So meine Liebe, ich bin ja eigentlich hart in nehmen und kann so einiges wegstecken, aber deine Fs hat mich echt umgehauen und dieses Lied dazu, da muss man einfach heulen. :suseEigenglück das mein Mann nicht da ist, sonst hätte er mir wieder ein Vogel gezeigt.
Ach Innad, bitte bitte las Jess nicht rückfällig werden. Er könnte doch einfach nur Mal schnell ein paar Brötchen holen gegangen sein. Oder?:rolleyes Die arme Tessa, sie ist total fertig. Soll die ganze Mühe, das ganze Leiden was die beiden zusammen durch gestanden haben umsonst gewesen sein. Nein, das darf nicht sein. Ich habe immer Hoffnung, bis zur letzten Sekunde und wünsche mir so sehr das alles gut wird. Obwohl ich auch weiß, wie hart die Realität sein kann, wie Grausam so manches Schicksal zu schlägt, gibt es in den meisten Fällen auch ein Ausweg, auch wenn dieser nur darin besteht mit seiner Situation so gut es geht fertig zu werden.
Das war wirklich ein sehr ergreifendes Kapitel und die Bilder untermalen so schön den traurigen Text. Klasse!!! :applausAuch wenn ich nicht möchte das Jess wieder irgendein Blödsinn macht, sieht so aber auch leider die Realität aus und viele halten so einen kalten Entzug nicht durch. Aber vielleicht hat ja Jess auch was ganz anderes vor, was wir und Tessa vielleicht gar nicht für möglich halten würden. ;)Mir bleibt ja weiter nichts übrig als abzuwarten und zu hoffen das du den Beiden noch ne Chance gibst.
Bis dann!:)
[Fotostory] Tiefer als der Schmerz
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Hallö Innad.
Na da hast du uns aber eine Fortsetzung serviert.Nicht, dass man es schon hatte ahnen können, dass Jess vielleicht doch nicht stark genug ist um den Entzug durchzuhalten, aber so kurz vor dem vorläufigen Ziel. Tragisch.
Aber ich gebe die Hoffnung noch nicht ganz auf, dass er sich vielleicht doch noch besinnt und auf die Drogen verzichtet. Schließlich hat er ja doch ein paar Gründe, nicht rückfällig zu werden. *seufz*Tessas Qualen, als sie langsam merkt, dass Jess wirklich nicht da ist, hast du nicht nur toll beschrieben, sondern auch einfach klasse mit den Bildern untermalt. Selbst ich musste ganz schön schlucken, als ich das gelesen und gesehen hab.
So, ich warte jetzt gespannt wie ein Flitzebogen auf die nächste Fortsetzung.
Ganz liebe Grüße
Llyn -
Hallo Innad!
Wieder mal ne sehr schöne Fortsetzung. Ich hoffe, dass Jess jetzt nicht rückfällig geworden ist.Ich kann Tessa da schon etwas verstehen, dass sie in diesem Moment Jess "verstecken" musste. Ich kann mir vorstellen, dass sie - bei allem was sie bisher durchgemacht hat - einfach keine Kraft mehr für die Auseinandersetzung mit ihrer Mutter hatte. Das hätte alles noch zusätzlich verkompliziert.
Ich kann allerdings auch Jess sehr gut verstehen, dass er sich dadurch verletzt fühlt, wo er doch so viele Schmerzen erträgt um mit Tessa zusammensein zu können. Und er das Gefühl hat, dass sie nicht zu ihm steht. Ach, warum muss das alles so kompliziert sein. Ich wünsche, dass die beiden irgendwann mal zusammen glücklich sein können *dichaufknienanfleh*Mach weiter so!
LG draggoon -
@ineshnsch: Auch wenn es traurig ist, so ist es wohl wahr, dass Jess rückfällig geworden ist. Aber wenn man mal ehrlich ist, dann ist es ja auch eigentlich kein Wunder. Ich meine, den Entzug SO durchzuziehen, das ist ja doch schon ziemlich krass. Heroin ist eine der stärksten Drogen und ich denke, es wäre ganz wichtig gewesen, dass Jess sich professionelle Hilfe holt. Tessa alleine war da ja völlig hilflos. Er hat zwar die ersten TAge überstanden, aber der Ruf nach der Sucht war doch zu groß.
Ob dies gleichzeitig das Ende ihrer Liebe bedeutet, ist trotzdem die Frage.
DAnke für Deinen lieben Kommi!
Llynya: Ich denke nicht, dass Jess vor dem vorläufigen Ziel war. Ok, er hat den kalten Entzug erstmal überstanden. Aber dann? Ich meine, schließlich ist er sein Leben lang süchtig. Ich meine damit, er wird sein Leben lang süchtig bleiben. Und er wird diesen Kampf Tag für Tag neu ausfechten müssen. Vielleicht wird es irgendwann einfacher, ja, aber vorbei ist es nie.
ICh denke halt auch einfach, wie es gelaufen ist, war unglücklich. Darum hab ich die Wende jetzt auch von Anfang an genauso geplant. Für mich wäre es unrealistisch gewesen, wenn Jess jezt den Entzug gepackt hätte, auf diese doch sehr krasse Weise, wie ich bei Ines schon schrieb.
Natürlich hat Jess jede Menge gute Gründe, den Drogen zu entsagen. Aber er ist nun einmal süchtig. Ich denke, man kann sich nicht einmal ansatzweise vorstellen, wie stark eine solche Sucht sein kann. Ich glaube nicht, dass man da eine echte WAHL hat.
Danke für Deinen lieben Kommi! Es freut mich sehr, dass Du den Schreibstil gut findest, weil er so anders war als sonst!
@Dani04: Oh weh, ich finde, Du bist doch ziemlich ungerecht zu Tessa. Ich gebe zu, dass sie sich nicht gerade lobenswert verhalten hat, als ihre Mutter kam. Aber ich denke, den Fehler hat sie doch viel früher gemacht. Wenn, dann hätte sie von Anfang an zu Jess stehen sollen, selbst schon in der Phase, als sie nur befreundet waren und gar kein Paar. Dass sie damals noch nicht die Stärke dazu hatte, kann ich ihr aber nicht vorwerfen. Sie wird ja jetzt erst langsam "erwachsen" und zu jener Zeit war sie einfach noch fast ein bißchen ein Kind.
Und wenn sie ihrer Mutter in dem Augenblick, als diese vor ihrer Tür stand, alles gebeichtet hätte, dann hätte sie Jess denk ich auch nicht gerade geholfen, oder? Ich meine, ihre Mutter hat ihre Ansichtsweise mit sicherheit nicht geändert, zudem die Gesichtsverstümmelung ihrer Tochter... da hätte sie 1 und 1 zusammengezählt und am Ende Jess dafür verantwortlich gemacht. Ich glaube, für ihn war es besser, weggesperrt zu werden, als sich die mit Sicherheit heftigen Vorwürfe und die deutlich zu spürende Verachtung ihrer Mutter zu "geben". Dass das für ihn trotzdem schlimm war, will ich gar nicht bestreiten. Es war einfach eine besch.... Situation.
Aber dass er deswegen wieder weg ist, das ist nicht der Fall. Die Sucht war einfach zu stark. Mag sein, dass ihm dieser Vorfall gezeigt hat, dass auch sobald er clean ist nicht alles so einfach und gut machbar sein würde und seine Zukunft total fraglich ist... aber dass er deswegen weg ist und man Tessa die Schuld geben muss, sehe ich nicht so.
Tessa selbst hasst Jess natürlich nicht. Es sind nur ihre Gefühle in dem Moment. Sie hat so viel für ihn getan. Mit Sicherheit mehr als er für sie, das darf man nicht vergessen. Auch wenn sie diesen letzten Schritt, vor allen zu ihm zu stehen, noch nicht geschafft hatte... sie hat viel für ihn riskiert und aufgegeben und für ihn erlitten.
Dass er sie nun im Stich lässt, ist für sie furchtbar. Sie empfindet dadurch auch Resignation. Sie ist selbst einfach fix und fertig. DAs heißt ja nicht, dass sie ihn aufgibt, sondern jetzt erstmal nur an sich denken muss, um das ganze irgendwie zu überstehen... zu überLEBEN.
Danke für Deinen KOmmi!draggoon: Doch, Jess ist schon weg. Das vorletzte Bild zeigt ja den Zettel, den sie gefunden hat, wo er sich praktisch verabschiedet.
Dass Du sowohl Jess als auch Tessa verstehst, freut mich - ich denke, es ist für beide einfach schwierig.
Dein Flehen hab ich mal zur Kenntniss genommen, verspreche aber nix
Danke für Deinen Kommi!
@ALL: ch hoffe, ich habe Euch mit der Wendung nicht verschreckt? Ich will nochmal betonen, dass ich versuche, die Story nicht allzu unrealistisch zu halten. Für mich wäre es einfach nicht wirklich realistisch gewesen, wenn eine solche Hauruck Aktion der beiden gut ausgeht. Ich denke, die Chancen dafür stehen ziemlich schlecht.
Ihr werdet auch in den folgenden Kapiteln merken, dass die Story nicht hauptsächlich um Tessa und Jess als Paar geht, sondern um Tessa und wie sie sich durch Jess und alles, was mit ihm zu tun hat, entwickelt hat.So, ich hoffe, dass ich es nachher noch schaffe, das neue Kapitel online zu stellen...!
Ab sofort gibts große Bilder statt die kleinen, ich hoffe, es gefällt euch!
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Kapitel 40
Nicht mehr allein
Tessa blieb unsicher stehen und starrte auf die massive, dunkelbraune Tür. Von drinnen hörte man leise Stimmen.
Tessa schluckte. Ihre Hände fühlten sich schweißig an.
Für einen Augenblick zögerte sie… sollte sie die Schwelle wirklich übertreten?
War sie hier überhaupt richtig? Sie merkte, dass ihr der Gedanke, sich anderen Menschen über das, was geschehen war, anzuvertrauen, seltsam befremdete.
Wieder warf sie einen Blick auf die dunkle Holztür.
Vor ihrem geistigen Auge sah sie die letzten Tage vorüberziehen. Die Tage mit Jess.
Ein Taumel zwischen Glück und Hoffnung und Schmerz und Verzweiflung. Letzteres war es, das am Ende den Sieg davon getragen hatte.
Drei Tage waren vergangen, seit sie ihn vergeblich in ihrer Wohnung gesucht und letztlich den kleinen Zettel mit der Notiz gefunden hatte, die bewies, dass er den Kampf gegen die alles verzehrende Sucht und Gier nach dem geliebten Rauschmittel in sich verloren hatte.
Sie konnte sich noch daran erinnern, wie sie Wut, Schmerz, Verzweiflung, Schuldgefühle und das Gefühl von absoluter Fassungslosigkeit in die Knie gezwungen hatten.
Stundenlang hatte sie so dagelegen, schluchzend, wimmernd – zeitweise völlig still. Allein. Einsam. Verloren.
Doch irgendwann hatte sie sich wieder aufgerichtet. Ihre Füße hatten sie wieder getragen. Ihr Kopf hatte wieder zu denken begonnen und ihr Weg hatte sie zum Telefon geführt und erneut die Nummer des Sorgentelefons wählen lassen.
Sie hatte Glück gehabt und erneut mit Tina gesprochen.
Diese hatte ihr letztlich ans Herz gelegt, sich an diese Adresse hier zu wenden…
Doch nun war sich Tessa nicht mehr sicher, ob dies der richtige Weg war.
Aber schließlich war sie nun hier – und niemand würde sie zu etwas zwingen, was sie nicht wollte. Also öffnete sie beherzt die Türe und trat ins Innere des Raumes.
Er war warm und gemütlich eingerichtet. In der Mitte des Tisches flackerte ein Kranz aus Kerzen und verbreitete eine vertrauensvolle, gemütliche Atmosphäre.„Herzlich Willkommen!“ rief eine männliche Stimme und Tessa lächelte ein junger Mann mit roten Haaren und einer modernen Brille entgegen. „Mein Name ist Timo, ich bin einer der Leiter dieser Selbsthilfegruppe. Mögen Sie sich nicht setzen?“
Tessa lächelte schüchternd zurück und blickte zu der Couch neben sich, auf der neben zwei Frauen noch ein Platz frei war.
„Gleich hier?“ fragte sie schüchtern.
„Wohin Sie möchten“, erwiderte Timo freundlich. „Mögen Sie uns vielleicht verraten, wie Sie heißen und was Sie hierher führt?“
Tessa schluckte. Die vielen fremden Gesichter ängstigen sie mit einemmal. Sie fühlte sich immer noch so wund innerlich, dass sie sich am liebsten zu Haus verkrochen hätte.
„Nun… mein Name ist Tessa“, sagte sie langsam und unsicher und blickte in die Gesichter in der Runde, die sie freundlich anlächelten, so dass ihre Scheu etwas verringert wurde.
Besonders die schwarzhaarige Frau, die neben ihr auf dem Sofa saß, lächelte sie so gütig und verständnisvoll an, dass Tessa sich sofort wohler fühlte.
„Ich habe diese Adresse von Tina vom Sorgentelefon bekommen“, sprach sie darum langsam weiter. „Ich… mein Freund ist drogensüchtig.“
Sie schluckte und schwieg dann. Es war ihr schwer gefallen, diese Worte auszusprechen, und wenn sie es so recht überlegte, hatte sie einen solchen Satz noch niemals im Beisein eines anderen Menschen ausgesprochen.
„Dann sind Sie hier gut aufgehoben“, sagte Timo freundlich und lächelte ihr ermutigend zu. „Willkommen, Tessa, in unserem Kreis. Alle, die hier sitzen, haben ebenfalls Angehörige, welche drogensüchtig sind oder waren…“
Tessa hörte, wie die schwarzhaarige Frau, die neben ihr saß, leise aufseufzte und warf ihr einen mitfühlenden Blick zu.
„Wir treffen uns hier einmal in der Woche, um uns über unsere Probleme und Ängste auszutauschen. Oft können viele von uns das nur hier, weil der Rest ihres sozialen Umfeld sie nicht versteht. Wir duzen uns hier alle, ich hoffe, das ist auch für dich in Ordnung?“ -
Tessa nickte.
„Gut, Tessa. Du musst uns nichts von deiner Geschichte erzählen, wenn du nicht magst. Sag einfach, wenn du soweit bist und wir werden dir zuhören. Ob heute, in einer Woche oder erst in einem Jahr spielt dabei überhaupt keine Rolle.“
Tessa nickte und lächelte. Sie fühlte sich erleichtert, denn sie hatte befürchtet, direkt beim ersten Treffen erzählen zu müssen, was zwischen ihr und Jess geschehen war. Noch war all dies viel zu abstrakt, um es zu begreifen. Immer wenn sie daran zu denken versuchte, was in den letzten Tagen und Wochen geschehen war, schien ihr Hirn zu streiken, alles schien fast wie in Watte gepackt. Nur ihr Herz sprach eine deutliche Sprache.
Es schien jedes Mal wieder zu zerreißen.
Sie hörte den anderen in der Gruppe aufmerksam zu, als diese über ihre Probleme sprachen. Bald stellte sie fest, dass sie vieles nachvollziehen konnte… die ständige Angst um den anderen, die ständige Frage, wieso es nur so schwer sein mochte, den Drogen nicht zu entsagen… die ständige Problematik, es dem Freundes- und Verwandtenkreis beizubringen, dass der Angehörige ein Suchtproblem hatte. Sie war offenbar nicht alleine damit.
Nach einer Stunde löste sich die Gruppe allmählich auf und die meisten verschwanden mit einem netten Gruß in die dunkle Nacht. Die schwarzhaarige Frau jedoch, die Tessa inzwischen als Monika kennengelernt hatte, stand auf und kam auf Tessa zu.
„Hallo, ich bin Moni“, sagte sie freundlich. „Schön, dass du zu uns gestoßen bist, Tessa.“
Tessa lächelte freundlich.
„Ich bin auch ganz froh… bisher habe ich noch niemanden gehabt, mit dem ich über alles sprechen konnte“, sagte sie langsam. „Das macht es nicht einfacher…“
„Ja, ich weiß“, sagte Monika schnell. „Ich kann das sehr gut nachfühlen.“
„Du… hast also auch einen Verwandten oder Freund, der süchtig ist?“ fragte Tessa vorsichtig.
Monika sah sie traurig an und sagte dann langsam: „Sagen wir es einmal so… ich weiß sehr gut, wie du dich fühlen musst, denn ich war in einer ganz ähnlichen Situation… aber meine Geschichte werde ich dir gerne ein anderes Mal erzählen…“
Tessa schluckte und fühlte sich für einen Moment sehr beklommen.
„Du siehst sehr traurig aus“, sagte Monika da. „Du musst viel mitgemacht haben, oder?“
Tessa sah sie erstaunt an. Selten hatte sie einen so einfühlsamen Menschen kennengelernt, der so scharfe Augen hatte… eigentlich hatte es nie jemanden derartigen gegeben… außer… ja, außer Jess…
Wieder spürte sie diese furchtbaren, schmerzlichen Stiche in ihrer Brust, die so scharf waren, dass sie dachte, unter ihnen zusammen brechen zu müssen.
Monika sah sie mitfühlend an. „Ich hoffe, wir können dir ein wenig helfen, deinen Schmerz zu ertragen.“
Tessa lächelte. „Das ist nett von dir.“
Gemeinsam gingen die beiden die Treppen nach unten, nachdem sie sich in ihre warmen Sachen gehüllt hatten.
„Weißt du, Tessa… auch wenn ich noch nicht viel von dir erfahren habe, so glaube ich, dass wir beiden uns gut verstehen werden. Ich glaube, unsere Geschichten sind sehr ähnlich…“
Sie blieben beide auf der Straße stehen und sogen die frische, klare Nachtluft ein.
Monika sah Tessa an. „Du kommst nächste Woche doch wieder?“
Tessa nickte, wenn auch etwas zögerlich.
„Tessa – es ist wichtig, darüber zu sprechen, auch wenn es ungewohnt und natürlich auch schmerzlich ist“, sagte Monika einfühlsam und blickte Tessa mit ihren großen, braunen Augen sanft an. „Ich habe auch lange gebraucht, um das zu begreifen. Aber als ich mich den anderen anvertraut hatte, habe ich mich viel besser gefühlt. Ich wünschte, ich hätte diesen Schritt früher gewagt… dann… nun ja, dann wäre heute vielleicht alles anders, als es das ist. Besser… oder zumindest eben anders.“
Tessa lächelte schmerzlich. „Ich weiß… es ist nur so ungewohnt… ich habe bisher noch niemanden davon erzählt… und es fällt mir sehr schwer.“
Monika lächelte verständnisvoll. „Ich kann dich verstehen. Aber du hast Timo ja gehört – es ist egal, wann du etwas erzählst… wichtig ist, dass man den ersten Schritt tut und dass man sich mit der Gruppe austauscht. Früher dachte ich immer, solche Gruppen wären was für verrückte oder total traumatisierte Menschen. Aber jeder kann Hilfe brauchen, der in einer solchen Situation steckt. Die meisten von uns haben das jedoch zu spät erst realisiert…“
Sie lächelte wieder. „Nun ja – ich will dich nicht länger aufhalten, Tessa. Wir sehen uns doch nächste Woche, oder?“
Tessa lächelte. „Ganz bestimmt“, erwiderte sie.
„Dann bis nächste Woche, Tessa. Ich freu mich.“ Monika lächelte noch einmal zum Abschied und drehte sich dann um.
Tessa sah ihr lächelnd hinterher. Es hatte wieder zu schneien angefangen und für einen kleinen Moment schossen ihr wieder die Bilder des letzten Males durch den Kopf, als sie bei Schnee durch die Stadt gelaufen war…
Ein beklommenes Gefühl überkam sie, doch als sie den Blick aufrichtete, sah sie Monika, die sich noch einmal zu ihr umdrehte und ihr zuwinkte.
Lächelnd winkte Tessa zurück und sah der jungen Frau nach.
Und zum ersten Mal seit Wochen fühlte sie wieder so etwas wie Wärme in sich aufsteigen.
Denn nun war sie nicht mehr alleine mit ihrem Schmerz.
Fortsetzung folgt. -
Hallo Innad!
Du hast ja eines meiner Lieblingslieder in diese Story einfließen lassen *freu* und es war wirklich vortrefflich gewählt!
Ich hab ja einiges hier verpasst, muss ich zu meiner Schande gestehen und daher auch viel nachlesen müssen.
Jess hat also aufgegeben, da er zu tiefst verletzt und gekränkt ist, dass Tessa ihn verleugnet, verheimlicht und versteckt! Kann ich ihm einerseits sehr nachempfinden, aber man muss auch Tessas Position bedenken! Für einen, der nur mit Drogensüchtigen zu tun hat und umgeben ist, scheint es das normalste von der Welt zu sein, anderen davon zu berichten, jedoch eine Person, die in diese Kreise mehr oder weniger Freiwillig gerät, wie soll sie es ihrem Umfeld klar machen? Vorurteile gibt es immer!
Wird Tessa Jess jemals wiedersehen? Das ist die Frage, die ich mir derzeit stelle! Will Jess überhaupt, dass Tessa ihn jemals wieder sieht?
Mutig finde ich es, dass sie sich einer Selbsthilfegruppe angeschlossen hat. Ich weis nicht, ob ich sowas tun könnte - mich jemanden Fremden öffnen.... um so mehr bewundere ich sie. Für ihr Seelenheil ist es aber sicherlich nur von Vorteil. Sie hat viel mitgemacht in der letzten Zeit und hat nun das Gefühl, dass alles umsonst war, es Jess eh egal scheint wie sehr sie sich aufgeopfert hat!
Ich bleibe bei meiner Theorie, jetzt da du geschrieben hast, dass diese Geschichte nicht um das Paar Tessa und Jess geht. Ich bin gespannt, inwiefern ich da Recht und Unrecht behalten werde *g*
Sehr schöne Fortsetzungen und ich hoffe, dass ich jetzt wieder regelmäßig mitlesen kann!
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Hallö Innad.
Bevor ich auf diese Fortsetzung eingehe, wollte ich nur noch kurz loswerden, das ich mit 'vorläufigen Ziel' gemeint habe, den kalten Entzug soweit durchzuhalten, dass eine anschließende, lange dauernde Therapie in Angriff genommen werden kann. Natürlich wenn der gesunde Menschenverstand wieder da ist, der setzt ja meist aus, wenn es um Sucht geht. Das man ein Leben lang damit zu kämpfen hat, nicht wieder mit den Drogen anzufangen, ist bei jeder Sucht so. Bei einigen Sachen ist es härter das durchzuhalten und bei anderen wird es mit der Zeit einfacher. Soviel noch dazu. *g*
Jetzt aber zu dieser Fortsetzung: Tessa nimmt es jetzt ja wieder in die Hand, mit der Situation umzugehen. Sie wusste an wen sie sich wenden konnte und ergreift die Möglichkeit, dass auch ihr geholfen werden kann. Sie ist durch die ganze Misere wirklich ein anderer Mensch geworden. Das es sie viel Überwindung kostet sich einer völlig fremden Gruppe anzuvertrauen, ist völlig normal. Wer redet schon gerne über seine Probleme mit völlig Fremden? Das diese Fremden allerdings das gleich durchmachen, sollte es doch eigentlich etwas leichter machen, aber trotzdem bleibt die Angst vor der Entblössung eines Teils von sich. Wollen wir mal hoffen, dass Monika ihr diese Angst etwas nehmen kann.
Wie Kiara bin ich auch gespannt, wie es mit Jess weitergeht und ob die Beiden sich doch noch wiedersehen.
Ganz liebe Grüße
Llyn -
Hallo Innad!
Eine Selbsthilfegruppe, ich glaube die wird Tessa gut tun. Gut zum Anfang mag es etwas schwierig für sie sein, ihre Probleme jemand Fremden anzuvertrauen. Aber bald werden die Fremden keine Fremden mehr sein und in Monika hat sie ja schon jemanden gefunden.
Jeder muss für sich herausfinden, wie er seine Probleme am besten lösen kann und vor allem am besten verkraften kann. Aber wenn man jemanden hat, der dasselbe Schicksal teilt, weiß man dass man nicht alleine ist. So können die Erfahrungen der anderen in Tessa einfließen und falls Jess wieder zur ihr findet, kann sie noch besser mit seiner Sucht umgehen. Das wichtigste ist aber, das sie mit jemanden reden kann. Das ist wie Medizin für die Seele und so findet sie auch etwas ruhe.
Das Jess jetzt doch wieder rückfällig geworden ist, war ja eigentlich vorauszusehen und obwohl mir die beiden so Leid tun, entspricht sein Rückfall eher die Realität.
Ich meine damit, ich hätte es auch toll gefunden wenn er es geschafft hätte, aber so einfach ist es im wahren Leben auch nicht und so wie du das alles beschreibst, kommt es richtig Lebensecht rüber. Prima!:applaus
Ich schließe mich Kiara und Llynia und bin auch sehr gespannt wie es weiter geht und wo Jess jetzt ist, bzw. was er macht.
Bis dann!:) -
Kiara: Da bist Du ja wieder! Ich hab mir schon Gedanken um Dich gemacht! Gut, dass "nur" ein PC-Crash schuld war, auch wenns mir echt leid tut wegen Merlaron, so viel Arbeit, die den bach runtergegangen ist.
Nun zu Deinem Kommi. Ich liebe dieses Lied auch - und ich hatte es seit Monaten für diese Stelle im Kopf.
Ich muss nun aber mal was zu Jess und weshalb er aufgegeben hat schreiben - es ist wirklich davon auszugehen, dass es nur ganz wenig mit dem Besuch von Tessas Mutter zu tun hat. Ich bräuchte wohl auch eine Betaleserin mit der ich über sowas reden kann oder so. Wenn ich gewusst hätte, dass ihr das so sehr miteinander verbindet, hätte ich es irgendwie anders eingeflochten. Jess ist eigentlich wirklich "nur" gegangen, weil er die Sucht nicht länger aushalten konnte, den Entzug nicht aushalten konnte. Vielleicht hatte der Zwischenfall einen Einfluss drauf, ja, aber er war nicht ausschlaggebend.
Dass man beide Seiten verstehen muss, sehe ich genauso. Ich denke, Tessa hat durchaus einen Fehler gemacht, aber ich finde, sie ist auch nur ein MENSCH - und sie hat sehr viel für Jess getan. Aber ich verstehe auch Jess total - es muss so demütigend für ihn gewesen sein und alles in Frage gestellt haben.
Ob sie Jess je wiedersehen wird? Das ist die große Frage. Natürlich unterstützt der momentane Verlauf der Story schon ein bißchen Deine Anfangstheorie...
Lieben Dank für Deinen Kommi und scheeee dass Du wieder da bist!
@Llyna: Ja, dann hab ich Dich irgendwie falsch verstanden, so gesehen hast Du völlig recht mit "vorläufigem Ziel", ja!
Es stimmt, es ist gut, dass sie zu einer Gruppe geht, weil sie da endlich auch mal drüber reden kann und bei Menschen ist, die sie verstehen werden. Dass es ihr anfangs schwer fällt, ist normal, aber heute wird sie schon etwas vetrauter sein.
Danke für Dienen Kommi!
@ineshnsch: Ja, stimmt, es war abzusehen, dass Jess es wohl eher nicht schaffen wird. Auch wenns wünschenswert gewesen wäre... die Art und Weise wie hat das Ganze von Anfang an mehr oder minder zum Scheitern verurteilt Leider.
Dass Tessa sich in die Gruppe wagt, ist gut, das sehe ich genauso. So kann sie auch wieder Kraft tanken.
Danke für Deinen Kommi!
@Dani04: Dass Jess Dein Liebling ist, das ist nicht schlimm. Ich sagte ja, er braucht auch ein paar Fans Ich mag ihn auch genauso gerne wie Tessa auch wenn sie die Hauptperson in der Story ist.
Dass sie genauso ist wie ihre intolerante Mutter, seh ich jetzt genauso. Aber was stimmt ist, dass ihr Handeln definitiv nicht richtig war. Ich weiß aber echt nicht, was besser gewesen wäre... ich weiß aber was Du damit meisnt. so hätte ihre Mutter mistig gehandelt, anders aber sie. Nun ja - sie aber halt auch nur ein Mensch und wer macht schon alles richtig... *seufz*
In der Gruppe wird tessa mit Sicehrheit auch lernen, in welchen Punkten sie selbst sich falsch verhalten hat und welchen sie gar nichts hätte ändern können, das ist wahr!
Danke für Deinen Kommi! -
Kapitel 41
Erinnerungen
Es vergingen zwei weitere Wochen, in denen Tessa regelmäßig an jedem Montag und Donnerstag die Selbsthilfegruppe besuchte. Allmählich begann ihre Scheu von ihr abzufallen, die Gesichter wurden vertrauter und bald musste sie feststellen, dass – wenn sie denn jemand verstehen konnte – es die Menschen in dieser Gruppe sein würden.
Mit Monika hatte sie sich in der kurzen Zeit bereits gut angefreundet, doch noch immer hatte diese ihr noch nicht erzählt, unter welchen Umständen sie zur Gruppe gestoßen war.
Es war wieder einmal Donnerstag und Tessa hatte neben Monika auf der gemütlichen Couch Platz genommen. Bisher hatte auch sie selbst noch nichts von ihrer Geschichte erzählt, es war, als seien die dadurch entstandenen Wunden in ihrer Seele noch zu frisch.
Marius, der zusammen mit Timo immer abwechselnd die Gruppe leitete, eröffnete den Abend wie immer mit einer freundlichen Begrüßung und wandte sich dann Tessa und Monika zu.
„Monika hat mir vorhin mitgeteilt, dass sie heute Abend ihre Geschichte erzählen wird. Einige von uns kennen diese zwar schon, aber wie ihr wisst, muss man seine Geschichte manchmal mehr als nur einmal erzählen. Zudem haben wir seither einige wenige neue Gesichter in unserem Kreis begrüßen dürfen, welchen Monika heute mitteilen will, was sie letztlich zu uns geführt hat.“ Er nickte Monika aufmunternd zu.
Diese lächelte leicht und holte dann tief Luft, während sie Tessa einen Blick zuwarf. Diese wusste in jenem Moment, dass Monika ihre Geschichte hauptsächlich ihr erzählen würde.
„Ich habe Kevin vor drei Jahren kennengelernt“, begann Monika leise zu sprechen. „Es war eine regelrecht schicksalhafte Begegnung, die uns beiden widerfahren ist. Wir gingen beide die Straße entlang, völlig in unsere eigenen Gedanken versunken…“
Monika lächelte und ihre Augen wurden feucht, als sie an jenen Tag vor drei Jahren im Winter zurückdachte, als ihr Leben sich dramatisch veränderte.
„Wir haben beide nicht recht darauf geachtet, wo wir hinliefen – so geschah es, dass wir uns anrempelten.“ Sie lachte leise. „Es war fast zu klassisch, als dass ich heute noch glauben könnte, dass es wirklich so gewesen ist – und doch ist es die Wahrheit. Kevin hatte es mir sofort angetan. Diese wunderbaren, blauen Augen… die weichen und doch männlichen Gesichtszüge… ich wusste sofort, dass ich ihn nie wieder aus meinem Herzen würde vertreiben können… und auch Kevin schien ähnlich zu empfinden… er lächelte mich mit diesem unglaublichen Lächeln an und entschuldigte sich für seine Unachtsamkeit. Danach kamen wir sofort ins Gespräch.“
Monika lächelte versonnen und versuchte, den Schmerz zu ignorieren, den der Gedanke an jene, so weit zurückliegenden glücklichen Zeiten ihr auslöste.
„Wenig später sind wir in einem Café gelandet und haben stundenlang gesprochen und gelacht. Uns war sofort klar, dass wir mehr füreinander empfanden. Ich fragte Kevin nach seiner Telefonnummer, doch er zögerte… damals habe ich gedacht, er wollte mich nicht wiedersehen, doch sehr schnell musste ich feststellen, dass der Grund ein anderer war…“
Sie sah Tessa lange an und diese schluckte und sagte dann leise: „Er hatte kein Telefon… vielleicht noch nicht einmal eine Wohnung… oder?“
„Kevin war drogensüchtig“, sagte Monika nach einer kleinen Weile des Schweigens und alle Personen im Raum schienen mit einemmal tief auszuatmen. Tessa merkte, wie die kleinen Härchen auf ihren Armen sich aufzustellen begannen.
Monika sprach langsam weiter. „Ich hab es erst nach einer Weile erfahren. Kevin gab mir nicht seine Nummer, wollte mich aber wiedersehen. Wir verabredeten uns einige Tage später in einem anderen Café… Kevin hatte zwar eine kleine Einzimmerwohnung, eine dreckige, furchtbare Wohnung… aber er war nicht obdachlos, er hatte sich an das Amt gewandt und bekam Sozialhilfe… doch ein Telefon hatte er schon lange nicht mehr. Ich dachte zuerst nur, als er mir das erzählte, er sei einfach arbeitslos, habe keinen Job gefunden… wie so viele heutzutage… ich empfand es nicht als schlimm…“
Sie lachte bitter auf. „Ich war so verliebt, dass ich lange nicht merkte, was mit Kevin los war… wir trafen uns meistens bei mir oder irgendwo draußen… wir waren glücklich…“
„Doch irgendwann verliert die rosarote Brille an Kraft und Farbe“, sprach sie fest weiter und sah Tessa traurig an. „Ich bemerkte, dass er sich immer seltsamer verhielt… und irgendwann sprach ihn darauf an. Ich erfuhr, dass er süchtig war. Er nahm seit Jahren Kokain und später sogar Heroin.“
Tessa schluckte und sah Monika beklommen an.
Diese sprach nun fast tonlos weiter. „Ich habe ihn mehrmals zur Rede zu stellen versucht. Ich habe ihm die Möglichkeiten eines Entzugs aufgewiesen – doch er hatte nicht den Mut dazu. Nach vielen Streiten und vielen zermürbenden Monaten hat er endlich nachgegeben. Er ging in eine Entzugsklinik… doch er hielt nicht durch. Nach vier Wochen hatte er wieder zu den Drogen gegriffen.“
„Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich war verzweifelt. Ich hätte so gerne mit jemanden darüber gesprochen, doch was sollte ich meinen Freunden erzählen? Dass mein Freund drogensüchtig ist? Wer hätte dafür Verständnis aufgebracht. Einer Freundin vertraute ich mich einmal an, die mir nur riet, ihn möglichst schnell zu verlassen, damit ich nicht auch in diese Kreise mit hinein gezogen würde… die Gefahr bestand jedoch niemals… ich habe an ihm gesehen, wie zerstörerisch die Macht der Drogen war. Nichts und niemand auf dieser Welt hätte und würde mich je dazu bringen, dieses Zeug anzurühren. Ich liebte Kevin. Ich konnte ihn doch nicht im Stich lassen. In mir wahrte ich stets die Hoffnung, ihn doch noch einmal umstimmen zu können. Ihn zu einem erneuten Entzug zu ermuntern. Es war ein Wechselbad zwischen Liebe und Hass… ich liebte und hasste ihn zugleich… ich konnte nicht mit ihm, aber…“ Sie hielt inne und schluckte schwer.
Tessa vervollständigte ihren Satz fast kaum hörbar: „… du konntest auch nicht ohne ihn…“
Monika nickte. „Genau so war es… Nach einigen Monaten wurde Kevin immer unnahbarer. Er hatte Probleme, sich die Drogen zu besorgen. Meist war das Geld vom Amt innerhalb kurzer Zeit aufgebraucht. Irgendwann bemerkte ich, dass er ungepflegter und durchgefrorener war denn je. Er weigerte sich inzwischen auch kategorisch, mich zu ihm zu lassen." -
"Wir konnten uns nur noch bei mir oder außerhalb treffen. Ich stellte ihn eines Tages zur Rede und er gestand mir wütend, dass er seine Wohnung verloren hatte und seither auf der Straße lebte…“
„Ich wollte ihm helfen, ihn bei mir wohnen lassen… es ging nur wenige Tage gut… er war einfach nicht mehr der Mensch, den ich kennengelernt hatte… wir haben uns ununterbrochen gestritten… eines Nachmittags, als wir uns erneut in den Haaren lagen, warf er mir vor, ihn nicht mehr zu lieben. Er dachte, ich verurteile ihn für das, was er war. Ich sagte ihm, dass das nicht stimmt – dass ich ihn über alles liebte, über alles… ich weiß nicht, ob er es mir geglaubt hat… aber seine traurigen, wütenden Augen habe ich noch heute vor mir…“
Sie erschauderte kurz und musste sich einige Sekunden sammeln, ehe sie weiter sprach.
„Jedenfalls brauchte Kevin immer mehr von den Drogen und natürlich blieb eine gewisse Beschaffungskriminalität nicht aus. Auch dies war ein Grund dafür, dass das Zusammenleben nicht funktionierte. Er fand Obdach bei der Drogenbehörde… jedenfalls meistens. Doch der Winter in jenem Jahr war kalt und garstig. Wir stritten uns nur noch… und irgendwann sagte Kevin mir, dass es wohl besser sei, wenn wir uns nicht wiedersähen. Ich glaubte mich verhört zu haben. Doch er meinte es ernst und blieb viele Wochen verschwunden. Ich konnte ihn nicht finden… doch ich hörte nicht auf ihn zu suchen. Eines Abends… ich saß in meiner Wohnung und versuchte mich abzulenken, ergriff mich eine seltsame Unruhe. Ich hatte das Gefühl, ihn unbedingt jetzt noch suchen zu müssen. Also zog ich mich warm an und ging zu jener Stelle, an der wir uns zum ersten Mal getroffen hatten…“
Monikas Stimme zitterte und wurde brüchig. „Ich HABE Kevin an jenem Abend gefunden… erfroren im Schnee…“
Es war still im Raum. Man hätte fast eine Stecknadel fallen hören können.
Tessa wagte es kaum Monika anzusehen. Diese starrte bewegungslos vor sich hin, ohne dass ihr Gesicht irgendeine Regung verriet. Sie schien meilenweit fort zu sein.
Irgendwann setzte sie wieder an. „Ich habe mir monatelang unendliche Vorwürfe gemacht. Habe gedacht, wenn ich nur mehr nach ihm gesucht hätte… ihn eher gefunden… doch heute weiß ich, dass diese Vorwürfe nicht richtig sind. Auch wenn ich es mir jeden Tag erneut sagen muss, so weiß ich inzwischen, dass ich Kevin nicht retten konnte. Das hätte nur er selbst gekonnt. Ich habe mich immer verantwortlich für ihn gefühlt… habe dabei gänzlich mich selbst vergessen und am Ende stand ich vor einem Scherbenhaufen… Fast alle Freunde hatte ich verloren… fast sogar meine Arbeit… und letztlich auch meine Liebe… doch ich weiß nicht, was ich hätte tun können, um es zu verhindern. Ich habe ihn angefleht, ich habe ihn angeschrien, ich habe ihn angebettelt, ich habe alles versucht, um ihn zu einem weiteren Entzug zu überreden… ich habe ihn gebeten, bei mir zu übernachten, wenn er sonst kein Obdach fand… er wollte nicht… er war nicht mehr er selbst. Sein Leben war nur noch von den Drogen bestimmt. Später habe ich erfahren, dass er nicht nur erfroren war, sondern auch eine Überdosis in sich hatte… es wäre geschehen… so oder so…“
Sie schwieg wieder. Tessa spürte, wie ihr Atem schneller ging und sich in ihr ein derart heftiger Schmerz ausbreitete, dass sie meinte, ihn nicht länger aushalten zu können. Rasende Angst ergriff sie.
Da erhob Marius das Wort. „Danke, Monika, für den Mut, dies alles noch einmal zu durchleben, in dem du es uns erzählst. Es ist wirklich eine furchtbare Geschichte, die dir und Kevin widerfahren ist. Aber was du gesagt hast, ist ganz richtig: Es ist nicht richtig, sich Vorwürfe zu machen…“
Er sah in die Runde. „Möchte noch jemand etwas dazu sagen?“
Tessa schluckte und spürte Monikas Blick auf sich ruhen.
„Ich…“, hörte sie ihre eigene, dünne Stimme. „Ich… mache mir auch Vorwürfe… furchtbare Vorwürfe. Und ich denke durchaus, dass ich sie mir machen muss…“
„Tessa…“, sagte Marius langsam. „Möchtest du uns vielleicht auch deine Geschichte erzählen?“
Tessa schluckte und nickte langsam. „Ich denke, das sollte ich…“
Unsicher betrachtete sie ihre Fußspitzen und überlegte, wo sie anfangen sollte.
„Ich hab Jess auch auf eine ganz seltsame Art und Weise kennengelernt“, sagte sie dann langsam. „Im Supermarkt… er hatte vor Hunger ein wenig Essen mitgehen lassen, ich hab das mitbekommen und ihm aus der Patsche geholfen…“ Sie lächelte ein wenig, wenn sie jene Zeiten und ihren Übermut zurückdachte. Eigentlich konnte sie heute nur noch den Kopf über die abstruse Situation schütteln... und doch wurde ihr Herz so unglaublich warm, wenn sie an jenen Abend im August zurückdachte...
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„Ich habe ihm direkt angesehen, dass etwas nicht stimmte… ich wollte ihn nicht gehenlassen. Irgendetwas sagte mir damals wohl schon, dass er für mein Leben eine große Bedeutung haben würde. Wir haben uns näher kennengelernt… und waren lange befreundet. Schon damals wurde mir klar, wie schwierig die Situation war. Jess war obdachlos, von Anfang an. Und nach Heroin süchtig.“
„Ich konnte niemanden davon erzählen. Meine Eltern sind in dem Punkt völlig verbohrt… sie halten alle Süchtigen für Abschaum… und mein bester Freund begann sogar, mir hinterher zu schnüffeln… mir den Umgang mit Jess verbieten zu wollen.“
Im Raum erhob sich mitfühlendes Gemurmel. Tessa zuckte mit den Schultern. „Es war mir egal… ich habe Jess weiterhin getroffen. Im Herbst ist uns klar geworden, dass zwischen uns mehr ist als bloße Freundschaft…“, sie lächelte leicht. „Von da an waren wir ein Paar… doch das machte die Sache nicht einfacher. Auch ich habe oft versucht, Jess von einem Entzug zu überzeugen… aber er wollte davon nie etwas hören. Er hatte schon einige hinter sich – alle erfolglos. Da er keine echten Verwandten mehr hat, schien ihm alles so ohne Perspektive zu sein, glaube ich. Jedenfalls… haben wir uns irgendwann immer öfter gestritten. Wir haben nie über seine Sucht, die Drogen oder alles andere, was damit zu tun hatte, gesprochen. Es schien tabu zu sein für uns… vielleicht war das der Fehler.“ Sie blickte nachdenklich in das Licht einer flackernden Kerze am Boden.
„Im Januar haben wir uns furchtbar gestritten – es schien wie das Aus unserer Beziehung. Danach wurde ich sehr krank, konnte Jess lange nicht besuchen, ihm nicht sagen, dass es mir leid tat und ich ihn natürlich nicht verlassen habe. Nach Wochen konnte ich ihn endlich wieder suchen, aber ich fand ihn nicht. Natürlich befürchtete ich das Schlimmste…“ Sie schluckte. „Doch dann habe ich ihn auf den Tip einer Bekannten hin gefunden… in einer Ruine… bei den `Dark Hellows´…“
Das Raunen, das durch den Raum ging, zeigte Tessa, dass dieser Begriff hier nicht unbekannt war. „Es lief nicht so gut für mich“, sagte sie langsam und schauderte, als sie an jene Nacht zurückdachte. „Ich bin in die Klemme geraten und wurde von einem der Hellows angegriffen und ziemlich böse verprügelt…“
Sie spürte Monikas entsetzten Blick auf sich ruhen, sprach jedoch ruhig weiter. „Jess fand mich dort… er hielt sich zur selben Zeit in der Ruine auf. Er brachte mich nach Hause… er hat mir vermutlich das Leben gerettet, ich weiß nicht, was sie mit mir angestellt hätten… jedenfalls wurde Jess durch diesen Vorfall klar, dass er mit den Drogen aufhören wollte. Das war vor etwa drei Wochen…“
Sie seufzte schwer. „Doch er stellte eine Bedingung: er wollte nicht wieder in eines der Therapieheime, er wollte es bei mir zu Hause machen… und ich stimmte zu…“ Sie sah traurig auf. „Ich hatte keine Vorstellung, wie furchtbar so ein kalter Entzug ist. Wie gefährlich noch dazu. Ich hätte sonst alles daran gesetzt, ihn umzustimmen. Wir überstanden den kalten Entzug mit viel Mühe. Doch dann … dann kam mich meine Mutter besuchen… meine Mutter, die Menschen wie Jess als Abschaum sieht und nie etwas von ihm erfahren hatte. Was hätte ich tun sollen? Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, dass ich das falsche getan habe, ich habe ihn versteckt. Das hat er mir übel genommen. Wir stritten uns… er bekam wenige Tage später einen furchtbaren Rückfall… und am Morgen danach war er… er war fort…“
Tessa schluckte schwer und holte tief Luft. Sie spürte, wie Schmerz, Verzweiflung und Trauer in ihr hoch wallten. „Ich… ich mache mir solche Vorwürfe…!“
Sie merkte, wie die Tränen unweigerlich in ihr aufstiegen und wollte aufspringen und zur Tür hinaus laufen, doch da spürte sie Monikas Hand auf ihrem Arm, die sie zurückhielt.
„Nein… lauf nicht weg. Wir sind doch hier. Ich bin doch hier. Weine, wenn es dir hilft, Tessa!“
Und im selben Moment begann Tessa hemmungslos zu schluchzen, während Monika neben ihr stand und ihr sanft den Rücken streichelte.
Nach einer Weile hatte sie sich wieder beruhigt, so dass Marius langsam sagte: „Das war sehr mutig von dir, uns diese Geschichte zu erzählen, Tessa. Ich will einige Dinge dazu sagen. Dass du dir Vorwürfe dazu machst, ist verständlich. Doch du brauchst sie dir nicht zu machen. Es ist wie bei Monika… wie bei uns allen. DU bist nicht für Jess verantwortlich. Du kannst ihm nicht helfen, du kannst ihn nur unterstützen. Und das hast du nach allen Mitteln getan. Nicht nur der Süchtige selbst ist Opfer… auch seine Angehörigen. Aber ich spreche nicht gerne von Opfern, denn sie sind hilflos und schwach. Und das musst du nicht sein. Du hast ein Recht auf ein Leben, auf dein Leben. Und darauf, dass du gesund und stark bist. Anders hilfst du auch Jess nichts. Was dir geschehen ist, war furchtbar… du hast den kalten Entzug mit ihm durchgemacht und das ist kein Pappenstiel. Dass es zum Scheiten verurteilt war, ist jedoch leider klar. Die Abhängigkeit von Heroin ist unendlich kompliziert und schwer zu heilen. Dafür braucht es professionelle Hilfe, die du ihm nicht geben konntest… du brauchst dich deswegen nicht zu quälen.“
„Das ist es ja auch nicht alleine“, erwiderte Tessa und ballte die Fäuste. „Ich… ich mache mir Vorwürfe, dass ich ihn vor meiner Mutter versteckt habe. Wäre das nicht passiert, so wäre er heute vielleicht noch bei mir…“
„Tessa…“, sagte Monika vorsichtig. „Du machst dir etwas vor. Er wäre vermutlich dennoch nicht bei dir… die Sucht ist zu stark. Alleine schafft er das nicht. Dass er es bis zu diesem Punkt durchgehalten hat, zeigt schon, wie sehr er dich lieben muss. Aber er hätte professionelle Hilfe gebraucht, Tessa…“
„Wo ist Jess jetzt?“ fragte Marius vorsichtig.
Tessa begann erneut zu schluchzen. „Ich weiß es nicht“, stieß sie hervor. „Ich war einige Male am Bahnhof, wo wir uns immer getroffen haben… doch er ist nicht da… ich habe Angst um ihn, denn er hat es sich damals in der Ruine mit dieser Gang verdorben… was, wenn sie ihm etwas angetan haben… oder gar er sich selbst? Ich weiß nicht, wie ich ihn finden kann… und ich weiß auch nicht, wie es dann weitergehen sollte… ich weiß nicht, wie ich es ertragen soll, ihn noch einmal zu verlieren, noch einmal zu hoffen… ich fühle mich so leer, so kraftlos… und auch dafür hasse ich mich!“
„Tessa, du brauchst dich nicht zu hassen. Du tust nichts, als zu überleben zu versuchen. Es ist vollkommen richtig, dass du erst einmal an dich selbst denkst“, sagte Marius sanft. „Danach kannst du weitersehen und Jess vielleicht helfen, indem du ihn zu einem weiteren, aber professionellen Entzug bringst…“
„Ich weiß nicht, ob er es jemals wieder versuchen wird, nachdem er weiß, dass ich nicht zu ihm gestanden bin…“
„Das mag ein Fehler gewesen sein“, sagte Monika langsam. „Aber es ist nichts ungewöhnliches. Und wir haben nicht immer die Wahl. Was gewesen ist, kannst du nicht mehr ändern… du kannst nur daraus lernen.“
Tessa seufzte lange auf und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. „Damit hast du wohl nicht ganz unrecht“, sagte sie langsam. „Und doch werde ich meine Schuldgefühle wohl niemals ganz los werden… bis ich Jess wieder gefunden habe…“
Sie sah sie traurig an. -
Die beiden redeten noch ein Weilchen mit der Gruppe, dann verabschiedete man sich. An diesem Abend lag Tessa in ihrem Bett und fühlte sich leichter als vorher.
Und als sie die Augen schloss, tauchten Bilder vor ihrem inneren Auge auf.
Bilder von ihr und Jess, in jenen Momenten, in denen sie glücklich und zufrieden gewesen waren. Fern von jeder Sucht, jeden Drogen, jedweder Angst…
Sie würde nicht aufhören, ihn zu suchen. Sie würde nicht aufhören, ihn zu lieben.
Dessen war sie sich sicher.
Und in dieser Nacht hielt sie Jess in ihren Träumen ganz fest…
Fortsetzung folgt. -
Hallo Innad!
Die letzte Fortsetzung hat die schreckliche Situation in der Story wieder etwas verbessert. Wenn sie sich mit Monika anfreundet, hat sie wieder eine Freundin mit der sie reden kann. Schließlich hatte sie nach diesem Verräter ja keine richtige Freundschaft mehr.:)
Allerdings nehme ich dir immernoch krumm, dass du Jess hast rückfällig werden lassen. :angry Wie kann die FS jetzt weiter gehen ohne Hoffnung, dass Jess und Tessa je eine normale Beziehung führen können? Tessa ohne Jess :confused:
Bitte, Bitte lass die Fotostory wieder schöner (im Sinne von angenehmer für die Personen) werden. °ganz lieb mit den Augen klimper° -
Hallö Innad.
Ein tolles, aber trauriges Kapitel. Einerseits toll, weil Tessa sich der Gruppe anvertraut hat, andererseits traurig einmal wegen Monikas Geschichte und weil es gezeigt hat, wie sehr Tessa sich selbst Schuldgefühle 'einredet' (ja, ich weiß, falsches Wort für etwas, was man fühlt, aber mir fällt gerade kein besseres ein.)
Monikas Geschichte war wirklich Herzergreifend, soviel Leid und so ein schreckliches Ende. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie sehr Monika darunter leiden muss ihren Freund tot aufzufinden. :hua So etwas kann man nicht alleine verarbeiten und die Hilfe braucht man selbst nach so langer Zeit noch immer.
Wie gesagt, find ich es toll, dass sich Tessa ebenfalls der Gruppe anvertraut hat. Endlich konnte sie jemanden erzählen, was passiert ist. Die ganze Geschichte, auch wenn es weh tat. Ich denke, das ist schon mal ein großer Schritt gewesen. Endlich versteht auch jemand, was es bedeutet einen solchen Freund zu haben und hoffentlich kann die Gruppe Tessa klar machen, dass es nicht ihre Schuld gewesen ist. Sie kann einfach nichts dafür, dass Jess wieder rückfällig geworden ist.
Ganz wunderbar für Tessa, dass sie in Monika ja scheinbar jemanden gefunden hat, mit dem sie eine Freundschaft aufbauen kann und nichts verstecken muss. Schließlich mangelt es ihr ja ein bißchen an Personen, die über alles Bescheid wissen und sich nicht dafür verurteilen würden.So und jetzt geh ich mir weiter Sorgen um Jess machen. Ich hoffe ja wirklich, dass es ihm nicht zu schlecht geht oder das ihm womöglich das gleiche Schicksal wie Monikas Freund widerfahren ist. :hua
Ganz liebe Grüße
Llyn -
Wölfin: DAs stimmt, Tessa hatte keine Freundschaften mehr und es tut ihr jetzt sehr gut, Monika zu haben!!!
Tessa ohne Jess ist tatsächlich eine traurige Vorstellung, aber vielleicht Realität??? Lass Dich überraschen...
DAnke für Deinen Kommi!
Llyna: Ja, das stimmt, es ist sehr gut für Tessa, Monika gefunden zu haben. Und Du hast vollkommen recht, dass sie sich die Schuldgefühle irgendwo "einredet". Das mit Monikas Freund war echt schlimm und natürlich hat Tessa jetzt Angst, dass Jess das Gleiche oder Ähnliches geschehen könnte, weil sie dadurch auch nochmal sehr deutlich sieht, dass es manchmal wirklich tragisch ausgehtDAnke für Deinen Kommi!
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Kapitel 42
ÜberlegungenEine Woche später kam Monika Tessa zu Haus besuchen. Sie hatten in den letzten Tagen öfters miteinander telefoniert und waren zweimal gemeinsam Kaffee trinken gegangen. Es war wirklich erstaunlich, wie nah sie einander bereits in dieser kurzen Zeit gekommen waren.
Ob es ihre ähnlichen Schicksale waren, die sie verbanden, oder einfach die Tatsache, dass sie auch in allen anderen Bereichen auf einer Wellenlänge zu schwimmen schienen, war letztlich gleichgültig. Fakt war, dass es sich mit einem Menschen, der sich sorgte, kümmerte und mit dem man über alles sprechen konnte, viel besser lebte und die Situation viel leichter zu ertragen war als vorher. Tessa war nun nicht mehr so einsam wie zuvor.
Die Freundschaft mit Monika gab ihr Kraft. Eine Kraft, die sie brauchen würde, um Jess zu finden.
Sie saßen nach dem Essen gemeinsam am Tisch und wie so oft sprachen sie über Jess.
„Ich war fast jeden Tag am Bahnhof, vor der Arbeit und nach der Arbeit“, sagte Tessa bekümmert. „Ich konnte ihn nicht finden. Auch Jasmin habe ich nicht finden können. Ich weiß nicht, was ich noch tun soll, Monika. Ich habe furchtbare Angst, dass ihm etwas zugestoßen ist…“
Tessa schluckte. „Vielleicht ist er doch wieder zurück zu den ´Hellows´?“ Sie sah beschämt auf ihre Fingerspitzen. „Doch ich wage es nicht noch einmal, dorthin zu gehen…“
Monika sah sie bestürzt an. „Um Himmels Willen, du hast doch nicht ernsthaft diesen Gedanken gehabt, oder? Nachdem, was letztesmal geschehen ist?“
Tessa zuckte mit den Schultern. „Ich weiß, es wäre wahnsinnig, noch einmal dort hin zu gehen. Aber es ist der einzige Ort, an dem ich vielleicht etwas über Jess herausfinden könnte…“
„Tessa, schlag dir das sofort aus dem Kopf! Es ist viel zu gefährlich, und nicht nur für dich. Selbst wenn Jess wieder dort wäre, was ich mir nicht im geringsten vorstellen kann, würdest du ihn durch dein erneutes Auftauchen dort in allergrößte Gefahr bringen… denk doch nur daran, was letztes Mal geschehen ist…“
Tessa blickte beschämt zu Boden. „Ich weiß…“, sagte sie leise.
„Abgesehen davon finde ich, dass man diese Überlegung vollkommen ausschließen kann“, fuhr Monika fort. „Dass Jess wieder dort ist, meine ich. Es wäre für ihn viel zu gefährlich – er gilt dort aus Verräter, er hat einen der Gruppe angegriffen und du hast Timo ja gehört in der letzten Sitzung – nach deinen Schilderungen muss es einer der Anführer gewesen sein, der dich damals angegriffen hat. Jess wäre mehr als nur lebensmüde, wieder dorthin zurück zu kehren… das kann ich mir einfach nicht vorstellen. Vielmehr denke ich, dass er sich so verborgen wie möglich hält… vielleicht ist er gar nicht mehr in der Stadt. In der Szene kennt jeder jeden… wenn er wieder zurück gegangen wäre, auch nur zurück an den Bahnhof und wieder ins ´Milieu´, wäre die Gefahr, entdeckt und zur Rechenschaft gezogen zu werden, nicht gerade klein… das vernünftigste für ihn wäre es wohl gewesen, die Stadt zu verlassen.“
Tessa schluckte. In ihrem Hals hatte sich ein riesiger, schmerzhafter Kloß gebildet. Sie wusste, dass Monikas Worte mehr als einleuchtend waren. Aber der Gedanke, dass Jess wirklich die Stadt verlassen haben könnte, schnürte ihr den Hals zu. Wo sollte er hingegangen sein? In eine andere Großstadt, wo ihn niemand kannte, wo ihm niemand nahe kommen konnte, ihm niemand gefährlich werden? Wie sollte sie ihn jemals finden… irgendwo in der Republik, ein namenloser Mensch, der weder irgendwo registriert noch bekannt war…
Tessa atmete tief ein. Noch wollte sie daran nicht glauben. Doch ein anderer Gedanke, der sich ebenfalls anbot, war noch viel erschreckender.
„Ich habe solche Angst, dass er… dass er nicht mehr… lebt“, stieß sie mit dünner Stimme hervor. „Dass ihm diese Gang etwas angetan hat zum einen. Oder dass sein Körper einen erneuten Schuss nach diesem Entzug nicht überstanden hat…“
Tessa schwieg und versuchte, diesen furchtbaren Gedanken zur Seite zu schieben.
„Tief in mir bin ich davon überzeugt, dass er noch lebt…“, sagte sie leise. „Er scheint mir so nahe zu sein. Wenn ich ihn doch nur finden könnte…“
Monika schwieg einen Moment, dann sagte sie sanft. „Tessa… ich muss dich etwas fragen. Nehmen wir einmal an, du würdest ihn finden. Wie sollte es dann weitergehen?“
Tessa sah sie lange an. „Ich weiß es nicht“, erwiderte sie dann müde. „Ich kann es dir nicht sagen…“ -
„Du weißt, dass alles wieder von vorne anfangen würde…“, sagte Monika langsam. „Ich weiß nicht, ob Jess bereit wäre, noch einen Entzug zu beginnen und selbst dann gibt es keine Garantie darauf, dass er letztlich wirklich clean bleibt…“
Tessa nickte. „Ich weiß. Aber was soll ich tun? Ich kann ihn nicht aufgeben! Ich liebe ihn zu sehr…“
Monika nickte und seufzte. „Ich weiß… ich kann dir so gut nachfühlen. Und dennoch…“, sie sah Tessa ernst an. „Wenn du Jess finden solltest… und er dich abweist… dann solltest du darüber nachdenken… er liebt dich und vermutlich würde er dich schützen wollen, schützen vor erneutem Leid. Und wenn er dir einen Weg aufweist, dann…“
Tessa schüttelte den Kopf. „Nein, Monika, das könnte ich nicht. Ich würde mir ewiglich Vorwürfe machen. Verstehst du das nicht?“
Monika seufzte. „Ich kann dir gar nicht sagen, wie gut ich es verstehe… und vielleicht hast du recht. Wenn man liebt, kann man sich nicht abwenden. Das ist wohl das Einzigartige an der Liebe… und auch das Zerstörerische… zumindest in einem Fall wie deinem… oder meinem…“
Tessa nickte und drückte kurz Monikas Hand, weil sie spürte, dass diese erneut der Schmerz über den Verlust ihres geliebten Kevin übermannte.
Monika lächelte ihr tapfer zu und sagte dann: „Sag mal, Tessa… haben deine Eltern denn nie Verdacht geschöpft, dass irgendetwas mit dir nicht stimmen konnte? Ich meine, ich habe dich nicht gekannt, bevor du Jess getroffen hast. Aber ich weiß, wie sehr ICH mich unter der Belastung mit Kevin verändert habe. Ich habe mich am Schluss fast völlig selbst verloren gehabt…“
„Ja, so fühle auch ich mich“, erwiderte Tessa langsam. „Und meine Eltern… tz…“, sie lachte bitter auf. „Nein, die haben nichts bemerkt. Gar nichts. Selbst als meine Mutter mich mit meinem deutlich verprügelten Gesicht gesehen hat, nahm sie mir die Ausrede mit dem Treppensturz sofort ab…“
Sie seufzte. „Sie sind viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Ich habe ihnen niemals viel vorspielen müssen. Sie haben nie etwas bemerkt. Nie.“
Sie sah Monika wieder an. „Aber es war trotzdem ein Fehler, ihnen nichts zu sagen, das weiß ich heute.“
Monika zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht… natürlich war es nicht ganz richtig. Doch wie du sagst, sind sie in dieser Hinsicht sehr verbohrt. Ich weiß nicht… vielleicht hätten sie dir das Leben zur Hölle gemacht… manchmal sind Eltern zu allem im Stande.“
Tessa nickte zerstreut. „Es ist alles so furchtbar kompliziert und verworren. Ich fühle mich, als würde ich zwei Leben leben… schon seit Monaten. Das mit Jess… und das, von dem meine Eltern denken, dass ich es lebe…“
Sie seufzte wieder. „Aber das allerwichtigste im Moment ist, dass ich Jess wiederfinde. Danach kann ich weitersehen… sobald ich ihn wiedergefunden habe, werde ich mit ihnen reden, auch wenn ich mich davor fürchte. Aber erst einmal ist es nur wichtig, Jess zu finden… und sicher zu stellen, dass er noch lebt.“
Sie sah Monika verzweifelt an. „Wenn ich doch wenigstens das wüsste! Dass er noch lebt!“
Monika sah auf. „Ich hab eine Idee, wie du zumindest eine gewisse Chance hast, das herauszufinden!“
„Was meinst du?“
„Die Drogenbehörde! Sie führt eine Liste… eine Liste der Drogenopfer“, erwiderte Monika schnell und fügte leiser hinzu: „Auch Kevin war damals aufgelistet… Jedenfalls… wenn irgendwo jemand stirbt und gefunden wird... auf der Straße meine ich… und man herausfindet, dass es ein Drogenopfer war, so wird dies in der Drogenbehörde gelistet. Zum einen für die Statistik, aber auch weil viele der obdachlosen Drogensüchtigen ja schon einmal in der Behörde essen und schlafen und zum Teil auch namentlich dort bekannt sind.“
Tessa sah sie mit weitaufgerissenen Augen an.
„Bist du dir sicher?“
„Ja, bin ich“, sagte Monika schnell. „Wenn er nicht darauf ist, hast du zwar auch nicht die hundertprozentige Garantie, dass nichts geschehen ist… aber es ist wenigstens um vieles unwahrscheinlicher. Wenn Jess nicht auf der Liste steht, so wird er mit großer Wahrscheinlichkeit noch leben… und wenn du ihn dann weiterhin nicht findest, kannst du davon ausgehen, dass er tatsächlich die Stadt verlassen hat, um sich vor der Gang zu schützen.“
Tessa spürte, wie sich ihr Magen flatterig zusammenzog.
„Und du meinst, ich kann einfach so in diese Liste hineinschauen?“
Monika schüttelte den Kopf. „Ich denke nicht, dass es so einfach ist, aber ich würde es auf jeden Fall versuchen. Fahr morgen zum Drogenbüro und erkundige dich… mit etwas Glück bekommst du die Auskunft, die du brauchst…“
Tessa sah Monika lange an und nickte dann. „Ja, das werde ich machen… ich habe zwar furchtbare Angst vor dem Ergebnis… aber dann werde ich wirklich Sicherheit haben… zumindest mehr als momentan…“
Mit unbehaglichem Gefühl starrte sie ins Leere. Sie wollte sich nicht vorstellen, was geschehen würde, wenn sie morgen Jess´ Namen auf dieser Liste finden würde.
Sie wollte nicht einmal daran denken. Und doch war da in ihr diese klamme Angst, die ihr zuflüsterte, dass genau dies geschehen könnte.....
Fortsetzung folgt. -
Hallö Innad.
Erstmal: Wahnsinn wie fleißig du gerade bist. Da kommt man ja fast nicht hinterher mit dem Lesen. *g*
Zu der Fortsetzung kann ich nur sagen, wie sehr es mich freut, dass Tessa sich mit jemanden austauschen kann. Jemanden anvertrauen kann, was sie denkt und mit ihr über alles zu reden, was sie plant/vorhat. Das ist für Tessa wirklich notwendig, auch damit sie nicht wieder in so eine Situation wie mit den Dark Hellows gerät und um abzuschätzen, wie es mit Jess weitergehen könnte sollte sie ihn finden.
Ich hoffe, dass Jess nicht auf dieser Liste steht und das sich die Beiden wiedersehen, damit wenigstens die quälende Ungewissheit bei Tessa weg ist.
Ganz Liebe Grüße
Llyn