darum sagte sie leichthin: „Weißt du, ich brauche noch dringend ein Buch für mein eines Seminar, das ich nächsten Monat besuchen will… würde es Dir was ausmachen, wenn wir noch kurz in die Stadt fahren, damit ich in den kleinen Buchladen kann… wir könnten da ja auch eine Kleinigkeit essen… ein Stück Kuchen oder sowas, heute Abend können wir uns dann bei mir was machen.“
    Jess nickte. „Okay, kein Problem“.



    Kurze Zeit später kam Tessa aus dem besagten Buchladen getreten und erklärte Jess bedauernd: „War nicht vorrätig, ich musste es mir bestellen. Wollen wir jetzt was essen gehen und dann vielleicht noch vorne in dem einen Klamottenladen vorbei schauen?“
    Jess sah sie skeptisch an. „Du willst heute Kleider shoppen gehen?“
    „Naja… macht es dir etwas aus? Ich… ich bin unmöglich angezogen, ich brauch mal wieder eine neue Jeans…“



    „Das ist Unsinn, und das weißt du“, erwiderte Jess. „Du bist schick und gut gekleidet, wie immer. Und Jeans hast du vermutlich ein Dutzend. Ich glaube, vielmehr willst du mich zu ein paar neuen Keidern überreden, stimmt´s?“
    Ertappt biss Tessa sich auf die Lippen.



    „Ist schon gut, wir können ja mal reinschauen“, räumte Jess ausweichend ein. „Und was dich angeht, ich finde dich wunderbar gekleidet, und ich will nie wieder sowas hören wie vorhin.“
    Er lächelte und zog Tessa in seine Arme, um sie zu küssen.
    „Aber wenn´s dich nicht stört“, sagte er. „Will ich vorher etwas essen.“



    „Okay, kein Problem“, lachte Tessa und küsste ihn zurück.
    Ein paar Straßen weiter kaufte sie darum zwei Stück Kuchen, die beide hungrig verdrückten. Dann bummelten sie noch einen Moment weiter durch die Straßen, bis sie an einem kleinen Kleiderladen angekommen waren, in den Tessa Jess bestimmt zog.
    Sie merkte ihm das Unbehagen, welches seine Kleidung ihm in dieser Umgebung bereitete, offen an, was sie jedoch noch mehr in dem Entschluss, dass er neue Kleider benötigte, bestärkte.
    Jess warf einen unsicheren Blick auf die Kleiderständer und zog Tessa dann beiseite.
    „Tessa – lass uns gehen. Was soll ich denn hier? Dieser Kleider sind alle viel zu teuer. Ich hab kein Geld, das weißt du. Ich… ich dachte, du meinst das nicht ernst, was du vorhin gesagt hast…“



    „Doch, das meinte ich natürlich ernst“, gab diese entrüstet zurück und fügte dann sanfter hinzu: „Jess… du weißt, ich liebe dich, egal, wie du angezogen bist… aber deine Kleider sind uralt, völlig verschlissen. Du brauchst ein paar neue Kleider für die Klinik.“
    Jess runzelte die Stirn. „Tessa, das ist eine Entzugsklinik“, sagte er leise. „Und kein Gala-Hotel. Die wenigsten dort werden eine tolle Garderobe zur Schau stellen.“
    „Ich will auch nicht, dass du Galakleidung trägst, sondern nur einige neue Pullover und ein oder zwei neue Hosen. So kannst du nicht einmal hier drinnen umher laufen, ohne Blicke auf dich zu ziehen“, erwiderte Tessa entschlossen.
    Jess verzog das Gesicht. „Seit wann bist du so oberflächlich?“
    Tessa rümpfte die Nase. „Nun mach aber mal einen Punkt, Jess! Das hat nichts mit Oberflächlichkeit zu tun. Ich liebe dich in deinen abgetragenen Jeans nicht mehr oder weniger als im Smoking, und das weißt du. Aber du wirst selbst einsehen, dass einige neue Kleider einfach unabdingbar für dich sind.“



    Jess brummte etwas Unverständliches und sagte dann harsch: „Das mag ja sein, aber ich hab nun einmal kein Geld dafür, Tessa!“
    Tessa sah ihn wütend an. „Mein Gott, Jess, nun stell dich nicht dümmer hin als du bist! ICH hab Geld, und ich kann dir das auslegen!“
    „Ich will aber keine Almosen von dir haben!“
    Nun wurde Tessa erst recht wütend.
    „Jess Berger! Nun vergiss einfach mal für einen kleinen Moment deinen total unangebrachten Stolz und hör mir zu“, zischte sie.



    „Du wirst in vier Wochen dein erstes Geld vom Amt erhalten“, sagte sie aufgebracht. „Und dann kannst du mir von mir aus häppchenweise alles zurück zahlen, wenn du unbedingt willst. Noch besser wäre es aber, du nimmst das jetzt einfach mal als ein Geschenk an, das dringend nötig ist und vergisst es einfach!“
    „Ich will aber keine Geschenke von dir!“, gab Jess empört zurück. „Ich will für mich selbst sorgen und ich werde dir nicht zur Last fallen!“




    *geht noch weiter*

  • „Herrgott Jess! Wenn du diese Einstellung hast, wird das ganze scheitern!“, rief Tessa so leise wie möglich aus. „Du musst endlich einsehen, dass du Hilfe annehmen können musst, um aus dem ganzen Schlamassel zu kommen! Nicht nur von mir, sondern auch von Ärzten, Pflegern und Therapeuten! Das hat nichts mit Unfähigkeit oder Versagen zu tun, es ist eben einfach so! Und es gehört auch viel dazu, Hilfe anzunehmen! Das erfordert auch Mut! Irgendwann, wenn das alles vorbei ist, wirst du einmal auf eigenen Beinen stehen und mir das alles bestimmt zurück geben können! Aber noch ist es nicht soweit! Und wenn du wieder auf die Beine kommen willst, musst du die Hände nehmen, die dich hochziehen können! Versteh das doch endlich!“
    Jess schluckte und seufzte resigniert und mit hängenden Schultern.



    „Du hast vermutlich recht“, sagte er dann leise. „Es fällt mir nur so schwer. Aber gut – ich seh es ein. Aber irgendwann geb ich dir alles wieder zurück.“
    „Ja… ja, natürlich“, sagte Tessa beschwichtigend und strich ihm über die Schultern. „Und nun lass uns mal schauen, was die hier so haben. Das hier ist wirklich ein günstiger Laden, also mach dir keine Sorgen.“
    Sie verriet Jess nicht, dass das Geld ihr durchaus weh tat, denn sie hatte sich geschworen, das Geld von ihren Eltern so gut wie nicht mehr anzurühren, um sich die größtmögliche Unabhängigkeit zu wahren. Sie hatte noch einige Ersparnisse von ihrer Zeit beim Verlag, doch auf ewig würden diese nicht reichen. Tessa war klar, dass sie sich bald einen Nebenjob suchen musste. Doch daran verschwendete sie heute keinen Gedanken.
    Gemeinsam begannen sie nun, die Kleiderständer zu durchsuchen und Jess probierte das ein oder andere an.





    Nach etwa einer halben Stunde hatten sie einen großen Stapel an günstigen Kleidern zusammen gesucht, die Jess zumindest für einige Wochen eine vernünftige Garderobe garantierten. Darunter befanden sich zwei oder drei Pullover und Westen, einige Shirts, zwei Jeans, ein paar Packen Unterwäsche und ein gemütlicher Trainingsanzug.
    Da alles reduziert war, tat es Tessas Geldbeutel auch nicht so weh, wie sie befürchtet hatte.
    Dick bepackt stiegen sie also wieder ins Auto und fuhren auf direktem Weg zu Tessas Wohnung, damit Jess sich noch etwas ausruhen konnte.
    Während Tessa die Kleider von den Etiketten befreite und zumindest die Unterwäsche noch eine Runde in der Waschmaschine drehen ließ, hüpfte Jess rasch unter die Dusche. Tessa hatte ihm schon vor einigen Tagen einen Beutel mit Kosmetikartikeln zusammengestellt, und ihm auch einen Rasierer und Rasierschaum gekauft.
    Während Jess unter der Dusche stand, bestellte Tessa rasch eine Pizza, da sie keine Lust hatte, noch etwas zu kochen. Im Wohnzimmer sah es chaotisch, darum stellte sie den riesigen Karton auf dem Sideboard im Schlafzimmer ab und beschloss, dass Jess und sie es sich ebenso gut direkt im Bett gemütlich machen konnten. Es war schon recht spät geworden.
    „Jess, die Pizza ist da!“, rief sie durch die geschlossene Tür ins Bad hinein. „Ich hab sie hier reingestellt, ich bin gleich wieder, gehe nur noch mal schnell in den Keller, die Wäsche in den Trockner tun!“
    „Okay!“, hörte sie es aus dem Bad. „Ich komm auch gleich!“
    Fünf Minuten später kam sie wieder ins Schlafzimmer und sah Jess in seine neuen Kleider gehüllt gerade am Sideboard stehen und sich ein Stück Pizza nehmen.
    „Wow!“, stieß Tessa hervor, als er sich zu ihr herumdrehte.



    „Was ist?“, fragte Jess irritiert.
    „Nichts… nur… dachte ich gerade, wer ist dieser fremde Mann?“, lächelte Tessa. „Du siehst… einfach toll aus. Das steht dir supergut und… du bist rasiert!“
    Jess lachte leise auf. „So – das heißt, ich habe dir unrasiert und in den alten Kleidern also doch nicht gefallen, mh?“
    Tessa grinste verlegen. „Nun… das hast du gesagt.“
    Jess lachte nun laut. „Ich nehm es dir nicht übel. Ich find mich selbst ziemlich sexy.“ Er grinste und zwinkerte. „Wieso essen wir nicht drüben?“
    „Zu unordentlich“, erwiderte Tessa. „Hier ist es doch auch gemütlicher, oder?“
    „Klar“, sagte Jess und setzte sich mampfend auf die Bettkante. „Und die Pizza ist göttlich!“



    Lachend nahm Tessa sich ebenfalls ein Stück und setzte sich neben ihn.
    Nachdem beide fast die ganze Pizza verdrückt hatten, machten sie es sich satt und müde auf dem Bett bequem, wo Jess Tessa in seine Arme zog und sie küsste.
    „Das war köstlich“, sagte er dann genießerisch. „Ich hatte sein ewigen Zeiten keine Pizza mehr! Und keine sauberen Kleider! Es ist wie im Himmel!“
    Tessa lächelte. „Und was ist mit mir? Dass ich da bin zählt gar nicht mehr?“
    Jess rieb seine Wange an der ihren.
    „Das glaubst du wirklich?“



    „Naja… wenn ich dich so höre… geht es dir nur um Pizza und Kleider“, zwinkerte sie.




    *geht noch weiter*

  • Jess lachte, und Tessa fiel auf, dass sie dies so selten von ihm gehört hatte und dass sein Lachen so hell und klar klang, dass ihr das Herz aufging.
    „Ach Tessa“, sagte Jess und wurde plötzlich ernst. „Dass du da bist, das ist nicht der Himmel. Das ist das Paradies.“



    Und vorsichtig beugte er sich zu ihr und küsste sie sanft, dann immer leidenschaftlicher und inniger, bis sie schließlich beide in die Kissen sanken und sich festhielten und küssten, bis es ihnen fast den Atem raubte.



    Kaum jemand von beiden bemerkte dabei, wie sie langsam und sanft ihre Kleider abstreiften, bis sie nur noch in ihrer Unterwäsche nebeneinander lagen.
    Sanft streichelte Jess über Tessas Bauch und küsste sanft ihren Nabel, dann wanderte er wieder nach oben, bis er ihre Lippen fand.
    „Du riechst so gut“, flüsterte er.
    „Und du erst“, gab diese zurück, und ihr wurde bewusst, dass die stimmte. Obwohl sie es nie so empfunden hatte, als ob Jess unangenehm rieche, so war es doch oft so gewesen. Nun roch er nach sich selbst… nach Haut, nach Duschgel und nach … Jess eben.



    Sanft strich er ihr das Haar aus dem Gesicht und drückte sie an sich. Dann sah er sie lange an und sagte dann leise: „Wir müssen es nicht tun, Tessa… wenn es dir zu früh ist, dann…“
    „Nein“, flüsterte diese und sah ihn bewegt an. „Nein… es ist nicht zu früh… es hat so lange gedauert… ich will es…“



    Und während draußen die Nacht hereinbrach, sanken beide erneut in die Kissen und vergassen für einen Moment alles, was geschehen war und was noch auf sie wartete… und für eine Nacht waren sie nicht mehr als ein Mann und eine Frau, die sich über alles liebten… und sich nahe waren.


    Fortsetzung folgt.

  • hach....*dahinschmelz*
    das ganze ist dermaßen romantisch...*zu einer pfütze geschmolzen ist*
    Eine kleinigkeit hab ich zu bemängeln:
    In einem Foto wirkt es so als würde Tessas Kopf in dem von Jess verschwinden....ein etwas unglücklicher winkel!
    bitte nicht hauen!
    Ansonsten waren die fotos und der text wie imma großartig
    LG
    Luxa

    [SIZE=1]Da ist ein Ort, wo der Bürgersteig endet[/SIZE]
    [SIZE=1]Und bevor die Straße beginnt[/SIZE]
    [SIZE=1]Und dort wächst das Gras, das weiche weiße[/SIZE]
    [SIZE=1]Und dort brennt die Sonne, die purpurrot heiße[/SIZE]
    [SIZE=1]Und der Mondvogel schläft dort nach langer Reise[/SIZE]
    [SIZE=1]Im kühlen Pfefferminzwind[/SIZE]

  • Sehr schöne Fortsetzung!
    Das Jess endlich mal "kleinbei" gegeben hat in Sachen Klamottenkauf war auch bitter nötig! Klar kann ich mir vorstellen, dass es für ihn eine große Überwindung war und Stolz ist wichtig, gar keine Frage!, aber Stolz an der falschen Stelle muss auch nicht sein! :applaus


    Nun haben Jess und Tessa also ihr erstes Mal gehabt und ich gebe ehrlich zu, mir ist die ganze Zeit im Kopf rumgeschwirrt, dass Jess vielleicht Aids haben könnte! Ich bezweifel, dass er für sein Heroin immer das Geld hatte frische Nadeln etc zu kaufen! Haben die 2 eigendlich jemals daran gedacht solch einen Test machen zu lassen? Kondome schön und gut, aber es heißt nicht, dass deswegen nichts passieren kann!!!! (Schwangerschaft jetzt mal ausgeschlossen)


    Ich hoffe, sie muss jetzt nicht mit weitreichenden Konsequenzen rechnen und ich gönne ihr ja ihr Glück... nur stimmt mich die ganze Sache doch sehr nachdenklich......


    Freu mich auf den nächsten Teil!

    [CENTER][COLOR="White"]Bussi @all Kiara :wink
    ***************[/CENTER][/COLOR]




    [CENTER][SIZE="1"][COLOR="Sienna"]P.S. Für Rehctshcbriefleher wird kiene Hatufng übrnemoemn! *g*[/COLOR][/SIZE][/CENTER]

  • Hallö Innad, :)


    Hach, was für eine schöne Fortsetzung. Endlich ist Jess aus dem Krankenhaus raus und stabil genug für die Entziehung. Sechs Wochen ist ja eine lange Zeit und ich kann mir vorstellen, dass er schon darauf brennt endlich mit den Drogen abzuschließen, auch wenn er bestimmt auch Angst vor der Entziehung hat. Auf jeden Fall ist es endlich ein Anfang. :)


    Das Tessa darauf besteht, dass Jess wenigstens ein paar vernünftige Kleidungsstücke hat, kann ich gut nachvollziehen. Jess muss einfach auch seinen Stolz runterschlucken und sich helfen lassen. Klar es ist nie schön, wenn man so auf die Hilfe von anderen angewiesen ist, aber im Normalfall gibt man doch immer etwas von der Hilfe zurück und jeder braucht mal Hilfe. Das ist es doch, was Freundschaft und auch Liebe ausmacht: jeder gibt und kriegt dafür auch etwas zurück. Ob es nun materielle Hilfe oder seelische Hilfe ist, sollte doch keine Rolle spielen. Ich bin froh, dass Tessa ihn überreden konnte, ihre Hilfe endlich anzunehmen.


    Und sie hat recht: Jess sieht ganz anders aus, so rasiert und in heilen Klamotten. Schon fast wie ein anderer Mensch, obwohl es ja nur die Äußerlichkeiten sind, die sich verbessert haben.
    Ich freu mich für die Beiden, dass nach dem ganzen Trouble in den letzten Wochen/Monaten sie endlich die Möglichkeit hatten, sich auch Körperlich näher zu kommen. Wer weiß schon, was noch auf sie wartet und diese Nacht ist ihnen wirklich gegönnt. :)


    Ich bin jetzt aber gespannt, wie es weitergeht mit dem Entzug und die Zeit des Wartens für Tessa. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie während des Entzugs so viel Kontakt zu Jess haben wird. :kopfkratz
    Ganz liebe Grüße
    Llyn

    You are never more alive than when you're about to lose your pants!



    FS: Sunrise Update: 04.06.19

  • Luxa: Hihi, ich hau Dich doch nicht, bin ein friedfertiger Mensch :) Ja, das stimmt mit dem Foto, aber das sieht bei den Sims irgendwie immer so aus und mich hats auch nicht so gestört, aber recht hast Du :) Schön, dass Du das Kapitel so romantisch fandest :)



    Kiara: Hihi, Du bist eine alte Skeptikerin und normal lass ich die thesen ja gerne erstmal stehen, aber ich kann hier direkt entkräften. Jess war ja nun lange Zeit im Krankenhaus und natürlich war ein AIDS Test da Standard, darum ist es sicher, dass er kein AIDS hat. Ich glaube, es war aber vorher auch schonmal irgendwann die Rede davon und Jess gab an, sich immer mal wieder testen zu lassen.
    Also von daher droht keine Gefahr... aber was anderes, das Du angesprochen hast, schwebt schon noch m Raum ;)
    Danke für Deinen KOmmi!




    Llynya: Was Du ansprichst, bzgl des Entzugs, ist ein ganz wichtiger Punkt, ja. Aber heute wirst Du da schon mehr erfahren!
    Und Ja, ich finde auch, er sieht ganz anders aus nach dem Umstylen!
    Danke für Deinen Kommi!

  • Kapitel 69
    Villa Sonnenschein


    „Findest du diesen Namen nicht irgendwie lächerlich?“, fragte Jess nachdenklich, als er die Autotür zuschlug und gemeinsam mit Tessa den Gehweh in Richtung des großen, mit groben weißen Steinen verklinkerten Gebäudes zuging.
    „Ich meine… es hört sich fast an wie aus Pippi Langstrumpf. So klischeehaft. Fast schon anbiedernd. Vor allem, wenn man weiß, was einen dort erwartet…“, sprach er missmutig weiter. „Welcher Idiot sucht dann so einen Namen aus?“
    Tessa lächelte leicht und zuckte die Schultern. „Ich find ihn nicht so schlimm. Sieh es doch als ein gutes Omen, so wie ich. Wie hätte die Klinik denn sonst heißen sollen? Vielleicht Haus Schwarzseher, mh?“
    Sie blieb stehen und drehte sich lächelnd zu Jess um.


    Auch dieser musste ein wenig grinsen. „Ja… ja, ist ja gut, du hast recht, ich sollte optimistischer an die Sache herangehen. Und eigentlich ist es ja ganz egal, wie diese Klinik auch immer heißen mag, wenn sie nur gut ist.“
    „So ist es.“
    Tessa ging einige Schritte weiter und blieb dann vor dem Eingang zum Gelände stehen. Sie und Jess blickten beeindruckt um sich. Das Gebäude wirkte mit seinen weißen groben Steinen freundlich und doch ein wenig einschüchternd. Die Fenster waren mit fast anheimelnd anmutetenden Fensterläden versehen und die davorhängenden Balkonkästen mit ersten Frühlingsblumen bepflanzt, was den einschüchternden Eindruck des Gebäudes wieder ausglich. Ein riesiger, freundlicher Garten umgab das große, helle Haus und wenngleich er noch nicht von den vorsichtigen Sonnenstrahlen einer noch recht schwachen Frühlingssonne wach geküsst worden war, konnte man sich vorstellen, dass es hier im Sommer herrlich aussehen musste.


    Sogar einen Pool gab es in einer hinteren Ecke, vor dem eine Reihe Liegestühle aus hellem Holz standen.
    „Das sieht doch gut aus“, stellte Tessa fest und warf Jess einen Seitenblick zu. „Oder etwa nicht?“
    „Ich kann gar nicht recht glauben, dass es das hier wirklich sein soll“, erwiderte Jess verblüfft. „Es wirkt eher wie ein Sanatorium für reiche Leute denn als eine Entzugsklinik für Junkies wie mich…“
    „Jess!“, rief Tessa empört aus. „Ich hasse dieses Wort!“
    „Nun ja, es ist eben so“, erwiderte dieser und musterte das Gebäude wieder erstaunt. „Das hier ist echt völlig anders als all die anderen Kliniken, Tessa. Das waren meist nur irgendwelche Abteilungen in psychiatrischen Einrichtungen, lieblos und kalt, mit ein paar demotivierten Ärzten und Psychologen darin. Das hier sieht völlig anders aus. Und du bist dir sicher, dass ich das bezahlt bekomme?“
    Tessa erwiderte: „Ja, auch wenn ich selbst erstaunt bin, aber es ist so.“


    Jess ging einige Schritte den Weg entlang und blickte sich im Garten um.
    „Ist das hier nicht eine herrliche Luft?“, bemerkte Tessa und schnupperte in die eben jene. Um sie herum war zum Großteil nur hügeliges Waldgebiet. Das Therapiezentrum „Sonnenschein“ befand sich etwa fünfzig Kilometer von der Stadt entfernt, in einem kleinen Ort, in dem vermutlich Hase und Fuchs einander Gute Nacht sagten. Einen Moment überlegte Tessa sich, was für einen Aufschrei es wohl unter den Dorfbewohnern gegeben haben mochte, als irgendjemand auf die Idee kam, hier eine derartige Einrichtung zu eröffnen. Für einen Augenblick bereitete ihr der Gedanke, die Patienten könnten hier eventuell von der dörflichen Verachtung gestraft werden, Bauchschmerzen, doch dann schob sie diese Gedanken beiseite. Mit Sicherheit waren dies Problematiken, die von den Leitern der Einrichtung schon längst gelöst worden waren, um den Hilfesuchenden nicht noch mehr zuzumuten als ohnehin schon nötig war.
    „Lass uns reingehen“, sagte sie zu Jess. Dieser nickte zuerst noch etwas zögerlich, ging dann aber schnellen Schrittes auf die Tür zu und öffnete sie langsam.
    Beide sahen sich in dem Vorraum, in den sie nun getreten waren, um. Er war liebevoll und gemütlich eingerichtet und lud zum Verweilen ein, so dass man für eine Sekunde vergessen konnte, in welcher Art von Einrichtung man sich hier eigentlich befand.


    Große Fenster boten einen Ausblick in den noch recht kahlen, aber doch schon reizvollen Garten, den man von einer gemütlichen Sitzgruppe aus Rattansesseln beobachten konnte.
    Mehrere große Bögen gewährten Einblick in eine rustikal und gemütlich eingerichtete und sehr große Küche. Doch bevor Tessa und Jess sich weiter umschauen konnte, tauchte die Gestalt einer kurzhaarigen Frau, die in Arztkleidung gehüllt war, an der Treppe auf und lächelte beide freundlich an.
    „Herr Berger, nehme ich an?“, fragte sie und schüttelte erst Jess und dann Tessa die Hand.
    Dann wand sie sich wieder Jess zu und sagte freundlich: „Herzlich Willkommen in der Villa Sonnenschein!“
    Tessa grinste, als sie sah, wie Jess sich ein Lachen verkneifen musste, weil er diesen Namen offenbar immer noch völlig lächerlich fand. Doch Jess wurde schnell wieder ernst, als die Ärztin weitersprach: „Ich bin Doktor Habsburg, ich betreue Sie in den nächsten Tagen und während des kalten Entzugs. Erst einmal möchte ich Ihnen meinen Glückwunsch aussprechen, dass Sie diesen Schritt wagen, Herr Berger. Dazu gehört viel Mut und Charakterstärke und ich werde alles tun, um Sie diesen Weg so unbeschadet und erfolgreich wie möglich hinter sich bringen zu lassen.“



    Jess lächelte verunsichert. „Danke, das ist nett von Ihnen“, sagte er langsam. „So herzlich hat man mich bisher in noch keiner Einrichtung begrüßt.“
    „Gut, dass Sie das ansprechen“, erwiderte Doktor Habsburg. „Ich habe mir schon Ihre Akten, die uns das Krankenhaus geschickt hat, durchgesehen. Sie haben bereits drei Entzugsversuche hinter sich?“
    Jess nickte betreten. „Ja, einer erfolgloser als der andere.“
    Doktor Habsburg lächelte traurig. „Ja, das ist keine Seltenheit. Allerdings, vielleicht wird Sie das aufmuntern, weist unser Haus eine sehr gute Erfolgsstatistik auf. Wir unterscheiden uns ein wenig im Therapieansatz von den meisten anderen Einrichtungen“, erklärte sie. „Wir sind der Meinung, dass eine solche Heilung – und nichts anderes ist es – viel, viel Zeit und Aufmerksamkeit braucht. Sie haben von daher wirklich Glück gehabt, einen Platz auf der Warteliste ergattert zu haben, und das haben Sie auch nur den guten Verbindungen Ihrer Ärztin zu verdanken.“ Sie zwinkerte, wurde dann aber wieder ernst. „Da wir auf die Zeit und deren Wirkung setzen, halten wir nichts davon, Sie direkt nach dem Entzug wieder ins Leben zu schicken, denn wir sind davon überzeugt, dass dies in den allermeisten Fällen zum Scheitern verurteilt ist. Sie müssen erst erkennen, was genau Sie zur Sucht geführt hat und wo überall Sie Ihnen auch später immer wieder auflauern wird. Darum ist unser Programm auch so ausgelegt, dass Sie in der Regel ein halbes Jahr hierbleiben werden.“
    Jess schluckte und starrte die Ärztin verdattert an. „Ein… ein halbes Jahr?“, stammelte er. „Die anderen Entzüge haben meist nur drei oder vier Wochen gedauert…“


    „Nun… genau hier ist der springende Punkt“, erwiderte die Ärztin freundlich. „Natürlich werden wir Sie nicht dazu zwingen… es ist nur eine Empfehlung. Manchmal geht es schneller, manchmal nicht…“
    „Nein – nein, das ist schon in Ordnung“, sagte Jess rasch und warf Tessa einen Blick zu, die sich ein Lächeln abrang, auch wenn sie ob der Tatsache, dass dies hier so lange dauern würde, ebenso überrumpelt aussah.
    „Ich tu alles, um wieder gesund zu werden und… dann ein normales Leben mit meiner Freundin zu führen“, sagte Jess und lächelte Tessa liebevoll an, was diese erwiderte.
    Die Ärztin drehte sich nun zu Tessa um und lächelte ebenfalls. „Es ist immer gut, jemanden zu haben, der einen unterstützt und auf einen wartet“, sagte sie dann und ging auf Tessa zu. „Sie sind Frau Bergers Freundin? Frau Wagner, richtig?“
    „Ja“, antwortete Tessa. „Und ich bin wirklich froh, dass Jess hier bei Ihnen untergekommen ist.“


    Die Ärztin lächelte wieder und sagte dann: „Frau Wagner, Sie wissen, dass Ihr Freund während der ersten vier Wochen keinen Kontakt mit Ihnen haben wird?“
    Tessa schluckte. Etwas in der Art hatte man im Krankenhaus schon angedeutet.
    „Nun… ich hab es mir gedacht“, erwiderte sie und versuchte, den Kloß im Hals krampfhaft wegzuschlucken. „Aber ich dachte, es handle sich nur um die Zeit des kalten Entzugs… also vierzehn Tage in etwa…“
    Die Ärztin schüttelte den Kopf. „Auch hier haben wir eine andere Meinung. Jede Störung von außerhalb sollte in den ersten vier bis fünf Wochen vermieden werden, damit Herr Berger sich auf sich konzentrieren kann. Abgesehen davon ist es oft ohnehin schwer, in dieser Zeit soziale Kontakte zu pflegen, weil der Körper und vor allem die Psyche noch zu sehr unter den Entzugserscheinungen leiden…“
    Tessa nickte langsam und dachte mit Grauen an die Zeit des kalten Entzugs im Vorjahr zurück und auch daran, dass die Rückfälle selbst noch nach Tagen auftraten.
    Jess lächelte ihr zu, als wolle er ihr sagen: „Das schaffen wir schon.“
    „Wie wäre es, wenn ich Ihnen beiden erst einmal alles hier zeige“, versuche die Ärztin die Stimmung aufzulockern. „Folgen Sie mir doch bitte.“


    Tessa warf Jess einen Blick zu und er kam rasch zu ihr und drückte ihre Hand, dann folgten sie der Ärztin durch den Vorraum in die helle Küche.
    „Das ist, wie unschwer zu erkennen, unsere Küche und der Speisesaal“, erklärte Doktor Habsburg freundlich. „Unsere Patienten kochen sich so oft es geht selbst etwas, wir essen dann in der Gruppe, das ist Bestandteil des Therapieprogramms, aber auch einfach praktischer so.“



    *geht noch weiter*

  • Sie zwinkerte und fügte dann ernster hinzu:. „Aber wir haben natürlich auch eine Köchin, die für diejenigen kocht, denen es nicht gut genug geht, um herunter zu kommen.“



    Sie durchschritten die große Küche mit den robusten Möbeln und die Ärztin zeigte auf den angrenzenden Raum, der gemütlich mit einigen Bücherregalen, Couchs, Sesseln, einem Fernseher und Schachbrett bestückt war, an dem gerade eine Frau im Rock und Pulli saß und über den Figuren brütete.
    „Hier ist der Aufenthaltsraum“, erklärte die Ärztin.



    Sie verließen den Raum erneut, die Ärztin beschrieb ihnen kurz den Garten, dann folgten sie ihr in die oberen Stockwerke, in denen es noch einige Räume für Therapiestunden, zwei Arztzimmer mit allen nötigen medizinischen Einrichtungen, einen Fitnessraum, einen Kunstraum und eine hübsche kleine Bibliothek gab. Danach brachte Doktor Habsburg Jess und Tessa zurück in den ersten Stock, wo sie in der Mitte eines Gangs stehen blieb und eine der Türen mit den Worten „Hier befindet sich Ihr Zimmer, Herr Berger!“ öffnete.
    Tessa folgte Jess und der Ärztin in den überraschend großen, freundlich und recht gemütlich eingerichteten Raum.
    „So, Herr Berger, nun haben Sie ja alles gesehen“, sagte die Ärztin. „Ich werde sie beiden nun allein lassen, damit Sie sich verabschieden können. In einer halben Stunde wird Ihr Therapieprogramm mit dem Aufnahmegespräch in Arztzimmer zwei beginnen. Das Ersatzmittel auf dem Sie zurzeit gehalten werden, wird sofort abgesetzt. Sie werden damit rechnen müssen, dass die ersten Entzugserscheinungen schon während der Nacht oder spätestens morgen einsetzen dürften. Nach vier oder fünf Wochen können Sie sich dann telefonisch bei Frau Wagner melden.“
    Sie ging einige Schritte zur Tür und drehte sich dann noch einmal um.



    „Frau Wagner, wenn irgendetwas Wichtiges passieren sollte, können Sie uns natürlich jederzeit kontaktieren.“ Sie lächelte noch einmal. „Auf Wiedersehen, Frau Wagner. Und Herr Berger, Sie sehe ich ja gleich im Arztzimmer.“
    Die beiden nickten ihr zu, sie drehte sich um und ging zur Tür hinaus.
    Tessa und Jess blickten sich einen Moment unsicher an und versuchten dann beide, schwach zu lächeln.
    „Tja…“, sagte Tessa gedehnt und Jess erwiderte: „Ja…“



    Tessa holte tief Luft und sah sich dann noch einmal im Zimmer um. „Ist doch ganz nett hier, oder? Da hinten hast du sogar ein kleines Badezimmer für dich.“
    „Ja, es ist regelrecht luxuriös“, erwiderte Jess ohne eine Spur von Sarkasmus. „Wenn ich an die anderen Einrichtungen denke, da hatte man manchmal nur ein Bett im Viererzimmer…“
    „Anscheinend hat diese Klinik nicht umsonst ihren guten Ruf“, gab Tessa zögernd zurück.
    „Ja, es ist zu hoffen.“ Jess blickte sie nervös an.
    Tessa schluckte schwer und sprach weiter, als wolle sie den unvermeidlichen Moment des Abschieds noch zur Seite schieben. „Es ist bestimmt gut für dich, wenn du dich hier ein bisschen zurück ziehen kannst, wenn dir alles zu viel wird…“
    „Ja… sicher…“
    Tessa verschränkte die Arme und lächelte gequält. „Ach komm, Jess… mach nicht ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter…“



    „Das mach ich doch gar nicht“, verteidigte dieser sich. „Ich… ich mach mir nur Sorgen um dich.“
    „Um mich?“, fragte Tessa erstaunt. „Wieso denn?“
    „Ich hab doch gesehen, wie geschockt du warst, als die Ärztin von vier bis fünf Wochen sprach. Du hast mit einer kürzeren Zeit gerechnet, nicht wahr?“
    „Du etwa nicht?“
    „Doch…“, gab Jess zu. „Aber offen gestanden halte ich diese Einstellung für sinnvoll. Tessa, ich werde in den nächsten Tagen und Wochen nicht ich selbst sein… und… ja, vielleicht würde ich dich nur verletzen oder entmutigen, wenn wir dann Kontakt hätten… ich denke, es ist vielleicht besser so. Auf der anderen Seite habe ich ein schlechtes Gewissen dir gegenüber…“
    „Wieso denn?“, erwiderte Tessa verwirrt.
    „Nun… du warst so lange alleine und nun lass ich dich schon wieder alleine. Ich würde so gerne auch einmal für dich da sein können… und dir nicht immer nur Leid und Schmerz zufügen, so wie ich es jetzt wieder durch diese lange Abwesenheit tun werde.“



    Tessa schüttelte den Kopf und ging einige Schritte durchs Zimmer. Ihre Absätze klapperten dumpf auf dem robusten Holzboden.
    „Das ist Unsinn“, sagte sie dann schnell. „Wir haben beide gewusst, dass diese Phase jetzt noch einmal sehr schwer wird. Für dich viel mehr als für mich. Erst wenn das alles hier vorbei ist, können wir unser gemeinsames Leben anfangen… in der Form, in der wir es uns wünschen zumindest. Du brauchst kein schlechtes Gewissen haben. Ich komme klar. Aber was mit dir?“
    Jess seufzte. „Ach, Tessa, genau das meine ich doch. Du denkst nie an dich. Ich komme auch klar. Ich bin hier in den besten Händen. Und ja, ich habe Angst vor dem, was auf mich zukommen wird. Aber ich muss da alleine durch, und ich werde es schaffen – diesmal schaffe ich es sicher“, sagte er entschlossen und sah Tessa dann liebevoll an. „Aber was ist mit dir? Ich wünschte, du hättest nie gesehen, wie es mir bei einem Entzug geht. Du wirst zu Haus sitzen und ständig daran denken, was ich hier durchmache. Du wirst mich nicht kontaktieren können, nicht fragen, wie es mir geht. Du wirst Angst haben, dass etwas schief geht.“
    „Ach…“, wollte Tessa beginnen, doch Jess unterbrach sie: „Ich kenne dich, Tessa. Ich mache mir Sorgen um dich, darum wie du diese Zeit überstehst. Du bist so sensibel und mitfühlend. Du wirst leiden, und das tut mir weh.“
    Tessa schluckte und schwieg. Wieder einmal hatte Jess ihr bis in die tiefsten Tiefen ihrer Seele geschaut.



    „So schlimm wird es schon nicht werden“, erwiderte sie dann unsicher. „Es geht nicht um mich, Jess, sondern um dich und…“
    „Nein, Tessa“, unterbrach Jess sie abermals. „Es geht nicht immer nur im mich. Du bist auch wichtig, verstehst du. Für mich.“
    Tessa schluckte wieder gerührt.
    Jess sah sie ernst an: „Versprich mir, dass du dir nicht zu viele Gedanken machst. Wenn irgendetwas schief gehen sollte, wird man dich anrufen. Und wenn du nichts hörst, ist alles in Ordnung. Das musst du dir immer klar machen, hörst du? Bitte mach es dir nicht schwerer als es sein muss, ja? Pass auf dich auf, geh mit deinen Freunden aus, hab Spaß, soweit du kannst. Du musst nicht die ganze Zeit zu Haus sitzen, nur weil ich hier bin. Ich möchte, dass du dein Leben genauso weiterlebst wie vorher.“
    Tessa seufzte und fragte sich insgeheim, wie er sich das vorstellte, doch sie sah, wie ernst es ihm war und nickte dann.
    Jess lächelte. „Gut. Das ist gut.“



    Tessa warf einen raschen Blick zur Uhr.
    „Es wird Zeit“, stellte sie dann fest. „Du musst schon in knapp zehn Minuten bei der Ärztin sein. Wir sollten… wir sollten es jetzt hinter uns bringen.“



    *geht noch weiter*

  • Jess nickte. „Ja, du hast vermutlich recht.“
    Einen Moment standen sie unsicher voreinander, dann zog er sie in die Arme und drückte sie an sich. „Vergiss nicht, was du mir versprochen hast“, sagte er leise. „Ich verlasse mich auf dich.“



    Tessa nickte. „Ja, okay… ich tu mein bestes.“
    Sie ließ ihn los und versuchte sich ein Lächeln abzuringen. „Aber du… du musst auch gut achtgeben, ja? Sei stark.“
    Jess nickte. Tessa zog sein Gesicht lächelnd noch einmal heran, um ihn zu küssen.
    „Ich bin mir sicher, dass du es schaffst“, sagte sie dabei.



    Sie küsste ihn noch einmal kurz, dann wandte sie sich ab und sagte: „Ich gehe jetzt. Bis… in ein paar Wochen.“
    Jess wollte noch etwas sagen, doch Tessa spürte, wie ihre innere Stärke langsam dahin schmolz, als ob es sich um einen Eisklotz in der prallen Sonne handele.
    „Ich muss los“, sagte sie darum recht harsch, drehte sich um und ging zur Tür. Im Rahmen blieb sie noch einmal einen Moment stehen und kämpfte gegen den dringenden Wunsch an, sich noch einmal umzudrehen. Dann jedoch ging sie schnellen Schrittes aus der Tür.



    Ihre Füßen trugen sie schneller als gewollte, sie rannte schon fast den Gang entlang, die Treppe hinunter und zur Tür hinaus. Erst als sie die frische und kühle Luft des Gartens umgab, blieb sie stehen. So schnell sie sich eben hatte von diesem Ort entfernen wollten, so wenig schien sie nun endgültig dazu in der Lage zu sein.
    Ihr Atem ging schwer und sie schaute sich wie hilfesuchend im Garten um.
    „Wir haben das doch beide gewusst“, flüsterte sie verzweifelt. „Wieso tut es nur so sch-ei-sse weh?“



    Eine Frau ging langsam an ihr vorbei und warf ihr einen fragenden Blick zu, doch Tessa wandte sich ab und schauderte zusammen. Es war nicht kälter geworden als zuvor, doch nun fror sie. Sie wusste genau, dass sie hätte gehen sollen. Es brachte nichts, weiterhin hier herumzustehen wie angewurzelt. Je schneller sie verschwand, desto einfach würde es werden…oder? Sie ging mühsam einige Schritte und blieb am Eingang zum Garten noch einmal stehen. Noch konnte sie sich nicht recht überwinden, endgültig zu gehen. Es schien etwas so endgültiges zu haben.
    Sie schluckte hart gegen die Tränen an, die in ihr aufstiegen, was jedoch recht erfolglos zu sein schien. Schon rann ihr ein kleiner salziger Bach über die rechte Wange, den sie missmutig mit dem Handrücken wegwischte.
    „Tessa?“
    Erschrocken fuhr die Angesprochene herum.



    „Jess“, stammelte sie und fühlte sich seltsam ertappt und gleichzeitig froh, ihn hier vor sich stehen zu sehen. „Was…was machst du hier? Du … solltest du nicht bei der Ärztin sein?“
    „Doch, gleich jedenfalls. Aber ich konnte dich nicht so hier stehenlassen.“
    „Ich... ich wollte nur…“
    „Ich hab dich vom Fenster aus gesehen“, erklärte Jess und lächelte leicht.
    Tessa schluckte. „Entschuldige…“, flüsterte sie und schauderte erneut zusammen. „Ich wollte dir keinen Ärger machen. Du solltest wieder hineingehen… die Ärztin wartet und…“
    „Schhhh“, sagte Jess sanft und griff nach ihren Händen. „Mein Gott, du zitterst ja. Ist dir kalt?“
    Tessa zuckte mit den Schultern. „Vermutlich…“



    „Hör zu“, sagte Jess sanft. „Du musst nicht immer stark sein, okay? Es ist in Ordnung, wenn du weinst oder wenn du mir zeigst, dass es dir nicht gut geht.“
    „Aber… du hast genug mit dir selbst zu tun“, sagte Tessa leise.
    „Tessa… gestern hast du mir lange erklärt, dass ich bereit sein muss, Hilfe anzunehmen. Das gilt für dich aber genauso. Das alles kann nur funktionieren, wenn wir uns nicht mehr verstellen. Ich kenne dich, Tessa, ich weiß, dass du nicht immer stark sein kannst und wie sehr dich das mitnimmt. Und das ist okay so.“
    Er lächelte sie aufmunternd an. „Also… spiel nicht immer die Heldin, Tessa. Du brauchst das nicht… nicht für mich, nicht für dich, nicht für sonst wen. Okay?“
    Tessa rang sich ein Lächeln ab und starrte verlegen auf ihre Schuhspitzen.
    „Ja, Herr Psychologe“, presste sie dann hervor. „Du hast ja recht…“



    „Na also, das gefällt mir schon viel besser“, erwiderte Jess und lächelte sie noch einmal an. „He, Kleines, komm, es sind nur fünf Wochen, es ist nicht die Welt. Das wird schneller vergehen als du denkst.“
    Tessa nickte langsam und sagte dann: „Du musst gehen, Jess…“
    „Tessa“, mahnte dieser. „Was hab ich gesagt? Nicht stark sein … ich schaff das schon. Jetzt bist du mir erstmal wichtig. Bevor ich dir nicht noch etwas wichtiges gesagt habe, kann ich nicht gehen.“
    „Und was wäre das?“
    Jess lächelte und griff nach ihrer Hand. „Was wohl, Dummerchen? Ich wollte dir noch sagen, dass ich dich liebe.“
    Tessa lächelte Jess gerührt an. „Und ich liebe dich.“



    Jess seufzte zufrieden und strich ihr über die Wange.
    „Gut, jetzt kann ich gehen“, sagte er dann langsam. „Pass gut auf dich auf, Tessa, ja?“




    *geht noch weiter*

  • Tessa nickte. „Klar doch. Und du auf dich.“
    „Selbstredend.“
    Er zwinkerte und sah sie dann wieder ernster an, zog sie an sich heran und küsste sie noch einmal.



    „Und nun muss ich los“, sagte er und zwinkerte. „Sonst krieg ich direkt am ersten Tag einen Eintrag ins Klassenbuch oder so.“
    Tessa musste gegen ihren Willen lachen. „Das kann gut passieren“, sagte sie dann und löste sich langsam aus seiner Umarmung. „Also solltest du dich…“
    „…lieber sputen, ich weiß“, vervollständigte dieser ihren Satz. „Ich geh auch schon. Bis in vier Wochen, Tessa.“



    Er drückte ihr noch einen schnellen Kuss auf den Mund und sagte dann: „Und du solltest jetzt auch gehen, bevor du dich noch erkältest, ja?“
    Tessa nickte.
    „Gehst du jetzt auch wirklich? Ich will dich nicht heute Abend hier halb erfroren finden.“
    Tessa grinste schief. „Nein, ich gehe. Versprochen.“
    Jess lächelte nocheinmal, winkte ihr zu und ging schnellen Schrittes zurück ins Haus.
    Tessa seufzte und blickte noch einmal am Gebäude hinauf, aber jetzt fühlte sie sich auf seltsame Weise leichter als zuvor. Sie wandte den Blick ab, drehte sich um und ging ohne noch einmal zurück zu schauen zurück zum Auto, startete den Motor und ließ die Villa Sonnenschein und das kleine verschlafene Örtchen hinter sich











    Fortsetzung folgt.

  • Ich hab Gänsehaut!! Einfach eine wunderschöne Fortsetzung mit soviel Emotion und Gefühl! Diese gefällt mir sogar noch besser, als die vorangegange, die so voller Zärtlichkeit war!


    Jetzt beginnt für beide eine harte Zeit! Für Jess der kalte Entzug, abgeschnitten von der Außenwelt und von der Frau, die er liebt und für Tessa, die nicht weis, was geschehen wird, wie es Jess ergehen wird und die die Ungewissheit plagen wird, bis in 4-5 Wochen der ersehnte Anruf von Jess kommen wird, dass er alles überstanden hat! Das wird eine sehr harte Zeit!


    Optisch ist dir die Entzugsklinik super klasse gelungen! Allein der Garten und das Foyer hat mir sehr gut gefallen! Richtig gemütlich und irgendwie einladend! Ich hoffe, dass Jess sich nach dem kalten Entzug dort ein wenig wohlfühlen kann, vorher wird er sicherlich keinen Gedanken hieran verschwenden und es wird ihm auch alles egal sein, alles außer er selbst!


    Die Ärtzin machte einen sehr sympatischen Eindruck auf mich, ich denke, dass er dort in guten Händen ist! Aber wer weis, wie hart oder rigoros (schreibt man das so??) sie sein wird, wenn Jess erstmal so "eklig" wieder wird, aufgrund des Entzuges?!?


    Ich bin gespannt, ob wir am Entzug diesmal wieder teilhaben dürfen, oder aber wir auch "4-5 Wochen" nichts von ihm hören werden und Tessa in dieser Zeit ausschließlich begleiten werden...


    Ich freu mich schon jetzt auf die nächste Fortsetzung!!

    [CENTER][COLOR="White"]Bussi @all Kiara :wink
    ***************[/CENTER][/COLOR]




    [CENTER][SIZE="1"][COLOR="Sienna"]P.S. Für Rehctshcbriefleher wird kiene Hatufng übrnemoemn! *g*[/COLOR][/SIZE][/CENTER]

  • Kiara: Ja, mir hat diese FS auch gut gefallen, weil sie irgendwie gut beschreibt, was zwischen Jess und Tessa doch immer noch ist...
    Du hast völlig recht, wenn Du schreibst, dass nun harte Zeiten auf beide zukommen. Und es ist ja auch nicht klar, ob das alles dann auch wirklich gut ausgeht. Natürlich hoffen beide das beste, aber es ist schon dreimal schiefgegangen...
    Die Klinik gefällt mir auch ganz gut :) Danke für Deinen lieben Kommi!!!




    @ALL:
    Huii, heute geht das Kommi Beantworten aber schnell :) Ihr liegt wohl alle draußen und genießt das herrliche Sommer-Wetter? :)
    Naja, ich war jedenfalls fleißig und habe hier eine recht lange FS für euch! Ich hoffe, ihr habt etwas Sitzfleisch *lach*