Die Sonne schien Tessa warm ins Gesicht. Durch halbgeöffnete Augen sah sie, wie sich die Blätter im Wind sanft hin und her wiegten.
Es war alles so vertraut. Alles hier – so vertraut. Wieder schloss sie die Augen.
Und mit einemmal wurde ihr klar, was ihr daran so vertraut war.
Und ohne dass sie etwas tun konnte, stiegen Bilder vor ihren Augen auf…
„Ich kann nicht!“ stieß sie plötzlich hervor und rückte von Joshua ab, als habe sie eine Tarantel gestochen.
Dieser sah sie erstaunt an. „Was… was ist los, Tessa?“
„Ich… mir geht das alles zu schnell…“, stammelte diese, von der Flut der Bilder, die in ihr aufgestiegen waren, und noch viel mehr von den Empfindungen, die sie mit sich gebracht hatten, völlig aufgelöst.
„Tessa… ich… es tut mir leid, wenn es dir zu schnell ging“, sagte Joshua hilflos. „Ich wollte nicht… ich meine… ich dachte, du magst es auch…“
Tessa sah ihn mit aufgerissenen Augen an. Die Verwirrung in seinem Gesicht tat ihr in der Seele weh. Ein Teil von ihr hätte ihn gerne in die Arme genommen und getröstet. Der andere jedoch wäre am liebsten davongelaufen.
„Joshua… ich… ich kann nicht…“
Sie merkte, wie sie schwach wurde, ihr alles zuviel. Sie ertrug es nicht mehr, seine fragenden Augen auf sich gerichtet zu fühlen. Als er ein Stück auf sie zurückte und erneut nach ihrer Hand greifen wollte, wohl nur um ihr Trost und Ruhe zu spenden, sprang Tessa auf und schüttelte heftig den Kopf.
„Es tut mir leid, Joshua – ich… ich kann das einfach nicht!“
Und mit diesen Worten drehte sie sich um und rannte davon.
Schwer atmend blieb sie einige Meter entfernt stehen. Tränen waren ihr in die Augen gestiegen. Der sonnige Tag schien auf einmal düster zu sein, auch wenn sich äußerlich nichts geändert hatte.
In ihr schien alles zu brennen. So als hätte man eine alte Wunde aufgerissen und über Sandpapier gezogen.
Es war alles so nah gewesen. Jener Nachmittag vor etwa einem Jahr – auch im Park, wenngleich anderswo in der Stadt. Es war, als sei sie in der Zeit zurückgereist und der Mann an ihrer Seite war mit einemmal nicht mehr Joshua sondern Jess gewesen.
Eine einzige Sekunde dieser so realen Illusion hatte gereicht, um ihr klarzumachen, wem ihr Herz gehörte – immer noch. Dieser winzige Moment, in dem sie wahrhaft das Gefühl vereinnahmt hatte, dieser Mensch neben ihr sei Jess – hatte ihn und alles, was mit ihm zu tun hatte wieder greifbar gemacht.
„Tessa?“ ertönte die zittrige Stimme Joshuas hinter ihr. Tessa wusste nicht, ob sie sich umdrehen sollte… oder vielmehr konnte.
Sie wusste, sie war es ihm schuldig. Langsam wandte sie sich zu ihm und sah ihm fest in die Augen. Er war etwas blass um die Nase und sah sie fragend an. Die Verwirrung war ihm ins Gesicht geschrieben. Tessa sah ihn traurig an.
„Es tut mir so leid, Joshua“, sagte sie dann leise. „Ich wollte und will dich nicht verletzen. Aber ich kann nicht.“
Joshua schluckte. „Tessa… wenn es dir zu schnell geht, du musst mir glauben, ich kann warten, ich bin ein geduldiger Mensch. Du hast alle Zeit, die du brauchst.“
Tessa schüttelte traurig den Kopf. „Das ist es nicht…“
„Also… empfindest du nichts für mich?“
Tessa sah ihn gequält an. Wieso musste das alles nur so kompliziert sein?
„Doch, Joshua. Ich empfinde etwas für dich. Ich mag dich, sogar sehr. Aber ich… ich kann einfach nicht mit dir zusammen sein, verstehst du?“
Joshua schwieg einen Moment, als müsse er sich ihre Worte erst durch den Kopf gehen lassen. Dann sagte er offen: „Warum, Tessa? Wegen damals? Wegen… ihm…?“
Es schien ihm fast unmöglich, in diesem Moment den Namen Jess auszusprechen. Kein Wunder, stand doch dieser eine Name unweigerlich zwischen ihm und Tessa. Und irgendetwas in ihm wusste in diesem Moment schon, dass sich dies wohl nie ändern würde.
Tessa nickte langsam und schwerfällig und beobachtete Joshua ganz genau. Dieser schwieg einen Moment und starrte zu Boden. Dann sagte er langsam: „Ich kann dich verstehen, Tessa… und doch auch wieder nicht. Das Glück liegt vor dir, und du schaffst es nicht zuzugreifen. Wenn der Grund dafür, dass du nicht mit mir zusammen sein kannst, wirklich nur … er… ist, dann… frage ich mich, wie du jemals wieder glücklich werden willst… ich meine, aus ganzem Herzen… wenn du ewig auf ihn wartest…“
Er sah auf. „Auf einen Mann, der das wohl beste Mädchen, das ein Mann bekommen kann, freiwillig verlassen hat. Ich will nicht darüber urteilen, was er dir alles angetan hat. Aber ich weiß, dass des falsch ist, auf ihn zu warten… weil er vermutlich nie zurück kommt!“ Mit einemmal sah Joshua ärgerlich aus. „Tessa… du… du hast es etwas besseres verdient, verstehst du?“
Tessas Gesicht verzog sich. „Moment mal- was willst du damit sagen? Fängst du jetzt auch noch so an? Dass ich was Besseres verdient hab, als einen kleinen dreckigen Junkie, oder was? Einen Jungen wie dich, aus gutem Hause, mit einem Studium in der Tasche und all so ein Mist! Darum geht es aber nicht!“
Sie funkelte ihn wütend an.
Doch Joshua schüttelte nur müde den Kopf. „Du solltest mich eigentlich gut genug kennen, um zu wissen, dass ich so nicht denke, Tessa. Ich meine mit etwas Besserem nichts, was mit der gesellschaftlichen Stellung von ihm zu tun hat… ich meine damit, du hast jemanden verdient, der deine Liebe mehr wertschätzen würde als er es getan hat… als er in der Lage dazu war… bedingt durch seine Situation.“
*geht noch weiter*