[Fotostory] Tiefer als der Schmerz

  • Kapitel 64
    Bittere Erkenntnis



    Tessa atmete tief durch, steckte den Schlüssel ins Schlüsselloch und öffnete langsam die Haustüre. „Ich bin´s!“, rief sie in den leeren Flur hinein.
    „Wir sind im Wohnzimmer“, tönte es aus eben jenem Raum gedämpft zu ihr hinaus.
    Tessa schluckte, steckte den Schlüssel in ihre Jackentasche, schälte sich aus Jacke und Schal und blieb dann einen Moment reglos vor der Wohnzimmertür stehen.


    Ihr Herz klopfte hart gegen ihre Brust und ihre Hände waren so kalt, dass es fast schmerzte. Doch sie wusste, dass es jetzt kein Zurück mehr gab – was getan werden musste, musste nun einmal einfach getan werden.
    Darum straffte sie die Schultern, strich sich eine widerspenstige Strähne aus dem Gesicht, die sich aus ihren aufgedrehten Haaren gelöst hatte und drückte dann die Klinke der Tür hinunter.
    Im Wohnzimmer war es warm und eigentlich gemütlich.
    Vorigen Frühling hatte ihre Mutter wieder einmal einen „Alles-neu-macht-der-Mai“-Rappel, wie ihr Vater dies immer belustigt zu nennen pflegte, bekommen und das komplette Wohnzimmer mit neuen Möbeln bestückt. „Die alten waren immerhin schon fünf Jahre alt“, hatte sie dabei ernst bemerkt.
    Tessa sah sich im Zimmer um. Noch erschien es ihr fremd – kein Wunder, sie war zu selten hier, höchstens zwei- oder dreimal im Monat. Die alten Möbel hatten sie durch ihre Jugend begleitet, auf ihnen hatte sie zusammen mit ihrer Clique herumgelungert, wenn sie einmal wieder die sturmfreie Bude genutzt hatten. Aber nun fühlte sie sich fast fremd. Der Gedanke, noch vor anderthalb Jahren hier gewohnt zu haben, erschien ihr heute fast absurd.
    Ihre Mutter saß auf der Couch und war in ein Buch vertieft, ihr Vater saß auf der Couch daneben und hatte sich seine obligatorische Zeitung vorgenommen.
    Beide sahen nur kurz auf, als Tessa eintrat.


    Tessa blieb einen Moment unschlüssig vor der Couch stehen, bis ihre Mutter von ihrem Buch aufsah, lächelte und entschuldigend sagte: „Ich will nur schnell diese Seite zu Ende lesen, Tessa. Wie schön, dass Du uns besuchen kommst, ich dachte, du hättest heute etwas vor, weil du am Mittwoch noch gesagt hast, du kannst heute nicht zum Essen kommen. Wieso setzt du dich nicht?“
    Tessas Mutter versenkte den Blick wieder in ihrem Buch.



    Unschlüssig setzte Tessa sich neben ihre Mutter, während ihr Vater seine Zeitung mit Sorgfalt und Bedacht zusammenfaltete und zur Seite legte.
    „Und, Tessa, wie geht es? Wie läuft es mit der Universität?“, fragte er, wie fast immer, wenn sie sich an den Sonntagen zum gemeinsamen Essen trafen.
    „Semesterferien, Papa“, erwiderte Tessa gedehnt. „Schon seit drei Wochen, weißt du.“
    „Immer noch?“, gab dieser verblüfft zur Antwort. „Ungeheuerlich, wie lange ihr Studenten nichts zu tun habt.“
    „Naja, ein bisschen was haben wir schon zu tun – Hausarbeiten, Referate und so was alles eben“, erwiderte Tessa langsam.
    „Aha, das ist ja immerhin etwas“, lächelte ihr Vater. „Und was führt dich heute zu uns? War dir etwa langweilig vor lauter Ferien?“ Er zwinkerte.
    Tessa lächelte gequält und warf einen nervösen Blick zu ihrer Mutter, die noch immer in ihrem Buch versunken war. „Nein, ich hab etwas mit euch zu besprechen“, sagte sie dann langsam. „Etwas … etwas sehr wichtiges.“
    „Oh – na dann“, sagte ihr Vater und sah sie ernst an. „Dann sollten wir das tun. Amanda, nun leg doch mal das Buch weg, wenn Tessa schon mal hier ist und mit uns sprechen möchte.“
    Seine Frau sah verwirrt auf, nickte dann zerstreut und stellte das Buch rasch ins Bücherregal.
    „Entschuldige“, sagte sie noch einmal zu ihrer Tochter. „War gerade so spannend. Also, was gibt es zu besprechen? Ist vielleicht wieder irgendetwas mit dem Hausverwalter schief gelaufen?“


    Verwirrt sah Tessa ihre Mutter einen Moment an und begriff dann, dass diese auf eine Begebenheit in der letzten Woche anspielte, als die Heizung in der Wohnung einen Tag nicht richtig funktioniert hatte und der Hausverwalter nicht umgehend Zeit gehabt hatte, die Sache in Ordnung zu bringen.
    „Nein – nein, alles in Ordnung, es geht um etwas ganz anderes, viel wichtigeres“, erwiderte sie darum schnell. Ihre Finger krampften sich nervös in ihre Oberschenkel, als sie die fragenden Blicke ihrer Eltern auf sich ruhen spürte.
    Dann beschloss sie, das gescheiteste sei es, die ganze Sache so schnell als möglich hinter sich zu bringen, und darum begann sie stockend zu sprechen:
    „Ich… es gibt da etwas, das ihr wissen müsst. Etwas, das ich euch die ganze Zeit nicht sagen konnte und wollte.“


    Sie schluckte und sprach dann langsam weiter: „Es gibt da jemanden in meinem Leben… jemanden, der mir sehr viel bedeutet, jemanden, den ich sehr liebe. Und von dem ihr bisher nichts wusstest!“
    Eine Moment herrschte Stille, dann hörte sie, wie sich ihr Vater räusperte und vorsichtig fragte: „Ja… Tessa, das ist… das ist natürlich eine Überraschung. Aber wieso sagst du das mit solch einer Stimmung… ich meine, wir mögen nicht die modernsten und hipsten Eltern aller Zeiten sein, aber wir sind bei weitem auch nicht konservativ oder altmodisch, und darüber hinaus bist du einundzwanzig Jahre alt…“


    Tessa schluckte. „Nein… das… so ist das nicht. Also doch schon… aber nicht ganz so wie ihr denkt.“
    Ihre Mutter lächelte beschwichtigend und griff nach ihrer Hand.
    „Ach Tessa, nun zier dich nicht so vor uns beiden. Es wird doch schließlich endlich Zeit, dass du wieder jemanden hast. Ich habe mir schon ernsthaft Sorgen gemacht. Aber wieso hast du nicht direkt mit uns beiden darüber gesprochen? Oder gibt es Probleme? Wer ist denn der Glückliche? Ich bin jedenfalls froh, dass du endlich wieder einen Freund hast. Wieso bringst du ihn nicht einfach nächste Woche zum Essen mit? Ich weiß, du scheinst dich zu genieren, aber so schlimm wird es schon nicht werden.“


    Sie lächelte vergnügt. „Ich freu mich wirklich für dich. Und nun verrat uns endlich, wer es ist. Vielleicht dieser Joshua, mit dem ich dich mal in der Stadt getroffen habe? Harald, wirklich, ein wunderbarer Junge ist das, so nett und höflich, wenn er auch eine etwas gewöhnungsbedürftige Frisur haben mag – aber Fehler haben wir ja alle, nicht wahr. Ist es das gewesen, der Grund, weshalb du solche Hemmungen hast, es uns zu sagen?“
    Tessa stöhnte leise auf und rieb sich die Stirn. Das hier nahm gerade eine fast bizarre Wendung.
    „Wieso, was für eine Frisur ist das denn?“, stimmte ihr Vater nun munter in die Philosophien ihrer Mutter ein. „Etwa ein Punker?“
    Ihre Mutter stieß einen erschrockenen Laut aus. „Aber nein, natürlich nicht, er trägt eine ganz moderne Frisur, du weißt schon, die jungen Leute heute sehen aus, als seien sie frisch aus dem Bett gefallen und das nennen sie dann Frisur. Aber der Junge ist ganz ordentlich und höflich gewesen, und schließlich studiert er zusammen mit Tessa.“
    „Ahhh“, hellte sich die Miene des Vaters auf. „Was studiert der junge Mann denn, Tessa? Das gleiche wie du? Mh?“
    Tessa starrte ihren Vater an, als habe er den Verstand verloren.
    „Nun – jedenfalls wäre es doch eine wundervolle Idee, wenn wir nächste Woche alle gemeinsam essen gehen, Tessalein. Dann kann dein Vater diesen Joshua auch kennen lernen, das wäre doch eine schöne Sache, nicht wahr?“
    Ihre Mutter sah sie fragend an. „Was ist los? Kann er sonntags nicht? Nun, wir könnten ja auch einmal am Samstagabend zusammen weggehen. Ich weiß, ihr jungen Leute wollt dann lieber in die Disco oder irgend so etwas, aber…“
    „Sei still!“, platzte es aus Tessa heraus. „Sei jetzt mal einen Moment still!“
    Für einen Augenblick war es nun tatsächlich still im Zimmer, so verblüffend still, dass Tessa fast selbst darüber erschrak.
    Doch bevor ihre Eltern diese Stille erneut zum Anlass nehmen konnten, einfach vor sich hin zu fantasieren, presste Tessa langsam hervor: „Es ist nicht Joshua. Also hört endlich mit diesem Gerede auf. Es ist überhaupt niemand, den ihr kennt.“
    „Oh…“, stammelte ihr Vater, der sich ob der Tatsache, dass sie eben gerade fast fünf Minuten über einen Freund geredet hatten, der offenbar in dieser Form nicht existierte, etwas seltsam vorkam. „Dann… wer ist es denn dann? Oder sprichst du gar nicht von einem – von deinem Freund?“
    „Doch“, erwiderte Tessa langsam. „Ich habe einen Freund, ja. Und zwar schon seit fast anderthalb Jahren… und sein Name ist… er heißt Jess.“


    „Jess?“, murmelte ihre Mutter und dachte angestrengt nach. „Irgendwo hab ich den Namen schon mal gehört, aber ich kann ihn nicht zuordnen…“
    „Und du sagst, ihr seid bereits seit anderthalb Jahren zusammen?“, wunderte sich ihr Vater derweil ungläubig. „Ja, aber… wieso hast du die ganze Zeit nichts gesagt? Und wieso hat man nie etwas von diesem jungen Mann gehört oder gesehen?“
    Tessa dachte einen Moment nach, bevor sie ihre Antwort wohl überlegt gab: „Nun… das hatte wohl mehrere Gründe. Zum einen war er eine ganze Weile nicht da… er war…“




    *geht noch weiter*

  • „Auf Geschäftsreise?“, riet ihre Mutter erfreut. „Oh, also ein echter Geschäftsmann, was? Das würde deinem Vater gefallen, er…“
    Doch diesmal wurde sie von ihrem Mann unterbrochen, der scharf sagte: „Amanda, hör auf! Lassen wir Tessa diesmal ausreden, bevor wir uns wieder etwas zusammen spinnen, was gar nicht der Wahrheit entspricht!“



    Dankbar warf Tessa ihrem Vater ein Lächeln zu, holte tief Luft und sagte dann: „Ihr kennt Jess deshalb nicht, weil er… nun ja… erinnert ihr euch an letztes Jahr, als Niklas euch hier erzählte, dass ich Kontakt zu einem drogensüchtigen jungen Mann habe?“
    Sie wartete keine Antwort ab, starrte weiterhin auf ihre Fußpitzen, sagte aber mit fester Stimme: „Das war Jess.“
    Nun war es wieder still im Zimmer. Tessa sah auf und beobachtete angespannt die Mienen ihrer Eltern. Ihre Mutter starrte verblüfft aus dem Fenster, ihrem Vater war die Zeitung, die er während des Gesprächs immer wieder zur Hand genommen und erneut glatt gestrichen hatte, aus der Hand gerutscht und raschelnd zu Boden gesunken, wo er sie nun fixierte, als ob ihn die Tatsache, dass sie ihm aus der Hand gefallen war, am meisten von allem verblüffte.
    Tessa schwieg ebenfalls eine Weile, dann erhob sie erneut die Stimme und sagte fest: „Ich kann mir vorstellen, was ihr jetzt denkt. Aber bevor ihr wieder vorschnell urteilt, solltet ihr wissen, dass Jess ein viel besserer Mensch ist als man zu glauben geneigt ist. Er… er kann nur bedingt etwas für die Situaton in der er steckt und…“



    „Warte einen Moment…“, unterbrach ihre Mutter sie langsam und sah sie verwirrt an.
    „Du meinst… du meinst doch nicht etwa, dein Freund, der Mann, von dem du uns anderthalb Jahre nichts erzählt hast, ist… ist … dieser… dieser Mann, von dem Niklas uns damals berichtet hat?“
    Tessa sah sie fest an und nickte. „Doch, genau so ist es.“
    Ihre Mutter starrte wieder reglos ins Leere.
    „Tessa“, sagte ihr Vater, ebenfalls gefährlich ruhig. „Du willst uns also wirklich sagen, dass du seit anderthalb Jahren mit einem drogensüchtigen Junkie zusammen bist, ja?“
    Tessa spürte, wie die alte Wut in jenem Moment nach oben zu drängen begann, als ihr Vater das Schimpfwort in den Mund nahm.
    Bemüht beherrscht sagte sie: „Ich wäre dir sehr dankbar, wenn du es unterlässt, ihn derartig zu beleidigen, indem du ihn Junkie nennst. Ja, er ist drogensüchtig und ja, ich bin seit anderthalb Jahren mit ihm zusammen, wobei er das letzte Jahr nicht bei mir war und…“
    „Sag mal, bist du eigentlich von allen guten Geistern verlassen?“, brüllte ihr Vater mit einemmal los, so dass Tessa erschrocken zusammen fuhr und auch ihre Mutter an ihrer Seite einen verblüfften Laut von sich gab.



    Einen Moment herrschte erneut Stille, dann polterte Tessas Vater weiter los: „Ich hätte dich für vernünftig, reif, erwachsen genug gehalten, das nicht zu tun, Tessa! Bist du denn wahnsinnig geworden? Abgesehen davon hast du damals gesagt, er habe die Stadt verlassen! Hast du etwa gelogen?“
    Tessa schluckte und nickte dann: „Ja, das hab ich, und ich bin nicht stolz darauf. Zum einen weil es nicht korrekt war, euch nicht die Wahrheit zu sagen, zum anderen, weil ich nicht zu ihm gestanden habe.“



    Ihr Vater schüttelte fassungslos den Kopf. „Wie… wie kommst du nur auf solche Ideen, Tessa? Du bist doch ein hübsches Mädchen, intelligent, attraktiv… du musst dich nicht mit solchen Menschen einlassen und… bist du dir klar darüber, wie gefährlich so etwas ist? Sag nur, du hast dich auch noch von diesem dreckigen Kerl mit AIDS anstecken lassen?“
    Das Gesicht ihrer Mutter flog entsetzt herum.
    Tessa zog die Brauen zusammen.
    „Nein, das hab ich natürlich nicht, und falls es dich interessiert, ich habe noch nie mit ihm geschlafen, auch wenn dich das eigentlich nichts angeht!“
    „Das geht mich sehr wohl etwas an, junges Fräulein!“, rief ihr Vater aufgebracht. „Du bist meine Tochter und stehst in meiner Verantwortung! Und ich sage dir hier und jetzt, mit dieser Geschichte ist ab sofort Ende und Aus! Das geht so nicht! Du wirst diesen Menschen nie wiedersehen, hörst du?“
    Tessa starrte ihren Vater einen Moment fassungslos an.
    „Du denkst, du kannst mir … verbieten … ihn wiederzusehen?“, wiederholte sie dann langsam.



    „Aber natürlich! Ende, Aus! Mich interessiert gar nicht, was dich zu dieser Dummheit bewogen hat! Sie ist jetzt vorbei!“, sagte ihr Vater mit Nachdruck, aber schon etwas weniger entschlossen ob Tessas Blick, der standfest auf ihm ruhte. „Du musst doch selbst einsehen, dass das, was du tust, unvernünftig ist! Und wenn nicht, dann müssen wir das eben für dich entscheiden!“
    Tessa warf ihrer Mutter einen fragenden Blick zu, die langsam sagte: „Ich fass es nicht, Tessa… wie konntest du uns so etwas nur antun?“
    Sie starrte ihre Tochter mit aufgerissenen Augen an. „So etwas kannst du doch nicht machen! Denk doch auch einmal an uns, deine Eltern! Wie sollen wir das erklären, wenn du mit so jemanden… ich mag gar nicht daran denken… und dein Vater hat recht“, sie wurde nun auch lauter, „das hört sofort auf! Such dir gefälligst einen Freund, der normal ist und für den sich deine Familie nicht schämen muss, der ungefährlich für dich ist und der… einfach normal ist!“



    Tessa sah ihre Eltern abwechselnd an. Sie war nun vollkommen ruhig geworden, denn es war ihr klar, was nun zu tun sein würde.
    „Ist das euer letztes Wort?“, fragte sie ruhig.
    „Natürlich!“, sagte ihr Vater mit NAchdruck.“ Und du wirst ja wohl selbst einsehen, dass es nur das beste für dich ist, so zu handeln, Tessa. Komm schon“, sagte er nun etwas sanfter. „Du bist alt genug, um das zu begreifen. Du bist einundzwanzig, du bist erwachsen, du musst wissen, wie und wann man richtig handelt.“
    Tessa sah ihren Vater fest an. „Ja, Vater, das weiß ich, da gebe ich dir völlig recht. Und genau darum gibt es für mich hier und bei euch jetzt nicht mehr viel zu sagen oder zu fragen außer: Was passiert, wenn ich deinen oder euren Anweisungen nicht folgen werde?“
    Für einen Moment starrten die beiden ihre Tochter verwirrt an, dann sagte ihr Vater unsicher: „Nun… nun… wir werden… ich denke, dann muss ich darauf verzichten, dich weiter zu unterstützen… die Wohnung… das Geld…“
    „Okay,“ erwiderte Tessa schlicht. „Sonst noch etwas?“
    Nun starrten die beiden sie wortlos an. „Gut“, sagte Tessa dann langsam. „Es ist bedauerlich, dass ihr so denkt, aber … nun ja… wenn das eure Wahl, eure Entscheidung ist. Ihr seid genauso alt genug, um zu wissen, wann ihr richtig handelt und wie natürlich.“



    Sie sprach mit fester und gelassener Stimme weiter: „Die Wohnung werde ich bis Ende März räumen, denke ich. Dann kannst du sie gerne weitervermieten, Vater. Den Dauerauftrag auf mein Konto stellst du am besten sofort ein. Ich werde schon eine Arbeit finden, und dann hätte ich außerdem auch Anspruch auf BaFög. Mein Kindergeld müsstet ihr mir natürlich weiter auszahlen, alles andere wäre unrechtlich, aber das brauche ich meinen Star-Anwalt-Vater wohl eher nicht erklären…“
    Sie unterdrückte bewusst den Sarkasmus, der in ihrer Stimme mitzuschwingen begann. „Ich bin nicht die erste Studentin, die es ohne die Hilfe der Eltern schaffen muss und wird. Gut, ich nehme an, damit wäre alles geklärt, nicht wahr?“
    Ungeachtete der völlig perplexen Gesichter ihrer Eltern stand sie auf und wandte sich zum Gehen, drehte sich aber an der Tür noch einmal um und sagte langsam: „Wisst ihr, es ist mir egal, ob ich euer Geld kriege. Ob ich in eurer Wohnung leben darf. Ob ihr mir mein Studium finanziert oder nicht. Mir sind auch die vielen kleinen Geschenke nicht wichtig. Ich brauche nicht hundert verschiedene Kleider im Schrank und auch nicht genauso viel Schuhe. Ich mag das, ja, aber ich brauche es nicht. Wenn ihr es mir nicht mehr gebt, dann ist das eben so. Aber was ich wirklich gebraucht hätte von euch, das wäre eure Liebe gewesen. Euer Verständnis. Euer Zuspruch.“
    Sie sah, wie ihre Mutter den Mund öffnete, um etwas zu sagen.



    *geht noch weiter*

  • Doch ehe diese einen Ton heraus zu bringen vermochte, sprach Tessa schon weiter: „Wisst ihr – in den letzten anderthalb Jahren bin ich teilweise durch die Hölle gegangen. Ich habe mich in einen wunderbaren Menschen verliebt, der leider nicht das Glück hatte, das ihr und ich hatten, nämlich das, in einer Familie aufzuwachsen, geschützt, behütet, mit den besten Voraussetzungen. Vielmehr ein Mann, der im Kindesalter beide Eltern verloren hat, der nichts als Einsamkeit und Verachtung kennt. Und trotzdem überlebt hat. Trotzdem immer gekämpft hat. Auch wenn er Fehler gemacht haben mag – er hat überlebt. Und ich liebe ihn. Aber das ist nicht einfach. Es ist viel einfacher, einen Menschen zu lieben, wie er euch gefallen würde – einen Menschen, der fehlerfrei erscheint, dem es gut geht, der ausgesorgt hat.
    Ihr habt in den letzten anderthalb Jahren nicht einmal bemerkt, wie schlechtes er mir ging. Selbst als ich damals so stark entstellt war im Gesicht, hat meine eigene Mutter mir die völlig bescheuerte Ausrede, ich sei gestolpert abgekauft. Keine Angst, Mutter, das war nicht Jess, sondern jemand, der mich überfallen hat, in einer zwielichtigen Gegend, und wäre Jess nicht gewesen, wäre ich heute wohl tot. Jess hat mich danach verlassen, auch um mich zu schützen und ich war monatelang verzweifelt. Aber ihr habt nichts bemerkt. Nichts! Hätte ich nicht meine neuen Freunde gehabt, die mich von Anfang an so genommen haben, wie ich bin, mit meiner Liebe zu einem – wie ihr es nennt Junkie – wüsste ich nicht, wo ich heute wäre.“
    Sie holte noch einmal tief Luft. „Ja, ich hätte euch gebraucht. Euch als Eltern. Aber nach dem heutigen Abend weiß ich, dass es mir eigentlich gar nicht so viel anders geht als Jess. Denn ich fürchte, ich habe auch nie eine Familie gehabt – niemanden außer Tru vielleicht. Aber Eltern – die hatte ich wohl auch nur auf dem Papier.“



    Sie starrte ihre Eltern, die fassungslos vor ihr saßen und blass geworden waren, eine Weile traurig an, dann zuckte sie mit den Schultern und ging zur Tür hinaus.
    Die dunkle Holztür fiel mit einem lauten Knall hinter ihr ins Schloss. Dann war es still.






    FS folgt

  • scheiße...ich hätte wissen müssen das die sich so aufführen, aber das hätte ich jetzt nicht erwartet...ein glatter schlag in die magengrube....
    Eine Freundin von mir, die gerade neben mir sitzt und miliest, meinte, das sie wohl auch nur eltern auf dem papier hätte...und sie wird von denen echt schlecht behandelt.
    Tessa ist sooo mutig!
    Ich hätte mich net getraut, mich von meinen eltern loszusagen...
    nein das häte ich net fertig gebracht....oder etwa doch? Aber das kann man ja wohl nicht vergleichen...schließlich lebe ich nur mit meiner mutter zusammen....und....ach egal.
    Deine Bilder waren mal wieder klasse! Und dein schreibstil erst!

    Lg
    Luxa

    [SIZE=1]Da ist ein Ort, wo der Bürgersteig endet[/SIZE]
    [SIZE=1]Und bevor die Straße beginnt[/SIZE]
    [SIZE=1]Und dort wächst das Gras, das weiche weiße[/SIZE]
    [SIZE=1]Und dort brennt die Sonne, die purpurrot heiße[/SIZE]
    [SIZE=1]Und der Mondvogel schläft dort nach langer Reise[/SIZE]
    [SIZE=1]Im kühlen Pfefferminzwind[/SIZE]

  • Luxa: Ich glaube, um einen solchen Schritt zu gehen, braucht es einfach Dinge, die vorher schon vorgefallen sind und vermutlich auch ein gewisses Alter. Ich denke beispielsweise nicht, dass Tessa das zu Beginn der Geschichte schon gekonnt hätte. Erst die Entwicklung der letzten Monate hat sie dazu gebracht, sich das zu trauen und sie ist ja jetzt auch schon 21,5 Jahre, auch wenn sie für diesen Schritt zugegebenermaßen immer noch ziemlich und zu jung ist.
    Ich denke, Eltern auf dem Papier haben wir alle manchmal mehr oder weniger... aber ich glaube, irgendwo ist da doch immer LIebe und Zuneigung, auch wenn man´s oft nicht so sehen kann.
    Danke für Deinen Kommi!




    @ALL
    : Mhhh... ich fürchte, ich habe hier gerade ein Story-Tief und ihr denkt jetzt, es ist alles Friede-Freude-Eierkuchen, weil Jess wieder da ist? :rolleyes:eek:


    Das heutige Kapitel ist eigentlich eins mit dem vorherigen gewesen, aber es wäre am Stück einfach zu lange geworden, darum hab ich es splitten müssen. Aber nächstesmal gibt es dann wieder mehr von Jess und Co..!

  • Kapitel 65
    Einsicht




    Als die schwere Holztür hinter ihr ins Schloss gefallen war, verharrte Tessa einen Moment reglos im Flur und versuchte, ihre zitternden Knie wieder unter Kontrolle zu bringen. So abgebrüht und ruhig sie vor ihren Eltern auch gewirkt haben mochte, so aufgewühlt war sie dennoch innerlich.
    Sie atmete einmal tief durch und wollte gerade nach ihrer Jacke greifen, um das Haus möglichst rasch zu verlassen, als sie ihre Mutter aufgewühlt und laut von innen rufen hörte:
    „Tessa! Tessa, bitte warte!!“
    Langsam drehte die Angesprochene sich wieder zur Tür um und zögerte einen Moment, was sie tun sollte.


    Die Entscheidung wurde ihr von selbst abgenommen, als sich die Tür öffnete und das blasse und aufgewühlte Gesicht ihrer Mutter erschien.
    „Tessa“, rief diese fast atemlos. „Gut, dass du noch da bist. Bitte geh jetzt nicht… komm wieder herein… wir… wir sollten darüber sprechen.“
    Tessa sah sie einen Moment zögernd an und sagte dann mit nicht mehr ganz so fester Stimme: „Ich weiß nicht, Mutter… ich bin mir nicht sicher, was das noch bringen soll, nachdem ihr euren Standpunkt eben so klar und deutlich geäußert habt…“
    Ihre Mutter seufzte schuldbewusst und schüttelte den Kopf, sagte aber nur: „Tessa… ich bitte dich… komm wieder herein.“
    Zögernd folgte diese ihrer Mutter wieder ins Zimmer. Ihr Vater bückte sich gerade nach der Zeitung und trug diese schweigend, aber sichtbar durcheinander in die Küche, wo er sie in die Mülltonne gleiten ließ. Tessa nahm wieder auf der Couch neben ihrer Mutter Platz, auch ihr Vater kehrte an seinen vorherigen Platz zurück.
    Einen Moment saßen alle drei schweigend beieinander, ohne dass jemand es wagte, das Wort zu erheben. Draußen begann es derweil erneut zu schneien.


    Schließlich war es ihre Mutter, die das Schweigen durchbrach und mit brüchiger Stimme sagte: „Was du da eben gesagt hast, Tessa, war ziemlich hart…“ Sie sah ihre Tochter traurig an. „Aber vermutlich nicht unwahr…“
    Tessa blickte ihre Mutter mit großen Augen an. Sie hatte eigentlich damit gerechnet, dass sie nun versuchen würde, sich in irgendeiner Form heraus zu reden, das ganze zu verharmlosen und sich so von der Last der Schuld zu befreien.
    Stattdessen seufzte ihre Mutter schwer und sah Tessa wieder an.
    „Du denkst vielleicht, dass es deinem Vater und mir niemals bewusst war, dass wir dir nicht die besten Eltern sein können, aber da irrst du dich. Uns ist beiden klar, dass unsere ständige Abwesenheit wegen des Berufes nicht das Optimum für ein Kind gewesen sein kann. Zwar war Trudy immer hier und hat sich um dich gekümmert, aber es war eben nur eine Hausangestellte, auch wenn sie für dich natürlich mehr bedeutet hat… aber sie sollte und konnte dir uns nicht ersetzen.“



    Ihre Mutter sah sie gütig an und in ihren Augen standen zu Tessas Überraschung Tränen.
    „Ich wäre dir gerne eine bessere Mutter gewesen, das musst du mir glauben. Aber ich habe offenbar noch viel mehr versagt als ich dachte…“
    Nun war Tessa diejenige, die sich schuldig und unbehaglich fühlte. Diese Emotionalität ihrer Mutter berührte sie, schien aber auf andere Weise auch seltsam ungewohnt, befremdlich und unangenehm.
    „Mutter… ich… nun… so schlimm war es nun auch wieder nicht…“, stotterte sie unbeholfen.



    „Nun, Tessa, aber in einem Punkt hast du völlig recht. Wir hätten sehen müssen, was mit dir los ist. Uns hätten die Veränderungen in deinem Wesen auffallen müssen“, sagte ihr Vater nun und sah seine Tochter ernst an. „Dein Vorwurf eben war hart, aber berechtigt.“
    Er seufzte ebenfalls schwer und sah Tessa dann an.
    „Wenn man zu sehr in seinen eigenen beruflichen Problemen verstrickt ist, verliert man oft den Blick für all das, was um einen herum geschieht und leider auch für die Menschen, die einem doch am wichtigsten sein sollten. Also, Tessa… ich denke, wir müssen uns bei dir entschuldigen.“



    Tessa schluckte und wusste nicht recht, was sie antworten sollte, darum zog sie es vor, zu schweigen und nur langsam zu nicken.
    Einen Moment war es wieder still im Zimmer, dann sagte ihre Mutter leise: „Ich hoffe, du weißt trotzdem, dass wir dich all die Jahre über alles geliebt haben, weil du unsere Tochter bist und somit der wichtigste Mensch auf Erden für uns?“
    Tessa sah sie gerührt an und sagte dann leise: „Ja… ja, ich denke schon, dass ich das weiß und immer wusste, Mutter…“
    Ihre Mutter rang sich ein schmerzliches Lächeln ab und strich ihr vorsichtig über die Schulter.
    „Und nun… nun zu dem jungen Mann, den… den du erwähnst hast…“, stieß sie langsam hervor. „Du musst verstehen, dass wir besorgt sind, Tessa… das ginge jeder Mutter und jedem Vater so.“



    Tessa nickte langsam. „Ja… ja, das kann ich auch verstehen. Aber das entschuldigt nicht, dass ihr einfach über ihn urteilt, ohne ihn zu kennen. Ihr denkt in Schubladen, und das finde ich nicht in Ordnung, das finde ich einfach schlimm. Es ist in kleingeistig und intolerant.“
    Sie sah ihren Vater vorwurfsvoll an. „Gerade du, Vater, solltest doch als Anwalt wissen, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Du solltest ein gewisses Maß an Toleranz haben, oder?“
    Ihr Vater räusperte sich unbehaglich und erwiderte dann langsam: „Das ist natürlich richtig, Tessa… aber wie sagt man so schön, in der Theorie ist alles viel einfacher als in der Praxis…“
    Tessa seufzte. „Ja, das verstehe ich sogar. Aber eure Äußerungen gegenüber Jess sind einfach unter der Gürtellinie gewesen…“
    „Das stimmt wohl“, räumte ihr Vater ein. „Man sollte nicht über andere Menschen nur aufgrund ihres Gesellschaftsstandes oder ihrer Lebenssituation urteilen.“
    „Aber was geschehen ist, ist geschehen“, sprach ihre Mutter weiter und sah Tessa offen an. „Du sagst, du liebst diesen Mann?“
    Tessa nickte. „Ja – und bevor du es ansprichst, so lass dir versichert sein, dass es nicht nur eine Schwärmerei oder ein flüchtiges Verliebtsein ist. Dafür hat es auch viel zu lange überdauert. Jess und ich sind seit anderthalb Jahren ein Paar und ich wünsche mir, dass ihr es akzeptiert. Ich werde ihn nicht verlassen, egal, was ihr sagt oder verlangt.“
    Sie sah beide ernst an.
    Ihre Mutter seufzte erneut und nickte dann: „Ist gut, ich habe verstanden. Nun, wenn du diesen Mann liebst, dann schätze ich, er muss es auch wert sein… ich halte dich nicht für so romantisch und einfältig, dass du dein Herz an jemanden verschenkst, der charakterlos ist.“
    Tessa schüttelte den Kopf. „Jess hat einen guten Charakter. Nur ist sein Leben bisher einfach schief gelaufen… und für das wenigste davon konnte er etwas.“
    Sie wandte sich an ihren Vater. „Hätte er das Leben führen können, das ich führe, wäre er heute vielleicht ein berühmter Maler oder hätte eine eigene Galerie…“



    „Er zeichnet also gerne?“, fragte ihr Vater interessiert.
    „Ja, nicht nur gerne, sondern auch gut. Aber wenn man obdachlos und drogensüchtig ist, hat man nicht viel Gelegenheit, seine Talente zu fördern“, erwiderte Tessa bitter. „Da ist man nur davon bestimmt, sich irgendwie am Leben zu halten. Ich habe mir das früher nicht vorstellen können, dass man für jeden Krümel Brot kämpfen muss, dass man für jede Nacht, in der man nicht friert, dankbar sein muss…“
    Sie blickte in die aufgewühlten Gesichter ihrer Eltern. „Könnt ihr euch das etwa vorstellen?“
    „Nein“, sagte ihr Vater ruhig. „Und Gott sei dafür gedankt, dass dem nicht so ist… aber ist es denn um ihn wirklich derart schlecht bestellt? Es gibt doch staatliche Subventionen, Tessa. In unserem Land muss niemand obdachlos sein… und auch nicht drogensüchtig.“



    „Wie meinst du das?“, fragte Tessa scharf.
    „Nicht abwertend“, beschwichtigte ihre Vater sogleich. „Ich will damit nur sagen, dass wir ein sehr gutes soziales Netzwerk haben. Bei uns muss kein Mensch hungern, der Staat hilft diesen Menschen. Ich will nicht behaupten, dass sie ein gutes Leben führen, aber unter der Brücke schlafen und um Brot betteln muss heutzutage niemand mehr. Und obwohl ich mich damit zugegebenermaßen nur bedingt auskenne, so weiß ich doch, dass der Staat und die Fürsorge ebenfalls den Menschen helfen, die in Notlagen geraten und abhängig geworden sind…“




    *geht noch weiter*

  • Tessa nickte und erwiderte dann: „Ja, ich weiß, worauf du hinaus willst. Und du hast eigentlich nicht unrecht. Ich habe früher ebenfalls genauso linear gedacht wie du. Aber wie du eben selbst so schön sagtest: In der Theorie ist vieles einfacher als in der Praxis…“



    Für einen Moment herrschte wieder Schweigen im Wohnzimmer, dann sagte Tessas Mutter langsam: „Wo ist dieser… Jess zurzeit, Tessa? Du sagtest vorhin, er sei fort gewesen?“
    Tessa nickte langsam. „Ja, aber das ist eine lange Geschichte…“
    „Dann erzähl sie uns“, forderte ihr Vater sie auf, und als er ihren erstaunten Blick bemerkte, fügte er hinzu: „So lange wir nicht alles wissen, können wir uns wohl kein Bild machen, oder?“
    Also begann Tessa langsam zu erzählen – sie fasste alles grob zusammen und ließ bewusst das ein oder andere Detail, von dem sie wusste, es würde ihre Eltern wohl noch besorgter und aufgewühlter machen, beiseite.
    Während sie sprachen, senkte sich draußen die Dämmerung über die Stadt.



    Es dauerte noch weitere zwei Stunden, bis Tessa ihr Elternhaus an diesem Abend verließ.
    Als die weiße Haustür schließlich hinter ihr ins Schloss fiel, blieb sie einen Moment stehen und atmete die frische, kalte Nachtluft tief ein.



    Sie fühlte sich nach diesem langen Gespräch völlig durcheinander, seltsam befreit, aber auch auf paradoxe Weise beklommen, weil sich ihr ganzes Weltbild in diesen Stunden verschoben zu haben schien.
    Langsam ging sie zu ihrem Auto und ließ das Gespräch noch einmal gedanklich Revue passieren.



    Nachdem sie ihren Eltern alles berichtet hatte, waren diese eine Weile recht still gewesen. Schließlich hatten sie beschlossen, nicht über Jess urteilen zu können, so lange sie ihn nicht näher kannten. Dennoch war ihnen klar geworden, dass sie Tessas Liebe akzeptieren und tolerieren mussten, sofern sie diese nicht verlieren wollten.
    Ob es die Schuld, die sie ob ihrer Versäumnisse in den letzten Jahren empfanden, war oder echte Einsicht, konnte Tessa nicht mit Sicherheit sagen.
    Zumindest hatten beide eingeräumt, dass Jess´ Schicksal unvorstellbar tragisch war und dass ihn wohl wirklich nur eine Teilschuld an seinen Lebensumständen träfe. Dass er zu stolz war, sich Hilfe vom Staat zu holen, schien ihn in der Gunst ihres Vaters zumindest steigen lassen zu haben, was Tessa mit Kopfschütteln wahrnahm.
    Langsam stieg sie in ihren Wagen und machte das Licht an, ehe sie vorsichtig zurücksetzte.



    Als Tessa gegangen war, hatten ihre Eltern ihr weiterhin jede Unterstützung zugesagt, nicht nur die finanzielle, sondern auch jene, die man als Eltern doch eigentlich selbstverständlich geben sollte.
    Tessa wusste nicht, wie sehr sie dem Glauben schenken sollte. Aber sie spürte, dass dieses Gespräch und dieser Abend etwas in dem Verhältnis zu ihren Eltern grundlegend geändert hatte. Und dass dies gut war.
    Knarzend legte sie den ersten Gang ein und warf noch einmal einen Blick auf ihr Elternhaus. Aus dem Wohnzimmer fiel noch immer Licht und vermutlich diskutierten die beiden nun aufgewühlt, was in den letzten Stunden vorgefallen war. Oder saßen sie vielleicht still beieinander und fühlten sich genauso durcheinander wie sie? Tessa stellte fest, dass es nicht nur ihre Eltern waren, die sie nicht kannten – sie kannte ihre Eltern wohl genauso wenig.



    Tessa seufzte und flüsterte leise: „Es kann eigentlich nur noch besser werden…“
    Dieser Gedanke ließ sie leise lächeln. Sie richtete den Blick wieder nach vorne. Es war bereits nach sieben, aber sie wollte unbedingt noch einmal nach Jess sehen, sie hatte es ihm heute Morgen versprochen, noch einmal vorbei zu kommen. Aber das Gespräch mit ihren Eltern hatte keinen Aufschub geduldet. Diesmal würde sie keine Fehler mehr machen, denn sie hatte aus der Vergangenheit gelernt. Jess gehörte nun wieder zu ihrem Leben und zu ihr. Und er war nichts, wofür man sich schämen musste. Ganz im Gegenteil.



    Langsam gab sie Gas und ließ ihr vom Schnee bedecktes Elternhaus hinter sich.



    Fortsetzung folgt.

  • Wow! Da hat Tessa aber mal Luft abgelassen und das war meiner Meinung nach längst überfällig! Einerseits kann ich Tessas Eltern ja verstehen, ich glaube, ich hätte wohl auch Angst um mein Kind, aber wenigstens ausreden hätten sie sie lassen können, versuchen zu verstehen... Aber das ist wohl in der feineren Gesellschaft eher unmöglich! Traurig!


    Mich würde jetzt allerdings interessieren, wie Tessa das alles hinbekommen will, denn es war ja schon auf eine Art und Weise eine Kurzschlussreaktion! Ist sie sich der Konsequenzen wirklich bewusst?
    Ich selbst stand auch einmal kurz davor mit meinen Eltern zu brechen... aber das Schicksal wollte es so, dass es nicht soweit kam! Daher kann ich mich sehr gut in Tessas Lage hier hinein versetzen!
    Das verspricht noch richtig spannend zu werden und ich bitte dich bald weiter zu machen!


    Edit: ups, da kam eine Fortsetzung, ohne das ich es gemerkt hatte *lach* Also weiter im Kommentiertext:


    Die Reaktion ihrer Eltern und besonders der der Mutter hatte ich fast erwartet! Denn genauso ist es beim mir damals gekommen. Wenn man solche Schritte den eigenen Eltern androht, ist schnelles reagieren angesagt! Und welche Mutter lässt ihr Kind so einfach gehen?
    Ich bin froh, dass sie sich die Geschichte anhören wollten und Tessa diese erzählt hat. Ich denke es war für alle Beteiligten wichtig. Gespannt bin ich jetzt allerdings darauf, ob es jemals eine Begegnung zwischen den Wagners und Jess geben wird und wie sie auf ihn reagieren werden...
    Ich bin ja immernoch der Überzeugung, dass das Leben Jess / Tessa in diesem Krankenhaus enden wird... frag mich nicht warum, aber es ist halt einfach ein Gefühl.....

    [CENTER][COLOR="White"]Bussi @all Kiara :wink
    ***************[/CENTER][/COLOR]




    [CENTER][SIZE="1"][COLOR="Sienna"]P.S. Für Rehctshcbriefleher wird kiene Hatufng übrnemoemn! *g*[/COLOR][/SIZE][/CENTER]

    Einmal editiert, zuletzt von Kiara ()

  • Ich bin schwer beeindruckt, das tessas eltern doch nciht so einseitig sind, auch enn ich es hätte wssen mpssen, eigentlich kene ich deinen schreibstil ja mittlerweile!
    Nunja...zum Kapitel kann ich gerade nicht wirklich was machen weil ich aus einem ganz anderen grund ziemlich aufgewühlt bin....
    Also, tolle bilder, toller schreibstil, und falls ich demnächst dochnoch eine fotostory schreibe, bitte ich dich mir da ein bissl zu helfen, da du wirklich eine wahre meisterin bist was das betrifft...

    [SIZE=1]Da ist ein Ort, wo der Bürgersteig endet[/SIZE]
    [SIZE=1]Und bevor die Straße beginnt[/SIZE]
    [SIZE=1]Und dort wächst das Gras, das weiche weiße[/SIZE]
    [SIZE=1]Und dort brennt die Sonne, die purpurrot heiße[/SIZE]
    [SIZE=1]Und der Mondvogel schläft dort nach langer Reise[/SIZE]
    [SIZE=1]Im kühlen Pfefferminzwind[/SIZE]

  • Liebe Innad, :)


    Du warst einfach zu schnell für mich. :rollauge
    Dafür hab ich jetzt das Vergnügen beide Fortsetzungen zusammen zu fassen, wo sie ja eh zusammen gehören. *g*


    Das Tessa alles ihren Eltern erzählt war ja schon lange überfällig, aber bei den Eltern kann ich aber auch verstehen, dass sie sich so lange Zeit gelassen hat. Schließlich waren sie ja nie wirklich für sie da und Tessa hatte ja nicht unrecht mit ihren Vorwürfen, dass sie sie nicht wirklich kennen. Das sie so wütend wurde und ihren Eltern die Meinung gegeigt hat, war vielleicht sogar ganz gut. Ich mein, wenn man alles immer so laufen lässt und sich nicht ausspricht, kann sich die Situation ja auch nicht ändern. Aber sie musste wohl auch erstmal den Mut haben, dass auszusprechen. Ich stell mir das nicht einfach vor einfach so seinen Eltern die Meinung zu sagen, auf jeden Fall könnte ich das auch nicht ohne den richtigen Anlass. :rolleyes
    Sehr schön, dass sie ihre Eltern dazu gebracht hat, die Sache mit Jess nicht mehr so engstirnig zu sehen. Auch wenn die Sorge um Tessa verständlich ist, ein vorschnelles Urteil über jemanden, den man gar nicht kennt ist nie besonders gut. Ich hoffe, für alle Beteiligten, dass sie von nun an versuchen sich besser zu verstehen und sich endlich richtig kennenzulernen. Auch wenn man als junge Erwachsene vielleicht nicht unbedingt mehr allzu viel elterliche Zuwendung braucht, ist eine funktionierende Familie im Hintergrund doch immer eine Stütze, egal was noch passiert. ;)


    Ich bin auf jeden Fall gespannt, wie es weitergeht mit Jess und wie gesagt, ich trau dem Frieden noch nicht. *g*
    Ganz liebe Grüße :knuddel
    Llyn

    You are never more alive than when you're about to lose your pants!



    FS: Sunrise Update: 04.06.19

  • Kiara: Ja, es ist ein harter Schritt mit den eigenen Eltern zu brechen. Aber ich denke, Tessa war wirklich bereit es zu tun, weil sie einfach gesehen hat, dass ihre Eltern ihr kein Stückweit zuhören, nicht für sie da sind und auch nicht hinterfragen. Es geht ja nicht, dass Eltern einen nur unterstützen und lieben, wenn man das Kind ist, was sie gerne hätten... :( von daher hatte sie wohl schon recht mit ihrer "Androhung". Aber Du hast recht, die Reaktion der Eltern war vorhersehbar. Es wäre auch heftig gewesen, wenn sie mit ihr gebrochen hätten. Das wäre schon sehr stolz und hochmütig von ihnen gewesen. Dass Tessa die Karten so offen auf den Tisch gelegt hat, führte also dazu, dass sie ihre Ansichten noch einmal neu ordnen mussten.
    Ob es allerdings wirklich zu einer Begegnung kommt... steht noch in den Sternen, das stimmt. Vor allem muss Jess dazu ja auch in der richtigen Verfassung sein.
    Ob Du mit Deiner These recht hast... ich hülle mich in Schweigen :p
    Danke für Deinen Kommi!




    Luxa: Klar, wenn Du eine FS schreiben willst, helfe ich Dir gerne! Danke für Deinen lieben Kommi!!! Ich hoffe, es geht Dir wieder besser!


    Llynya: Hihi, ich hoffe, ich bin nicht wieder zu schnell für Dich heute :) Ich gebe Dir total recht, dass man auch als junge Erwachsene noch die Unterstützung seitens der Eltern gut gebrauchen kann, die Familie ist immer wichtig, auch wenn man sich losgelöst hat, was Tessa ja rein materiell noch nichtmal hat. DAss sie endlich mal offen ausgesprochen hat, was sie denkt und auch zu Jess gestanden, war einfach sehr wichtig, ich denke, für beide Seiten. Ich glaube, Wunder wird man nicht in der Kommunikation zwischen beiden erwarten können. Auf der anderen Seite hilft so ein Knall manchmal ja doch, alles komplett neu zu ordnen und die Karten neu zu mischen. Bleibt also abzuwarten, wie es mit den dreien weitergeht.
    Dass Du wie Kiara dem Frieden nicht traust, kann ich fast verstehen :D Aber meine Finger bleiben versiegelt und still, was das betrifft. *lach*
    Vielen lieben Dank für deinen Kommi!!!

  • Kapitel 66
    Perspektiven


    Langsam ging Tessa den Flur entlang und blieb vor der Tür zur Intensivstation stehen.
    Wie schon in den letzten beiden Tagen klopfte ihr Herz aufgeregt gegen ihre Brust. Es war immer wieder etwas besonderes, hier her zu kommen, um Jess zu sehen. Zum einen war es eine Art kribbelnder Vorfreude, dann aber auch wieder der Schrecken, den dieser Ort immer noch auf sie ausübte und auch immer wieder die Furcht, es könne etwas in der Zeit ihrer Abwesenheit geschehen sein und Jess wieder in ernstlicher Gefahr… oder schlimmer.
    Nachdem sie kurz geklingelt hatte, öffnete sich die Tür binnen kürzester Zeit und eine Schwester steckte ihren Kopf hinaus.
    „Jess Berger, nicht wahr?“, nahm sie Tessa sofort die Worte aus dem Mund, und als diese nickte, sagte sie schnell: „Er ist nicht mehr hier, tut mir leid.“
    Für einen Moment schien Tessas Herz auszusetzen, doch die Schwester sprach sofort weiter: „Keine Angst, er ist nur verlegt worden, auf Normalstation. Zimmer 258, im zweiten Stock, Innere.“ Sie lächelte Tessa freundlich zu und schloss dann wieder die Tür.
    Diese seufzte erleichtert auf und lächelte dann erfreut, während sie sich rasch auf den Weg in den zweiten Stock machte. Jess hatte in den letzten Tagen wirklich erstaunlich gute Fortschritte gemacht. Gestern Abend, nach dem Gespräch mit ihren Eltern, war sie noch einmal zu ihm gefahren, nachdem sie sich zu Haus kurz umgezogen und frisch gemacht hatte.
    Aber er war sehr müde gewesen und hatte nur wenig sprechen können, darum war sie nicht lange geblieben und hatte ihn lieber schlafen lassen.


    Er hatte auch am Morgen, als sie ihn schon einmal besucht hatte, nur wenig gesprochen, aber einen deutlich kräftigeren und stabileren Eindruck gemacht als am Vortag. Auch die Ärztin war sehr zufrieden gewesen. Dass er nun allerdings derartige Fortschritte gemacht hatte, um auf die Normalstation verlegt werden zu können, überraschte Tessa und machte sie froh.
    Sie hatte bisher nur wenig mit ihm über das Vorgefallene sprechen können, er war einfach nicht kräftig genug dazu gewesen. Eigentlich hatten sie nur recht wenig gesprochen, sich mehr angesehen und an den Händen gehalten. Es gab wohl einfach Momente im Leben, in denen Worte nicht das wichtigste waren, dachte Tessa bei sich, als sie aus dem Aufzug stieg und der Beschilderung auf die Innere folgte.
    Schnell hatte sie das benannte Zimmer gefunden und klopfte vorsichtig an. Von innen war leise „Herein!“ zu vernehmen und vorsichtig drückte Tessa die Türklinke hinunter.
    Auf der linken Seite des Raumes befand sich ein leeres Bett, aber hinter dem zwischen den Betten stehenden Paravent konnte sie die Schemen eines Mannes im Bett erkennen.


    Sie trat vorsichtig näher und erkannte nun Jess, der ausgestreckt und in einen blauen Krankenhauspyjama gehüllt auf dem Bett lag und in einem Buch las. Sie sah ihn erstaunt an und konnte nicht fassen, wie gut er sich in der letzten Nacht erholt zu haben schien, dass er jetzt schon wieder so wacker im Bett lag und las.
    Als Jess Tessa näher kommen hörte, blickte er auf, legte das Buch zur Seite und lächelte sie erfreut an.
    „Tessa!“, sagte er dann und streckte ihr die Hände entgegen. Vorsichtig kam Tessa zu ihm, nahm seine Hände und fühlte den inzwischen so viel stärkeren Druck eben jener, beugte sich zu ihm und küsste ihn sanft und kurz auf den Mund.
    „Ich bin völlig perplex“, stieß sie dann hervor und betrachtete Jess lächelnd. „Du siehst so viel besser aus als gestern. Was haben sie heute Nacht mit dir gemacht, dass Du wieder so fit bist?“



    Jess lächelte leicht und zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht, aber ich fühle mich auch schon viel besser. Manchmal ist Schlaf eben die beste Medizin, hat die Ärztin heute Morgen zu mir gesagt, als man mich verlegt hat. Ich bin vorhin sogar schon wieder einige Schritte gegangen, auch wenn mir noch alles weh tut.“
    Tessa lächelte. „Das ist toll, wirklich.“ Dann setzte sie sich auf den Stuhl neben seinem Bett und eine Weile schwiegen beide sich an, was fast etwas bizarr wirkte. Doch jetzt, wo Jess wieder vollkommen gegenwärtig war, entstand eine peinliche Stille zwischen beiden.


    Nach einigen Minuten durchbrachen diese beide fast zeitgleich, als Tessa ansetzte „Weißt du, ich…“ und Jess sagte: „Tessa, ich wollte…“
    Sie stockten beide und mussten dann lachen, was Jess offenbar einige Schmerzen bereitete, denn er hielt sich danach mit gequältem Gesichtsausdruck den Bauch.
    „Alles okay?“, fragte Tessa ängstlich und er nickte. „Ja, keine Bange, ist nur die Operationsnarbe, das tut noch ein bisschen weh beim Bewegen und vor allem offenbar beim Lachen…. Tessa, ich wollte nur sagen, dass… ich danke dir, dass du jeden Tag hier warst in den letzten zwei oder drei Tagen… und dass du mich gefunden hast und mir das Leben gerettet…“
    Tessa sah ihn ernst an. „Das ist nichts, wofür du mir danken musst… ich bin froh, dass ich noch rechtzeitig nach Haus gekommen bin. Kannst… weißt du, was genau geschehen ist?“
    Jess atmete tief durch und nickte. „Ja, gestern konnte ich mich noch an kaum etwas erinnern, aber heute Morgen wusste ich alles wieder. Es waren die Hellows, Tessa…“


    Tessa nickte. „Das hab ich mir schon gedacht, und ich hab es so auch der Polizei gesagt…“, angespannt beobachtete sie seine Gesichtszüge. „Ich hoffe, das war nicht falsch…“
    Jess schüttelte den Kopf. „Aber nein, natürlich nicht. Vorhin war auch ein Polizist bei mir, und ich hab ihm das meiste gesagt… ich denke ohnehin nicht, dass sie irgendjemanden von der Bande schnappen werden… und das ist vermutlich auch besser so.“
    Er sah Tessa wieder ernst an. „Hast… hast du meinen Brief bekommen?“
    Tessa nickte langsam und schluckte schwer. „Ja, der Arzt hat ihn mir in der Nacht, als du hierher kamst, gegeben...“
    Jess sah sie ernst an. „Ich hoffe, du glaubst mir, wie leid mir das alles tut. Ich wollte nicht wieder in dein Leben treten und erneut alles durcheinander bringen, Tessa…“
    Tessa sah ihn offen an. „Das hast du nun wohl trotzdem“, sagte sie leise und lächelte schief. „Aber ich bin unendlich dankbar dafür, Jess…“


    Jess sah sie erstaunt an. „Wie… meinst du das, Tessa?“
    Tessa runzelte die Stirn und griff dann nach seiner Hand. „Was gibt es daran denn nicht zu verstehen, du Dummerchen?“
    Jess schluckte. „Heißt das… du verzeihst mir? All den Mist, den ich gebaut habe? Alles, was ich dir angetan habe?“
    Tessa sah ihn offen an. „Braucht es da noch eine Antwort? Ich bin doch schließlich hier, oder nicht?“
    „Aber… wie kannst du mir all das verzeihen? Ich… ich hab dich im Stich gelassen…“, setzte Jess mit brüchiger Stimme an. Doch Tessa schüttelte den Kopf.
    „Ich weiß, Jess, und ja, ich habe sehr gelitten in jener Zeit. Aber eins ist mir klar geworden – ich liebe dich nun mal. Daran kann und will und werde ich nichts ändern, verstehst du. So einfach ist das.“ Sie sah unsicher zu Boden, weil sie nicht recht wusste, welche Reaktion sie jetzt erhoffen oder erwarten sollte.
    Jess war einen Augenblick still, dann sagte er langsam: „Und ich liebe dich, Tessa.“



    Er fuhr sich unsicher über die Stirn und sprach dann langsam weiter: „Ich bin ein elender Feigling gewesen, dich im Stich zu lassen. Oft hab ich mir gedacht, es wäre besser gewesen, wenn wir uns nie begegnet wären…“
    Tessa sah ihn entsetzt an. „Das darfst du nicht sagen!“, fiel sie ihm ins Wort.
    Jess seufzte. „Wenn man es aber rational betrachtet, habe ich nicht unrecht, oder? Und dennoch… dennoch wäre mein Leben so viel leerer und sinnloser gewesen ohne dich. Trotz allem.“ Er griff nach ihrer Hand. „Es tut mir leid, dass ich nicht genug für uns gekämpft habe… ich hab dir so viel genommen.“
    Tessa blickte ihn einen Moment nachdenklich an, dann schüttelte sie den Kopf: „Und trotzdem glaube ich, du hast mir mehr gegeben als genommen. Jess, ich hab durch dich so viel gelernt. Ich glaube ganz ehrlich nicht, dass ich ohne dich der Mensch wäre, der ich heute bin. Als ich dich kennen lernte, da war ich noch ein kleines, naives und wohl auch verwöhntes Mädchen. Ich hab mich nur an wenigen Leuten festgeklammert, von denen ich dachte, sie hätten den totalen Durchblick, wie es in der Welt so zugeht. Doch du hast mir die Augen geöffnet. Rückblickend glaube ich, als ich dich kennenlernte, das war wie… wie wenn man aus einem engen, dunklen Raum nach draußen tritt und die Welt um sich herum zum ersten Mal richtig wahrnimmt – Berge, Flüsse, Wälder, Städte… ich hab mich nur durch dich so verändert. Heute bin ich ein ganz anderer Mensch, und ich würde behaupten, ein besserer. Ich bin durch dich erwachsen geworden, habe mich von meinen Eltern und den ganzen alten Wertvorstellungen gelöst…“, sie lächelte ihn an. „Das war dein Geschenk an mich. Ich glaube, du hast mir viel mehr gegeben, als du dir vorstellen kannst.“


    Jess blickte sie ernst an. „Denkst du das wirklich?“, fragte er langsam.
    Sie nickte. „Ja, natürlich, Jess.“
    „Aber du hast so viel verloren durch mich. Ich hab dir weh getan, dich verletzt…“
    „Ja, hast du“, gab sie zu. „Aber es war keine Entscheidung, die du getroffen hättest, wenn du… nun ja, wenn du einen klaren Kopf gehabt hättest, oder?“
    Er schüttelte den Kopf. „Nein, niemals… die Drogen machen einen Menschen aus mir, den ich selbst nur hassen kann“. Er schluckte. „Und doch brauchte ich sie zum Überleben. Mehr als dich. Wie kannst du mir das nur verzeihen?“



    *geht noch weiter*

  • Sie schnaubte auf. „Was wäre ich nur für ein Mensch, wenn ich das nicht täte?“
    Jess lächelte schmerzlich. „Nicht dieser wundervolle, der hier vor mir sitzt, nehme ich an.“
    Tessa winkte ab. „Hör auf, mir zu schmeicheln. Auch ich hatte meine Fehler, oder etwa nicht? Ich hätte von Anfang an zu dir stehen müssen. Das hab ich nicht. Ich hab ein Doppelleben geführt – und das in vollem Bewusstsein. Wer ist da nun besser und wer schlechter, frage ich dich?“
    Jess schüttelte den Kopf. „Ich seh es nicht ganz so wie du. Ich stehe tief in deiner Schuld, Tessa. Aber dennoch…“ Er sah sie ernst an.



    „Wenn du mir wirklich verzeihen kannst… und wo wir uns doch offenbar beide immer noch genauso lieben wie vorher… wenn nicht noch mehr… Tessa… meinst du, du könntest mir eine zweite Chance geben?“
    Tessa holte tief Luft. „Ja… ich… natürlich, Jess…“, begann sie zögernd. „Aber… ich… ich habe Angst, dass… ich will dich nicht noch einmal verlieren und… das werde ich wohl…“
    Jess nickte. „Ja, über kurz oder lang.“
    Schweigend sahen sich beide an, dann sprach Jess weiter: „Aber ich will dich nicht mehr verlieren. Und ich will dir nicht mehr weh tun. Und abgesehen davon will ich nicht sterben! Und darum werde ich nicht mehr so weiterleben wie bisher.“
    Tessa riss die Augen auf und starrte ihn an.
    „Was meinst du damit?“



    Jess holte tief Luft und sagte dann: „Ich habe mit der Ärztin gesprochen, und die hat mir bestätigt, was ich selbst schon weiß, nämlich, dass es fünf vor zwölf ist. Es ist wohl mehr oder weniger schon ein Wunder, dass ich das hier überhaupt überlebt habe…“, er warf ihr einen warmen Blick zu. „Und das wohl auch nur, weil ich irgendwie gespürt habe, dass da jemand ist, der auf mich wartet.“
    Sie lächelte schmerzlich, sagte aber nichts, da Jess direkt weiter sprach: „Jedenfalls ist es zurzeit so, wie du wohl weißt, dass ich auf einem Ersatzmittel gehalten werde. Aber das ist keine dauerhafte Lösung… und… nun, ich habe der Ärztin erzählt, wie mein letzter Entzug von statten gegangen ist… und sie sagte, dass es keinerlei Chancen gegeben habe, ihn zu überstehen. Nicht so.“
    Tessa nickte. „Ich weiß, das hat man mir auch oft gesagt.“
    „Ja, und ich schäme mich dafür, dir all das zugemutet zu haben, nur weil ich zu stolz war, mir echte Hilfe zu holen“, sagte Jess leise und sah Tessa traurig an. „Ich hätte dir das niemals antun dürfen. Aber was geschehen ist, kann ich nicht mehr ändern. Was ich aber sehr wohl ändern kann, ist die Zukunft, Tessa… und wenn du mir dabei helfen willst, habe ich das schönste Ziel vor Augen, das es geben kann.“



    „Was … willst du damit sagen?“, fragte Tessa langsam, die es kaum wagte, ihre Vermutung auch nur bis in ihre Gedanken kommen zu lassen.
    „Nun, ich habe der Ärztin auch meine vorigen Entzugsversuche beschrieben… naja… und offenbar war ich da nicht unbedingt in den besten Händen“, sprach Jess weiter. „Sie hat mir eine Adresse gegeben, die ein Geheimtip unter den Anstalten für Drogenentzug sein soll… draußen auf dem Land… mit einem ganz anderen und erfolgsversprechenden Konzept als der Rest der gängigen Einrichtungen, vor allem denen hier in der Stadt. Die Kosten würden laut ihr sogar übernommen. Und Tessa, ich will es schaffen. Sobald ich hier raus bin, werde ich mich dort anmelden und den Entzug noch einmal angehen.“
    Tessa sah ihn wortlos an, dann sagte sie langsam: „Das… ist wunderbar, Jess, wirklich. Nur… bitte sag mir eines, willst du das auch wirklich? Du musst es selbst wollen. Nicht nur für mich, nicht für uns – du musst es für dich wollen, verstehst du. Für dich allein. Weil du es dir wert bist…“
    Jess nickte. „Ich weiß, Tessa. Und ich will es für mich. Natürlich auch für dich und uns. Aber hauptsächlich für mich. Ich bin noch zu jung zum Sterben. Und wenn du dich ändern kannst, wieso sollte nicht auch ich das können? Jeder kann das, oder nicht? Auch wenn es schwer wird. Aber ich glaube, das – das war ein Zeichen. Es ist meine letzte Chance, verstehst du. Die allerletzte. Und ich werde sie nutzen, Tessa.“
    Tessa brauchte einen Moment, um diese Information zur Gänze zu verarbeiten, dann hellte sich ihr Gesicht auf.



    „Jess… das… ich finde das großartig“, stieß sie dann hervor und griff nach Jess´ Hand. „Und ich bin mir sicher, dass diesmal alles gut wird, vor allem, weil du es unter professioneller Hilfe machen wirst.“
    Jess nickte. „Ja, ich muss dort nur einen Therapieplatz bekommen, aber die Ärztin hat mir ihre Hilfe angeboten, und ich denke, das wird schon gut gehen. Und danach kann ich komplett von vorne anfangen. Es wird nicht leicht werden, aber diesmal bin ich guter Dinge, denn ich weiß, wofür ich es tu und was auf dem Spiel steht.“
    Er lächelte Tessa an. „Und nun möchte ich, Tessa, dass du mir ein bisschen was von dir erzählst. Du siehst ganz anders aus als noch vor einem Jahr. Obwohl du damals schon so hübsch warst, so bist du jetzt noch schöner, wirklich. Du siehst tatsächlich irgendwie… reifer und erwachsener aus. Erzähl bitte ein bisschen etwas.“



    Tessa lächelte verlegen. „Ich weiß nicht… was soll ich da schon erzählen? Ich studiere ja seit März letzten Jahres. Und – ja, es klappt ganz gut.“
    Jess lächelte ihr zu. „Das ist wunderbar. Ich bin froh, dass du trotz allem angefangen hast mit dem Studium.“
    „Ja – es war nicht einfach, aber meine Freundin Monika hat mir den Kopf zurecht gerückt…“
    So begann Tessa ein wenig zu erzählen, wie sie Monika kennen gelernt hatte und wie es auf der Uni war und auch, dass sie einige andere Freunde gefunden hatte, die ihr beistanden.
    Nach einer Weile merkte sie, wie Jess´ Konzentrationsfähigkeit allmählich nachließ und er etwas blass und still wurde.
    „Bist du müde?“, unterbrach sie sich darum nach einer Weile und sah ihn besorgt an.
    „Ein wenig“, gab dieser zu. „Ich bin wohl immer noch nicht so fit, wie ich gerne wäre.“
    „Lass dir Zeit“, erwiderte Tessa sanft. „Du bist schon viel fitter, als wir alle es noch vor zwei Tagen je gedacht hätten. Du solltest jetzt eine Runde schlafen, und ich komm dich morgen wieder besuchen.“
    Sie lehnte sich nach vorne und küsste Jess sanft, was dieser erwiderte.



    In diesem Moment öffnete sich die Türe und Doktor Langboldt kam ins Zimmer. Als er die Szene erfasste, lächelte er und sagte: „Oh, ich hoffe, ich störe nicht.“
    Verlegen stand Tessa auf und schüttelte den Kopf. „Oh – ähm, nein, ich wollte gerade gehen.“
    Doktor Langboldt lachte leise auf. „Nun – wegen mir müssen Sie das nicht. Ich wollte nur noch einmal nach unserem Patienten schauen.“ Er wandte sich Jess zu. „Wie fühlen Sie sich, Herr Berger?“
    Jess lächelte. „Ein bisschen matschig, aber sonst ganz gut.“
    „Wirklich erstaunlich, wie gut Sie sich in diesen Tagen erholt haben“, sagte der Arzt anerkennend. Tessa stützte grinsend die Hände in die Hüften.
    „Ja, er ist ein echtes Naturtalent im Sich-Aufrappeln“, zwinkerte sie Jess zu und dieser grinste schief.



    „Aber jetzt muss ich mich verabschieden, ich glaube, Jess ist ziemlich müde und ich hab auch noch einiges zu tun.“
    „Bis morgen, Tessa“, sagte Jess leise und winkte ihr zu.
    „Auf Wiedersehen, Frau Wagner.“ Doktor Langboldt nickte ihr freundlich zu.
    Lächelnd schloss Tessa die Tür hinter sich und trat langsam und aufgewühlt ans gegenüberliegende Fenster, wo sie ihren Blick über die schneebedeckten Häuser schweifen ließ.



    Sie war glücklich.





    Fortsetzung folgt.

  • Das sind ja mal wirklich tolle Neuigkeiten, liebe Innad! Jess scheint wirklich auf dem Wege der Besserung und auch, dass er nun wirklich und für sich einen professionellen Entzug machen will freut mich sehr!
    Die Erlebnisse der Tage und auch Tessas Halt haben ihn wohl wacher als alles zuvor gerüttelt! Gut so!
    Es ist zwar schade, dass erst so eine Situation kommen musste, aber lieber spät als zuspät oder nie! Ich drücke ihm jetzt schon alle Daumen für sein Wagniss!
    Ich denke Tessa tat es gut nun auch einmal wieder mit Jess reden zu können und nicht nur neben ihm zu sitzen und ihn anzusprechen. Seine Stimme war wohl für sie bitter nötig!


    Ich bin sehr gespannt, wie es weitergehen wird. Ob Jess wirklich zu einem Entzug aufbrechen wird, oder vorher noch etwas unvorhersehbares passiert, ob Tessa mit ihren Eltern nun besser zurecht kommt und und und... Freu mich auf die nächste Fortsetzung!

    [CENTER][COLOR="White"]Bussi @all Kiara :wink
    ***************[/CENTER][/COLOR]




    [CENTER][SIZE="1"][COLOR="Sienna"]P.S. Für Rehctshcbriefleher wird kiene Hatufng übrnemoemn! *g*[/COLOR][/SIZE][/CENTER]

  • Hi Innad,


    also erstmal fand ich es toll, dass Tessa sich mit ihren Eltern auseinandergesetzt habe. Die erste Reaktion hab ich auch fast so erwartet und auch Tessas Antwort darauf konnte ich verstehen, allerdings bin ich nun froh, dass momentan alles geklärt zu sein scheint.
    Auch Tessa tut es sehr gut, das mal von der Seele zu haben vermute ich.


    Die neue Fortsetzung gefällt mir sehr gut.
    Ich freue mich das es sich für die Beiden auch mal zum Guten wendet. Ich hoffe das mit Jess Entzug klappt und die beiden können das Leben fürhen dass sie so gerne haben wollen.


    Ich bin gespannt wie es weitergeht und freu mich schon ;)


    lg Verena

    [center]~*~
    Nicht alle sind glücklich die glücklich scheinen, manche lachen nur um nicht zu weinen.[/center]

  • Hallö Innad, :)


    Na, das sind doch endlich mal richtig gute Neuigkeiten. Nicht nur, dass Jess endlich über den Berg ist und wieder voll wach und ansprechbar, nein er ist auch voller Mut und voller Energie sein Leben wieder in den Griff zu bekommen. :)
    Für Tessa muss es nach der ganzen Anspannung und der ganzen Bangerei der letzten Tage eine unglaubliche Erleichterung sein, dass ihr Jess endlich eingesehen hat, was die Drogen ausrichten und wie sehr sie ihm das Leben noch erschwert haben. Ich hoffe nur, dass er den neuen Mut nicht wieder verliert, wenn der Entzug richtig los geht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Tessa das ganze Drama nochmal durchstehen könnte, sollte das passieren. Irgendwann hat auch der stärkste Geist seine Grenzen erreicht.


    Die Therapie hört sich aber vielversprechend an und ich drücke Jess die Daumen, dass er es durchhält. Für Beide wird es sicher nicht einfach, Jess wird wieder ziemlich leiden müssen und für Tessa muss der seelische Druck auch sehr hoch sein. Das sind keine einfachen Zeiten für die Zwei, aber wann war es für Beide jemals einfach?


    Ich freu mich auf jeden Fall auf die nächste Fortsetzung und diesmal warst du auch nicht zu schnell für mich. :D
    Ganz liebe Grüße
    Llyn

    You are never more alive than when you're about to lose your pants!



    FS: Sunrise Update: 04.06.19

  • Kiara: Hach, Du machst mir mit Deinem KOmmi eine echte Freude, weisst du das? Weil Du einfach im letzten Absatz auch noch einmal so schön aufzählst, was jetzt noch alles kommen und passieren könnte... ich hab nämlich so ein bißchen Bange, dass jetzt, wo Jess wieder da und sozusagen "alles gut" zu sein scheint, der Spannungsbogen in den Keller sackt. Aber so einfach ist das ja alles nicht. Da hätte ich ja auch gleich am Anfang sagen können, reiches Mädchen lernt armen Kerl kennen und alles ist gut. ;)


    Darum find ich es toll, dass Du auch jetzt noch weiter denkst... die Story ist nämlich noch lange nicht zu Ende, auch wenn es danach aussehen mag!


    Dass Jess endlich wachgerüttelt worden ist, hat wohl wirklich mit allem zu tun, was geschehen ist. Auch dass er dem Tod so nahe war wie nie zuvor. Ich denke, das und auch die Tatsache, dass Tessa ihm verzeiht, gibt ihm den nötigen Halt. Er weiß jetzt, dass es nur zwei wege gibt - Entziehen und Leben oder Nicht-Entziehen und Sterben. Einen von beiden wird er also gehen...


    Danke für Deinen kommi!



    Shareena:
    Ja, es war wichtig, dass Tessa endlich mal die Wahrheit gegenüber ihrer Eltern raus ließ. Sonst wäre ja auch eine echte gemeinsame Zukunft mit Jess von Anfang an undenkbar gewesen. Ich find es auch wichtig zu sehen, dass sie es gemacht hat, BEVOR sie von Jess Entschluss wusste, also ohne jedwede Bedingung daran zu knüpfen.
    Ob Jess und Tessa noch glücklich werden, ist natürlich noch fraglich, klar, jetzt sieht alles gut aus, aber einfach werden wird es nicht.
    Danke für Deinen Kommi!




    @Llyn:
    Ja, auch Du siehst es ganz richtig, es wird nicht einfach werden. Auch wenn jetzt alles noch "Gut" aussieht - es gibt noch viele Unbekannten.
    Und ich glaube auch nicht, dass Tessa das nochmal so unbeschadet übersteht... ich denke, da würde viel kaputt gehen.
    Danke für Deinen lieben KOmmi!!! *winke*



    @ALL: Ich hoffe, ihr seid lesefest. Die nächste FS ist echt arg lang. Aber ich dachte mir, es bringt wenig, sie in 2 zu teilen - also lest es halt in 2 Abständen, wenn ihr mögt :D

  • Liebe Innad, entschuldige biete das ich mich so lange nicht gemeldet habe.:(
    Ich habe zwar immer fleißig mitgelesen und jede Fs fieberhaft erwartet, doch für einen Kommi fehlten mir einfach die Worte obwohl die ganzen Fortsetzungen sehr schön waren.
    Doch ich war nicht so auf dem Posten und da fällt einem das Denken etwas schwer.
    Ich freue mich so das Jess übern Berg ist, was seinen Verletzungen angeht. Noch mehr aber das er sich dazu entschlossen hat, einen erneuten Entzug zu wagen. Es wäre echt schade wenn er sein Leben einfach so weggeworfen hätte und nicht ja noch so kleine Möglichkeit von den Drogen loszukommen nutzen würde.
    Das Tessa ihn noch genauso liebt, gibt ihn vielleicht die nötige Kraft alles durchzustehen auch wenn es für beide wieder sehr schwer werden wird. Doch das Leben ist sehr hart und so manch einer hat es doppelt schwer. Aber Tessa hat da völlig Recht, Jess muss es wirklich für sich wollen von den Drogen loszukommen. Es gibt keinen der ihn den Willen abnehmen kann. Man kann noch so sehr auf einen Süchtigen einreden, egal ob es Drogen oder Alkohol ist, wenn derjenige von sich aus nicht sagt „ich will Leben“ dann nutzen die besten Worte nichts. Doch bei den meisten ist es leider so, dass sie ihr Problem gar nicht so extrem empfinden. Doch Jess hat es eingesehen, das der Tod schon an der Tür klopf und es nur eine Chance gibt ihn zu entrinnen.
    Nun haben sich die Beiden wieder und neue Hoffnung auf etwas Glück ist entstanden.
    Tessa steht jetzt völlig hinter Jess und hat sogar ihre Eltern die Liebe zu ihm gebeichtet was ihr sicherlich nicht leicht gefallen war.
    Das Jess jetzt in professionelle Hände kommt, gibt noch zusätzlich Hoffnung dass er es diesmal schaffen könnte. Doch er muss ja auch so noch auf der Hut sein, dann diese Hellows werden ihn immer wieder attackieren wenn sie ihn sehen. Diese Bande sollte man dingfest machen.
    Ich freue mich jedenfalls so das die beiden wieder zusammen sind und das die Zeiten nur noch besser werden können auch wenn noch viel arbeit und schmerz drin steckt bis Jess so einigermaßen seine Sucht überwunden hat.
    Wie gesagt das waren sehr schöne Fortsetzungen und wie immer freue ich mich auf die nächste die ja bald kommt so wie ich gelesen habe.
    Bis dann!:)

    [SIZE=3]*liebe grüße Ines*[/SIZE]
    [SIZE=3]Meine erste FS! Eine etwas andere Familie! [/SIZE][SIZE=3]
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    Liebe Grüße an Nintendog, Rivendell, PeeWee, Jane Eyre, Kautschi, Llynya, colle Omi, wawuschel, Panakita, Josijusa, Filour, fallin'angel undalle Leser!:knuddel



  • Kapitel 67
    Des einen Freud, des andern Leid


    „Hey ihr beiden! Ihr seid ja schon da!“, rief Tessa erfreut aus, als sie die Treppen nach oben kam und Felicitias und Joshua an der Bar des „Friends“ entdeckte.
    „Ja, weil du ein bisschen zu spät ist“, gab Joshua belustigt zurück und schob den Barhocker neben sich ein Stück nach hinten, damit Tessa dort Platz nehmen konnte.
    Tessa lachte. „Ja, entschuldigt, ich… ja, ich war noch unterwegs und bin direkt hierher gekommen, da hab ich mich wohl etwas verpasst. Könnt ihr mir noch mal verzeihen?“


    Joshua und Feli lachten auf. „Weil du es bist“, sagte Joshua zwinkernd und betrachtete die junge Frau neben sich bewundernd. „Du siehst heute irgendwie anders aus, Tessa. Du strahlst ja richtig. Hast du ein Honigkuchenpferd verschluckt?“
    Tessa kicherte. „Nein, nicht wirklich, ich hatte zwar ein Honigbrötchen zum Frühstück…“
    „Aha!“, stellte Joshua fest und grinste. „Wusste ich es doch!“
    „Habt ihr schon was zu trinken bestellt?“, fragte Tessa schnell.
    „Nein“, erwiderte Feli. „Wir wollten auf dich warten.“
    „Dann lasst mich mal, ich lade euch heute ein“.
    Tessa wandte sich der Kellnerin zu und bestellte für alle drei einen alkoholfreien Cocktail.



    Skeptisch sahen ihre Freunde sie an. „Was ist los, was ist der Grund für diese Großzügigkeit? Deinen Geburtstag vergessen haben wir definitiv nicht, der ist erst wieder in einigen Monaten. Haben wir irgendwas verpasst?“
    Tessa lächelte und zuckte mit den Schultern. „Kann man wohl sagen, ja…“



    Joshua sah sie aufmerksam an und auch Feli lehnte sich nach vorne, um ihr ins Gesicht blicken zu können.
    „Was ist los, Tessa?“
    Sie drehte sich lächelnd zu Joshua um und wollte gerade Luft holen und ihren Freunden alles berichten, als sie den Blick Joshuas brauner Augen plötzlich bewusster wahrnahm als vorher und stockte.
    Verwirrt blickte sie ihm ins Gesicht und schluckte dann hart, drehte sich zur Seite und murmelte wesentlich gedämpfter als zuvor: „Ich… ich würde sagen, wir warten erstmal, bis wir was zu trinken haben. Ich bin völlig ausgetrocknet…“
    Joshua sah sie besorgt von der Seite an. „Es ist doch nichts passiert, oder? Etwas schlimmes, meine ich?“


    Tessa schüttelte den Kopf und erwiderte nichts mehr, sondern starrte einen Moment nur gedankenverloren vor sich hin. Feli schien zu begreifen, dass ihre Freundin einfach noch einen Augenblick brauchte und plapperte munter und unbekümmert über ihre Hausarbeit und wie weit sie sei, so verwickelte sie Joshua sehr schnell in eine kleine Diskussion über eine Quellenangabe, die sie für fragwürdig hielt, er jedoch nicht.
    Tessa derweil hörte den beiden nur mit halbem Ohr zu und warf dabei immer wieder Seitenblicke zu Joshua. In den letzten Monaten hatte sich das Verhältnis zwischen ihnen wieder so entspannt, und an die Begebenheit im Park hatte keiner von ihnen jemals mehr ein Wort verloren, sie schien fast schon nicht mehr existent zu sein. Sie waren Freunde, sehr gute Freunde – mehr nicht. Doch eben, als sie so fröhlich und ausgelassen an die Bar gekommen war, hatte sich Joshuas Blick verändert und mit einemmal musste Tessa erkennen, dass er offenbar immer noch mehr als rein freundschaftliche Gefühle für sie hegte.
    Wenn sie nun bedachte, was sie ihren Freunden gerade zu erzählen plante, machte sich ein Knoten in ihrem Magen breit.


    Sie hatte die ganze Zeit keinen Gedanken daran verschwendet, wie die Offenbarung von Jess´ Rückkehr und der plötzlichen Hoffnung auf eine vielleicht doch noch glückliche und gemeinsame Zukunft als Paar auf Joshua wirken würde.
    Nachdem die ersten Tage nach Jess´ Auftauchen nur Monika von allem gewusst und sich so von ganzem Herzen für ihre Freundin gefreut hatte, war es Tessa kaum in den Sinn gekommen, dass die beiden anderen Menschen, die ihr so nahe standen, anders reagieren könnten. Bei Feli hatte sie da nach wie vor keine Sorgen – aber nun, da ihr wieder klar geworden war, dass Joshua vielleicht noch Gefühle für sie hegte, hatte sie plötzlich Angst, ihm zu sagen, was geschehen war.
    Sie warf einen schnellen Blick auf ihn. Er hatte sich mit einem Arm auf den Tresen gestützt und schnaubte gerade etwas von „völlig unlogisch“ in Richtung Feli, während die Kellnerin die Cocktails auf den Tresen vor ihnen stellte. Rasch griff Tessa nach dem Glas und trank einen hastigen Schluck. Es tat ihr im Herzen weh, die Gewissheit zu haben, Joshua gleich furchtbar weh tun zu müssen. Aber es führte kein Weg daran vorbei.



    Feli nippte an ihrem Drink und beendete die Diskussion um die Quellenangabe rasch, indem sie sich bereit erklärte, sie zu ändern und Joshua somit keinen Diskussionsbedarf mehr gab. Dann wandte sie sich ihrer Freundin zu und sagte: „So, Tessa, nun, da wir was zu trinken haben, spann uns nicht mehr länger auf die Folter und sag uns, was los ist.“



    Auch Joshua drehte sich nun gespannt zu Tessa und wartete darauf, dass diese etwas sagte.
    Nervös fuhr diese sich mit der Zunge über die Lippen, seufzte dann und dachte bei sich, dass es vielleicht wie mit einem Pflaster zu handhaben sei – je schneller es abgerissen war, desto weniger weh tat es, und so war es vielleicht auch hier.



    „Es ist so“, sagte sie darum mit fester Stimme. „Jess ist wieder da.“
    Einen Moment herrschte Stille zwischen den drei Freunden, dann sagte Feli: „Wie meinst du das, er ist wieder da? Wie… wie geht das?“
    „Nun… er ist wieder zurück gekommen“, erwiderte Tessa langsam. „Am Wochenende… am Freitagabend. Ich fand ihn vor meinem Haus… zusammengeschlagen… er ist jetzt im Krankenhaus, aber es geht ihm schon wieder ganz gut und... ja…“




    *geht noch weiter*