Ihre Gedanken wanderten zu Jess. Was geschah gerade mit ihm? War er schon im Krankenhaus angekommen? Sie realisierte plötzlich, dass sie immer noch keinen echten Zeitbegriff hatte und warf einen erneuten Blick zu der Standuhr. Es war inzwischen halb elf und sie erinnerte sich daran, sich etwa kurz nach neun Uhr an der Straßenkreuzung verabschiedet zu haben. Es lagen nicht einmal anderthalb Stunden zwischen jener Zeit und dieser und doch schien es, als sei der ganze Abend, das Lachen, die Pizza, der Rotwein – ihre Gedanken über ihren Schuhfimmel, die stille der Winternacht, durch die sie gegangen war… das alles schien so weit entfernt, als sei es vor Jahren geschehen und nicht erst vor Stunden.
„Wann ist der Krankenwagen losgefahren?“, wollte Tessa an Herrn Ebert gewandt wissen.
„Etwa um zehn Uhr“, erwiderte dieser ruhig. „Vielleicht auch ein paar Minuten später.“
Tessa nickte und starrte wieder schweigend geradeaus.
Wieder wanderten ihre Gedanken zu Jess. Seit er in die Klinik gebracht worden war, schien also etwa eine halbe Stunde vergangen zu sein. Was machten sie dort gerade mit ihm? Unweigerlich schossen ihr Bilder von seinem leblosen Körper durch den Kopf, wie er von in steril-grüne Umhänge gehüllte Ärzte auf einen OP-Tisch gehievt wurde, ihm ein Schlauch in den Hals geschoben oder sonst etwas … sie schlang die Arme um ihren Oberkörper, als wolle sie sich gegen diese gruseligen Vorstellungen schützen, doch es gelang ihr nicht. Sie dachte an das Gesicht, das sie so liebte und dessen hässliche Entstelltheit durch Blut und Schwellungen. Sie konnte nicht darüber nachdenken, wie es dazu gekommen sein konnte, ihre Gedanken waren zu sehr mit Angst erfüllt.
Sie sehnte sich mit jeder Faser ihres Körpers danach, jetzt bei ihm zu sein, zu erfahren, wie es ihm ging, ob er es schaffen würde. Sie wollte ihn halten, ihn sehen, ihn berühren… aber sie wusste nicht einmal, ob er noch lebte.
Das Klingeln an der Haustüre riss sie aus ihren bedrückenden Gedanken. Nur wenige Sekunden später stand Monika im Zimmer, die Haare wuschelig und zerrauft, ganz so als ob sie schon geschlafen habe, in dieselben Kleider gehüllt wie anderthalb Stunden zuvor. Sie sah Tessa aufgeregt an und zog sie dann in ihre Arme.
Tessa klammerte sich an ihrer Freundin fest wie an einem Rettungsring. Sie war noch nie in ihrem Leben so froh gewesen, ein vertrautes Gesicht zu sehen.
Denn so nett die Eberts sie auch behandelt hatten, umso wichtiger war es in jener Situation, vertraute Menschen um sich zu haben, denen man nichts erklären und keine Fragen beantworten musste – die einfach nur da waren.
Monika lächelte den Eberts höflich zu und sagte dann ohne Umschweife: „Wo müssen wir hin, Tessa?“
Tessa warf einen hilfesuchenden Blick zu Herrn Ebert. In ihrem Kopf schien immer noch zu viel Chaos zu herrschen, sie wusste nicht mehr genau, in welche Klinik man Jess gebracht hatte.
„Weststadtklinik“, half dieser ihr denn sofort auch weiter. Monika nickte und drückte Tessa die Jacke in die Hand. Sie drehte sich noch einmal zu dem Ehepaar und sagte: „Danke, dass Sie sich um Tessa gekümmert haben.“
Auch Tessa lächelte den beiden noch einmal zu. „Ja – vielen Dank nocheinmal.“
„Das war doch selbstverständlich“, erwiderte Herr Ebert. „Ich wünsche Ihnen alles Gute, und wenn Sie etwas wissen, kommen Sie doch einfach mal vorbei und sagen uns Bescheid, ja?“
Sie nickte und Frau Ebert fügte hinzu: „Wir denken an Sie und beten für Ihren Freund, Frau Wagner.“
„Vielen Dank“, erwiderte Tessa mit zittriger Stimme, dann folgte sie Monika hinaus in die kalte Nacht.
Nur wenige Sekunden später hörten die beiden Eheleute das hektische Zuschlagen von Autotüren und dann entfernte sich das Motorengeräusch und wurde immer leiser. Und nichts blieb als die Stille der verschneiten Nacht.
Fortsetzung folgt.
[Fotostory] Tiefer als der Schmerz
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Ja, Ja, Jaaa! Er lebt!!!
Eben, eben, sowas (ich mag´s gar nicht nochmal schreiben) wär´aber gar nicht gut gewesen, nein, nein!
Mit den Eberts hat Tess wirklich entzückende Nachbarn erwischt!
Sie kümmern sich sehr, sind mitfühlend und dabei doch im nötig Maß zurückhaltend - ganz liebe Leute. Und ihre Wohnung fand ich auch bezaubernd.
Tja, jetzt zittere und hoffe ich mit Tess um Jess` Leben. Wenn ich die Alternative bedenke, bin ich doch froh darüber!
War (wieder) eine wundervolle Fortsetzung und ich mag die Art, wie du diese Wartezeit, die Gedankengänge und inneren Bilder von Tess beschreibst!
Bin grad´ein bisschen kurz angebunden, weil ich eigentlich gar keine Zeit zum hier rumschreiben hab, aber wenn´s mich so juckt in den Fingern...
LG Josijusa -
Ich hoffe für Tessa, dass er noch lebt, nur denke ich an meine anfängliche Teorie zurück, so müsst er jetzt gestorben sein. (mensch klingt das hart!)
Tessa hat es absolut nicht leicht in ihrem jungen Leben. Womit hat ein Mensch so ein Schicksal verdient? Wie wird ein Schicksal überhaupt jemanden zugeordnet? Lässt ein Schicksal sich überhaupt zuordnen???
Liebe Innad, du musst langsam denken, dass ich deine FS hier vollkommen vernachlässige, aber dem ist nicht so. Ich komme einfach zur Zeit aus RL-Gründen nicht so zum kommentieren, wie ich gerne möchte, und das schließt auch oft das zeitnahe lesen mit ein. Aber nun hab ich mich auf den aktuellen Sachstand gebracht.
Toll fand ich Tru´s besuch. Der war lange überfällig für Tessas Seele. Auch Joshs verständnis find ich toll, auch wenn ich mir sowas im wirklichen Leben nur schwer vorstellen kann. Nehmen wir einfach mal das Beispiel eines Beziehungsende. Wie oft werden die Worte gesagt "Lass uns Freunde bleiben" und wie oft kann dies wirklich in die Tat umgesetzt werden? Josh leidet sicherlich sehr, aber saugt durch den Kontakt den er mit Tessa halten kann, jedes kleinste Körnchen von ihr auf, um seine Seele zu beruhigen.
Jess ist halt ein Teil von Tessa und wie man an deinem letzten Kapitel unschwer erkennen kann ein Teil der immer wieder von der fiktion ihrer Träume in die Realität zurückzukehren scheint. Niemand hätte damit gerechnet, besonders nicht nach dem Treffen mit Jasmin, aber so ist es.Zur Zeit hoffe ich, dass Tessa noch rechtzeitig im Krankenhaus ankommt, um sich von Jess zu verabsichieden, der sicherlich gehen wird, aber ich hoffe, dass beide noch ein paar Gedanken austauschen können und Jess Tessa ermutigt wieder zu leben und zu lieben. Das könnte ich mir als das passende Ende denken.
Ich erinnere nochmals an den Prolog wo Tessa unter der Eiche sitz und an Jess denkt. Ich denke er wird ihr die Kraft mit seinen letzten Worten geben wieder ein vollwertiger Mensch ohne Schuldgefühle, dafür mit Liebe im Herzen zu werden.Auch wenn ich nicht immer einen Kommi da lasse, sei dir gewiss, dass ich lesen werde und sobald es meine Zeit erübrigt hier etwas schreiben werde. Zur Zeit beschleicht mich das Gefühl, dass wir dem Ende dieser wundervollen Geschichte, quasi diesem Tagebuch des Lebens von Tessa, nähern.
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Hallo Innad,
ZitatFortsetzung folgt.
welch grausame Worte - "es geht gleich weiter" finde ich persönlich viel besser.
Ein Lob muss ich Dir für die vielen kleinen Rückblicke im Zusammenhang mit Jess machen. Tolle Darstellung - ich war zutiefst beeindruckt.
Ich finde mit der Darstellung des Traumes hast Du die innere Zerrissenheit von Tessa im Bezug auf das bevorstehende Date richtig gut heraus gearbeitet.
Joshua ist doch ein echt netter Kerl. Da will er in seiner Liebe zu Tessa eine breite Schulter anbieten und Tessa kann sie nicht annehmen. "gibt" sie lieber, als das sie "nimmt"? Sie scheint ja lieber einen Mann zu haben, um den sie sich kümmern kann. Schwach, aber dennoch männlich, geheimnisvoll. Ich denke, dass ist eine Eigenschaft, die Joshua so gar nicht hat.
Dein Spannungsbogen war weltklasse - erst sehen wir Tessa am Bahnhof, dann noch die Kapitelüberschrift "Wiedersehen" und zu unserer Überaschung treffen wir ... nein nicht Jess (wie man hätte glauben können nach den Erinnerungen)...Tru. Auch schön - für Tessa.
Dann das treffen mit Jasmin. Hoffnungen Jess jemals wiederzusehen werden im Keim erstickt. Zurück läßt Du mich mit Hoffnungslosigkeit.
Hinzu erfahren wir, dass Jess auch in den wohl innigsten Momenten seine Geheimnisse (Verlust der Großmutter) bewahrt. Ein Akt um Tessa zu schützen, um ihr nicht noch mehr zuzumuten? Ein Künstler in Verdrängung? Oder wirklich der Versuch eines Starts in ein unbelastetes Leben ohne Schmerz?
Steetworker? Hat sich da jemand durch eine bestimmte Fernsehserie inspirieren lassen?
Aber dann - Lebloser Körper am Straßenrand. In der Erinnerung kommt mir die Gedanken an Monikas Geschichte. Wird jetzt Jess aus der Story geschrieben?
Nein, er lebt, aber sein Leben hängt an einem seidenen Faden (die im übrigen doch sehr stabil sind, wenn man mal an die Natur denkt). Aber dann ------------------------- und mit diesem Klang läßt Du mich zurück.
Tessa erholt sich wieder. Umsorgt von ihren Nachbarn und ihrer Freundin Monika. (wundert mich eigentlich, dass sie nicht auch gleich mit dem Zusammenbruch im Krankenhaus gelandet ist). Jetzt ist Tessa auf dem Weg ins Krankenhaus, aber sie ist keine Anghörige. Wird Tessa Jess jemals wiedersehen? Kann sie ihm beistehen, oder wird ihr Bedürfnis ihm nahe zu sein im Keim erstickt?
Jess ist zurück gekehrt - aber wirklich aus Liebe oder nur weil er fertig war und den letzten Notnagel genommen hat? Wie tief ist seine Liebe zu Tessa tatsächlich?Deine Bilder waren wieder sehr schön, aber ehrlich? Ich hing am Text.
Viele Grüsse aus Prisdorf
Arni -
Zitat
Zur Zeit hoffe ich, dass Tessa noch rechtzeitig im Krankenhaus ankommt, um sich von Jess zu verabsichieden, der sicherlich gehen wird, aber ich hoffe, dass beide noch ein paar Gedanken austauschen können und Jess Tessa ermutigt wieder zu leben und zu lieben. Das könnte ich mir als das passende Ende denken.
Ich erinnere nochmals an den Prolog wo Tessa unter der Eiche sitz und an Jess denkt. Ich denke er wird ihr die Kraft mit seinen letzten Worten geben wieder ein vollwertiger Mensch ohne Schuldgefühle, dafür mit Liebe im Herzen zu werden.Was für krasse Gedankengänge. Ich hoffe mal für mich, dass Du nicht recht haben wirst, denn ich mag die Figur von Jess. Ich finde - auch er sollte eine Chance zu einem liebevollen Leben haben. Endlich ist er mal im Krankenhaus - ganz am Boden - und muss Hilfe zulassen. Vielleicht ist es ganz gut so, dass er sich zur Zeit nicht selbstbestimmen kann. Nach der Intensivstation wird er sicher in die geschlossene Abteilung des Krankenhauses verlegt und hat eine echte Chance. Die Frage ist dann nur - wie geht er danach mit Tessa um? Schafft er es aus Scham ihr wieder nahe zu sein?
Viele Grüsse aus Prisdorf
Arni -
Hallo Innad :wink,
um ehrlich zu sein, ich bin erleichtert. Wenn Du Jess nur hättest wiederkommen lassen, damit Tessa weiß, was aus ihm geworden ist, und das er jetzt tot ist, und sie frei... irgendwie hätte das nicht Deiner Geschichte entsprochen... auch wenn es natürlich auch so gewesen sein könnte. Aber wie gesagt: es hätte irgenwie nicht gepaßt.
Jess... und das Leben ging weiter... das Studium, dass Tessa angefangen hat, die Freundschaften, die sie fand, darunter auch eine, aus der, wer weiß, einmal mehr werden könnte, denn welcher Mann wartet schon auf eine Frau, so, "nur als guter Freund"? Selbst Jasmine hat sie wiedergetroffen, und auch für sie ist die Zeit vorbei, die Zeit im Kontakt mit Drogen, auch wenn man die beiden Situationen nicht direkt vergleichen kann.
Und dann... dann ist da wieder Jess. Ob er sie gesucht hat? Gesucht, und dort gefunden, bevor er zusammenbrach? Oder hat man sie gesucht hat, und Jess dort abgeladen, damit sie ihn finden sollte, wer und warum auch immer? Egal, was es war, er ist wieder da. Unerwartet, leidend, schwer verletzt, und so präsent, wie lange nicht mehr, nichts mehr von verloren, geschweige denn unerreichbar. Und jetzt?
Das wird in erster Linie davon abhängen, wie kaputt Jess ist, wie die Drogen mit ihm ungesprungen sind und welche Chancen er noch hat, jemals wieder so gesund zu werden, um mit Tessa glücklich werden zu können. Auch, wenn Du uns diese Illusion nicht gönnst, denn stand ja anfangs schon fest, dass es nicht gut ausgeht. Aber wer weiß, wann Tessa dieses schreibt? Vieleicht liegen ja diverse glückliche Jahre dazwischen? Wünschen würde ich es ihnen. Wie heißt es so schön? Die Hoffnung stirbt zuletzt.Liebe Grüße, cassio
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Dem Himmel sei dank, Jess lebt!
Ich hab mi solche sorgen gemacht!
Ja tessas nachbarn sind wirklich ein Volltreffer...
Ich würde ja gerne noch mehr schreiben, am liebsten nen halben roman, ehrlich, aber ich schreib lieber net so viel da ich eben hingefallen bin und mich net grade wohlfühle!
SCW/Luxa -
Liebe Innad, hach ich bin so froh das man Jess noch helfen konnte, für den Anfang zu mindest denn ob er übern Berg ist, wissen wir ja noch nicht.
Tessa hat sehr tolle Nachbarn, ist ja leider nicht immer zu und viel machen die Übergadienen zu statt zu helfen.
Die Nachricht das Jess noch lebt, muss in Tessa ein enormes Gefühl ausgelöst haben. Jetzt besteht wieder Hoffnung aber zugleich auch Ängste ob er es schaffen wird.
Ich bin so froh das Jess noch lebt und freue mich sehr über die nächste Fs.
Bis dann!:) -
Liebe Innad
Du stürzt deine Leser wieder in grosse Gefühlsverwirrungen, ähnlich wie Tessa sie erlebt!
Ich konnte schon nach der letzten Fortsetzung nicht wirklich glauben, dass du Jess einfach so sterben lässt! Und jetzt lebt er wirklich (noch).
Wieder überlege ich mir, warum du den Titel "Tiefer als der Schmerz" gewählt hast, und es kommt mir der Gedanke, dass du damit meinen könntest, dass vielleicht der Wille, die Kraft zu leben schlussendlich über den Schmerz siegen wird. Und unter anderem deshalb halte ich es auch für sehr unwahrscheinlich, dass Jess überleben wird. So traurig mich das macht und so sehr ich es mir anders wünschen würde, aber ich denke, dass es so sein wird. Sie wird ihn im Krankenhaus noch besuchen, mit ihm reden können um sich endgültig von ihm verabschieden und ein neues Leben ohne ihn zu beginnen. Ihre Freundin Moni wird ihr dabei helfen und ihr beistehen in der schlimmen Zeit, die unweigerlich folgen wird.
Vermutlich hat Jess gespürt, dass er sterben wird und wollte sich von Tessa verabschieden.
Jedoch denke ich, dass es trotz der Tragik für Tessa einfacher sein wird dieses Mal mit dem Schmerz fertig zu werden. Denn sie wird nicht mehr von quälenden Gedanken der Ungewissheit geplagt werden müssen.So, und jetzt höre ich mal auf mit meinen Spekulationen, denn noch lebt Jess ja.
Es war wieder eine wunderschöne Fortsetzung, alles so stimmig, die ganze Atmosphäre, die Wohnungseinrichtung des Ehepaars Ebert, dein gefühlvoller Text. Super!:applaus
Lieber Gruss
Jane -
Mhm... ich will diesmal gar nicht soviel herumspekulieren. Ich lass mich in nächsten Teil einfach überraschen. Ich bin nur gespannt wie es weitergeht und wie ich vorher schon geschrieben habe, hoffe ich das die Beiden noch einmal miteinander reden können.
Schön geschrieben Innad und wieder einmal tolle Bilder.
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Hallö Innad.
Also wurde unser aller Flehen doch erhört und Jess lebt noch! *uff*
Fragt sich wohl nur wie lange? Ich hoffe, dass Tessa noch rechtzeitig ankommt und noch mit ihm sprechen kann. Ich gönne ihr, dass alle Fragen die sie hat noch beantwortet werden!Hm, irgendwie hab ich gerade nicht wirklich viel mehr zu sagen. Darum ist der Kommi auch so kurz heute. Beim nächsten Mal wirds wieder besser, versprochen!
Ganz liebe Grüße
Llyn -
Boah - so viele tolle Kommis!!! Ich bin echt happy, dass ihr so begeistert mitlest! Das tut gut!
Josijusa: Danke, dass Du Dir trotzdem die Zeit genommen hast für den Kommi, das freut mich ganz besonders! Und er war trotzdem so lang! Die Wohnung der Eberts gefiel mir auch sehr gut, und das, obwohl sie fast nur aus MAxis-Sachen bestand Danke für deinen lieben Kommi!
Kiara: Ich hab eigentlich nie daran gezweifelt, dass Du noch mitliest, ich merke ja selbst, dass Du weniger im Forum bist, auch an Deiner eigenen wundervollen Geschichte, und ich hoffe, dass das RL Dich nur in positiver Hinsicht so sehr einnimmt!Dennoch hast Du Deine berüchtigte Spürnase nicht verloren, aber ob Du diesmal richtig liegst (hihi, das erinnert mich an 1-2 oder 3 von früher... :D), verrate ich nicht. Du sagst, Du glaubst, wir nähern uns langsam dem Ende der Geschichte - mh, ja... allmählich schon, wenn man sich die Gesamtzahl der Kapitel anschaut zumindest schon... aber WIE nahe wir wirklich sind, ist noch mein kleines, süßes Geheimnis... jedenfalls kann ich Dir und Euch versichern, dass Ihr mich noch ein Weilchen ertragen müsst
Deine Theorie, wie es jetzt weitergeht, ist wirklich recht hart, aber durchaus schlüssig, zugegeben, nur ob sie auch zutrifft, lass ich mal noch offen. Du hast ja von Anfang an die Vermutung gehabt, dass die Geschichte um Jess und Tessa nicht gut ausgehen wird.
Danke für Deinen lieben und so spürnasentypischen Kommi, liebe Kiara *winke*
arni: Dass Du am Text hingst, ist ein riesiges Kompliment für mich, da der mich auch am meisten interessiert *gg*
Was Joshua angeht - Du schreibst, evtl würde Tessa lieber geben denn nehmen. DAs kann sogar sein, ja. Aber ich glaube, dass sie ihn abgewiesen hat, hing wirklich noch zu sehr daran, dass Jess noch zu präsent war... ich meine, es war ja auch erst ein gutes halbes Jahr oder so vergangen und wenn man jemanden wirklich liebt, ist das nicht so arg viel Zeit, um ihn aus dem Herzen zu verbannen... das dauert womöglich Jahre und wie schon mehrfach ja auch erwähnt wurde, fehlte Tessa bisher ja der Abschluss der ganzen Sache mit Jess... sie hatte ja immer noch die vage Hoffnung, er könne zurückkehren, was sich nun ja auch wirklich bestätigt hat.
Was ist mit Jess, das ist die große Frage. Dass Tessa nicht auch ins Krankenhaus kam, lag übrigens daran, dass sie keinen "echten" Zusammenbruch hatte, sondern einfach ein bißchen schwummrig geworden ist und die alten Leute sie direkt ins Haus brachten, bevor es soweit kommt und so lange ihre Beine sie noch getragen haben. Es gibt ja Zustände, in die man kommt, die noch ein Stück von einer "Ohnmacht" entfernt sind, aber in denen man schon durchaus nicht mehr wirklich "online" ist sozusagen.Wieso Jess dort aufgetaucht ist, das ist natürlich auch eine riesige Frage, die sich Tessa auch noch stellen wird, sobald sie wieder klarer denken kann. Ist er aus Liebe zurückgekommen oder eher aus Verzweiflung?
Und selbst wenn er überlebt und Kiara nicht recht haben sollte mit ihren Gedankengängen... gäbe es noch eine Chance?
Was Du über das Krankenhaus und die Möglichleiten, die er dort hätte, geschrieben hast, ist durchaus nicht falsch. Nur wird er sie nutzen, falls er wirklich überleben sollte?Ich verspreche Dir - alle Fragen werden sich noch klären!
Danke für Deinen lieben Kommi! (eigentlich waren´s ja sogar zwei!)
cassio: Ja, ich gebe dir recht, wenn er jetzt sofort gestorben wäre, das wäre wohl etwas zu fix gegangen. Aber ich habe ja oft angedeutet, dass Tessa dringend einen Abschluss bräuchte, um weiterleben zu können- Sozusagen um das, was sie angefangen hat, weiterzuführen und in die Konsequenz zu bringen, nach einer gewissen Zeit der Trauer natürlich.
Das soll nicht heißen, dass Jess unbedingt stirbt - es ist nur eine Möglichkeit und deren Logik.
Ich möchte auch mal offenlassen, dass der Prolog da eine klare Aussage gibt - ich denke, das kann man in beide Richtungen deuten.
Und Jess ist wieder präsent, ja. Plötzlich scheint Tessas altes Leben, das mit Joshua, Feli, dem Spaß, der Freude, der Pasta-Abend und all das, wieder weit fort. Die Drogen sind wieder da, die Angst, die Hilflosigkeit ... alles. Die Frage ist nur, ob es diesmal anders ist als beim letzten Mal - denn sie ist nicht mehr alleine.
Danke für Deinen tollen Kommi!
Luxa: Oh wei, ich hoff, es geht Dir wieder besser. Danke für Deinen lieben Kommi!!Ines: Hui, Du hast Deinen Namen geändert, gell? Ich war erst was verwirrt. Aber so gefällt es mir besser! *winke*
Ja, Jess lebt - noch. Was Du über die Übergardinen schreibst, stimmt - leider schauen viele Menschen weg... ist schon schlimm.
Danke für Deinen Kommi!
@JaneEyre: Es ist interessant, wie man den Titel deuten kann. In dem Trailer dazu, der auf der ersten seite verlinkt ist, steht am Ende ja auch: "Ist die Liebe wirklich auch tiefer als der Schmerz?" und das trifft es auch ganz gut, denn Tessa erleidet durch Jess ja immer wieder Schmerzen... eigentlich hat sie ja noch gar kein Glück mit ihm erlebt oder nur ersterbend wenig.
Den Titel könnte man aber trotzdem auch in jedwede andere Richtung interpretieren.
Deine Gedankengänge ähneln derer von Kiara... und wie ich auch schon bei ihr schrieb, sind sie schlüssig... aber ich verrate jetzt mal nicht mehr, außer dass ja noch alles offen ist.Danke für Deinen lieben KOmmi und einen Gruss in die SChweiz! *winke*
Shareena: Danke für Deinen Kommi!! *winke*
Llynya: Ich mag Deine Kommis doch auch, ob kurz oder lang! Und ja - er lebt noch (das *uff* fand ich sehr passend *lach*)!
Aber ob Tessa noch mit ihm reden kann? Es kommt wohl auf seinen Zustand an... ihr werdet es erfahren!!!Viel Spass mit Kapitel 60!
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Kapitel 60
Geh nicht!Schweigend fuhren die beiden jungen Frauen durch die Nacht. Es hatte immer noch nicht zu schneien aufgehört, einzelne Eiskristalle verfingen sich auf der Scheibe und wurden alle paar Sekunden hartnäckig von den quietschenden Scheibenwischern des kleinen Wagens zur Seite gewischt und verklumpt und achtlos von ihm auf die Straße geworfen.
Tessas Hände krampften sich in ihrer Hose fest. Sie warf Monika einen kurzen Seitenblick zu, doch diese war zu sehr darauf konzentriert, den kleinen Wagen so schnell wie möglich aber so sicher wie nötig durch die Straßen zu lenken. Hin und wieder fuhren andere Wagen an ihnen vorbei, einmal eines voller Jugendlicher, aus den Bassboxen dröhnte laute Musik und die kichernden Mädchen auf dem Rücksitz winkten den beiden Insassinnen des weißen Kleinwagens amüsiert zu, als ob man sich kennen würde.
Tessa musste unwillkürlich daran denken, wie sie früher mit ihrer Clique an Freitagabenden kichernd und bei lauter Musik in die Discotheken gefahren war, oft erst zu später Stunde. All das schien Jahrtausende her zu sein.
Endlich tauchte das Krankenhaus auf und Monika parkte den kleinen Wagen direkt neben dem Eingang, wo glücklicherweise ein Parkplatz frei war.
Dann blieben beide einen Moment regungslos sitzen. Tessa schluckte schwer. Sie schien sich kaum bewegen zu können, ihre Glieder erschienen ihr fast wie gelähmt. Sie wusste, dass sie dort drinnen vermutlich eine furchtbare Nachricht erwarten würde. Eine Nachricht, die sie irgendwie würde verkraften müssen… oder erwartete sie vielleicht doch Hoffnung? Was verbarg sich hinter diesen Wänden? Leid oder Freude?
So sehr sie sich die ganze Zeit hierher gesehnt hatte, so sehr sie Monika die ganze Zeit am liebsten zum Beschleunigen gedrängt hatte, so widersprüchlich waren ihre Gefühle in diesem Moment. Einen Augenblick verspürte sie sogar den Impuls, wieder umzudrehen und fortzufahren… egal wohin, nur weg – weit weg von der Wahrheit, die sie hier warten würde, jener Wahrheit, auf die sie so lange gewartet und mit der sie nicht mehr gerechnet hatte… doch sollte es wirklich so sein?
Auch Monika schien wie angewurzelt, hatte die Hände weiterhin auf dem Lenkrad liegen und sprach kein Wort. Das hatte sie die ganze Zeit nicht getan.Schließlich war es aber doch sie diejenige, welche die Stille durchbrach und fest sagte: „Wir müssen reingehen, Tessa.“
Sie sah ihre Freundin an. Tessa fiel auf, dass auch Monika blass und erschrocken aussah, fast als durchlebe sie etwas, das sie schon fast vergessen hatte, erneut. „Wenn wir hier draußen bleiben, ändert das auch nichts. Meinst du, dass du es schaffst?“ Ihre Stimme klang sanft.
Tessa nickte. „Ich muss. Für Jess…“
Monika nickte und gemeinsam öffneten sie die knarrenden Autotüren.Tessa blieb für einen Moment stehen und atmete die eiskalte, klare Luft tief ein. Dann schob sie all ihre Angst beiseite. Sie musste jetzt zu Jess – wo immer er auch sein mochte…
Ihre Beine setzten sich fast wie von selbst in Bewegung, als seien auch sie aus der Starre, die Tessa eben noch fest umklammert gehalten hatte, erwacht.
Monika folgte ihr, gemeinsam rannten sie auf den Haupteingang der Klinik zu. Der inzwischen knöcheltiefe Schnee knirschte unter ihren Schuhen und stob zu ihrer Rechten und Linken auf, als sie ihn durchquerten.Gemeinsam betraten sie das Krankenhaus. Der sterile Geruch schlug ihnen sofort in die Nase, doch sie ignorierten ihn alle beide. Tessa war als erstes an dem Empfangstresen auf der linken Seite des großen Foyers angekommen. Dort saß gerade eine Schwester oder Ärztin und sah einige Akten durch. Es war still in der Klinik, das große, mächtige Gebäude schien regelrecht zu schlummern.
Atemlos blieb Tessa vor dem Tresen stehen und wartete, bis die Ärztin aufsah und freundlich fragte, ob sie ihnen helfen könne.
„Ich hoffe“, erwiderte Tessa mit zittriger Stimme und warf Monika einen hilfesuchenden Blick zu, die ihr aufmunternd zu nickte. „Es geht um meinen… meinen Freund… er ist vor kurzem hier eingeliefert worden…“Die Ärztin erhob sich und kam auf die beiden jungen Frauen zu.
„Sein Name ist Jess Berger“, fügte Tessa rasch hinzu.
Die Frau nickte. „Ja, ich weiß, von wem sie sprechen – ich war dabei, als er eingeliefert wurde. Aber sie sind beide keine Verwandten, nicht wahr?“
Tessas Herz sank. Die Bürokratie hätte sie fast vergessen. Vage meinte sie sich daran erinnern zu können, dass man normalerweise nur Verwandten Informationen über Unfallopfer gab. Aber Jess hatte keine Verwandten mehr… sie war die einzige Person, die noch in irgendeiner Verbindung zu ihm stand.
„Nein“, sagte sie darum wahrheitsgemäß und sah die Ärztin fest an. „Zumindest wohl nicht in dem Sinne, den Sie meinen dürften.“Die Ärztin seufzte und schüttelte bedauernd den Kopf. „Wir dürfen nur Verwandten genaue Auskunft geben. Wenn Sie mir sagen, wenn ich noch benachrichtigen könnte…?“
Tessa seufzte und schüttelte den Kopf. „Niemanden“, erwiderte sie. „Es gibt niemanden außer mir. Er hat keine lebenden Verwandten mehr. Er ist schon lange Waise und hatte nur noch eine Großmutter, aber auch diese ist vor mehr als einem Jahr verstorben.“
Sie sah die Ärztin offen an. „Sie können von mir aus auf der Polizei anrufen oder sonst wo und seine Personalien überprüfen lassen… Sie werden feststellen, dass ich die Wahrheit sage. Er hat niemanden mehr außer mich. Ich bin die einzige Person, die noch in irgendeiner Verbindung zu ihm steht.“
Argwöhnisch blickte die Ärztin sie an. „Sind Sie sicher?“
Tessa spürte, wie ihre Geduld an ihre Grenzen stieß. Sie wollte endlich wissen, was mit Jess war! Lebte er noch, wie ging es ihm, wie standen seine Chancen? Vielleicht würde sie nur noch wenige Minuten haben, um ihn wenigstens noch einmal zu sehen, ihn zu sprechen oder ihn zu berühren… und sie verplemperte hier ihre Zeit mit dieser elenden Bürokratie, nutz- und zwecklos.
„Ich sage es Ihnen, es ist die Wahrheit!“, sagte sie ärgerlich und funkelte die Ärztin an. „Jess hat keine Verwandten mehr! Wenn Sie mir also nichts sagen, wird niemand anders mehr kommen, um nach ihm zu fragen… es gibt einfach niemanden mehr!“Die Ärztin schluckte. „Wie ist Ihr Name?“ fragte sie dann.
„Theresa Wagner. Ich hab ihn auch gefunden und den Notarzt gerufen“, erwiderte Tessa.
„Und Sie?“
Die Ärztin blickte Monika fragend an.
„Ich bin nur Tessas Freundin“, erklärte diese. „Ich bin nur mitgekommen, um ihr Beistand zu leisten.“
Die Ärztin ging zurück zum Tresen und sah sich eine Akte an, dann nickte sie. „Sie scheinen die Wahrheit zu sagen, zumindest hat der Notarzt hier genau die gleichen Angaben eingetragen wie Sie mir sagten.“
Tessa hätte am liebsten aufgestöhnt und sarkastisch erwidert, dass der Notarzt die Details über Jess´ Identität schließlich nicht im Internet recherchiert sondern von ihr selbst erfahren hatte, aber sie schwieg und nickte nur.
„Herr Berger ist gerade noch im OP“, erwiderte die Ärztin. „Ich kann Ihnen nicht viel mehr sagen, da mein Kollege den Fall übernommen hat. Aber ich werde ihm Bescheid geben, dass Sie sich nach Herrn Berger erkundigt haben und wir könnten Sie dann anrufen…“
Tessa schüttelte den Kopf. „Nein – nein, ich will hier warten! Ich… ich möchte sofort zur Stelle sein, falls…“
Sie schluckte und sagte dann leise: „Fall er es nicht schafft…“
Die Ärztin wehrte jedoch ab. „Frau Wagner – es kann Stunden dauern, bis wir genaueres wissen. Sie sollten nach Haus gehen und eine Runde schlafen..“*geht noch weiter*
-
Nun trat Monika nach vorne und legte die Hand auf Tessas Schulter. Diese fürchtete schon, sie würde ihr nun dasselbe sagen, doch stattdessen sah sie die Ärztin fest an und sagte: „Ich denke, wir sollten hier bleiben. Soweit ich das verstanden habe, steht es nicht allzu gut um Herrn Berger und wenn wir jetzt fahren, wird sich meine Freundin das nie verzeihen können. Verstehen Sie das denn nicht? Es könnte jede Sekunde zählen – denn es könnte die letzte sein. Oder irre ich mich etwa und er ist in einem derart stabilen Zustand, dass diese Sorgen unbegründet sind?“
Die Ärztin seufzte und schüttelte den Kopf. „Nein – nein, ich fürchte nicht.“
Tessa sah sie flehend an. „Wenn Sie noch mehr wissen, so sagen Sie es doch bitte… Sie brauchen uns nicht zu schonen, weil die Wahrheit zu bitter ist… ich… ich möchte nur wissen, wie seine Chancen sind. Sie sagten, er wird operiert? Wieso wird er operiert? Am Unfallort sagte man, er sei nur stark unterkühlt…“
Die Ärztin nickte. „Ja – das auch… er hatte mehrere Herzstillstände und wir haben festgestellt, dass er offenbar innere Blutungen hat… darum musste er in den OP.“
Tessa schluckte. Ihre Kehle war so trocken wie ein Stück Sandpapier. Das Schlucken tat regelrecht weh. Sie hatte auf dem Herweg eigentlich gedacht, es könnte kaum schlechter für Jess stehen… aber nun war sogar von inneren Blutungen die Rede. Woher sollten diese nur kommen.
„Wird… er es denn schaffen?“, flüsterte sie leise.
Die Ärztin seufzte. „Ich kann es Ihnen nicht sagen, Frau Wagner… ich habe ihn nur aufgenommen und sofort an meinen Kollegen übergeben, der ihn nun auch operiert. Es stand nicht allzu gut um ihn, aber ich habe auch schon schlimmere Fälle gesehen. Sie müssen jetzt einfach warten und hoffen.“
Sie kratzte sich am Kopf und deutete dann in Richtung der Besucherecke am anderen Ende des Foyerflügels. „Wenn Sie unbedingt hier warten möchten, dann tun Sie das. Sie können da vorne Platz nehmen. Ich sage im OP Bescheid, dass Sie hier sind. Sobald man mehr weiß, wird man Sie informieren.“
Tessa nickte dankbar und ging gemeinsam mit Monika langsam in Richtung der Besucherecke. Es war still im Krankenhaus. Auch die Ärztin verschwand und nun war niemand mehr zu sehen, außer der mürrischen Nachtschwester, die anstatt der Ärztin am Tresen Platz nahm, Tessa und Monika jedoch keines Blickes würdigte.
Die beiden jungen Frauen saßen eine Weile schweigend nebeneinander. Draußen fiel weiterhin sanft der Schnee zu Erde.
„Was ist eigentlich genau geschehen?“, durchbrach Monikas Stimme irgendwann die Stille.
Tessa schüttelte den Kopf, fast so, als wolle sie das, was sie erlebt hatte, immer noch nicht begreifen. „Ich weiß es nicht genau“, erwiderte sie dann leise. „Ich… bin nach unserem Essen nach Haus gegangen und sah von weitem, dass da etwas lag… jemand… dachte zuerst, ein Obdachloser… Betrunkener… doch dann realisierte ich, dass es Jess war… er lag da… halb erfroren im Schnee… reglos…“
Sie schwieg einen Moment und sah Monika lange an. Sie sah, wie sich die Erinnerung in ihrem Gesicht zeigte, die Erinnerung an eine ganz ähnliche Nacht vor langer Zeit…
„Ich… die Eberts kamen nach draußen, als ich um Hilfe rief… und dann hab ich den Notarzt gerufen… sie kamen und schoben Jess in den Krankenwagen… dann irgendwann schien etwas nicht mehr zu stimmen… sein Herz… es… hörte einfach zu schlagen auf…“
Tessas Stimme zitterte. „Ich weiß nicht so recht, was dann war… ich war wie in einen Nebel gehüllt. Offenbar haben die Eberts mich nach drinnen gebracht. Ich… ich dachte wirklich, er sei tot…“, flüsterte sie und sah Monika wieder an. „Aber dann erfuhr ich, dass er es nicht war… und hab ich angerufen… mehr weiß ich auch nicht.“
Monika nickte und schwieg erneut eine Weile. Die Stille im Krankenhaus schien erdrückend zu sein, wie ein schweres Tuch, das sich um beide hüllte und ihnen die Luft abschnüren wollte.
„Die Ärztin sagte, er sei verschlagen worden“, sagte Monika nach einer Weile. „Glaubst du das auch?“
Tessa sah sie überrascht an und bemerkte dann erst, dass sie nichts von Jess´ Aussehen erzählt hatte, das Bände sprach. „Ja, auf jeden Fall“, nickte sie dann. „Er wurde ganz offensichtlich verprügelt… er sah furchtbar aus…“
Sie atmete tief ein. „Es waren bestimmt diese Hellows, diese Schweine!“ stieß sie dann aus, und stellte fest, dass dies der erste klare Gedanken an diesem Abend zu sein schien.
„Aber wieso ist er nur zurückgekommen?“
Fragend sah sie Monika an. „Wieso hat er sich in solche Gefahr gebracht?“
Monika erwiderte nichts und sah Tessa nur ratlos an. „Ich weiß es nicht…“, sagte sie dann langsam. „Ich weiß es wirklich nicht…“
Wieder verfielen beide in Schweigen. Tessa spürte, dass sie fror, aber sie ignorierte es. Draußen fuhr ein Auto vorbei, das dumpfe Motorengeräusch durchbrach die Stille für wenige Sekunden auf angenehme Weise. Tessas Blick schweifte aus dem Fenster. Es waren noch einige Fenster der Hochhäuser erleuchtet. Sie dachte daran, welche Menschen wohl dahinter sein mochten… die meisten von ihnen waren wohl gefangen in ihrem Alltag, sie gingen vielleicht gerade zu Bett, putzten sich die Zähne, schauten sich einen Film im Fernsehen an, vielleicht küssten sie sich gerade oder stritten sich… vielleicht suchten sie in Chaträumen nach neuen Bekanntschaften, lasen ein gutes Buch oder die Zeitung…
In diesem Moment spürte Tessa, dass sie Welten dafür gegeben hätte, in den Alltag dieser Menschen eintauchen zu können… zu tauschen… sie wäre gerne dort gewesen, hinter einem dieser Fenster… gemeinsam mit Jess… was hätte sie gegeben, um sich dort mit ihm zu streiten oder sich neben ihm die Zähne zu putzen…
Für einen Moment entschwand er aus ihren Gedanken… und sie dachte daran, dass auch sie noch vor weniger als vierundzwanzig Stunden in diesem Alltag gesteckt hatte… zwar alleine, aber doch im Alltag… vermutlich hatte sie sich vierundzwanzig Stunden zuvor gerade selbst die Zähne geputzt, sich über die Flecken auf dem Badezimmerboden genervt, die sie nicht schon wieder wegwischen wollte oder über einen schlechten Witz der Late-Night-Show gelacht, die sie sich meist anschaute…
Plötzlich tauchte eine Erinnerung in ihr auf… wie aus dem Nichts sah sie sich wieder in jener lauen Sommernacht im Auto sitzen, gemeinsam mit Niklas, der damals noch – wie sie heute feststellen musste – der Mittelpunkt ihrer Welt gewesen zu sein schien, ihr Freund, ihr Mentor, ihr Vertrauter, ihr großes Vorbild und vermutlich auch eine heimliche, stetige Liebe… sie hatten dort gesessen und waren durch die Nacht gefahren und wie waren ihre unbedachten Worte zu ihm gewesen in jener Sommernacht?
„In meinem Leben ist zur Zeit einfach keine Abwechslung. Es plätschert einfach nur so vor sich hin. Und ich warte darauf, dass etwas entscheidendes passiert. Ich wünschte nur, mein Alltag wäre irgendwie… inniger… lebendiger.“
Und auch an Niklas Worte erinnerte sie sich, als stände er in diesem Moment neben ihr und flüsterte sie ihr zu: „Aber Alltag ist doch nicht schlechtes. Schlag dir diesen Traum von einem entschiedenen, welterschütternden Ereignis aus dem Kopf, so etwas geschieht nur zu selten und ist meistens nichts positives. Normalität bedeutet Stabilität und Beständigkeit und das ist etwas sehr gutes, Tessa.“
So wenig sie ihm heute auch recht geben mochte… sie wusste, dass seine Worte der Wahrheit entsprochen hatten, auch wenn niemand von ihnen an jenem Abend geahnt hätte, wie viel Gewicht diese lose dahin geworfenen Sätze eines Tages für Tessa haben würden.
Sie erinnerte sich an jenen Tag nur wenig später, als sie Jess getroffen hatte… und angefangen hatte, ihn zu lieben… und es kam ihr vor, als springe sie in einen Strudel, der sie hinab zog, immer tiefer und tiefer.
Sollte das wirklich alles gewesen sein? Sollte das Ende, das sie sich heimlich gewünscht hätte in den letzten Wochen, jener dringend benötigte Abschluss heute und hier geschehen? Sollte es wahrhaftig vom Schicksal so geplant sein, dass sie Jess nur wiederfand, um ihn erneut und diesmal für immer zu verlieren?
Sie schloss die Augen und sah sein Gesicht vor sich auftauchen. Fast meinte sie, ihn sprechen zu hören, ihn zu fühlen, ihn zu spüren. Ein Gedanke ging in ihrem Kopf hin und her, ohne Unterlass, er wurde fast zu einem Mantra.
„Geh nicht, Jess … geh nicht… geh nicht…“
Sie wusste nicht, wie lange sie dort saßen, schweigend, unbeweglich. Irgendwann stand Monika auf und sagte: „Ich brauch einen Kaffee, Tessa. Willst du auch einen haben?“
Tessa schüttelte den Kopf. „Nein, danke- Moni…“*geht noch weiter*
-
Doch auch sie erhob sich und während Monika um die Ecke verschwand, um sich eine Tasse Kaffee zu besorgen, ging sie nervös auf und ab. Ihre Schritte hallten im leeren Foyer auf und ab. Als die Nachtschwester ihr irgendwann einen mürrischen Blick zuwarf, setzte Tessa sich wieder und griff verzweifelt nach einer der herumliegenden Zeitschriften. Sie starrte auf die bunten Bilder von Stars und Sternchen, die sich in Escada, Gucci und Dior auf irgendeinem der etlichen roten Teppiche der Weltgeschichte im Blitzlicht gebadet hatten und nahm nichts davon wirklich wahr. Immer wieder ging ihr der Satz durch den Kopf, der für sie inzwischen wie eine Verbindung zu Jess geworden war... „Geh nicht!“.
Schließlich kam Monika mit einem Becher heißen Kaffees zurück und setzte sich neben ihrer Freundin auf die Bank. Tessa warf die Zeitschrift entnervt zur Seite und trommelte nervös mit den Fingern auf ihren Beinen, während Monika in stoischer Ruhe ihren Kaffee trank.
„Wieso dauert das nur so lange?“, rief Tessa aus und sah Monika an. „Was machen die nur mit ihm?“
Monika sah sie ruhig an und sagte: „Du musst Geduld haben… wir können nichts tun als zu warten…“
„Aber ich will bei ihm sein, Moni!“, rief Tessa und ignorierte den warnenden Blick der Schwester. „Ich… halte das nicht mehr aus!“
Monika stellte den Becher zur Seite und griff sanft nach Tessas Hand.
„Tessa – hör mir zu. Wir können gerade nichts für ihn tun, außer zu hoffen, zu beten und hier zu warten. Du musst jetzt stark sein, stark für Jess und für dich selbst. Also bitte beruhige dich, bevor dieser Drache da hinten uns noch rausschmeisst.“
Sie deutete auf die Nachtschwester, die grimmig herüber blickte.
Monikas ruhige Nüchternheit entspannte Tessa, sie lächelte gequält und nickte.
„Du hast ja recht… ich wünschte nur, ich könnte mehr tun als nur hier zu sitzen...“. Tessa sprang wieder auf und ging - bedacht auf besonders leise Schritte - erneut auf und ab.
„Du darfst die Hoffnung nicht aufgeben", sagte Monika und sah sie ernst an.
Tessa nickte und setzte sich langsam wieder zu ihr auf die Couch. Monika griff erneut nach ihrem Kaffee und trank ihn langsam aus. Dann ging sie den Becher zurück bringen und Tessa sah ihr seufzend nach.
Draußen hatte es aufgehört zu schneien. Nachdenklich blickte Tessa aus dem Fenster und dann schweiften ihre Augen durch das Foyer und über die Decke. Irgendwo hier lag Jess und kämpfte um sein Leben.
Seufzend griff sie erneut nach der Zeitschrift. Es würde eine lange Nacht werden.
Fortsetzung folgt. -
Hmmm...ich weiß nicht wie´s anderen geht, aber diese "es passiert ja eigentlich gar nichts"-Kapitel von dir finde ich immer sehr gelungen und überhaupt nicht langweilig.
Und wenn man schon mal so bangend und wartend Nächte im Spital verbracht hat, fühlt man sich direktgehend zurück und hineinversetzt in Tess´ Lage.
Wenn man so verurteilt ist zum passiven Warten, ohne Information über den Stand der Dinge, ohne Einfluß darauf, mit dem Schlimmsten jeder Zeit rechnen muß, wird die Zeit plötzlich sooo unendlich langsam und die Gedanken wandern ab, nur um eigentlich doch immer zum Moment zurück zu kommen. Alles, womit man sich abzulenken versucht, führt doch wieder aufs Jetzt zurück.
Wunderbar gelungen, besonders das Bild von der gedanklichen Rückblende ist mit schönem Effekt gemacht. Und natürlich das, wo Tess Jess die Straße runter weg gehen sieht!
GglG,
Josijusa -
So jetzt hab ich die letzten 3 Nachmittage damit verbracht deine FS zu lesen.
Ich bin ehrlich begeistert. Und du beweist so viel Liebe zum Detail in deinen Geschichten das ist wirklich klasse.
Ich bin ganz Happy das sie nicht mit Joshua zusammen gekommen ist und Jess endlich, endlich wieder da ist. Ich hatte schon Angst du würdest ihn jetzt einfach aus der Geschichte streichen. Ich weiß es geht eigenltich um Tessa, aber Jess gehört einfach für mich zu der Geschichte.
Ich hoffe das bald eine neue Fortsetzung kommt, da ich schon furchtbar gespannt bin wie es nun mit Jess weitergeht. Und bitte bitte bitte lass ihn nicht sterben!!! -
Hallö Innad.
Hah, da lässt du uns also noch ein Kapitel zappeln, bevor Tessa endlich zu Jess kann. :rolleyes
Aber keine Sorge, gerade deshalb mag ich deine Storys so sehr, weil du es eben so gut verstehst, die Leser auf die Folter zu spannen und dabei kein Stück langweilig wirst.
Huch, ich seh gerade das Josijusa das Gleiche gesagt hat.Man fühlt in diesem Kapitel wirklich sehr mit Tessa mit. Ich stell mir das so schrecklich vor, in einem kalten, sterilen Krankenhaus zu sitzen und zu warten, dass mir einer sagt was mit meinem Liebsten ist. Tessa kann so froh sein, dass Monika mit dabei ist. Alleine wäre sie sicher nicht so geduldig (trotz des Umherwanderns *g*) und die Zeit würde noch langsamer vorübergehen.
Ich bin dieses Mal wirklich beeindruckt von den Bildern. Du hast die Atmosphäre so toll eingefangen. Gerade bei so tristen Umgebungen finde ich, ist das besonders schwierig hinzubekommen. Klasse!
So und nun hoffe ich, dass du Tessa bald erlöst von ihrer Warterei. *g*
Ganz liebe Grüße
Llyn -
Josijusa: Ach, das freut mich aber, dass Du diese "Es passiert nicht viel"-Kapitel magst, ich mag sie nämlich auch, und unser Leben ist ja auch gar nicht immer nur voller "Action". Das mit dem Warten stimmt... es ist egal, wie sehr man sich abzulenken versucht... irgendwie klappt es nicht. Ich hab sowas gottseidank nie in der extremen Form erleben müssen, aber ich kann es mir gut vorstellen und habe versucht, es dementsprechend umzusetzen.
Danke für Deinen lieben KOmmi!
LiPaLady: Wow, das macht mich echt stolz, dass Du Dir alles durchgelesen hast. Ich hab das neulich selbst mal versucht und bin nach wenigen Kapiteln gescheitert, es war einfach zu viel. Umso schöner, dass Du nun auf dem aktuellen Stand bist! Ich hab ja nie gesagt, dass ich Jess wirklich rausschreibe und einige meiner Leser/innen haben mir das glaub auch nie recht abgekauft, dass er nicht doch noch zurück kommt!
Ob er nun allerdings dauerhaft dabei sein wird, verrate ich nicht...!
Danke fürs Mitlesen und Deinen tollen Kommi!Llynya: Dass Du das mit den Bildern sagst, find ich toll. Ich war mir da auch recht unsicher, eben wegen der tristen Atmosphäre. Und gerade in den Objekten, die ich so zur Verfügung hatte, gibt es sehr wenig, das in ein Krankenhaus von der Kulisse her passt :cool:
Aber das triste ist da wohl auch das bedrückende. Den geruch kann man sich richtig mit vorstellen *grausel*
Ob Tessa im nächsten Kapitel aber zu Jess darf, lass ich mal dahin gestellt. Es kommt ja drauf an, wie es ihm geht, was er macht usw.......
Also, abwarten Und danke für Deinen Lieben Kommi!@Dani04: Wie schön, Dich wieder zu lesen! Ja, ich weiß, dass Du mich wegen Jess gebeten hattest, aber da er ja erstmal nur "kurz" wieder zurück in die Story kommt (ohne damit sagen zu wollen, dass er jetzt stirbt), hab ich Dich nicht benachrichtigt, aber ich hab ja neulich im ICQ gefragt, ob Du noch mitliest und darum nix verraten :roftl Ja, stimmt, tessa erlebt ähnliches wie Allie, auch wenn die Vorgeschichte natürlich anders ist. Aber es hat einen ganz gewissen Grund, dass das so ist.
Wegen der Intensivstation - hihi, ich weiß auch nicht, warum, das ist echt Zufall bisher. Eigentlich find ich Krankenhäuser ja total grausig und mit Intensivstationen kenn ich mich glücklicherweise nicht aus.
Dass Jess nun das hier zugestoßen ist, hat einen ganz gewissen Grund und das Krankenhaus und die IS sind sozusagen nur Begleiterscheinung.
:rollauge
Danke für Deinen Kommi! -
Kapitel 61
Jess´ letzte Worte
Es wurde ruhig in der Stadt, als keine weißen Flocken mehr vom Himmel zur Erde sanken.
In den meisten Fenstern erloschen die Lichter, denn es war bereits weit nach Mitternacht. Nur selten durchbrach das Geräusch eines vorbeifahrenden Wagens die Stille. Eine Stille, die eigentlich voller Ruhe und Frieden zu sein schien. Doch für Tessa war sie es nicht. Sie fühlte sich von ihr wie eingezwängt, eingeklemmt und die Luft davon abgeschnürt.
Im Krankenhaus war kaum ein Laut mehr zu vernehmen. Nur die leise säuselnden Geräusche der Heizungs- und Belüftungsanlagen waren zu hören, sie untermalten die ohrenbetäubende Stille jedoch auf unangenehme Weise. Tessa fühlte sich schwindelig, ihre Kehle war trocken, und sie stellte fest, dass sie dringend etwas zu trinken gebraucht hätte. Doch sie wagte es nicht aufzustehen und fortzugehen, aus Angst, in genau jenem Moment könnte es Nachrichten von Jess geben.
Sie fröstelte und schlang die Arme um ihren Oberkörper, doch auch das konnte ihr nicht die benötigte Wärme spenden. Kraftlos ließ sie ihre Hände wieder in den Schoß sinken und starrte auf die am anderen Ende des Foyers befestigte Uhr. Es war bereits fast zwei Uhr in der Nacht. Mit müden Augen warf sie einen Blick auf ihre Freundin, die der Schlaf übermannt hatte. Monika hatte sich auf der Wartebank ausgestreckt und atmete tief ein und aus.
Für einen Moment beneidete Tessa ihre Freundin um ihren Schlaf, um diese kurze Auszeit aus der elenden Wirklichkeit, die ihr nicht vergönnt war. Denn obwohl sie sich völlig erschlagen fühlte, war sie aufgedreht und nervös wie nie zuvor im Leben und selbst wenn sie es versucht hätte, der Schlaf wäre nicht gekommen, um sie zu erlösen.
Tessa legte sich die Hand auf ihren schmerzenden Bauch. Er zog sich zusammen und krampfte schon seit fast zwei Stunden auf unangenehmste Weise. Vermutlich war dies die Aufregung. Sie atmete tief durch, um wenigstens die Übelkeit, die sich ihrer seit einer Weile ebenfalls angenommen hatte, zu unterdrücken. Wieder fröstelte sie und schauderte heftig zusammen. Für einen Moment hätte sie am liebsten zu weinen angefangen. Sie fühlte sich krank und elend, doch was bedeutete das schon, wenn Jess irgendwo hier lag und immer noch um sein Leben zu kämpfen schien?
„Reiß dich zusammen“, flüsterte sie sich selbst zu und nahm erneut einige tiefe Atemzüge, um die Übelkeit und den Schwindel zu unterdrücken. Sie kämpfte gegen den sehnlichen Wunsch an, sich einfach genauso wie Monika auf der Wartebank auszustrecken, die Augen zu schließen und alles, einfach alles zu vergessen – die Angst, die Verzweiflung, die Übelkeit, die Schmerzen und dieses unsägliche Gefühl von verlorener Hilflosigkeit.
Inzwischen hatte sie es aufgegeben, nervös hin- und herzuwandern, in Zeitschriften zu blättern und auf den Fingernägeln zu kauen. Inzwischen wollte sie einfach nur noch, dass diese Zeit des ungewissen Wartens zu einem Ende kam… diese Ungewissheit schien einem die Seele zu zerreißen und macht mürber als alles andere, das sie je erlebt hatte.
Müde und angespannt rieb sie sich über die Stirn, als sie plötzlich Schritte durch das leere Foyer hallen hörte. Sie warf einen aufmerksamen Blick zur Nachtschwester, die ebenfalls aufsah. Im selben Moment trat ein Arzt an den Tresen heran und unterhielt sich mit gedämpfter Stimme mit der unfreundlichen Schwester, die schließlich zu Tessa und Monika wies. Tessas Herz begann schneller zu schlagen.
„Moni!“, zischte sie aufgeregt und berührte ihre Freundin an der Schulter. „Wach auf!“
Monika fuhr hoch, sah sich einen Moment verwirrt um und murmelte dann: „Was ist?“, während sie sich aufsetzte und sich die Augen rieb.
„Ich glaube, es gibt Neuigkeiten… ich denke, dieser Arzt da vorne ist derjenige, der uns mehr sagen kann“, erwiderte Tessa nervös.
Monika fuhr sich durch ihr zerzaustes Haar und folgte dann Tessas Blick in Richtung des Tresens.
„Bist du dir sicher?“
„Ja, ich denke schon. Als er sich eben mit der Schwester unterhalten hat, zeigte diese zu uns herüber“, erklärte Tessa.
Angespannt beobachteten die beiden den Arzt und die Schwester, die weiter in gedämpften Ton miteinander sprachen. Dann endlich, nach einer schieren Ewigkeit, drehte der Arzt sich um und blickte die beiden jungen Frauen an.
„Er kommt her!“, sagte Tessa aufgeregt. Monika drückte kurz ihre Hand.
„Es wird bestimmt alles gut gegangen sein“, flüsterte sie beruhigend.
Tessa sprang auf, als der Arzt auf sie zukam und Monika tat es ihr gleich.
„Frau Wagner?“, erhob der Mann die Stimme und sah beide fragend an.
Tessa nickte. „Ja, das bin ich… haben… haben Sie Neuigkeiten von meinem Freund? Wie geht es ihm… lebt er?“
Angespannt starrten beide junge Frauen den Arzt an.
„Mein Name ist Doktor Langboldt. Ich habe Herrn Wagner operiert“, erklärte der Arzt und sah Tessa dann an.
„Frau Wagner“, begann er zögerlich. „Ich… denke, wir sollten uns setzen.“
Tessa hatte für einen Moment das Gefühl, man zöge ihr den Boden unter den Füßen fort.
War Jess tot? War der Arzt darum so ernst, so besorgt, so zögerlich?
„Oh bitte… bitte nicht…“, flüsterte sie.
„Komm, Tessa, setzen wir uns“, hörte sie Monikas sanfte Stimme. Gemeinsam setzten die drei sich auf die Wartebänke.
„Frau Wagner… Sie sagten, Sie seien die Freundin von Herrn Berger?“
Tessa starrte den Arzt irritiert an. „Ja… ja, das hab ich vorhin ja schon Ihrer Kollegin gesagt…“
„Gut, Frau Wagner. Sie wissen, dass wir normalerweise nur engen Angehörigen Informationen geben dürfen… Eltern, Geschwistern, Ehepartnern…“
„Aber Jess hat weder das eine noch das andere“, erwiderte Tessa aufgebracht. Sollte sie nun schon wieder dieselbe Diskussion führen müssen wie Stunden zuvor?
Doch der Arzt nickte zu ihrer Überraschung zustimmend. „Ja, ich weiß – wir haben bereits mit der Polizei gesprochen, die uns Ihre Angaben bestätigt hat. Es gibt keine Verwandten oder Angehörigen mehr – außer Ihnen.“
Tessa nickte. „Ja… niemand außer mir. Also bitte ich Sie – sagen Sie mir, was mit Jess ist. Wie geht es ihm? Lebt er noch?“
Der Arzt sah sie ernst an, dann nickte er langsam.
„Ja, Frau Wagner, Ihr Freund lebt.“
Tessa hatte das Gefühl, ein Zentner an Steinen fiele von ihrem Herzen. Dennoch konnte sie sich nicht freuen, die Angst hatte sie noch zu fest im Griff.
„Und wie geht es ihm?“, fragte Monika behutsam. „Wie ist sein Zustand?“
„Ernst“, erwiderte der Arzt langsam und sah Tessa dann offen an. „Frau Wagner… wie lange konsumiert Ihr Freund schon Heroin?“
Tessa schluckte. „Ich… bin mir nicht sicher“, sagte sie dann langsam und versuchte sich zu erinnern, was Jess ihr bei ihrem ersten Treffen gesagt hatte. Ihr Kopf schien auf unerklärliche Weise fast wie leergefegt und hilflos sah sie Monika an.
Diese sagte sanft: „Ich glaube, du hast einmal gesagt, als ihr euch kennenlerntet, waren es ein paar Monate… kann das sein?“
Jetzt erinnerte sich auch Tessa wieder an Jess´ Worte damals im Café. „Ja“, stimmte sie darum zu und wandte sich wieder an den Arzt. „Ich denke, inzwischen dürften es mindestens anderthalb, wenn nicht eher zwei Jahre sein…“*geht noch weiter*