[Fotostory] Tiefer als der Schmerz

  • Die Sonne schien Tessa warm ins Gesicht. Durch halbgeöffnete Augen sah sie, wie sich die Blätter im Wind sanft hin und her wiegten.
    Es war alles so vertraut. Alles hier – so vertraut. Wieder schloss sie die Augen.
    Und mit einemmal wurde ihr klar, was ihr daran so vertraut war.
    Und ohne dass sie etwas tun konnte, stiegen Bilder vor ihren Augen auf…






    „Ich kann nicht!“ stieß sie plötzlich hervor und rückte von Joshua ab, als habe sie eine Tarantel gestochen.
    Dieser sah sie erstaunt an. „Was… was ist los, Tessa?“
    „Ich… mir geht das alles zu schnell…“, stammelte diese, von der Flut der Bilder, die in ihr aufgestiegen waren, und noch viel mehr von den Empfindungen, die sie mit sich gebracht hatten, völlig aufgelöst.

    „Tessa… ich… es tut mir leid, wenn es dir zu schnell ging“, sagte Joshua hilflos. „Ich wollte nicht… ich meine… ich dachte, du magst es auch…“
    Tessa sah ihn mit aufgerissenen Augen an. Die Verwirrung in seinem Gesicht tat ihr in der Seele weh. Ein Teil von ihr hätte ihn gerne in die Arme genommen und getröstet. Der andere jedoch wäre am liebsten davongelaufen.
    „Joshua… ich… ich kann nicht…“
    Sie merkte, wie sie schwach wurde, ihr alles zuviel. Sie ertrug es nicht mehr, seine fragenden Augen auf sich gerichtet zu fühlen. Als er ein Stück auf sie zurückte und erneut nach ihrer Hand greifen wollte, wohl nur um ihr Trost und Ruhe zu spenden, sprang Tessa auf und schüttelte heftig den Kopf.
    „Es tut mir leid, Joshua – ich… ich kann das einfach nicht!“
    Und mit diesen Worten drehte sie sich um und rannte davon.



    Schwer atmend blieb sie einige Meter entfernt stehen. Tränen waren ihr in die Augen gestiegen. Der sonnige Tag schien auf einmal düster zu sein, auch wenn sich äußerlich nichts geändert hatte.
    In ihr schien alles zu brennen. So als hätte man eine alte Wunde aufgerissen und über Sandpapier gezogen.
    Es war alles so nah gewesen. Jener Nachmittag vor etwa einem Jahr – auch im Park, wenngleich anderswo in der Stadt. Es war, als sei sie in der Zeit zurückgereist und der Mann an ihrer Seite war mit einemmal nicht mehr Joshua sondern Jess gewesen.
    Eine einzige Sekunde dieser so realen Illusion hatte gereicht, um ihr klarzumachen, wem ihr Herz gehörte – immer noch. Dieser winzige Moment, in dem sie wahrhaft das Gefühl vereinnahmt hatte, dieser Mensch neben ihr sei Jess – hatte ihn und alles, was mit ihm zu tun hatte wieder greifbar gemacht.
    „Tessa?“ ertönte die zittrige Stimme Joshuas hinter ihr. Tessa wusste nicht, ob sie sich umdrehen sollte… oder vielmehr konnte.



    Sie wusste, sie war es ihm schuldig. Langsam wandte sie sich zu ihm und sah ihm fest in die Augen. Er war etwas blass um die Nase und sah sie fragend an. Die Verwirrung war ihm ins Gesicht geschrieben. Tessa sah ihn traurig an.
    „Es tut mir so leid, Joshua“, sagte sie dann leise. „Ich wollte und will dich nicht verletzen. Aber ich kann nicht.“
    Joshua schluckte. „Tessa… wenn es dir zu schnell geht, du musst mir glauben, ich kann warten, ich bin ein geduldiger Mensch. Du hast alle Zeit, die du brauchst.“



    Tessa schüttelte traurig den Kopf. „Das ist es nicht…“
    „Also… empfindest du nichts für mich?“
    Tessa sah ihn gequält an. Wieso musste das alles nur so kompliziert sein?
    „Doch, Joshua. Ich empfinde etwas für dich. Ich mag dich, sogar sehr. Aber ich… ich kann einfach nicht mit dir zusammen sein, verstehst du?“
    Joshua schwieg einen Moment, als müsse er sich ihre Worte erst durch den Kopf gehen lassen. Dann sagte er offen: „Warum, Tessa? Wegen damals? Wegen… ihm…?“

    Es schien ihm fast unmöglich, in diesem Moment den Namen Jess auszusprechen. Kein Wunder, stand doch dieser eine Name unweigerlich zwischen ihm und Tessa. Und irgendetwas in ihm wusste in diesem Moment schon, dass sich dies wohl nie ändern würde.



    Tessa nickte langsam und schwerfällig und beobachtete Joshua ganz genau. Dieser schwieg einen Moment und starrte zu Boden. Dann sagte er langsam: „Ich kann dich verstehen, Tessa… und doch auch wieder nicht. Das Glück liegt vor dir, und du schaffst es nicht zuzugreifen. Wenn der Grund dafür, dass du nicht mit mir zusammen sein kannst, wirklich nur … er… ist, dann… frage ich mich, wie du jemals wieder glücklich werden willst… ich meine, aus ganzem Herzen… wenn du ewig auf ihn wartest…“
    Er sah auf. „Auf einen Mann, der das wohl beste Mädchen, das ein Mann bekommen kann, freiwillig verlassen hat. Ich will nicht darüber urteilen, was er dir alles angetan hat. Aber ich weiß, dass des falsch ist, auf ihn zu warten… weil er vermutlich nie zurück kommt!“ Mit einemmal sah Joshua ärgerlich aus. „Tessa… du… du hast es etwas besseres verdient, verstehst du?“



    Tessas Gesicht verzog sich. „Moment mal- was willst du damit sagen? Fängst du jetzt auch noch so an? Dass ich was Besseres verdient hab, als einen kleinen dreckigen Junkie, oder was? Einen Jungen wie dich, aus gutem Hause, mit einem Studium in der Tasche und all so ein Mist! Darum geht es aber nicht!“
    Sie funkelte ihn wütend an.



    Doch Joshua schüttelte nur müde den Kopf. „Du solltest mich eigentlich gut genug kennen, um zu wissen, dass ich so nicht denke, Tessa. Ich meine mit etwas Besserem nichts, was mit der gesellschaftlichen Stellung von ihm zu tun hat… ich meine damit, du hast jemanden verdient, der deine Liebe mehr wertschätzen würde als er es getan hat… als er in der Lage dazu war… bedingt durch seine Situation.“


    *geht noch weiter*

  • Er sah Tessa offen und liebevoll an. „Du bist ein wunderbarer Mensch, Tessa. Das bist du schon für mich, wie musst du erst auf ihn gewirkt haben? Es muss gewesen sein, als habe die Königstochter ihr Herz dem Bettler geschenkt. Wie im Märchen fast. Und nicht nur dass du alle Standesunterschiede einfach ignoriert hast, nein – du hast zu ihm gehalten, obwohl er dir nie das geben konnte, was du gebraucht und verdient hast. Er war kein Mann, der dich in den Arm genommen hat, wenn es dir schlecht ging, der dich getröstet hat, wenn du traurig warst. Wenn sich jemand angelehnt hat in eurer Beziehung, dann hat er sich immer nur an dich angelehnt. Und du hast dem standgehalten, immer und immer wieder. Du hast sogar die allergrößte Gefahr auf dich genommen, nur um ihn zu schützen. Ich glaube nicht, dass er sich wirklich bewusst war, was für einen unermesslichen Schatz diese Liebe darstellte. Vielleicht oder sehr wahrscheinlich bedingt durch die Drogen… die sein Bewusstsein und seine Fähigkeit zu fühlen und zu lieben derart getrübt haben müssen. Wenn ich mir all das vor Augen führe, begreife ich, dass es keinen Weg in dein Herz geben kann, Tessa…“, er seufzte. „Denn wer so etwas durchhält, muss diesen Menschen unermesslich lieben.“



    Tessa schluckte. Sie hatte mit vielem gerechnet, mit Wut, Empörung, Enttäuschung… aber nicht hiermit.
    Eine Weile standen sie stillschweigend voreinander, dann sagte Tessa leise: „Ich war mir die letzten Monate nicht mehr sicher, ob ich Jess noch liebe, Joshua. Ich habe den Schritt gewagt und mein Leben wieder in die Hand genommen. Alles hat sich geändert. Und vermutlich ist es so, dass der Mensch gewisse Dinge nach einer Weile vergisst… nein, nicht vergisst, aber irgendwo in den Tiefen seines Unterbewusstseins begräbt. Schau dir diese Bäume an… wenn der Winter zu Ende geht, werden wir uns kaum noch wirklich vorstellen können, wie es ist, wenn sie voller Blätter sind. Wir haben es nicht vergessen, aber es erscheint so weit weg, dass es fast irreal ist. So ist es für mich mit Jess. Alles, was damals gewesen ist, scheint so weit fort. So weit, dass ich manchmal wirklich nicht mehr genau weiß, ob es wirklich geschehen ist oder ich das alles nur geträumt habe…“
    Sie sah Joshua traurig an. „Aber ich hab nicht nur geträumt. Und manchmal gibt es Situationen in meinem Alltag, da kommt mir diese Zeit mit einemmal wieder so nahe, dass ich wieder weiß, dass es sie wirklich gegeben hat. Ich war mir lange nicht sicher, wie viel Gefühl da noch in mir ist für Jess. Ich weiß, was mein Verstand mir sagt, nämlich, dass es Wahnsinn ist, auf ihn zu warten. Ich… ich weiß nicht, wo er ist, nicht einmal ob er… lebt… aber… mein Herz kann das nicht begreifen, noch nicht. Ja, ich liebe Jess. Immer noch. Obwohl ich nicht weiß, wo er ist… ob er überhaupt noch ist… aber ich liebe ihn. Ich weiß nicht, ob es jemals aufhört. Und wenn, wann. Aber im Moment ist noch kein Platz für jemanden anderen, Joshua. Aber glaub mir, wäre der Platz da, dann wärst du in meinem Herzen.“
    Joshua sah sie an und ein dankbares Lächeln überflog sein Gesicht.



    „Das ist schön zu wissen, Tessa.“ Er seufzte. „Auch wenn es mir schwer fällt, das zu akzeptieren. Aber ich will dir nicht weh tun, ich will dich nicht drängen. Nur weißt du – ich glaube nicht, dass du jemals aufhören wirst, Jess zu lieben. Die Frage ist nur, ob du nicht irgendwann jemand anderen, der noch da ist, mehr lieben kannst. Ich glaube, das menschliche Herz ist so groß, dass es so viel mehr Liebe zu geben und fühlen fähig ist, als wir jemals denken würden.“
    Tessa lächelte. „Das hast du wunderschön gesagt, Joshua. Trotzdem ist es noch nicht soweit…“
    „Ich weiß, Tessa“, unterbrach er sie. „Ich weiß, und du brauchst dich nicht rechtfertigen.“
    Tessa nickte und schwieg einen Moment unbehaglich. Dann sah sie Joshua wieder an.
    „Bleiben… bleiben wir denn trotzdem… Freunde?“
    Joshua sah sie überrascht an. „Wieso sollten wir keine Freunde bleiben? Nur weil ich mehr für dich empfinde als du für mich?“
    „Ja… ich meine, wird es nicht schwer für dich werden?“
    Joshua lächelte. „Ich bin hart im Nehmen, Tessa… und wie ich sagte, ich glaube, das menschliche Herz ist fähig, sehr viel Liebe zu empfinden, auch wenn nicht jede davon erfüllt ist. Vielleicht sollte das auch einfach nicht der Anspruch sein, den wir stellen. Liebe ist Liebe, ob erwidert oder nicht…. es gibt dafür keinen Gegenwert.“
    Er sah sie an und grinste schief. „Nun mach nicht so ein Gesicht, es ist niemand gestorben. Darüber werde ich schon wegkommen, keine Bange. Ich hab damit gerechnet, auch wenn meine Hoffnung nie gestorben ist. Aber hör zu, ich will dich nicht verlieren, auch nicht als Freundin. Okay?“
    Tessa nickte. „Danke, Joshua“, stieß sie erleichtert hervor. „Darf ich dich jetzt mal drücken… rein freundschaftlich, mein ich?“
    Joshua schüttelte den Kopf. „Nein, darfst du nicht… weil ich das gerade vorhatte!“



    Tessa drückte ihn feste an sich. „Ich bin so froh, jemanden wie dich gefunden zu haben“, sagte sie.
    „Und ich erst“, erwiderte Joshua.
    Und neben ihnen schwang sich das singende Vögelchen in die Luft und machte sich auf den Weg in den Süden.

    Denn es wurde Winter.



    Fortsetzung folgt.

  • Liebe Innad!


    Oh, was sehe ich ? Da will ich dir einen Kommi schreiben und sehe, dass du unterdessen bereits weitergeschrieben hast, und ich doch tatsächlich eine Fortsetzung verpasst hab! Tut mir leid!


    Phuu, ich muss sagen, diese beiden Fs's haben mich richtig tief berührt und mich genau in die Stimmung versetzt, in welcher Tessa sich gerade befindet. Habe selber einmal etwas ähnliches erlebt wie sie jetzt, das ist lange her.... über 10 Jahre....


    Die Traumbilder sind sehr eindrücklich, das hast du super gemacht.:applaus
    Beim Lesen hatte ich kurz den Gedanken, dass vielleicht Jess ihr aus dem Jenseits erschienen ist, und er also nicht mehr am Leben ist....:( Aber ob meine Vermutung stimmt? Ich weiss es nicht und du wirst es mir auch nicht verraten, gell?


    Für Tessa ist es wohl unwesentlich, ob es nur ein Traum war oder er ihr "erschienen" ist. Die ganzen Erinnerungen haben sie völlig durchgeschüttelt - verständlicherweise. Alles ist wieder hoch gekommen, die ganze Gefühlspalette, welche sie mit ihm damals erlebt hat, und damit auch wieder die grosse Liebe, die sie für ihn noch immer empfindet.


    Wäre das Date mit Joshua anders ausgegangen, wenn es VOR dem Traum stattgefunden hätte? Hm....


    Ich muss dir sagen, deine Bilder sind wieder sagenhaft! Wie die beiden da im Park sitzen, miteinander sprechen, dein Text dazu passt einfach perfekt, wie der Deckel auf die Flasche (entschuldige den unromantischen Ausdruck!). Ich bin sehr beeindruckt.


    Es ist gut, dass Tessa ihm die Wahrheit sagt (im Gegensatz zu Sophia in meiner Story!) und er reagiert erstaunlich verständnisvoll und sehr reif für so einen jungen Mann. Und doch ist es offensichtlich, dass er verletzt ist, aber er beherrscht sich, denn schliesslich möchte er es mit Tessa nicht ganz verderben. Und jetzt wollen die beiden Freunde bleiben. Für mich siehts eher nach einem verzweifelten Klammern von Joshuas Seite aus. Insgeheim hofft er, dass Tessas LIebe zu ihm wachsen wird, und sie doch noch ein Paar werden. "Nur" Freundschaft zwischen Mann und Frau, wenn mindestens eine/r davon in den/die andere/n verliebt ist, halte ich für (fast) unmöglich. Der Schmerz wird irgendwann zu gross. Dem Menschen so nah zu sein, den man liebt und das Wissen, dass die Gefühle nicht in der gleichen Intensität erwidert werden (können).


    Möglicherweise ist Joshua auch ganz einfach nicht der Richtige?


    Ach, Tessa, ich wünsche ihr so sehr, dass Jess zurück kommt! Und sei es auch nur, um mit ihm abschliessen zu können (oder wie auch immer)


    Ganz ganz tolle FS, liebe Innad!!


    Lieber Gruss
    Jane

  • Hi Innad,


    diesmal erst zu den Fotos.
    Ich kann Jane Eyre in dieser Hinsicht nur zustimmen.
    Ich finde sie ebenfalls total schön und bin begeistert. Deine Fotos sind immer toll geschossen und gut getroffen aber bei den letzten finde ich übertriffst du dich selbst.
    Besonders die aus der Vergangenheit mit Jess sind toll geworden. Ich könnte sie mir immer wieder ansehen ;)


    Nun zu Tessa...
    Ich bin ehrlich gesagt über den Ausgang nicht überrascht. Besonders nach dem Traum von Jess letzte Nacht, hab ich zuerst gar erwartet, dass Tessa vielleicht gar nicht mal zu dem Date geht, doch das konnte sie Joshua auch wieder nicht antun.


    Ich meinerseits finde es klasse wie Joshua reagiert hat, war schon geschockt als ich die erste Reaktion lass, doch bin auch ich gespannt wie das mit den beiden weitergeht. Etwas wird jetzt doch anders zwischen ihnen sein,denn die unerwiderte Liebe von Joshua steht immer noch im Raum.
    Ich selbst weiß wie eine gute Freundschaft an nicht erwiderter Liebe zugrunde gehen kann und ich weiß nicht ob Joshua stark genug ist. Wünschen würde ich es beide.


    Ich bin sehr gespannt wie es weitergeht und möchte jetzt auch gar nicht zu sehr raten. Ich lass mich einfach mal überraschen.


    Liebe Grüße
    Verena

    [center]~*~
    Nicht alle sind glücklich die glücklich scheinen, manche lachen nur um nicht zu weinen.[/center]

  • @JaneEyre: Hach, ich mag Deine Kommis so sehr. Du bist eine so gute Analytikerin. :) Dass Dir die Fotos so toll gefallen, hat mich echt überrascht, weil ich im letzten Kapi gar nicht mit zufrieden war. Ich fand den Park so blöde, es war ein Maxis Park und irgendwie mochte ich ihn nicht, wollte aber nicht alles nochmal fotografieren :rollauge
    Nun zu Deiner Vermutung bzgl Jess. Du bist die Erste, die diese Möglichkeit anspricht und es wundert mich fast etwas, dass dieser sozusagen versteckte Hinweis (ohne jetzt sagen zu wollen, ob er richtig ist oder nicht) doch so untergeordnet wahrgenommen wurde, dass niemand es angesprochen hat.
    Denn ja - natürlich könnte das eine Botschaft aus dem Jenseits sein.
    Aber vielleicht ist es auch nur die Sprache von Tessas Herzem.
    Wegen Joshua - ich denke, er ist einfach ein sehr lockerer Typ, der aus allem immer nur das Beste für sich herauszieht. Ein sehr bewunderswerter Charakterzug, der aber ausnahmsweise mal auch nicht viel mit dem Alter zu tun hat. Du deutest ja immer an, dass Tessa eigentlich zu reif ist für ein Mädchen von 21 Jahren. Das stimmt irgendwie, eigentlich müsste sie wohl 2-3 Jahre älter sein, minimum. Wobei ja auch nicht jeder Mensch wie der andere ist, aber trotzdem.
    Ob die beiden befreundet bleiben, ist fraglich. Ich denke, wenn es so sein wird, dann ist das nur Joshuas unbekümmertem Wesen zu verdanken.
    Ich glaube, auch wenn er sich aufrichig in Tessa verliebt hat, er ist so ein Typ, der auch recht schnell einen Haken an das Ganze setzt, wenn er merkt, dass da nichts zu machen ist. Er nimmt sich dann einfach das bestmögliche und schönste raus und hält die Freundschaft aufrecht. Solche Menschen gibt es wirklich, ich habe die Ehre, so jemanden zu kennen (allerdings eine Frau :misstrau), die ihr Leben auch so lebt und ich find das bewundernswert.
    Vielen lieben dank für Deinen tollen Kommi!




    Shareena:
    Danke für Dein Lob bzgl der Fotos! Wie ich schon bei Jane geschrieben habe, fand ich sie gar nicht so toll, weil ich die Location nicht mochte. Gut, dass ihr das anders seht :)
    Die Vergangenheitsbilder mag ich aber auch sehr gerne. :)
    Ob die beiden ihre Freundschaft aufrecht erhalten können, werdet ihr noch erfahren, auch wenn ich schonmal verraten kann, dass ich den Focus von dieser Geschichte wieder etwas wegnehmen werde in den anderen FS - und die Zeit wird jetzt auch wieder ein bißchen stärker gerafft, also seid nicht erstaunt.




    Viel Spaß mit Kapitel 55 - und einem WIEDERSEHEN! :D

  • Kapitel 55
    Wiedersehen




    Die Luft war schneidend kalt. Vor drei Tagen hatte der erste Schneefall eingesetzt. Die Bäume reckten ihre kahlen Äste gen Himmel, nun von den ersten Eiskristallen des Himmels sanft gepudert.
    Als Tessa aus dem Auto stieg, knirschte der Schnee unter ihren Schuhen. Dieses Geräusch in Verbindung mit jenem Gebäude, welches sich vor ihr erhob, jagte ihr automatisch eine Gänsehaut über den Rücken. Es erinnerte sie immer wieder an jene Nacht, in der sie wie von Sinnen durch die Straßen gewandert war, auf der Suche nach Jess.
    Sie rieb sich die kalten Hände und blieb zögerlich vor dem grauen Gebäude stehen. Ihr Herz klopfte ihr bis zum Halse.


    Sie hatte diesen Ort lange gemieden, und vermutlich hätte sich diese Tatsache nicht geändert, wäre da nicht dieser unerwartete Anruf vor wenigen Tagen gewesen… und die wenigen Worte, die er beinhaltet hatten: „Ich komm zurück, Tessa...“
    Ein warmes, aufgeregtes Gefühl durchlief sie, wenn sie daran zurückdachte. Sie hatte es doch kaum mehr zu hoffen gewagt… nun versprach es endlich, Wahrheit zu werden.
    Langsam setzte sie einen Fuß vor den anderen und schritt die grauen Steinstufen zum Eingang des Bahnhofs nach oben. Wenn sie daran dachte, wie oft sie diese vor etwa einem Jahr fast täglich nach oben gegangen war… in der freudigen Erwartung, den Menschen zu sehen, den sie liebte.
    Es war jetzt wieder so… und doch ganz anders…
    Tessa blieb im Inneren des Gebäudes stehen und sah sich um. Es wirkte alles so vertraut… und doch fremd. Dieses Gefühl in ihr, es war schon fast paradox. Sie meinte, jeden einzelnen Stein in den alten Mauern zu kennen… und doch fühlte sie sich hier so fremd und fehl am Platz wie nie zuvor.



    In all dem hier steckten so viele Erinnerungen. Eigentlich hatte ihre Beziehung nur hier stattgefunden. Es gab keinen anderen Ort, der so unweigerlich damit verbunden war. Mit allem – Schmerz und Leid wie Glück und Liebe.
    Tessa schloss für einen Moment die Augen und lauschte dem sanften Plätschern des Springbrunnens hinter ihr. Sie konnte sich noch gut an jenen Tag erinnern, als sie sich zum allerersten Mal mit Jess getroffen hatte… sie waren sich an genau dieser Stelle begegnet.


    Wie konnte es nur sein, dass der Brunnen immer noch in derselben, sanften Gleichmut vor sich hin plätscherte wie zu jener Zeit? Es war so viel geschehen seitdem… als hätten sich Welten neu erschaffen und andere seien vergangen. Doch er stand immer noch, pumpte das Wasser aus dem Becken in stoischer Ruhe von unten nach oben und spuckte es dort aus seinem Fischmaul wieder aus, so dass es tröpfelnd und rinnend nach unten sickern konnte.
    Tessa seufzte und öffnete ihre Augen wieder. Ihr Herz begann schneller zu schlagen, als sie jemanden von außerhalb, wo die Gleise verliefen, auf sich zukommen sah.
    Die Tür öffnete sich und die vertraute Person beschleunigte ihren Gang, als sie Tessa sah.
    „Tessaaa!“ rief sie fröhlich aus. Nun lief auch Tessa auf sie zu und Sekunden später waren beide in einer herzlichen, innigen Umarmung versunken.



    „Tru!“ sagte Tessa glücklich und sah ihre Ziehmutter liebevoll an, als sie sich aus ihrer Umarmung löste. „Ich bin so froh, dass ich dich endlich wiedersehe. Ich hab dich furchtbar vermisst.“
    Tru lächelte. „Und ich dich erst, Tessa, das kann ich gar nicht sagen.“ Sie sah sich um und sog die Luft tief ein, als ob das Bahnhofsgebäude unverkennbar nach Heimat rieche.
    „Es tut so gut, wieder mal Heimatluft zu schnuppern“, sagte sie glücklich und sah Tessa dann aufmerksam an.



    „Mein Gott, Tessalein, ich hätte dich eben fast nicht erkannt. Du hast dich unglaublich verändert seit letztem Jahr. Aus dir ist eine richtige Frau geworden, und wie hübsch du aussiehst! Was ein Jahr aus einem Menschen machen kann, nicht wahr?“
    Tessa lächelte schweigend und dachte bei sich, dass Tru nicht erahnen konnte, wie viel ein Jahr ausmachen konnte… wie viel dieses Jahr ausgemacht hatte.
    „Du siehst aber auch verändert aus, und das sehr zu deinem Vorteil“, erwiderte Tessa nach einem Moment des Schweigens und lächelte. „Deine Haare sind toll, Tru. Eine klasse Frisur, du siehst richtig jugendlich aus. Amerika scheint dir gut zu bekommen.“


    „Danke“, lachte Tru. „Das tut in meinem Alter besonders gut zu hören. Wobei ich eher glaube, dass es nicht Amerika ist, das mich auf Trab hält, sondern das kleine Monster, das ich mehrmals wöchentlich versorgen muss.“
    Tessa lachte auf. „So schlimm?“
    „Ach was – ich mache nur Scherze. Aber Kinder halten einen wirklich in Bewegung. Das wirst du schon auch noch herausfinden“, sie zwinkerte ihr zu. „Und nun hab ich einen Bärenhunger nach dieser langen Reise. Wollen wir etwas essen gehen, Tessalein? Ich lade dich ein!“

    Tessa lachte. „Ich habe eigentlich gehofft, endlich einmal wieder in den Genuss deiner Kochkünste zu kommen, aber das hat ja noch Zeit, bist ja noch ein paar Tage hier. Lass uns in die Stadt fahren.“
    Beide gingen nach draußen und Tru sah sich schwärmerisch um. „Ach, wie schön, dass hier schon Schnee liegt. Das macht alles irgendwie noch heimatlicher, auch wenn es bei uns in Amerika natürlich auch Schnee gibt…“
    Sie lachte und gemeinsam stiegen sie in Tessas Auto.



    Wenig später waren sie in einem kleinen, gemütlichen Restaurant in der Stadt angekommen. Tessa wusste, dass Tru gerne hier war, denn schon früher hatten sie manchmal zusammen hier gegessen.
    „Hier hat sich fast nichts verändert“, seufzte Tru dann auch zufrieden, als beide an einem Zweiertisch Platz genommen hatten.



    „Außer dir, Tessa…“, sagte sie dann und sah ihr Gegenüber noch einmal bewundernd an. „Ich kann es immer noch nicht fassen, wie sehr du dich verändert hast.“
    „Ach“, erwiderte Tessa leichthin. „Das ist nur, weil meine Haare jetzt länger und dunkler sind…“


    *geht noch weiter*

  • „Nein, das ist es nicht“, gab Tru entschieden zurück. „Es sind nicht nur deine Haare. Irgendetwas ist völlig anders an dir als letztes Jahr. Als sei in dieser Zeit etwas Entscheidendes geschehen…“



    Dankbar warf Tessa dem Ober einen Blick zu, der eben an ihren Tisch getreten war. Als beide Frauen ihr Essen bestellt hatten, lenkte Tessa das Thema schnell um: „Und nun erzähl mal, Tru – wie ist es so in Amerika? Kann man es sich denn wirklich so vorstellen, wie man es aus dem Fernsehen kennt? Wie kommst du zurecht? Und wie geht es deinem kleinen Schützling?“
    Tru lachte. „So viele Fragen auf einmal! Vergiss nicht, ich bin nicht mehr die Jüngste…“
    Tessa lachte mit. „Du siehst so jung und frisch aus, das glaub ich dir nicht.“
    „Nun ja – wie gesagt, ein Kind hält einen auf Trab. Und damit kann ich auch gleich deine erste Frage beantworten, dem kleinen Racker geht es sehr gut. Er ist jetzt fast ein Jahr alt und entwickelt sich einfach wunderbar. Ich hab ihn etwa drei bis viermal die Woche mehrere Stunden bei mir, und wir sind sozusagen dicke Freunde geworden. Amerika selbst gefällt mir immer besser, auch wenn es wirklich ganz anders ist als alles, was man von hier gewohnt ist. Es ist eben ein ganz anderes Land. Vor allem in Hinblick auf das Essen musste ich mich schon umstellen, was mir nach wie vor nicht ganz leicht fällt…“
    In diesem Moment stellte der Ober den bestellten Kuchen vor Tru auf den Tisch.
    „Oh wie herrlich, endlich mal wieder typisch deutscher Kuchen. Ich konnte dieses Süßzeug in Amerika nicht mehr sehen! Wie gut, dass ich selbst backen kann.“



    Einen Moment aßen beide schweigend. Tru schien jeden Bissen zu genießen und Tessa amüsierte sich heimlich ein wenig darüber, wie sehr Tru sich nach dem deutschen Essen gesehnt zu haben schien.
    Irgendwann sah Tru sie an und sagte: „Und was ist bei dir geschehen, Tessa? Ich kann mich nur wiederholen – wenn ich mir dich so ansehe, muss viel passiert sein in diesem Jahr. Also nun erzähl du mal.“
    „Ach – du weißt das meiste doch schon aus unseren E-Mails und den Telefonaten“, wich Tessa aus und stocherte in ihrem Kuchen herum. „Was soll schon noch großartig gewesen sein.“



    Tru sah sie nachdenklich an. „Ich weiß nicht – ich finde dich verändert. Und von dem, was du mir erzählt hast, kann das eigentlich nicht sein. Abgesehen davon, dass ich so viel gar nicht weiß. Du hast erzählt, dass dir die Uni gut gefällt und du nette Leute kennen gelernt hast. Dass deine Noten recht gut sind… und du im Sommer viel unterwegs warst. Eigentlich alles ganz normale Dinge für eine junge Frau in deinem Alter. Aber all das erklärt nicht deine Veränderung. Erzähl mir mehr. Wie geht es deinen Eltern?“
    Tessa zuckte mit den Schultern. „Es ist alles beim Alten. Mutter ist vollauf mit ihrer Kosmetik beschäftigt und Vater jettet durch die Weltgeschichte und wälzt Gesetzbücher.“
    Sie versuchte schief zu grinsen, was ihr nur halbseiden gelang.



    „Also ist euer Verhältnis immer noch nicht besser?“, seufzte Tru. „Ich hatte gehofft, jetzt, wo ich nicht mehr da bin, würdet ihr euch vielleicht doch noch näher kommen…“

    Tessa lachte und konnte nicht verhindern, dass es bitter klang. „Nein, Tru – unser Verhältnis ist wie immer… nur dass wir seit du weg gegangen bist, noch viel mehr unser eigenes Leben gelebt haben, ohne viel voneinander mitzubekommen. Aber das ist eben so, und nicht zu ändern. Ich will es auch nicht ändern. Ich hab mit meinen Eltern einfach nicht viel gemein und es steht inzwischen viel zu viel zwischen uns…“
    Tru horchte auf und sah Tessa fragend an. „Was steht zwischen euch, Tessa? Gab es Streit?“



    „Nein, nicht wirklich“, erwiderte Tessa und schob ihren halb leer gegessenen Teller dem Kellner zu, der gerade Tru´s leeren Teller abräumen wollte.
    „Nun… und… was ist mit deinen Freunden? Mit ihnen läuft alles gut? Wie geht´s Niklas?“
    Tessa schluckte. „Ich weiß nicht. Wir haben keinen Kontakt mehr.“
    Tru zog überrascht die Brauen nach oben. „Ihr habt keinen Kontakt mehr? Wie ist das denn gekommen? Ihr ward doch so lange befreundet und habt immer aneinander gehangen wie die Kletten…“
    „Das ist schon lang vorbei, Tru…“, seufzte Tessa. „Und die Gründe dafür sind kompliziert…“
    „Erklär sie mir…“

    Tessa starrte auf ihre Fußspitzen. „Das ist alles nicht so einfach…“



    Sie fühlte, wie Tru ihre Hand sanft drückte. „Tessa… irgendetwas bedrückt dich doch? Wieso magst du es mir nicht erzählen? Nur weil ich weit weg wohne, heißt das noch lange nicht, dass ich nicht für dich da bin…“
    Tessa hätte für einen Moment am liebsten ironisch aufgelacht.
    „Doch, genau das heißt es schon…“, flüsterte sie leise und war sich nicht sicher, ob Tru es gehört hatte oder nicht. Sie sah ihre Ziehmutter lange an. „Es ist eine lange Geschichte, Tru… und ich weiß nicht, ob du sie wirklich hören willst…“

    Tru sah sie bestürzt an. „Tessalein – so kenn ich dich gar nicht. Was ist denn los? Natürlich will ich sie hören…“



    „Ich… ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist“, erwiderte Tessa unsicher.
    „Tessa – ich bin immer für dich da. Und ich werde dich nie allein lassen.“

    Tessa schnaubte. „Die Geschichte hat aber viel mit Einsamkeit zu tun“, sagte sie dann langsam und starrte auf die Tischkante vor sich. „Denn ich war sehr einsam, Tru… sehr einsam… und allein… und hilflos…“



    Sie schluckte hart und spürte, wie Tru´s Hand den Druck um ihre verstärkte. Dann geschah etwas seltsames. Es fühlte sich an, als platze in ihr ein kleiner Knoten… der sich um ihr Herz gelegt zu haben schien, und den so trotz all der Fortschritte der letzten Monate nie bemerkt hatte. Nun, in der Gegenwart jener Person, die ihr so lange Jahre ihres Lebens die meiste Wärme und Mütterlichkeit entgegengebracht hatte, schien sich etwas zu lösen, was sich vorher nie hatte lösen können.



    *geht noch weiter*

  • Und ehe Tessa etwas dagegen tun konnte, waren ihr die Tränen in die Augen getreten und ungeachtet der Tatsache, dass sie sich in einem Restaurant befand, begann sie zu weinen.



    „Aber… Tessalein… ist ja gut, schhh, ist ja gut…“, flüsterte Tru, die offenbar etwas schockiert über den Gefühlsausbruch ihres Gegenübers war.
    Nach einer kleinen Weile schaffte Tessa es dann auch, ruhiger zu werden und wischte sich traurig die Tränen aus dem Gesicht.
    „Weißt du, Tru … du hast recht, es ist vieles geschehen in diesem einen Jahr… und ich glaube, ich sollte es dir endlich erzählen.“



    Und so begann sie zu erzählen. Sie berichtete von ihrem Treffen mit Jess, darüber, wie sie sich verliebt hatten, über den Streit mit ihren Eltern und Niklas, ihre Verleugnung von Jess und ihrer Beziehung, den harten Tagen, an denen Jess unter Entzugserscheinen kaum erträglich gewesen war, sowie den schönen, an denen sie ihre Liebe in vollen Zügen hatten genießen können. Als sie zu jener Nacht kam, in der sie ihn gesucht hatte, kürzte sie ein wenig, um Tru nicht noch mehr zu schockieren, als diese es nach ihrem Gesichtsausdruck zu schließen ohnehin schon war. Auch die Tage des Entzugs beschrieb sie nicht in ihrem Detail, sondern schloss nur mit dem Satz: „Jedenfalls hat Jess den Entzug, den er begonnen hat, nicht durchgehalten. Er ist gegangen. Das war im Februar. Seither habe ich nichts mehr von ihm gehört… er ist jetzt schon fast zehn Monate wie vom Erdboden verschluckt…“
    Sie wischte sich noch einmal die Tränen, die während des Redens unaufhörlich weiter geflossen waren, aus dem Gesicht und schnäuzte sich kräftig. Dann sah sie Tru an. „Ich habe mich einer Selbsthilfegruppe angeschlossen und dort meine Freundin Monika kennengelernt, die ein ähnliches Schicksal hat wie ich… nur dass ihr Freund den Kampf gegen die Drogen schon vor langer Zeit verloren hat… und gestorben ist… während ich noch immer nicht weiß, wo Jess steckt und ob er noch lebt.“
    Sie schluckte und sah Tru eine Weile an. Als diese weiterhin beharrlich schwieg, fragte Tessa bang: „Was ist los? Ich hätte es dir besser nicht gesagt, oder?“



    Tru atmete tief aus und schüttelte dann den Kopf, den sie die ganze Zeit gesenkt hielt. Als sie ihre Stimme wieder erhob, erschrak Tessa, denn sie klang brüchig und zittrig.
    „Doch, Tessa – ich bin froh, dass du es mir gesagt hast. Ich… ich mache mir nur unsagbare Vorwürfe.“



    Tessa sah sie überrascht an, und nun war sie es, die nach Trus Hand griff und diese sanft drückte. „Tru – das brauchst du nicht. Es war meine Entscheidung, mich niemandem anzuvertrauen. Ich wollte dich damals nicht belasten, du hättest mir von Amerika aus ohnehin nicht viel helfen können.“
    „Das ist es ja“, erwiderte Tru und sah Tessa mit feuchten Augen an. „Begreift du das nicht, Tessa? Du bist für mich wie ein eigenes Kind. Dass ich nicht da war, als du die wohl schlimmste Zeit deines Lebens durchgemacht hast, schmerzt mich unsagbar.“
    Tessa schüttelte den Kopf. „Ich glaube, in dieser Zeit hätte mir niemand helfen können. Vielleicht sollte es so sein, Tru – dass ich alleine bin, meine ich.“ Sie sah Tru offen an. „Jetzt, wo ich es dir erzählt habe, scheint es mir fast so zu sein. Ich weiß, dass mich die Zeit mit Jess reifer hat werden lassen. Es hat mir unendlich viel zurückgegeben, auch wenn ich gelitten habe. Das einzige, was heute noch wirklich schlimm daran ist, scheint die Tatsache zu sein, dass ich nach wie vor nicht weiß, wo er ist und was mit ihm geschah. Doch auch dabei kann mir niemand helfen. Entweder ich erfahre es doch noch einmal oder ich muss mich eben irgendwann damit abfinden. Also mach dir bitte keine Vorwürfe.“



    „Du hattest Angst, ich würde dich dafür verurteilen, dass du dich in einen Menschen wie Jess verliebt hast?“ fragte Tru nach einer Weile und sah Tessa offen an.
    Diese nickte langsam. „Nach den Reaktionen von Niklas und meinen Eltern – die ja nicht einmal wussten und bis heute nicht wissen, was zwischen Jess und mir wirklich war – glaubte ich wohl, jeder Mensch, der ein normales Leben führt, müsse so reagieren. In den letzten Monaten habe ich gelernt, dass dem nicht so ist. Natürlich verurteilen viele Menschen es trotzdem, aber es gibt auch einige, die es verstehen und es respektieren… manchmal sogar schätzen.“
    „Das tu ich auch“, erwiderte Tru und sah Tessa mit einem wehmütigen Lächeln an. „Ich weiß aber nicht, ob ich vor einem Jahr aus Angst nicht auch anders reagiert hätte. Nicht so wie Niklas oder deine Eltern… aber ich hätte dir vermutlich auch abgeraten. Und nicht daran gedacht, dass ich dich damit noch mehr in die Enge treibe.“
    Sie sah Tessa liebevoll an. „Dabei hätte ich mir gar keine Sorgen machen müssen, denn du bist so eine erwachsene Frau geworden, dass du sehr gut auf dich selbst aufpassen konntest. Und was du da getan hast, zeugt von einem sehr guten Charakter. Ich denke, du kannst stolz auf dich sein, Tessa. Das kannst du.“




    Tessa lächelte. „Schön, das von dir zu hören.“
    „Und was ist mit deinen Eltern? Sie wissen immer noch nichts?“

    Tessa schüttelte den Kopf. „Nein – vielleicht sollte ich es ihnen sagen… aber unser Verhältnis ist einfach so abgekühlt. Und so lange Jess kein Bestandteil meines Lebens mehr ist, weiß ich, dass ich mir das Leben damit wohl nur schwer machen würde…“
    „Sei dir da nicht so sicher“, erwiderte Tru und sah Tessa fest an. „Deine Eltern lieben dich sehr, Tessa, auch wenn sie es nicht so zeigen konnten wie ich. Ich glaube, dass sie ebenso betroffen wären wie ich es bin, wenn sie hören, was dir geschehen ist… noch dazu waren sie vor Ort und es ist praktisch vor ihren Augen geschehen, ohne dass sie es realisiert haben. Ich denke, es wäre gut, es ihnen zu sagen… irgendwann jedenfalls.“

    Tessa nickte. „Irgendwann… ja, irgendwann werde ich das sicherlich tun. Aber noch ist die Zeit wohl nicht reif dafür.“
    Tru nickte. „Und wie geht es dir heute mit allem?“
    „Meist gut“, erwiderte Tessa und sah Tru offen an. „Aber die Angst um Jess und die Unsicherheit sind mein ständiger Begleiter… doch es wird immer weniger. Ich habe begriffen, dass ich mein Leben weiterleben muss und nicht auf ihn warten kann. Trotzdem bin ich noch nicht bereit für eine neue Liebe…“ Mit einem Hauch Wehmut dachte sie an Joshua.




    „Wäre da denn jemand?“ fragte Tru lächelnd nach.
    Tessa nickte. „Ja – Joshua… ich hab mal von ihm erzählt… er empfindet mehr für mich und beinahe wären wir vor einigen Wochen auch zusammengekommen. Aber ich konnte noch nicht.“
    „Wie hat er es aufgenommen?“
    „Sehr gut. Natürlich ist es nicht mehr so wie früher zwischen uns. Aber vielleicht braucht es auch einfach Zeit. Wir sehen uns trotzdem häufig und ich kann mit ihm über fast alles reden.“

    „Das ist gut. Du bist also nicht mehr alleine.“
    „Nein – ich hab Monika, Feli und Joshua, und ich weiß, dass sie alle drei zu mir halten. Mehr brauch ich gar nicht.“

    Tru nickte. „Drei gute Freunde sind schon sehr viel und wertvoll. Meine Mutter sagte immer, besser einen guten Freund als zehn schlechte.“



    Eine Weile schwiegen beide Frauen, dann sagte Tru ernst: „Bitte versprich mir trotzdem, Tessa, dass du mich in Zukunft in deine Sorgen einweihst und um Hilfe rufst, wenn du sie brauchst. Auch wenn ich weit weg bin – du bist nach wie vor der wichtigste Mensch auf Erden für mich, und ich werde immer einen Weg finden, bei dir zu sein.“
    Gerührt sah Tessa sie an. „Das ist lieb, Tru…“
    „Versprich es mir, Tessa.“
    Tessa nickte. „Ich verspreche es, Tru. Wenn ich das nächstemal Hilfe brauche und allein bin, werde ich es dir sagen.“
    Die beiden sahen sich fest in die Augen.




    *geht noch weiter*

  • Dann lächelte Tessa. „Und nun lass uns mal von was anderem reden. Wie sind die alleinstehenden älteren Männer in Amerika so?“
    Tru schnaubte. „Tessa! Du bist unmöglich!“
    Tessa grinste. „Ich weiß…“



    Beide lachten leise auf. Die nächste Stunde verbrachten sie noch in angeregtem Gespräch miteinander, dann merkte Tessa, dass Tru von der langen Reise doch müder und abgespannter war als sie zugeben wollte.
    „Komm, Tru. Ich fahr dich zum Hotel, ich muss ohnehin noch mal zur Uni und was in der Bib nachschauen.“
    Beide erhoben sich von ihren Stühlen. „Ich bin ja auch noch eine ganze Woche da“, erwiderte Tru lächelnd. „Dieses Jahr verpasse ich deinen Geburtstag um nichts in der Welt.“
    Tessa lächelte. „Das ist schön. Denn ohne dich ist ein Geburtstag gar nicht wirklich ein Geburtstag.“



    Tru lachte. „Was wohl vor allem mit meinen Torten zusammenhängt, nehme ich an?“
    Tessa grinste. „Du hast es erraten.“

    Und als Tessa im Auto saß und Tru nachsah, die mit ihrem Koffer die Treppen zu der Pension, in der sie sich eingemietet hatte, nach oben stieg, erfüllte sie ein warmes Gefühl.
    Es hatte sich vieles in diesem Jahr geändert.
    Zum Guten.




    Fortsetzung folgt.

  • Liebe Innad,
    Joshua liegt sehr viel an Tessa und aus Freundschaft ist Liebe geworden. Tessa wiederum, liegt auch sehr viel an Joshua, doch in ihrem Herzen ist Jess. Sie hat soviel mit ihm durchgemacht, dass ihre Liebe zu ihm sehr groß war und auch noch ist. Obwohl schon Monate vergangen sind, kann und will sie ihn nicht vergessen, vergessen in dem Sinne, dass ein anderer ihr Herz erobern könnte. Es ist die Ungewissheit, die sie hat, die Ungewissheit was mit Jess ist, warum er fortgelaufen war und ob er überhaupt noch lebt. So trägt sie immer noch ein bisschen Hoffnung in sich, das Jess vielleicht doch noch wiederkommt, zumindest um zu erklären, was passiert war. Solange sie diese Hoffnung noch hat, kann sie nicht einen Schlussstrich ziehen, der ihr Herz für jemand anderes freigeben würde.
    Doch ich finde es gut, das Tessa so reagiert hat und auch Joshua erklärt hatte, warum sie noch nicht bereit ist. Lieber so, als würde sie eine falsche liebe vorspielen und dann wäre für Joshua die Enttäuschung noch größer.
    Er hat es so einigermaßen gut aufgenommen und hat auch Recht mit dem was er sagte. Doch solange Tessa nicht bereit ist die Liebe zu Jess aufzugeben, helfen auch keine Worte.
    Joshua ist ein herzensguter junger Mann und wird sicherlich noch etwas warten. Der er sich Tessa nun offenbart hat, sind die Treffen zwischen den beiden doch etwas anders wie vorher und eine gewisse Anspannung beiderseits umgibt sie.


    Ach wie schön das Tru zu besucht gekommen ist. Sie sieht toll aus, da hat ihr Amerika ja gut getan. Ja und auf wilde kleine Kinder aufzupassen, hält einen Jung. Das war für Tru und Tessa ein sehr schöner Moment als sie sich wieder sahen.
    Tru ist gleich aufgefallen, das mit ihrer Ziehtochter was nicht stimmt. Hat sie in denn ganzen Jahren auch so was wie Mutterinstinkte entwickelt und kennt Tessa besser als Tessas eigene Mutter sie kennt.
    Tessa ist es zwar schwer gefallen Tru das mit Jess zu erzählen, aber ich denke Mal das hat ihr auch gut getan und Tru ist sehr verständnisvoll. Obwohl sie ja zugab, dass sie damals anders gegiert hätte, aber wenn ich ganz ehrlich bin, würde es jeder von uns mit Skepsis beurteilen.
    Man macht sich halt Sorgen und kennt ja nicht die Person, sondern sieht nur die Gefahren, was alles passieren könnte.

    Das waren wieder schöne Fortsetzungen wie ich dir ja schon Mal gesagt habe. Die Bilder sind auch sehr schön, besonders die von Jess Erinnerungen.
    Ich freue mich schon au Tessas Geburtstag mit Tru und ihre neuen Freunde.
    Bis dann!:)

    [SIZE=3]*liebe grüße Ines*[/SIZE]
    [SIZE=3]Meine erste FS! Eine etwas andere Familie! [/SIZE][SIZE=3]
    [/SIZE]
    Liebe Grüße an Nintendog, Rivendell, PeeWee, Jane Eyre, Kautschi, Llynya, colle Omi, wawuschel, Panakita, Josijusa, Filour, fallin'angel undalle Leser!:knuddel



  • GEMEIN!! GRR! Das war Absicht, versuche ja nicht, es zu leugnen! :angry :angry
    Das Kapitel heißt "Wiedersehen", Tessa betritt den Bahnhof, der Anruf "Ich komme zurück"... die Spannung steigt, die Freude auch, und dann - "Tessalein!"
    Menno! Du bist echt fies. :angry

    Obwohl ich eigentlich jemand anderen erwartet habe, freue ich mich doch sehr, dass Tru zurück ist. Ihre Gegenwart gibt Tessa Sicherheit und bewahrt sie vielleicht davor, etwas Falsches zu machen.
    Ich habe mir übrigens schon gedacht, dass sie noch nicht bereit für eine neue Liebe ist...
    Joshua ist wirklich nett, aber... das habe ich schon vom ersten Bild an gedacht: Also seine Frisur ist entsetzlich! :D Irgendwie schief und krumm.

    Hoffentlich kommt Jess bald zurück... :hua

    Liebe Grüße,
    deine beleidigte Scotty :Schmoll
    hehe :p ich lese aber trotzdem weiter, keine Sorge ;)

  • Nun ich muss auch sagen, für einen Herzschlag lang dachte ich dass ganze hat etwas mit Jess zu tun. Aber dann dachte ich auch, dass kann nicht sein. Jess würde Tessa wohl kaum vorher anrufen. Das kann ich mir mal nicht vorstellen :)


    Aber ich hab mich total für Tessa gefreut. Schön dass Tru sie besuchen kommt und noch viel schöner dass du Tru wieder in deiner Geschichte auftauchen lässt.
    Ich finde es toll dass sich Tessa Tru gegenüber geöffnet hat. Zudem hab ich geahnt das Tru sie nicht im Stich lässt, dass hätte keinesfalls zu ihr gepasst.


    Ich wünsche ihr auf alle Fälle noch ein paar schöne Tage mit Tru ;)


    Liebe Grüße
    Verena

    [center]~*~
    Nicht alle sind glücklich die glücklich scheinen, manche lachen nur um nicht zu weinen.[/center]

  • @ineshnsch: Ja, das stimmt, ich denke auch, wenn Trudy das alles im Jahr vorher erfahren hätte, da hätte sie auch anders reagiert, ist ja auch normal man macht sich da doch auch einfach Sorgen und ist ängstlich. Aber für Tessa ist es sehr wichtig, im Nachhinein zu merken, dass sie ihr Verhalten nicht verurteilt.


    Ob Joshua sich gegenüber Tessa wieder lockern kann, wird man bald erfahren.


    Danke für Deinen Kommi!




    @Scotty: hihi, ja das war etwas irreführend, ich gebe es zu und mich als Schuldig zu erkennen :)
    Zu Joshuas Frisur - ja, ist halt was wuschelig :)




    Shareena: Stimmt, dass Jess anruft, wäre wohl eher unwahrscheinlich :)
    Dass Tru zu Tessa hält, ist ja fast Ehrensache stimmt. Obwohl ich auch denke, wenn sie es ihr damals gesagt hätte, wäre die Reaktion anders gewesen.




    @ALL: Danke für eure KOmmis! Hab heute wenig zeit, daher nur ganz fix das nächste Kapitel!

  • Kapitel 56
    Eine überraschende Begegnung





    Der Winter hatte endgültig Einzug gehalten. Der November war mit wenig Schneefall, aber eisigen Herbststürmen vorbei gezogen.
    Der Dezember jedoch hatte starke Schneefälle und eisige Temperaturen gebracht. Seither war die Stadt in ein weißes, bauschiges Kleid gehüllt.



    Weihnachten war vorbeigezogen, ein weißes Weihnachten – wie auch schon im Jahr zuvor.
    Tessa spürte den Schnee unter ihren Schuhen knirschen. Inzwischen hatte sie sich wieder an das Geräusch gewöhnt, die unangenehmen Empfindungen, die sie damit in Verbindung gebracht hatte, zurück gedrängt.
    So sehr sie sich auch vor dem Winter gefürchtet hatte – nun, da er gekommen war, genoss sie ihn.
    Tessa sog die klare, kalte Luft tief ein. Es war der Neujahrstag, und auf den Straßen war es ungewöhnlich ruhig. Doch sie hatte es hinaus getrieben an die Luft.


    In den letzten Wochen war der Schnee ihr wie ein alter Vertrauter geworden. Jemand, der sie verstand. Auch wenn sie natürlich wusste, dass derartige Gedanken unsinnig waren – Schnee war nichts als gefrorene Wassertropfen, die sich zusammenbauschten und das Licht der Sonne reflektierten. Und doch war der Schnee ihr vertraut, er erinnerte sie an eine Zeit, an die sie inzwischen immer seltener mit Wehmut und Trauer zurückdachte und dafür immer öfter mit liebevoller Sehnsucht und dankbarer Zuneigung.
    Tessa steckte die Hände in ihre Manteltaschen, um sie vor der stechenden Kälte zu schützen. Sie ließ die letzten Wochen vor ihrem inneren Auge Revue passieren.
    Weihnachten war ereignislos vorüber gezogen. Sie hatte nur am Heiligen Abend einige Stunden mit ihren Eltern verbracht. Und selbst diese hätte sie sich fast sparen können, dachte Tessa bei sich. Es schien, als stände alles, was ihr in den letzten anderthalb Jahren widerfahren war, zwischen ihr und ihren Eltern. Sie war ein anderer Mensch und diese begriffen es nicht. Es fehlte jegliche Basis, um sich näher zu kommen.
    Umso wärmere Gedanken hatte sie an ihren Geburtstag, den sie gemeinsam mit all ihren Freunden und Tru verbracht hatte.



    Natürlich hatte Tru ihre eine Torte gebacken und eine Menge brennender Kerzen darauf gesteckt. Als Tessa zum Pusten ansetzen wollte, hatte sie gerufen: „Denk dran, du musst dir etwas wünschen!“ Tessa hatte die Augen geschlossen und genau gewusst, was sie sich wünschte…



    Der Abend war entspannt und fröhlich verlaufen, mit viel Spaß, Musik und Tanz. Sogar Tru hatte ein flottes Tanzbein bewiesen, was Tessa ehrlich erstaunt hatte. So hatte sie ihre Ziehmutter bisher selten zu sehen bekommen.



    In Gedanken daran flog ein Grinsen über ihr Gesicht. Ihre Eltern waren an jenem Abend nicht zugegen gewesen – Tessa hatte ihnen gesagt, sie feiere mit ihren Freunden und darum hatten sie sich nur am Nachmittag kurz blicken lassen. Sie hatten seltsamerweise nur sehr wenig gefehlt…
    Auch Joshua war natürlich da gewesen und hatte sie irgendwann im Laufe des Abends fest in seine Arme gezogen. Das war fast ihr schönstes Geschenk gewesen, war er die zwei Monate zuvor doch verständlicherweise recht sparsam mit jedweder Annäherung gewesen.


    Doch diese Umarmung war gewesen wie jene, die am Anfang noch normal zwischen ihnen gewesen waren – herzlich, innig… aber ohne Erwartung. Freundschaftlich.
    Ohne wahre Freunde war ein Geburtstag eben nur ein Datum auf dem Kalender. Mit guten Freunden jedoch war er das, was er sein sollte – ein besonderer, glücklicher Tag, an dem man das Leben an sich feierte.
    Tessa musste zugeben, dass zwar auch im vorigen Jahr einige Namen in ihrem Adressbuch gestanden hatten, aber sie kaum jemand an ihrem Geburtstag angerufen oder auch nur eine simple E-Mail geschrieben hatte. Sie konnte sich nur gut an das Gefühl der Einsamkeit in jenem Jahr erinnern und musste wieder feststellen, wie sehr zum Guten sich ihr Leben doch gewendet hatte.



    Wie anders war es doch in diesem Jahr gewesen. Sie hatte Feli irgendwann im Laufe des Abends erzählt, wie ihr Geburtstag im Vorjahr gewesen war. Diese hatte sie traurig angesehen und dann wieder gelächelt. „Das wird jetzt nie wieder so sein“, hatte sie dann gesagt und Tessa gedrückt. „Jetzt hast du ja uns alle. Und weißt du, gerade an solchen Tagen erkennt man oft, wer die wahren Freunde sind und wem man wirklich wichtig ist.“

  • Tessa musste ihr zustimmen. Sie hatte in diesem Jahr wahrlich gelernt, wer ihre wahren Freunde waren und wer nicht. Und dieser Tag schien dies noch einmal besonders deutlich widerzuspiegeln. Eben auch weil er in seinem so wundervollen Kontrast zum Vorjahr stand.
    Nach diesem ernsten Gespräch war die Stimmung sofort wieder lockerer geworden und die Mädchen hatten ausgelassen gelacht und getanzt.



    Als Tru sich dann nach einigen Stunden verabschiedete, da sie müde war, hatte sie Tessa in eine warme Umarmung gezogen.
    „Ach, mein Mädchen – ich bin so froh, dass ich hier sein konnte an diesem besonderen Tag!“



    Tessa lächelte erneut. Ja, sie war glücklich. Sie hatte Menschen um sich, die sie liebten, zu ihr hielten und sie nicht im Stich ließen. Wer konnte das schon so ohne weiteres von sich behaupten?
    Völlig in Gedanken versunken wechselte sie die Straßenseite.



    Sie dachte weiter nach. Über das, was dieses Jahr ihr bringen mochte. Bald war sie schon seit einem Jahr an der Uni. Allein das schien ihr unvorstellbar. Noch drei weitere Jahre und sie würde ihr Diplom in den Händen halten, sofern denn alles gut und glatt liefe.
    Was sie danach machten wollte, wusste sie noch nicht. Sie wusste nur mit immer größer werdender Sicherheit, dass sie nicht wieder zurück in ihre alte Redaktion gehen würde.
    Sie wollte etwas anderes tun, etwas nützlicheres…
    Tessa war so in ihre Grübeleien vertieft, dass sie kaum merkte, wie jemand ihr auf dem schmalen Gehweg entgegenkam und sie fast streifte.



    „Tessa? Tessa, bist du das?“ riss eine Stimme, die ihr seltsam vertraut, im ersten Moment dennoch fremd erschien, aus ihren Gedanken.
    Tessa drehte sich zu der Person, die eben an ihr vorbeigegangen und nun kurz hinter ihr zum Stehen gekommen war, um und musterte sie einen Moment verwirrt.
    Dann überzog verblüffte Überraschung ihr Gesicht, als sie ihr Gegenüber endlich wieder erkannte.



    „Du?“ rief sie verblüfft aus. „Mein Gott… ich… ich hätte dich kaum mehr erkannt!“
    Die junge Frau ihr gegenüber lächelte milde und erwiderte: „Ich weiß – ist ja auch viel Zeit vergangen, seit wir uns zum letzten Mal gesehen haben.“
    Tessa stand wie vom Donner gerührt und suchte nach Worten. Sie konnte nicht fassen, dass sie ihr wahrhaftig gegenüber stand.
    Die beiden Frauen musterten sich eine Weile schweigend und blieben unbeweglich voreinander stehen. Um sie herum nichts als das knisternde Geräusch der zum Himmel sinkenden Schneeflocken und die feierliche Stille des Neujahrstages.








    Fortsetzung folgt.

  • Hallo Innad!

    Ich gebe mich als stille Leserin zu erkennen, was den Grund hat dass ich oft nicht weiss was ich schrieben soll.
    Ich mag deine Geschichte sehr und finde die Bilder wunderschön, ausserdem schätze ich sehr wie du Probleme glaubwürdig rüberbingen kannst.:)

    Ich schätze jetzt einfach Mal, bei der ominösen Person handelt es sich um... Jasmin.

    [LEFT][center]I get my kicks above the waistline, sunshine.[/center][/LEFT]
    [LEFT][center][SIZE=1][glowred]->PROMISE ME DELIGHT[/glowred][/SIZE][/center][/LEFT]
    [right][SIZE=1][SIZE=2]Layla, you've got me on my knees...[/SIZE][/SIZE][/right]

  • Wieder mal eine sehr schöne Fortsetzung!
    Natürlich habe ich auch dieses mal gehofft, dass es sich bei der überraschenden Begegnung um Jess handelt :p Aber eben nur gehofft, du hast die Spannung am Anfang nicht so enorm gesteigert wie beim letzten Mal, daran habe ich erkannt, dass es nicht Jess sein kann ;)
    Bin grad am Rätseln, wer die junge Frau ist...
    Gwendolines Gedanken mit Jasmin finde ich sehr gut. Vielleicht weiß sie ja, was mit Jess ist...?

    Hoffentlich gibt es bald, irgendwann ein dramatisches Wiedersehen... *bettel* :heppy *mit blümchen einschleim*

    Liebe Grüße!
    Scotty

  • Oh, Innad du bist einfach zu schnell für mich!
    Immer wenn ich meinen Kommentar schreiben will, sehe ich, dass du bereits die nächste Fortsetzung gebracht hast.....


    Als ich den Titel Das Wiedersehen las, dachte ich zuerst natürlich sofort an JESS. Aber so, wie du Tessas Gefühle beschrieben hast, als sie den Bahnhof betrat, habe ich gemerkt, dass er es nicht sein kann. Meine zweite Vermutung war dann Niklas.
    Tante Tru! Natürlich auch eine wunderschöne Überraschung für Tessa! War doch Tru immer wie eine Mutter für sie, ist ihr immer näher gestanden als die eigenen Eltern. Schade, dass da keine Annäherung mehr zustande kam, aber so etwas gibt es. Die Eltern und Tessa leben in völlig verschiedenen Welten und finden keinen gemeinsamen Nenner mehr. Es ist verständlich, dass sich Tessa von ihnen zurück gezogen hat. Vermutlich fragen sich die Eltern, warum das so ist. Es gibt eben Menschen, die sich nicht in andere einfühlen können, und das ist eigentlich tragisch. Nicht zuletzt auch für die Eltern selber.....


    Wow, deine Winterbilder sind ja mal wieder wunderschön! Mit deinen Bildern und deinem Text kriegst du jeweils eine Stimmung hin, die mich jedes Mal wieder aufs Neue berührt.


    Ich stimme meinen Vorschreiberinnen zu, dass die (noch unbekannte) Begegnung Jasmin sein könnte und das macht mich ganz nervös. Weiss sie etwas von Jess? Es würde mich riesig freuen, aber andererseits wird es Tessa wieder völlig durcheinander bringen, und das gerade jetzt, wo sie so schön mit ihren Freunden den Geburtstag gefeiert und sich so glücklich gefühlt hat. Ja, Jasmin ist die Verbindung zu Jess, alles wird wieder aufgewühlt, schon alleine die Begegnung mit ihr...


    Tante Tru hat Gewissensbisse, weil sie in der schweren Zeit nicht für Tessa da sein konnte. Aber wie du selber schon geschrieben hast: es sollte wohl so sein, dass Tessa ganz alleine da durch musste. Die Erlebnisse haben sie auch gestärkt und noch feinfühliger werden lassen, als sie es sowieso schon war. Es war wohl sogar besser so, dass Tru nicht da war, denn was hätte sie sich für schreckliche Sorgen um Tessa gemacht!


    Hat Tessa ein bisschen ihre Wohnung umgestellt und/oder neue Möbel gekauft? Kommt mir irgendwie so vor. Auf jeden Fall siehts sehr schön aus.


    Wieder wunderschöne FS:applaus


    Lieber Gruss
    Jane

  • Hallö Innad. :)


    Uff, du warst einfach zu schnell für mich diesmal. Kaum hatte ich meine Gedanken zu der Fortsetzung geordnet, da war auch schon die nächste da. Aber jetzt hab ich endlich auch genügend Zeit um alles aufzuarbeiten. :)


    Zu Kapitel 54: Ich geb zu ich hab richtig mitgefiebert mit Joshua. Ihm hätte ich das wirklich gegönnt, wenn Tessa sich ganz auf ihn hätte einlassen können. Aber ich ahnte ja nach dem Traum von Tessa schon, dass es noch viel zu früh für sie ist. Obwohl sie es ja doch versucht hat, was ich ganz toll finde. Du hast ihren inneren Kampf mit ihren Gefühlen wirklich toll beschrieben. Nur für Joshua tut es mir Leid, weil er so ein rücksichtsvoller Mann ist, der sich selbst mit einer Freundschaft zufriedengibt. Davon gibt es wirklich nicht viele. (...Und ich frag mich immer noch, wo man die im RL findet. :misstrau
    ^^) Ich hoffe für Beide, dass die Freundschaft bleibt und wer weiß, vielleicht wird es ja doch noch etwas mit den Beiden. Bei genügend Zeit und den richtigen Umständen... ;)


    Zu Kapitel 55: Als ich den Titel gelesen hab, habe ich sofort an Tru gedacht. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Jess wiederkommt, auf jeden Fall noch nicht jetzt. Das wäre dann doch noch zu früh, so kurz nachdem Tessa klar geworden ist, dass es doch noch nicht vorbei ist.
    Tru hat sich durch den Amerika Aufenthalt wirklich verändert, aber nur äußerlich. Sie ist immer noch die gleiche geblieben, im Gegensatz zu Tessa. Klar, dass ihr auffällt, dass Tessa sich sehr verändert hat. Erstens kennt sie Tessa wie kein Anderer und zweitens hatte sie genügend Abstand, um die Veränderungen auf einmal zu bemerken und nicht wie alle Anderen immer nur stückchenweise. Das Tessa ihr alles erzählt hat, ist ein großer Schritt für Tessa. Schließlich ist Tru nicht jemand der Tessa nur kurz kennt, sondern schon seit frühester Kindheit die wichtigste Person in ihren Leben gewesen. Aber Tru hat wirklich toll reagiert, auch mit dem Auspruch, dass sie nicht wüsste, wie sie reagiert hätte, wenn Tessa ihr früher erzählt hätte, dass sie mit einem Junkie zusammen ist. Ich denke, Tessa kann sich jetzt sicher sein, dass jeder dem sie es erzählt hat und sie nicht verurteilt nun ein wahrer Freund ist. :)


    Zu Kapitel 56: Hach, die Erinnerungen an ihren Geburtstag waren wirklich schön. Endlich konnte Tessa ihren Geburtstag mal richtig feiern und nicht 'nur' mit der Familie. Endlich war es mal mehr, als nur Kaffee und Kuchen und ein paar Glückwünsche. Und mich freut es zu sehen, dass sich Joshua auch mit bei den Gästen befunden hat. Er scheint es ja wirklich zu wollen mit der Freundschaft und kann seine Gefühle für Tessa so weit zurückstellen. Bemerkenswert!
    Sehr schön fande ich diese Stelle:


    Zitat

    Ja, sie war glücklich. Sie hatte Menschen um sich, die sie liebten, zu ihr hielten und sie nicht im Stich ließen.

    Sie hat erkannt, was wir hier alle auch schon gesagt hatten. Es muss ein tolles Gefühl sein, nach so einem schwierigen Jahr zu erkennen, dass es trotz allen Leids doch noch sehr viel Gutes entstanden ist. :)


    War aber ja klar, dass du ihr das so nicht so lange gönnst. :D ^^
    Ich denke auch, dass es Jasmin ist, der Tessa da begegnet ist. Vielleicht bekommt Tessa jetzt endlich ein paar Antworten, oder sie wird einfach nur mal wieder schmerzhaft an Jess erinnert. Ich bin auf jeden Fall gespannt, ob wir jetzt alle Recht haben, oder ob sie vielleicht doch nur eine alte Schulfreundin trifft, die wir noch gar nicht kennen. ^^


    Ganz liebe Grüße
    Llyn

    You are never more alive than when you're about to lose your pants!



    FS: Sunrise Update: 04.06.19

  • Gwendoline: Schön, dass Du Dich auch als stille Leserin hier "outest" sozusagen! Ich freu mich immer über "neue" Leser/innen :)
    Ob Deine Vermutung bzgl Jasmin stimmt, wirst Du heute rausfinden :)
    Danke für diesen lieben und lobesreichen Kommi!!!


    @Scotty: Hihi, ja die Überschriften sind zurzeit immer vieldeutig.
    Vielleicht ist es Jasmin, das kann schon sein. Ich kann gar nicht viel antworten, weil ich dann zuviel verrate. Einfach das Kapitel lesen :)
    Danke für Deinen KOmmi!



    @JaneEyre:
    Oh weh, bin ich zu schnell? Ich kann mich nie zügeln.
    Also, Du hast erkannt, dass es nicht jess sein konnte. Niklas wäre natürlich auch eine Idee gewesen (ich krame gerade in meinem Gedächtnis, wo der eigentlich steckt, sowohl simlisch als "echt"... :misstrau)


    Tante Tru war für Tessa natürlich eine tolle Überraschung, stimmt. Dass das Verhältnis zu den Eltern so schlecht ist, liegt sicher auch daran, dass Tessa sich so weiterentwickelt hat und ihre Eltern nicht dran teilhaben konnten.
    Das ist schon traurig, ja... aber irgendwie nicht zu ändern.


    Was Du über Tru sagst, stimmt - sie hätte sich nur Sorgen gemacht um Tessa. Und vermutlich musste Tessa wirklich alleine durch. Es gibt einen Spruch, der heißt, dass man in den schlimmsten und schönsten Momenten seines Lebens meistens immer alleine ist... ich weiß nicht, ob man will, dass das stimmt, fürchte aber, da steckt viel Wahrheit drinnen.


    Um Deine Frage nach der Wohnung zu beantworten: Ja, Tessa hat eine neue Couch bekommen und ein paar neue Bilder, aber ansonsten ist noch alles beim Alten!


    Wegen der Winterbilder, das freut mich, dass es Dir gefällt. Ich bin im Spiel so froh um VJZ, das ermöglicht diese tollen Bilder erst so richtig.


    Danke für Deinen tollen Kommi!




    Llynya:
    Mh, ja - ich gebe DIr recht. Joshua ist so ein Punkt, wo ich wirklich zugeben muss, dass dieser Mann wohl eher fiktiv ist. Oder dieser MENSCH, ich denke, das hat nichts mit Mann oder Nicht-Mann zu tun. Welcher Mensch würde sich schon so verhalten? Auf der anderen Seite glaube ich, es gibt diese Menschen vielleicht doch... man kann es sich nur nicht vorstellen, weil sie so selten sind oder man sie vielleicht manchmal auf einfach übersieht?


    Wegen tessa und Joshua... ja, es ist ja immer noch die Möglichkeit da, dass sie sich doch noch näherkommen. Wenn Tessa vielleicht einmal soweit ist, die Sache mit Jess abgeschlossen hätte... warum nicht?


    Was Tru angeht und ihre Reaktion, stimme ich Dir voll zu. Ich denke auch, dass es für tessa nun nochmal die Bestätigung war, dass die "wahren" Freunde auch zu ihr halten und es nicht nur Menschen gibt, die sie verurteilen.


    Du wirst übrigens als Erste die Theorie auf, dass die unbekannte Begegnung eine ganz neue Person sein könnte :) Das find ich gut, weil das ja wirklich der Fall ist, dass es das auch sein könnte. Oder traut ihr mir in diesem fortgeschrittenen Status der Story keine neuen Personen mehr zu ? *lach*


    Naja, wir gehen ja so langsam, gaaaaaaanz langsam, auch aufs Ende zu, das muss ich zugeben... aber NOCH ist noch nicht aller Tage Abend und wer die Person sein wird, werdet ihr heute herausfinden.