[Fotostory] Tiefer als der Schmerz

  • Kapitel 73
    Tief in mir


    Tessa stieg aus ihrem Wagen und atmete die Luft tief ein. Für einen Moment schloss sie genießerisch die Augen und spürte die wärmende Sonne auf ihrem Gesicht.
    Die Luft war warm, die Sonne schien mit voller Kraft.
    Langsam ging sie den Gehweh entlang und betrachtete mit halb zusammengekniffenen Augen, welche die Sonne blendete, das weiß gekachelte Gebäude, das vor ihr aufstieg.
    Vor dem Eingang zum Garten blieb sie stehen und sah sich um. Seit sie das letzte Mal hier gewesen war, waren sechs Wochen vergangen. An nichts und niemanden waren diese Wochen spurlos vorüber gegangen, und der Garten, der sich damals, als sie Jess hier mit bangem Herzen zurück gelassen hatte, noch kahl und rau präsentieren musste, hatte sich unter der wärmenden Sonne entfaltet und war aufgeblüht. Tessa flog ein Lächeln übers Gesicht und langsam ging sie auf die Tür zu. Jess hatte eigentlich hier draußen auf sie warten wollen, doch sie war einige Minuten zu früh.


    Unsicher öffnete sie darum die Tür zum Vorraum und stellte überrascht fest, dass dieser leer war. Sie hatte eigentlich gedacht, heute, am offiziellen Besuchstag, sei hier die Hölle los. Doch es war ruhig und still. Einen Moment stand sie unbeweglich auf einer Stelle und fühlte sich nicht ganz wohl in ihrer Haut, kam sich fast wie ein Eindringling vor.
    In der Küche hörte sie das Geklapper von Geschirr, weshalb sie sich langsam nach vorne wagte und in den hellen und gemütlichen Raum spähte.
    Ein Grinsen flog über ihr Gesicht, als sie Jess´ vertraute Stimme hörte und ihn gleich darauf am Waschbecken entdeckte, wo er an die Arbeitsplatte gelehnt stand und mit einem grün-rot karierten Handruch einen Topf abrubbelte, während er sich mit einer Frau, die bis zu den Ellbogen im schaumigen Wasser verschwunden war, unterhielt.
    Als habe er ihre Anwesenheit gespürt, stockte er auf einmal in seinem Gespräch, ließ das Handtuch sinken und sah auf.
    „Tessa!“, rief er erfreut aus, murmelte kurz etwas zu der Frau am Waschbecken, die daraufhin nur lachend sagte: „Geh schon, ich trocken den Rest ab“. Daraufhin legte er das Handtuch beiseite und kam schnellen Schrittes in den Vorraum geeilt.
    Für einen winzigen Moment blieben beide unschlüssig voreinander stehen und starrten sich nur an. Tessa spürte ihr Herz bis zum Halse schlagen, als sie Jess musterte, doch sie wagte es nicht, sich zu rühren. Der Moment war einzigartig - und doch seltsam befremdlich.
    Schließlich war Jess es, der sich aus der Starre löste und sie lächelnd in seine Arme zog.
    „Ach, es tut so gut, dass du da bist“, murmelte er in ihr Haar und sie sog seinen Duft tief ein. Er hielt sie ein Stück von sich und sagte dann: „Gut schaust du aus, Tessa.“
    „Und du erst“, erwiderte sie wahrheitsgemäß.


    Er lächelte und küsste sie statt einer Antwort.
    „Wollen wir nach draußen gehen?“, fragte er dann. „Es ist so herrliches Wetter und da sind wir ungestörter.“



    Tessa nickte und löste sich aus seiner Umarmung.
    Jess öffnete eine der großen Flügeltüren und trat mit ihr hinaus in die warme Maisonne.
    Er sog die Luft ebenso wie sie es eben getan hatte tief ein und lächelte sie dann an.
    „Lass uns doch ein Stück gehen“, schlug er vor und deutete in Richtung des hinteren Gartenteils.
    Tessa nickte und musterte Jess langsam. Sie musste feststellen, dass sie ihn kaum wieder erkannte. Man sah ihm kaum etwas davon an, was er in den vergangenen Wochen durchgemacht haben musste. Nein, vielmehr sah er frischer und besser aus denn je. In der engen Jeans, die sie ihm noch vor Beginn des Entzugs gekauft hatten, wirkte er ungewohnt maskulin, der dünne, eng anliegende Pullover betonte dies noch viel mehr.
    Tessa schluckte und spürte eine seltsames Gefühl von Befremdung in sich aufsteigen, als sie ihn so da stehen sah. Das war nicht der Jess, den sie kannte. Er schien ihr ein völlig fremder Mann zu sein…
    „Was ist los?“, fragte Jess lächelnd.
    „Nichts“, erwiderte Tessa rasch und fast etwa ruppig, drehte sich um und ging den schmalen Weg in den Garten entlang, während Jess ihr schweigend folgte.


    Sie fühlte sich mit einemmal nervös und unsicher, so hatte sie sich noch nie in seiner Anwesenheit gefühlt.
    Tessa verharrte vor dem großen Swimmingpool im Garten und betrachtete nachdenklich die weißen Liegestühle.
    War es genau das, was Monika ihr prophezeit hatte… nur viel schlimmer? Nun, da Jess nicht mehr der Jess war, den sie kannte, erschien er ihr fremd… anders… seltsam.
    Was war nur los mit ihr? Sie hatte diesen Tag all die Jahre herbei gesehnt und nun… übertraf Jess mit seiner Entwicklung all ihre Erwartungen, und statt sich zu freuen, fühlte sie sich dabei unbehaglich.
    „Tessa?“
    Jess sah sie aufmerksam an. „Was ist los?“



    Tessa zuckte ausweichend mit den Achseln. „Ach, ich weiß nicht… ich…“
    Sie wusste nicht recht, was sie sagen sollte, darum schwieg sie.
    „Ich bin froh, dass du hier bist“, sagte Jess statt einer Antwort direkt. „Du hast mir gefehlt.“
    Tessa lächelte schwach. „Du mir doch auch“, murmelte sie dann, starrte aber weiterhin auf das blaue Wasser des Pools, in dem sich die saftig grünen Blätter der Bäume spiegelten und das sich unter dem ein oder anderen Windstoß sanft kräuselte.
    „Tessa, es ist okay, wenn das alles etwas ungewohnt für dich ist…“, sagte Jess da neben ihr sanft. Sie sah ihn überrascht an.
    „Wie… was meinst du...?“
    Jess lächelte. „Nun, ich muss dir ziemlich verändert vorkommen. Ich fühle mich selbst ja völlig anders… wir haben uns sechs Wochen nicht gesehen, und in denen ist viel passiert. Dass das komisch ist, ist doch ganz normal.“
    Er legte sanft den Zeigefinger unter ihr Kinn und stupste sie an der Nase, so dass sie lächelte.


    „Du bist wirklich anders“, gab sie dann zu. „Ich erkenne dich kaum wieder. Und das… das fühlt sich irgendwie seltsam an.“
    Jess nickte. „Ja, das glaube ich dir, Tessa. Mir ging es ähnlich, als ich dich vor einigen Wochen wiedersah. Du warst nicht mehr diejenige, die ich damals verlassen musste…“
    Sie sah ihn überrascht an. „Du hast nie etwas gesagt.“
    Er zuckte mit den Achseln. „Ich weiß… irgendwie dachte ich, das Gefühl sei nicht richtig. Aber inzwischen denke ich, es ist ganz normal, so zu empfinden. Und für dich muss es noch extremer sein jetzt, nehme ich an.“
    Tessa nickte langsam. „Ja, es ist komisch… ich meine… nun, das heißt nicht, dass ich mich nicht freue, Jess!“, beteuerte sie schnell. „Nur… du wirkst so… stark… so… bei dir. So kenne ich dich nicht.“
    Jess strich sich die Haare aus der Stirn und richtete seinen Blick auf die sich im Wind sanft hin und her wiegenden buschigen Baumwipfel des Waldes, den man auf der anderen Straßenseite erkennen konnte.
    „Nun, das liegt wohl daran, dass ich zum ersten Mal seit Jahren wieder bei mir bin… und nicht gesteuert von irgendeinem Mist, der durch meine Adern fließt…“
    Er sah Tessa wieder an und lächelte ihr zu.



    „Daran muss ich mich selbst auch erstmal gewöhnen.“
    Tessa lächelte zurück und spürte, wie die Befangenheit allmählich nach ließ, auch wenn sie sich nicht ganz vertreiben ließ. Sie spürte Jess ´ Hand an der ihren und griff bereitwillig danach. Gemeinsam schlenderten sie schweigend ein Weilchen durch den von schweren Düften und bunten Farben erfüllten Garten, bis sie sich schließlich auf einer der Bänke niederließen.
    „Mensch, ich hab einen Stein im Schuh“, schimpfte Jess und beugte sich nach vorne, um das Dilemma zu entfernen.



    Tessa sah ihm schweigend zu und sagte dann irgendwann: „Geht´s dir wirklich gut, Jess? Oder … willst du mich nur nicht belasten?“





    *geht noch weiter*

  • Sie sah ihn ernst an. Er richtete sich wieder auf und blickte ihr ins Gesicht.
    „Tessa… das denkst du doch nicht wirklich?“
    Tessa schluckte. „Nun… ich mach mir einfach Sorgen, Jess…“



    Jess schüttelte den Kopf.
    „Tessa, aber das brauchst du nicht. Es geht mir gut. Natürlich nicht immer. Aber alles läuft viel besser als ich es je erwartet hätte. Das schlimmste habe ich hinter mir… jetzt geht es darum, zu lernen, auch im Alltag mit der Sucht umzugehen. Aber du brauchst dich nicht immer um mich sorgen, Tessa. Wirklich, mir geht’s gut. Viel mehr denke ich an dich.“
    Er sah sie ernst an.



    Tessa nickte. Noch vor wenigen Wochen hätte sie wohl protestierend Einwand erhoben, doch nachdem sie die letzten Wochen so viel über das, was Monika ihr gesagt hatte, nachdenken musste, war ihr klar, dass Jess sich auch um sie sorgte – und das auch durfte.
    „Ich komme auch gut klar“, erwiderte sie dann. „Du fehlst mir sehr, das ist klar. Aber… nun ja… ich meine, wir… wir hatten ja auch vorher nie … viel Zeit… du weißt schon, was ich meine…“



    Jess nickte. „Ja, Tessa, das stimmt. Und du brauchst dich nicht dafür schämen, das zu sagen.“ Er sah sie offen an. „Wir sollten endlich damit anfangen, die Dinge beim Namen zu nennen, findest du nicht? Das ist etwas, das mit durch die Therapie hier langsam klar wird. Es ist für uns ganz wichtig, uns nichts mehr vor zu machen. Auch für später. Ich muss das lernen… und…“
    Er sah sie sanft an. „Ich glaube, du auch…“
    Tessa sah ihn irritiert an. „Was meinst du damit?“



    „Nun, ich will damit nur sagen…“, begann Jess langsam und suchte nach Worten. „Ich meine… Tessa, all die Zeit, in der wir zusammen waren… denkst du nicht auch, wir haben viel falsch gemacht?“
    Tessa sah ihn einen Moment schweigend an. „Ich weiß nicht… wir haben sicher nicht alles richtig gemacht“, gab sie dann zu. „Aber denkst du, all das war falsch?“
    Jess schüttelte den Kopf. „Nein, das mein ich nicht. Ich… wie soll ich das am besten erklären…“, suchte er nach Worten.



    „Ich meine damit… wir beide haben nie offen über mein Problem gesprochen, oder? Ich glaube, unser offenstes Gespräch war noch jenes damals, als wir uns kennen lernten, in dem Café, als du diesen Artikel schriebst. Danach haben wir das Thema eigentlich immer totgeschwiegen…“
    „Du hast es totgeschwiegen“, sagte Tessa leise. „Darum hab ich es irgendwann auch getan…“ Sie sah ihn traurig an. „Ich will damit nicht sagen, dass ich keine Schuld hatte, bitte versteh das nicht falsch.“
    Jess lächelte sie sanft an. „Das tu ich nicht. Du hast recht. Ich wollte dich damals vor allem schützen, und ich war ein Idiot. Vielleicht… vielleicht hab ich tief in mir nie daran geglaubt, dass das zwischen uns halten wird. Ich fürchte, ich war tief in mir überzeugt davon, dass du mich auch irgendwann verlassen wirst. So wie alle bis dahin. Darum dachte ich nie, dass die Bombe irgendwann platzt. Oder dass du dazu lang genug in meinem Leben bist.“



    Tessa sah ihn erschrocken an. „Das hast du gedacht? Dass ich dich verlasse…?“
    Jess zuckte hilflos mit den Schultern. „Nicht direkt. Aber irgendwie hab ich das in mir drin, tief in mir, wohl angenommen, ja…“
    Einen Moment schwiegen beide und starrten auf die Grashalme unter ihren Füßen, dann sagte Tessa langsam: „Aber ich wollte es tief in mir wohl auch nie wissen… was mit dir ist, meine ich. Ich habe zwar darüber nachgedacht, aber ich fürchte, tief in mir hoffte ich irgendwie, dass irgendwann alles gut wird.“ Sie seufzte und schüttelte den Kopf. „Mir war nicht bewusst, dass das nicht so einfach geht. Mein Leben war immer einfach gewesen. Oder nun… vielleicht nicht einfach, aber ich bin so groß geworden, dass ich dachte, es gibt für alles eine Lösung und zwar eine sehr direkte. So wie in der Mathematik, einfache Gleichungen, und wenn man sie einmal begreift, kann man sie schnell durch rechnen. Ich dachte, wenn ich mich nur anstrenge, und daran glaube, dann wird alles gut. Ich war mir nie klar, dass das nie so einfach gehen wird.“
    Sie lächelte schmerzlich. „Ich fürchte, ich habe tief in mir, naiv wie ich war, daran geglaubt, dass du eines Tages zu mir kommst und mir sagst, du hast damit aufgehört… einfach so. Naja … oder zumindest so ähnlich. Schön blöd, nicht?“
    Sie schielte ihn von der Seite an. Jess schüttelte nachdenklich den Kopf.



    „Nein, nicht blöd. Normal, denke ich. Ich meine, vergiss nicht, wie du aufgewachsen bist… von dir wurde alles ferngehalten und eigentlich ist das ein Geschenk“, antwortete er dann. „Mach dir deswegen keinen Vorwurf.“
    Sie schwiegen wieder einen Moment, dann sagte Tessa langsam: „Jess… ich… ich…“
    Er sah sie offen an. „Was, Tessa?“
    „Ich habe Angst“, platzte es dann aus ihr heraus. „Ich… ich habe Angst, dass es nicht funktionieren wird…“, fügte sie leiser hinzu. „Mit uns, meine ich… wenn du… wenn alles mit dir okay ist… und alles so anders als vorher. Ich meine… nicht weil ich dich dann nicht mehr liebe, nein… nur weil… unser Leben nie normal war… und… ach, es ist so verworren.“
    Jess sah sie eine Weile schweigend an und sagte dann: „Darüber hab ich auch schon nachgedacht. Schon im Krankenhaus“, erwiderte er dann langsam und starrte die weiße Steinwand des Hauses an.



    Tessa sah ihn überrascht an, sagte aber nichts.
    Da er eine Weile nichts sagte, schluckte sie und starrte ebenfalls vor sich hin. In ihrem Kopf purzelten die Gedanken wie PingPong-Bälle durcheinander.




    *geht noch weiter*

  • Dachte er genauso? Oder hatte er gar schon für sich entschieden, dass es zwischen ihnen nicht funktionieren würde?
    Mit einemmal durchlief es Tessa eiskalt.
    Jess hatte viele Wochen Zeit gehabt, um nachzudenken. Er war so anders. Er schien ihr eben noch so fremd.
    Was, wenn er für sich entschieden hatte, dass sein Leben nach dem Entzug ohne sie weitergehen sollte?
    Wieso schwieg er so lange? Wieso sagte er nichts?
    Tessa meinte, ihr Herz aussetzen zu hören.
    Was, wenn Jess sich von ihr trennen wollte?



    In den Bäumen über ihr erhob sich ein kleines Vögelchen und segelte über ihre Köpfe hinweg in Richtung Wald. Die Bäume wiegten sich sanft im Wind und der Geruch des violetten Flieders hing schwer in der Luft.
    Fing ihr neues, gemeinsames Leben nicht gerade erst an? Oder war dies etwas das Ende, nach allem was sie durchgestanden hatten?





    Fortsetzung folgt.

  • wie kannst du nur an so einer stelle aufhören?! *frechheit*
    nochmals: deine bilder sind eeecht klasse!
    dein schreibstil gefällt mir auch seehr gut!
    mach bald weiter!!
    dim

  • Tessas Gefühl nicht dort hin zu gehören als sie ankommt kann ich gut nachvollziehen.
    Das ist wie eine andere Welt in der viele Menschen das gleiche Schicksal teilen, aber sie es nicht tut. Sie ist halt nur ein „Besucher“.


    Dafür hat mich dieser Satz total berührt.

    Als habe er ihre Anwesenheit gespürt, stockte er auf einmal in seinem Gespräch, ließ das Handtuch sinken und sah auf.


    Das zeigt wieder mal wie feinfühlig Jess doch ist, immerhin haben sie sich 6 Wochen lang nicht gesehen und doch hat er sie wahrgenommen.


    Umso trauriger fand ich dieses befremdliche Gefühl zwischen den beiden. Denn grade jetzt wo man den wahren Jess nicht nur erahnen sondern auch erkennen kann, sieht sie in ihm einen Fremden. Doch auch wenn Jess äußerlich einen starken Eindruck macht und er das schlimmste hinter sich hat ist er doch weiterhin auf Hilfe und Unterstützung angewiesen. Und in seinem innern ist er schließlich noch derselbe wie vor seinem Entzug.


    Das Gespräch zwischen den beiden stimmt einen schon sehr nachdenklich und traurig. Denn gerade jetzt wo alles einfacher, normaler … perfekter sein könnte ist vielleicht alles aus???
    Das hoffe ich nicht.



    Kennst du den Song Unzertrennlich von Revolverheld? Der kam mir jetzt spontan in den Sinn. Und ich finde der passt sehr gut zu der augenblicklichen Situation von Tessa und Jess.

    My Name Is Love - Nina Love

  • So, liebe Innad, jetzt bin ich hier!


    Ich habe dir ja bereits geschrieben, wie begeistert ich wieder von deinen FS bin!


    Monika: eine ganz tolle Freundin mit einer für ihr Alter erstaunlichen Reife und LEbenserfahrung. Nun, man darf nicht vergessen, dass sie schlimmes erlebt hat, genau wie Tessa. Mit dem Unterschied, dass sie ihren Freund an die Drogen verlor. So etwas prägt ganz bestimmt fürs ganze Leben. Sie schafft es immer wieder, Tessa ganz sanft in eine bestimmte Richtung zu lenken, ohne ihr irgendwelche abgedroschene Ratschläge zu geben oder gar Druck zu machen. Sie stellt es so geschickt an, dass Tessa glaubt, von selber darauf gekommen zu sein. Hut ab vor dir, liebe Moni, bzw. deiner Schöpferin Innad!


    Joshua: da bin ich noch immer sehr skeptisch, das hast du richtig erkannt. Ich traue diesem Jungen einfach nicht ganz. Natürlich würde ich ihm niemals etwas böses unterstellen, bestimmt ist er alles andere als ein schlechter Mensch und ich glaube ihm auch, dass er nicht unbedingt bewusst berechnend ist. Aber zumindest ist es nicht uneigennützig, dass er immer dann, wenn Tessa wieder in einer Krise ist, auftaucht und sich so sehr (zu sehr?) um sie kümmert. Ich bin sicher, dass er immer noch hofft, sie für sich zu gewinnen. Jetzt wollen sie also gemeinsam Tessas Wohnung renovieren? Für Jess? Hätte sie da nicht lieber warten können, und das dann gemeinsam mit ihrem Freund machen? Ich bin ja auch gespannt, wie Jess auf Joshua reagieren wird und umgekehrt.....


    Jess: endlich, endlich können sie sich sehen und trotz grosser Freude, fühlen sich beide fast verlegen. Diese REaktionen bestätigen mich noch mehr in meinem Verdacht, dass es den beiden ähnlich wie meiner Tante mit ihrem damaligen Freund ergehen könnte.
    Das zeigt z.B. die Tatsache, dass Tessa weniger unter der tatsächlichen Trennung von Jess leidet, sondern viel mehr darunter, dass sie keine Kontrolle mehr hat, was mit ihm geschieht. Sie hat grösste Mühe, die Verantwortung abzugeben. Aber ich glaube nicht, dass es Jess Freude machen wird, von ihr bemuttert zu werden, im Gegenteil. Er möchte ihr doch jetzt zeigen, dass auch er stark sein kann, und sie sich auch mal an ihn anlehnen darf. Wenn ihr das nicht gelingt, hier umzudenken oder zu -fühlen, sehe ich schwarz für die Beziehung. Es wird jede Menge Arbeit sein, sich an die neue Situation zu gewöhnen.
    Natürlich hoffe ich für die beiden, dass die Liebe stark genug ist und sich nicht langsam aber sicher in Nichts auflöst.....


    Ach, ich freue mich schon so auf die FS!


    Lieber Gruss
    Jane :kiss

  • @dimidim: Jaaa... :D ich brauche halt den ein oder anderen Cliffhanger, damit ihr schön dabei bleibt, ne? *lach*
    Danke für Deinen Kommi!



    @JaneEyre: Wow, hast Du viel geschrieben! :applaus
    Was Moni angeht: Da gebe ich dir uneinegschränkt recht. Sie hat wirklich einen sehr guten Spürsinn, ist für Tessa oft diejenige, die ihr den Kopf nachhaltig zurecht rücken kann. Und sie ist ja auch schon etwas älter als Tessa... wobei ich mich jetzt blamieren muss, und nicht weiß, wie viel... hab ich das mal irgendwo erwähnt? Hilfe! *lach* Solche Dinge entfallen mir dann leider schnell.


    Was Joshua angeht, so kann ich Deine Skepsis verstehen und sag dazu auch erstmal noch nichts, außer vielleicht, dass es doch auch Menschen geben muss, die ohne Hintergedanken etwas tun... oder gibts die nicht? Ich weiß es selbst nicht genau.
    Jedenfalls ist das, was er jetzt tut, wohl wirklich eher freundschaftlicher Natur. Wie es in ihm aussieht... tja, das bleibt wohl erstmal sein (und mein ;) ) Geheimnis.


    Was Du zu Jess schreibst und dem, wie Tessa sich ändern muss, kann ich voll unterschreiben. Ich denke aber, es liegt nicht nur an ihr, sondern an beiden. Schließlich löste sein Verhalten ja wiederum das ihre aus. Ich denke, sie müssen sich sozusagen völlig neu kalibrieren... wenn das alles klappen soll. Irgendwie denkt man ja, nach allem, was sie durchgstanden haben, muss das doch die leichteste Übung sein. Aber das ist es nicht... ganz und gar nicht. Da wartet noch viel Arbeit und Auf und Ab auf die beiden, das stimmt...


    Danke für diesen riiiesigen Kommi!



    @NinaLove:
    Ja, den Song kenne ich und DU hast recht, er würde gerade gut auf die beiden passen.
    DAss Du diese bestimmte Stelle mit dem Aufschauen beim Abtrocknen zitierst hast, das hat mich unheimlich gefreut, weil ich sie selbst beim Schreiben berührend fand und wenn ich mir das so bildlich vorstelle, finde ich es ganz emotional und Gänsehaut-mäßig.
    Nun, es ist jetzt natürlich schon seltsam für sie, sich wiederzusehen. Allein optisch ist Jess ja schon deutlich verändert. Er hat sechs Wochen hinter sich, die ganz intensiv waren. Da hat er sich verändert. Und Tessa hat daran nicht teilgenommen. Diese Befremdung ist dann natürlich schnell da. Nur ob sie anhalten wird, das kommt nun wohl auf die beiden an, auf Dauer gesehen. So wie ich bei Jane schon schrieb, ich glaube, sie müssen sich ganz neu einstellen, ihre Beziehung, ihr Verhältnis. Es ist ein komplett neuer Anfang, was diese Fremde auch erklären kann.
    Danke für Deinen tollen Kommi!!!


    Anjasachsen: Mh, ich nehme jetzt einfach mal an, dass Du noch bei einer ganz anderen, viel viel früheren Stelle dieser Story bist und den Kommi darauf bezogen hast! :)
    Auf jeden Fall freut es mich, dass Du mitliest und es Dir gefällt!!!

  • Kapitel 74
    Vertrauen


    Tessa schluckte. In ihrer Kehle schien ein zentnerschwerer Kloß zu hängen, der sie fast schmerzhaft zusammen zu ziehen begann.
    Da Jess immer noch schwieg, sah sie ihn lange an und fragte dann mit zitternder Stimme:
    „Jess… denkst du etwa… denkst du, es wird nicht funktionieren? Willst du vielleicht… willst du es etwa beenden?“
    Jess fuhr herum und sah sie mit großen Augen an.


    „Was? Beenden… aber… aber nein, Tessa, wie kommst du denn darauf!“, stieß er dann hervor.
    Tessa atmete erleichtert auf und blickte zu Boden.
    „Na, weil du nichts gesagt hast“, stammelte sie dann leise. „Du hast nur gesagt, du hast dir im Krankenhaus auch Gedanken gemacht… und ich dachte, vielleicht bist du nun zu dem Entschluss gekommen, dass es nicht funktionieren kann…“
    Jess griff nach ihrer Hand und schüttelte den Kopf. „Aber nein, Tessa, nein! Wie kommst du nur auf sowas! Ich habe mir im Krankenhaus auch Gedanken gemacht, ja, und ich habe gerade überlegt, wie ich dir das erklären soll, was mir so durch den Kopf gegangen ist. Aber ich würde dich doch nicht verlassen. Wir müssen es doch wenigstens versuchen, ein normales Alltagsleben aufzubauen.“
    Er sah sie liebevoll an. „Ich kann nicht dafür garantieren, dass es klappt, nein. Aber wer kann das schon? Wofür würden wir all das hier denn sonst tun, wenn nicht dafür? Oder zumindest zum Großteil dafür?“
    Er lächelte ihr aufmunternd zu und sie lächelte schwach zurück.


    „Ich… ja, du hast recht“, sagte sie dann langsam. „Aber diese Angst in mir kriege ich nicht zum Schweigen. Unser Leben war bisher so völlig anders… so extrem. Vielleicht brauchen wir diese Extreme… oder ich?“
    Sie sah ihn ängstlich an. Jess erwiderte ihren Blick und bemerkte bestürzt, wie aufgewühlt sie war. „Ach Tessa, komm her!“
    Er zog sie in seine Arme, hob sie dabei fast unmerklich auf seinen Schoss und drückte sie fest an sich. „Du musst Vertrauen haben, in dich und in uns. Ich habe auch Angst, natürlich. Und Zweifel. Aber ich rede viel darüber in den Gruppenstunden, und ich bin guter Dinge, dass es funktionieren wird, wenn wir viel darüber sprechen vorher. Über alles, was wir bisher nicht beachtet haben. Alles, was schief gelaufen ist. Bei mir und auch bei uns. Ich bin es nicht gewohnt, so viel zu reden“, er lachte leicht , „aber ich fürchte, ich muss mich daran gewöhnen:“
    „Denkst du, ich bemuttere dich zu sehr?“, platzte Tessa hervor.
    Amüsiert sah Jess sie an. „Wie kommst du denn darauf?“
    „Ach … nur so“, wich Tessa aus. „Nun sag doch.... ist es so?“
    Jess zuckte mit den Achseln. „Ich würde das nicht bemuttern nennen, schließlich bist du hier nicht mit einem Picknickkorb voll selbstgemachter Hühnerbrühe aufgetaucht.“ Er zwinkerte, wurde dann aber wieder ernst. „Ich denke nur, du machst dir zu viele Sorgen um mich. Ich kann dich ja verstehen, aber deine Sorgen belasten mich.“



    Betroffen blickte Tessa auf ihre Schuhspitzen. „Das tut mir leid. Daran hab ich nie gedacht. Aber ich kann es ja nicht einfach so abstellen, mich um dich zu sorgen.“
    „Das wäre ja auch nicht gut“, erwiderte er dann sanft. „Aber ich hab das Gefühl, es macht dich irre, mich hier allein zu lassen. Die Kontrolle abzugeben oder so, ich bin mir nicht so sicher. Und das belastet mich auch, weil ich weiß, es geht dir schlecht. Sieh mal, Tessa, wieso sehen wir dieses knappe halbe Jahr, das wir noch getrennt vor uns haben, nicht einfach als eine Chance? Eine Chance, uns allmählich aneinander zu gewöhnen. Du kennst mich nur unter Einfluß der Drogen, und ich kenne dich nur in Sorge und Angst. Ich weiß auch nichts von dir, Tessa, wenn es um deinen Alltag geht. Oder nur wenig. Ich habe nie daran teilgenommen. Ich kenne weder deine Freunde, noch deine Familie, noch weiß ich, was genau du in deinem Studium tust… nicht was du gerne isst, was du gerne trinkst. Das möchte ich alles erfahren. Ich bin dir so unendlich nahe, ich liebe dich so innig und schon so lange, aber diese Dinge fehlen mir einfach.“
    Tessa nickte. „Genau das habe ich auch schon gedacht“, sagte sie dann langsam.
    „Ja, nur mit einem Unterschied“, erwiderte Jess nachdenklich. „Ich weiß vieles dieser Dinge bei mir selbst noch nicht. Und ich bin so dankbar um diesen Therapieplatz, weil er mir die Zeit gibt, sie zu erfahren. Müsste ich jetzt schon ins normale Leben, würde ich bestimmt wieder rückfällig werden, trotz allem. Wie soll ich mich da draußen zurecht finden, wenn ich gar nicht genau weiß, wer dieser Jess Berger überhaupt ist?“
    Tessa nickte. „Da hast du recht. So habe ich es noch gar nicht gesehen.“
    Jess lächelte. „Eines weiß ich aber schon über Jess Berger. Und zwar, dass er eine der hübschesten Frauen auf diesem Planeten zur Freundin hat.“
    Tessa lachte leise auf und rieb ihre Stirn an seiner. „Schmeichler!“, murmelte sie.


    Jess lachte auf. „Damit kann ich leben“, erwiderte er und küsste sie sanft. „Weißt du, ich bin hier in den besten Händen. Und ich bin jederzeit erreichbar für dich. Du wirst mich in den ersten Monaten vielleicht nur an den Wochenenden sehen können. Aber so haben wir genug Zeit, uns langsam aneinander zu gewöhnen. Und später kannst du mich sicher auf öfter besuchen, ich denke, das wird wichtig für uns sein. Und was danach kommt, nach der Therapie, ist noch so ungewiss. Ich meine, wir haben noch so viel Zeit, all diese fremden Seiten an uns kennenzulernen, bevor wir im Alltag miteinander leben müssen.“
    Tessa nickte. „Ja, und ich bin gespannt, diesen neuen Jess kennen zu lernen.“ Sie sah ihn liebevoll an. „Und ich muss sagen, er fängt an, mir zu gefallen.“



    Jess lächelte. „Da hab ich ja aber mal Glück gehabt“, sagte er dann zwinkernd. „Wir werden viel zu Reden haben, Tessa. Auch über das Jahr, das zwischen uns liegt. Dieses Jahr, in dem ich dich allein gelassen hab…“
    Seine Miene wurde ernst und fast schmerzlich. Tessa spürte wieder einmal, wie sehr ihn die Vorwürfe über sein unredliches Verhalten an jenem Februartag immer noch zermarterten.
    „Das ist Vergangenheit…“, begann sie sanft, doch Jess schüttelte den Kopf.
    „Nein… oder ja, natürlich ist es das. Aber es ist dennoch wichtig. Ich meine, die Vergangenheit ist wichtig. Wir müssen anfangen, aus ihr zu lernen. Und all die Dinge anzusehen, die da passiert sind.“ Er sah sie ernst an. „Du hast viel durchgemacht. Es kann nicht alles spurlos an dir vorbeigegangen sein. Und je mehr ich dich liebe, desto weniger kann ich begreifen und ertragen, dass ich der Auslöser für alles war.“
    Tessa schüttelte den Kopf. „Ich verstehe dich“, sagte sie dann. „Aber diesmal muss ich dir die Ohren langziehen. Ich denke nämlich, damit fährst du in eine Sackgasse. Nicht damit, die Dinge anzusehen, da hast du natürlich recht. Aber damit, dich heute noch dafür zu belasten, dir Vorwürfe zu machen. Es ist vorbei, wir können es nicht mehr ändern. Wir können nur daraus lernen.“
    Jess sah sie nachdenklich an. „Wie konntest du mir das alles nur verzeihen?“
    „Na, weil ich dich liebe“, erwiderte Tessa schlicht und Jess drückte sie lächelnd an sich.



    „Der Himmel hat es an jenem Tag, als er mich und dich in diesen Supermarkt hat spazieren lassen, sehr gut mit mir gemeint“, murmelte er dann.
    Tessa musste bei der Erinnerung an jenen Tag leise auflachen.
    „Was für eine Geschichte, oder?“, sagte sie dann. Mit einemmal fiel ihr wieder die Begegnung mit der alten Dame ein, der sie das Verfallsdatum auf den Saftpackungen hatte vorlesen müssen.
    „Was diese alte Dame heute wohl dazu sagen würde, wenn sie wüsste, was unmittelbar nach unserer Begegnung geschehen ist?“, sinnierte sie und erfasste mit ihrem Blick einen Ast der Weide über sich, der sich im Wind hin und her wiegte, als wolle er der Sonne zuwinken.
    „Welche Dame?“, fragte Jess verwirrt und Tessa lachte leise auf.
    Sie sah das Bild noch vor sich, als sei es gestern geschehen. Und doch fühlte es sich auf der anderen Seite wieder an, als sei es Jahre, Jahrzehnte, ja – fast Jahrhunderte her.


    In kurzen Worten schilderte Tessa Jess jene Begegnung.
    „Vielleicht hat mir das überhaupt nur erst den Mut verliehen, für dich in die Presche zu springen“, überlegte sie dann lächelnd und spielte gedankenverloren mit einer von Jess´ Haarsträhnen, was dieser grinsend über sich ergehen ließ.
    „Oder es war ihr Segen, der uns den Weg geebnet hat“, meinte er dann langsam.
    „Wie?“
    „Na, du hast doch gesagt, sie wünschte dir am Schluss Gottes Segen.“
    „Hab ich das gesagt?“
    „Sonst wüsste ich es nicht. Und wer weiß… vielleicht war das ja entscheidend für uns. Und ist es heute noch?“
    Tessa lächelte. „Glaubst du an so was? An Gott und an Segnungen?“
    Jess zuckte mit den Schultern. „Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als unser Verstand für möglich hält, Tessa, oder nicht? Und ja, ich denke, an Segnung glaube ich, weil es mir hilft. In jener Nacht im Krankenhaus hatte ich eine Weile das Gefühl, nicht anwesend zu sein. Irgendwo anders, wo es leicht und warm und gut war. Ich weiß nicht, ob es nur von den Medikamenten kam, oder von dem Halbkoma in dem ich lag. Es ist ja auch egal. Jedenfalls bin ich der Meinung, es gibt da irgendwas, an das es sich zu glauben lohnt. Was auch immer es sein mag. Und wenn wir darauf vertrauen, dass es diesen Segen für uns gibt, welcher Art auch immer er sein mag, dann ist das für uns doch etwas, das Vertrauen schafft, oder nicht?“
    Tessa sah ihn nachdenklich an und verstand, was er meinte. „Du hast recht“, sagte sie dann leise. „Also lass uns daran glauben, dass wir gesegnet sind… mit Glück und mit allem, was wir brauchen, um das durchzustehen, was noch vor uns liegt.“



    Jess nickte und blickte in das Blattwerk, das sich über ihren Köpfen wie ein Baldachin auszubreiten schien.
    Er ließ die Sonne genießerisch in sein Gesicht scheinen und auch Tessa schloss für einen Moment die Augen, legte den Kopf an seiner Schulter ab und schwieg.


    *geht noch weiter*

  • So saßen beide eine Weile ohne zu sprechen, nur im erfüllenden Genuss der Nähe des anderen versunken.



    „Lass uns den Rest des Tages noch genießen“, sagte Jess dann plötzlich leise. „Ich glaube, wir haben für heute genug Probleme angesprochen.“
    Er sah sie liebevoll an. „Du siehst wunderschön aus, Tessa. Du hast dich so verändert…“
    Er strich ihr sanft durchs Haar. „Deine Haare sind einfach toll. Ich liebe so langes Haar, weißt du.“
    Sie lächelte. „Das wusste ich nicht“, sagte sie dann. „Aber umso besser, dass ich sie hab wachsen lassen, mh?“
    Er lachte leise auf. „Ja, so ist es.“
    Sein Blick wanderte bewundernd über ihre ganze Erscheinung und Tessa genoss es, ihn dabei zu beobachten. Es war für sie noch immer ein ungewohntes Gefühl, von Jess so angesehen zu werden. All die Male, die sie sich früher getroffen hatten, war so etwas wie sexuelle Anziehungskraft nie zwischen ihnen vorhanden gewesen. Zuneigung und Zärtlichkeit, ja… aber nichts darüber hinaus.
    „Noch so ein Punkt, den man anschauen sollte…“, dachte Tessa bei sich, schwieg jedoch. Jess hatte recht, für heute hatten sie genug schwere Dinge angesprochen. Alles zu seiner Zeit.
    Alles Schritt für Schritt.
    Als habe er ihre Gedanken erraten, beugte er sich nach vorne und küsste sie stürmisch, fast so, als beabsichtige er damit, ihr diese Gedanken für einen Moment aus dem Kopf zu drängen… was ihm zugegebenermaßen gut gelang. Tessa dachte nicht mehr nach. Sie ließ sich fallen und spürte, wie in diesem Moment all die Anspannung der letzten Wochen ein großes Stückweit von ihr abzufallen begann.



    Jess hatte recht. Ihr fehlte das Vertrauen, in fast alles. In ihn. In die Zukunft. Wann hatte sie all das verloren? Sie wusste es nicht, doch in diesem Moment spürte sie wieder, wie es sich anfühlen konnte, dieses Vertrauen in sich zu tragen, selbst wenn es sich noch fremd und schwach anfühlte... es war wieder da.
    Die Vögel zwitscherten fröhlich in den Baumwipfeln. Ein sanfter Wind strich ihr durchs Haar. Die Sonne umhüllte sie mit sanfter Wärme und die Düfte der Blumen und Gräser im Garten vermischten sich mit dem Geruch von Jess Körper, als sie beide auf der Bank saßen und sich immer wieder küssten, umarmten und einander ansahen, fast so, als sähen sie das, was sich ihnen da bot, immer wieder zum ersten Mal.
    So neigte sich der Tag langsam dem Ende zu.
    Die Sonne versank allmählich am Horizont, das Vogelgezwitscher wurde leiser.
    Jess und Tessa jedoch blieben im Garten, bis es schließlich dunkel war und Jess Tessa leise zuflüsterte, dass es Zeit würde, sich zu verabschieden.
    Schweren Herzens standen beide auf und schlenderten gemeinsam zum Ausgang, wo sie schweigend voreinander stehen blieben.
    Tessa lächelte schließlich schwer und senkte den Kopf.
    „Ich mag Abschiede nicht“, presste sie hervor. „Die Zeit war viel zu kurz.“



    „Das war sie“, stimmte Jess ihr zu und griff nach ihrer Hand. „Aber in zwei Wochen kannst du mich schon wieder besuchen.“
    „Wieso bin ich heute eigentlich die einzige hier?“, fragte sie und sah sich um. Sie hatte den ganzen Tag niemanden gesehen, der wie Besuch aussah.
    Jess zuckte traurig mit den Schultern. „Nun… viele haben keine Verwandten mehr, die sie besuchen kommen. Oder Freunde. Und wenn es welche gibt, so kommen sie nicht oft hier heraus. Einige waren heute da, aber sie waren drinnen, glaube ich. Es waren aber wenige.“ Er sah sie ernst an. „Viele meiner Mitstreiter kommen wie ich aus sozial schwachen Familien, Tessa. Entweder kümmert sich niemand mehr um sie oder es ist nicht das Geld da, jedes Wochenende so weit hier heraus zu fahren…“
    Tessa schluckte betroffen. Sie stellte es sich furchtbar vor, hier wochenlang alleine zu sein und all das durch zu machen, ohne zu wissen, dass draußen jemand auf einen wartete.
    Jess erriet ihre Gedanken, sagte jedoch nichts dazu und drückte sie nur an sich.
    „Danke, dass du da warst“, flüsterte er leise.
    Noch vor zwei Minuten hätte sie ihn wohl für diese Aussage entrüstet angeschaut, doch nun nickte Tessa nur langsam und küsste ihn sanft.



    „Telefonieren wir?“, sagte sie dann langsam. „Kann ich dich nicht auch anrufen, dann kostet es dich nichts?“
    Jess nickte. „Das geht, aber nur zwischen 16 und 19 Uhr… da haben wir keine Therapiestunden oder sonstiges. Ansonsten rufe ich dich einfach an. Wir erwischen uns schon.“
    „Und heute in zwei Wochen komme ich wieder her“, sagte Tessa langsam.
    Jess strich ihr über den Arm. „Ich freu mich schon.“



    Er warf einen Blick zu dem Gebäude, aus dessen Fenster warmes Licht auf den Gehweg im Garten fiel.
    „Ich muss rein“, sagte er dann. „Es ist schon spät…“
    Tessa nickte tapfer. Er zog sie noch einmal an sich und küsste sie lange.



    „Versprich mir, dass du dir diesmal keine Sorgen machst“, sagte er schnell zu ihr. „Du weißt, es ist alles in Ordnung hier. Vor uns liegt eine aufregende Zeit, weißt du nicht mehr?“
    Tessa nickte. „Doch, das weiß ich. Und ich werde mir keine Sorgen machen, versprochen. Ich weiß ja jetzt, dass es dir hier sehr gut geht. Ich werde dich höchstens ein bisschen vermissen…“
    Jess lächelte. „Das ist erlaubt. Ich muss jetzt los. Bis dann, Tessa…“
    Tessa hob die Hand und winkte ihm zu. „Bis dann, Jess…“
    Und während Jess im Gebäude verschwand, drehte Tessa sich um und ging lächelnd die Straße hinab.
    Über den Garten senkte sich die Stille der Nacht, während sich im Osten ein weiß-gelb schimmernder Vollmond über den sanft hin- und herschwankenden Bäumen erhob.
    Irgendwo begann eine Grille ihr ruhiges Lied zu zierpen.



    Und Tessa lächelte.



    Fortsetzung folgt.

  • Oha... das ist aber ein sehr ernstes und verworrendes Thema bei ihrer ersten Begegnung nach so langer Zeit. Natürlich muss dies dringend Diskutiert werden, aber ich bin mir nicht sicher, ob es zu diesem Zeitpunkt gut für Jess wäre... ist er mental schon stark genug gedanklich eine Beziehung zu hinterfragen, welche in praktischer Hinsicht noch nie stattgefunden hat?
    Überraschter war ich demnach, dass es so verlaufen ist. Wie einig sich die beiden sind sich jetzt endlich besser kennen zu lernen, zusammen eine Zukunft aufzubauen! Woche für Woche wollen sie sich weiter nähern, Sachen aneinender kennenlernen, welche bisher eher unwichtig schienen.


    Moni hat Tessa da wohl unbedacht auf etwas hingewiesen, was sich schlussendlich zwischen Jess und Tessa stellen könnte - die Normalität! Und ich bin jetzt schon sehr gespannt, wie sich diese gestalten wird!


    Joshuas Angebot find ich klasse! Nur wie er das anstellen will, ist mir noch nicht so ganz klar? Überfällt er ein Möbelgeschäft/-discounter oder geht zum Trödler? ^^ 200 Euro ist ja nciht wirklich viel für Farbe und Möbel. *lach* Das wird sicherlich noch interessant!


    Die Bilder vom Garten sind die super gelungen! Man fühlt sich direkt wohl darin und ich denke das soll er auch bewirken, schließlich gehört er ja zu einer Einrichtung für Kranke ^^ Besonders hat mir der Mond zum Schluss gefallen, sehr schöne Bildbearbeitung *hutzieh* Ich wünschte bei den Sims würde es wirklich so einen tollen, strahlenden Mond geben.....


    Ich freu mich jetzt schon sehr auf die nächste Fortsetzung! Bis dahin fühl dich mal geknuddelt!

    [CENTER][COLOR="White"]Bussi @all Kiara :wink
    ***************[/CENTER][/COLOR]




    [CENTER][SIZE="1"][COLOR="Sienna"]P.S. Für Rehctshcbriefleher wird kiene Hatufng übrnemoemn! *g*[/COLOR][/SIZE][/CENTER]

    Einmal editiert, zuletzt von Kiara ()

  • ja ein cliffhänger war das und was für einer! *g*
    mir käme es nicht in den sinn mit dem lesen aufzuhören.. aber
    auf gewisse weise bin ich schon ziemlich froh deine story erst vor
    kurzem entdeckt zu haben. du hast davor schon oft an den unmöglichsten
    stellen aufgehört zu schreiben.. ich als schreiber hätte das nicht hinbekommen :)
    ich musste etliche male schmunzeln und an die anderen armen leser denken die da
    schon dabei waren und du auf die folter gespannt hast! :) hast du wirklich klasse
    gemacht! ich bleibe mit oder ohne cliffhänger dabei ;)


    bitte!


    bussy dim

  • Liebe Innad


    Ein sehr nachdenkliches Kapitel, das viele Fragen offen lässt. Interessant fand ich Tessas Feststellung, bzw ihre Frage an sich selbst, ob sie das Extreme braucht..... Ich habe auch schon daran gedacht, ob diese ganze Erfahrung, die Tatsache, dass sie sich überhaupt damals mit Jess eingelassen hat, nicht auch sehr viel mit ihrem engstirnigen Elternhaus zu tun hatte. In dem Sinne, dass es vielleicht so etwas wie ein Ausbruch, eine Befreiung aus dieser spiessigen Enge, ein sich losreissen aus der behüteten, berechenbaren, ja auch langweiligen Welt war.
    Man darf ja nicht vergessen, dass Tessa aus sehr reichem Hause stammt, keine Sorgen, zumindest keine finanziellen, kannte, und ihr wohl fast alles immer in den Schoss gefallen ist.
    Nun, wenn sie Jess "brauchte", um aus dieser eintönigen Welt auszubrechen, kann es ja sein, dass sie jetzt, ein paar Jahre älter und auch reifer geworden, es schafft, ein normales Leben zu führen. DAss er ihr indirekt den Anstoss gegeben hat, sich selbst zu sein, sich dem Einfluss der Eltern zu entziehen. Es könnte aber auch sein, dass sie auf eine Art süchtig ist, süchtig nach Aufregung, aber auch danach, gebraucht zu werden, für jemanden sorgen zu können, stark sein zu müssen, so absurd das auch tönt, aber sowas soll es ja geben.
    Und sie es dann nicht mehr erträgt, wenn sich mit Jess alles einpendelt, sie dann wieder das Bedürfnis verspürt, erneut auszubrechen. Hm, ich weiss schon, das sind ziemlich weit her geholte Spekulationen, aber ich schreibe einfach das auf, was mir beim Lesen so durch den Kopf gegangen ist.


    Alles in allem würde ich sagen, gebe ich Jess die besseren Chancen, mit der neuen Situation umzugehen und mit Tessa ein normales Leben führen zu können. Bei Tessa bin ich mir da einfach noch überhaupt nicht sicher. Ich schätze Jess als "normaler" als Tessa ein. Gut, er hatte keinen guten Start im Leben, und seine grosse Sensibilität macht es auch nicht einfacher für ihn. Vielleicht ahnt er ja schon,wenn auch nur unbewusst, dass die Beziehung nicht klappen wird.....?


    So, und das ist mal alles für heute!;) Ah, nein, halt! Die Bilder vom Garten der Klinik sind dir ganz ganz toll gelungen! Diese Stimmung - einfach schaurig schön!! Und dein Vollmond, super. Photo Impact lässt grüssen - oder wie hast du ihn gemacht?


    Ein ganz lieber Gruss
    Jane

    Einmal editiert, zuletzt von Jane Eyre ()

  • Kiara: Ja, sicher war es nicht unriskant, mit jess direkt zu Beginn so ein Gespräch zu führen. Auf der anderen Seite ist er ja selbst da drauf gekomnen. Und ich denke, hier zeigt sich auch wieder, wie gut die Entscheidung seitens der Therapeuten ist, eine so lange Zeit zwischen kaltem Entzug und erster Begegnung mit der Außenwelt zu befürworten, denn Jess hat sich jetzt schon wieder ein wenig von den Strapazen erholt und Zeit gehabt, in sich zu gehen und nachzudenken. Dadurch wirkt er auch viel stärker, ist es auch, als er es direkt nach dem kalten Entzug gewesen wäre!
    Und ja, Moni hat Tessa auf die Normalität aufmerksam gemacht, auch wenn sie vielleicht nicht direkt an dieses Wort gedacht hat. Ich denke, sie müssen sich wirklich kennenlernen.
    Danke für den Lob , und ja, ich vermissen den Mond bei den Sims auch! :)




    @dimidim: Ja, solche Cliffhanger braucht man wohl einfach ab und an, auch wenn ich selbst sie manchmal störend im Handlungsverlauf finde. Ist halt nicht jedes Kapitel mitreißend, offen ohne Ende und megaspannend. :)
    Umso schöner, dass Du mit oder ohne dabei bleibst, das freut mich echt!



    Jane: Ja, das stimmt, tessa brauchte das Extrem, und ich glaube, all Deine Überlegungen sind gar nicht falsch. DAs war sicher auch der Wille, sich abzulösen, zu rebellieren, wenn auch nicht bewusst, sondern völlig im Unterbewusstsein. Und letztlich ist ihr dadurch ja auch erst die Ablösung gelungen. tessa war ja nicht nur von ihren Eltern und ihrer heilen Welt abhängig, sie war ja auch jemand, der offenbar nicht so sehr Stellung bezogen hat. Wenn wir nur daran denken, wie sehr sie auch an Niklas hing, der ihr gegenüber ja eine schon fast seltsame Autorität eingenommen hat. Also, ich meine, Kumpel und Ex hin und her, aber wieso diese Autorität? Das zeigte ja schon deutlich, wie Tessa so tickte.
    Sie ist jetzt natürlich völlig anders, aber ja, die große Frage, die sich stellt ist, ob sie nun genug ausgebrochen ist und das Extrem loslassen kann oder nicht.
    Jess selbst ist da schon bodenständiger. Ich denke, seine bessere Chance besteht aber auch darin, dass er Hilfe hat... wäre für tessa vielleicht auch keine schlechte Idee, sich Hilfe zu holen, eigentlich. Ich meine, sie hat viel schlimmes durchgemacht... das geht nicht spurlos an einem vorbei.
    Sie muss sich jetzt auf jeden Fall oft und gründlich hinterfragen, und das tut sie auch.
    Ob es reicht für beide, wird die Zeit zeigen (und wie gemein ich bin :rolleyes)
    Danke für Das lob wegen der Garten Bilder, ich liebe sie auch!
    Das mit dem MOnd, ja, genau PI, allerdings ist der nicht aus dem Programm selbst, sondern aus einem anderen RL Bild reingeklatscht ;)



    ALL:
    So, nun kommt das Renovierungskapitel. Bin selbst nicht sooo zufrieden damit, seh es nur als totales Zwischenkapitel! Aber es gibt was zum Kucken und ein interessantes Detail über Joshua vielleicht auch noch!

  • Kapitel 75
    Außen und innen




    Draußen schien die Sonne und es war warm. Tessa stand nachdenklich am Fenster und blickte über die Dächer der Stadt in den strahlend blauen Himmel. Es war ein perfekter Tag, um nach draußen zu gehen. Doch heute war dafür keine Zeit.
    Sie sah sich in ihrem Wohnzimmer um und atmete tief durch. Den ganzen gestrigen Abend hatte sie damit verbracht, sämtliche Tapeten von den Wänden zu ziehen, nachdem Joshua und Moni ihr zuvor damit geholfen hatten, die Möbel aus dem Zimmer zu schleifen.
    Sie lagerten jetzt allesamt im Keller, wo Tessa wie alle Parteien eine recht großzügige Parzelle besaß, in der neben einigen gammligen Umzugskartons und ihrem Fahrrad nichts zu finden war.
    Joshua hatte gehalten, was er versprochen hatte. Es war zwar etwas über ihr Budget gegangen, doch über etliche Beziehungen und Geheimtips hatte er es geschafft, ihr einige neue Möbel und Wandfarben zu besorgen. Noch konnte Tessa sich nicht im Geringsten vorstellen, wie das alles zusammen ausschauen und wirken würde. Einige ihrer alten Möbel sollten auch bleiben. Und doch, alleine schon dass das Wohnzimmer praktisch entkernt war, schien sie aufatmen zu lassen. Es fühlte sich an wie ein Schritt in die richtige Richtung.
    Das Klingeln der Türglocke riss sie aus ihren Gedanken. Ein Blick aus dem Fenster zeigte ihr, dass es Joshua war. Sie drückte den Summer und öffnete kurz danach die Tür.
    „Morgen!“, trällerte Joshua fröhlich und umarmte Tessa zur Begrüßung. „Gut geschlafen?“


    Tessa nickte. „Wie ein Murmeltier. Mir tun alle Knochen weh.“
    Joshua lachte. „Nun, bald hast du es ja geschafft!“
    Tessa verzog das Gesicht. „Ich weiß nicht… ein paar Tage werden wir schon noch brauchen, oder?“
    Joshua grinste vielsagend. „Lass mich mal machen. Denkst du etwa, ich bin so wild aufs Arbeiten, dass ich hier ganz ohne Unterstützung auftauche?“
    Er zwinkerte.
    „Was meinst du damit? Moni hat gestern schon geholfen, und ich wollte sie nicht schon wieder fragen“, erklärte Tessa irritiert. „Sie kann sich schließlich nicht extra frei nehmen für das hier! Und Feli steckt bis über beide Ohren in diesem Referat für ihr Medienwissenschaftsseminar…“
    „Man muss nur wissen, wie man es anstellt, Leute zu rekrutieren“, grinste Joshua nur als Antwort.


    Tessa verstand nur Bahnhof und beschloss, es erst einmal dabei zu belassen.
    „Also, fangen wir an?“, sagte sie darum nur. Joshua grinste weiterhin, nickte aber und folgte ihr ins Zimmer, wo sie anfingen, die Farbe anzurühren. Den kompletten Holzboden hatten sie am Abend zuvor mit viel grauem Fleece abgedeckt, um ja keine Flecken zu machen.
    Während beide in ihrer Arbeit vertieft waren, klingelte es plötzlich erneut und als Tessa aus dem Fenster schaut, stieß sie einen überraschten Schrei aus.
    Joshua zwinkerte: „Ich hab doch gesagt, man muss eben die richtigen Helfer zu rekrutieren wissen!“
    Tessa stürzte zur Tür, drückte den Summer und stand dann mit offenem Mund Susanne, Moni und Feli entgegen, die alle in alte Kleider gehüllt waren und sie grinsend ansahen.
    „Joshua sagte, hier gibt’s was zu tun“, erklärte Feli zwinkernd.
    „Ja… aber ich dachte, du musst lernen… und Moni arbeiten… und Susanne… dich hab ich gar nicht zu fragen gewagt… tut mir leid, wir haben in letzter Zeit so selten telefoniert…“
    Die Mädchen lachten auf. „Joshua hat uns sozusagen eingeladen“, erklärte Monika zwinkernd. „Und für wohltätige Zwecke nehme ich gerne mal einen Tag frei. Außerdem tut´s der Figur gut.“
    Feli grinste ebenfalls. „So ist es. Und büffeln kann ich morgen wieder genug.“
    Und Susanne lächelte und sagte: „Mensch, Tessa, du hattest wohl genug um die Ohren, ich bin nicht sauer. Und ich liebe es, in Farbtöpfen zu rühren.“
    Sie lachten alle vier laut auf und gingen anschließend in das Wohnzimmer, wo Joshua allen sofort geschickt Aufgaben zuwies. So pinselten denn Susanne und Moni sofort drauf los, während Joshua mit Tessa verschwand, um die Möbel zu holen. Feli derweil war dafür zuständig, die Muster zu bestimmen und die Farben anzurühren.


    Tessa war immer noch überwältigt von der vielen, ungeplanten Hilfe, selbst als sie zurück kam. Die Möbel stellten Joshua und sie vorerst im Flur und der Küche ab.
    Erstaunt musste Tessa feststellen, dass nun fast zu viele helfende Hände im Wohnzimmer tätigt waren. Da aber der ein oder andere Magen inzwischen deutlich knurrte, beschloss sie, sich in der Küche nützlich zu machen und wärmte einen großen Teller mit Waffeln in der Mikrowelle auf.
    Als sie mit dem verführerisch duftenden Gebäck ins Zimmer kam, legten die Mädchen die Pinsel beiseite, und auch Joshua hörte auf, Winkel auszumessen und Zierleisten anzuschrauben und kam schnuppernd näher.
    Einen Moment kehrte Stille ein, als alle genießerisch in ihre Waffeln bissen.


    Dann richtete Feli das Wort an Tessa: „Ich bin mir sicher, Jess wird es hier super gefallen. Wie geht es ihm denn, Tessa? Ist alles okay?“
    Tessa schluckte hart und warf einen prüfenden Blick zu Joshua. Sie hatten das Thema Jess, so paradox es klang, meist geschickt umschifft. Doch er erwiderte ihren Blick und lächelte gelassen. Tessa atmete erleichtert auf und wand sich dann Feli zu:
    „Ja, ihm geht’s gut. Ich habe ihn jetzt schon zweimal besucht. Diese Therapieeinrichtung ist wirklich hervorragend. Ich bin so froh, dass wir diesen Tip bekommen haben, wirklich.“
    „Es ist ziemlich weit draußen, hab ich gehört?“, wollte Susanne wissen und biss behaglich in ihre Waffel.
    „Ja, es ist eben auf dem Land, aber vielleicht ist gerade das der Vorteil davon.“
    Moni nickte zustimmend. „Das glaube ich auch. Alleine weil die Beschaffung nicht mehr so leicht fällt…“, sie stockte und blickte sich dann verlegen um. Sie und Tessa redeten meist sehr frei über solche Dinge, da ihre beider Schicksale sie verbanden, doch im Umfeld von Menschen, die mit diesen Dingen nichts zu tun hatten, erschien es auch ihr manchmal als schwierig, über derartiges so offen zu sprechen.



    Doch niemand sah sie irritiert an, stattdessen nickten Feli und Joshua sogar zustimmend.
    „Kann ich mir auch vorstellen“, sagte Joshua dann. „Aber es muss da draußen auch eine ganz andere Stimmung sein. Sie nehmen sich bestimmt mehr Zeit als irgendjemand hier in der Stadt.“
    Tessa nickte. „Auf jeden Fall. Es muss ein ganz anderer Therapieansatz sein. Es sieht wirklich alles gut aus. Ja, das tut es.“
    „Wann wird Jess entlassen?“, wollte Susanne wissen.
    Tessa schluckte den heißen Brocken Waffel herunter, keuchte einen Moment, da sie dies zu schnell getan hatte und sagte dann: „Ich weiß es noch nicht, wirklich. Ich gehe davon aus, dass es irgendwann im Spätsommer oder Herbst sein wird. Er ist ja jetzt schon gut zwei Monate dort, aber es kann sechs oder acht Monate dauern… das wird dann spontan entschieden.“
    „Eine lange Zeit für dich“, meinte Susanne nachdenklich. „Lebt man sich da nicht auseinander?“
    Tessa schüttelte den Kopf. „Nun… nicht wirklich, Susanne. Ich meine… wir hatten vorher auch kein echtes Zusammenleben… und schon gar keinen Alltag…“
    Für einen Moment schwiegen alle betreten, nur Monika sah Tessa verständnisvoll an.
    Joshua schlug sich auf die Oberschenkel und sagte: „Los, lasst uns mal weitermachen! Schließlich wollen wir bis Herbst fertig sein, mh?“ Er zwinkerte und die anderen lachten befreit und gingen wieder zurück an die Arbeit.


    Nach einigen weiteren Stunden waren sie soweit, das Fleece einzurollen. Man riss die Fenster auf und ließ Luft herein. Während Moni, Susanne und Joshua nach draußen gingen, um die Möbel einer Grundreinigung zu unterziehen – den natürlich stammten alle aus zweiter Hand – räumten Tessa und Feli die Farbtöpfe zusammen und spülten die Pinsel aus.
    Während Tessa das warme Wasser über die harten Borsten der Pinsel laufen ließ und Feli die bereits gewaschenen Exemplare mithilfe eines alten Küchentuches austupfte, sah Feli nachdenklich zum Fenster hinaus und sagte dann: „Es hat sich gut entspannt, das zwischen dir und Joshua, mh?“
    Tessa sah auf, legte den letzten Pinsel beiseite und nickte dann.
    „Ja, hat es. Zumindest glaube ich das. Oder denkst du etwa, es ist nicht so?“
    Feli lächelte. „Oh doch, das glaub ich schon. Ich weiß es vielmehr.“
    Tessa sah sie irritiert an. „Was meinst du damit?“
    Feli zuckte die Schultern. „Ich meine damit, dass ich zufällig weiß, dass er jemand anders im Sinn hat.“
    Erstaunt sah Tessa sie an. „Wie? Das hab ich nicht mitbekommen.“
    „Nun, ich denke, er wird es dir noch nicht erzählt haben, weil da diese Sache war zwischen euch… und das ganze noch nicht spruchreif ist. Aber ich weiß, er ist in Antonia verliebt.“
    „Die Tudorin aus unserem Germanistik-Kurs?“
    „Ja, genau die.“
    Tessa sah Feli irritiert an. „Sie ist viel älter als er!“
    „Na und?“ Feli grinste. „Hey, bist du etwa eifersüchtig?“
    Tessa schnaubte aus. „Ich doch nicht!“
    Feli lachte. „Ha! Ich wette, das bist du!“
    „Hör auf… du…“
    Tessa beugte sich nach vorne und zwickte sie in die Seite, was diese quiekend zurück gab.



    Lachend richteten beide sich wieder auf. „Was nun? Bist du eifersüchtig?“, kicherte Feli und Tessa schüttelte den Kopf. „Nein, ganz und gar nicht, nur überrascht. Ich wünsche ihm, dass er sein Glück findet, aber in dem Fall wag ich es zu bezweifeln.“
    Feli grinste. „Ich auch! Und trotzdem reagiere ich nicht so… ich sag dir, du bist irgendwie angekratzt deswegen. Und ich kann´s verstehen. Es tut frau schließlich gut, begehrt zu sein…“
    „Ach was!“; rief Tessa aus. „Das ist nicht so! Das ganze hat unsere Beziehung immer nur belastet und ich bin froh, wenn es vorbei ist!“
    „Vorbei ist? Was denn?“
    Sie fuhr herum und sah Joshuas grinsendes Gesicht in der Tür.
    Feli kicherte und sagte rasch: „Nichts, nichts – Frauengespräche, du Naseweis. Das geht dich nichts an!“
    Joshua verzog das Gesicht und sagte gespielt empört: „Das ist also der Dank für alles, was ich hier für dich tu!“
    Tessa lachte leise, erwiderte aber nichts.

  • „Die Möbel sind fertig und die Farbe dürfte trocken sein. Wir sollten uns ans Anräumen machen“, erklärte Joshua. Feli zwinkerte Tessa zu, als Joshua aus dem Raum ging, doch diese streckte ihr nur die Zunge heraus und folgte ihm nach draußen.
    Gemeinsam waren die Möbel schnell ins Zimmer geschafft und arrangiert. Da es noch nicht zu spät war, halfen alle tatkräftig, die Möbel nun auch wieder einzuräumen.
    Nur zwei Stunden später seufzte Tessa erschöpft auf und betrachtete sich zusammen mit Joshua zufrieden ihr Werk.



    „Es sieht einfach toll aus“, sagte sie aufgeregt. „Ich hätte nie gedacht, dass das alles so schön harmoniert. Du hast das toll mit mir ausgesucht, Joshua. Du solltest Innenarchitekt werden oder so.“
    Dieser lachte nur laut auf. „Nein danke, ich glaube, ein Studium reicht! Aber ich find´s auch schön. Es passt zu dir, oder? Findest du nicht?“
    „Doch, voll und ganz! Es ist viel besser als vorher!“, stellte Tessa zufrieden fest und ließ ihren Blick durch den Raum schweifen, während Joshua sich erschöpft auf einen der weißen Rattanstühle fallen ließ.



    Das dunkle rosa an den Wänden wurde durch einen weißen Zierbalken von dem etwas dunkleren Violett abgetrennt. Die Farbe wirkte jugendlich und doch reif, warm und doch nicht erdrückend.
    Die Essgruppe hatte Tessa komplett ersetzt. Da sie die weiße Farbe nicht ganz aufgeben wollte, hatte sie mit Joshua bei einem Trödler eine weiße Vierergruppe aus alten Rattansesseln ersteigert und den dazu passenden Glastisch. Die Sitzkissen hatte sie in der Farbe auf die Wand abgestimmt. Die Essgruppe wirkte nun endlich hell und freundlich.
    Den alten Phonowagen, auf dem ihr Fernseher Platz gefunden hatte, war durch eine moderne Wohnwand ersetzt worden, die sie ebenfall sehr günstig bei erworben hatte.
    Nur der Schreibtisch war etwas teurer gewesen, denn den hatte sie bei einem schwedischen Möbelhaus erworben. Doch da dies schließlich der Platz war, an dem sie am meisten ihrer Arbeit nachging, hatte Tessa entschlossen, dass sie hier am falschen Ende gespart hätte.



    „Es ist sieht wirklich toll aus“, stellte nun auch Feli fest. Sie saß gemeinsam mit Susanne und Moni auf dem weißen Sofa, das Tessa nebst ihrem Bücherregal behalten hatte und das in der neuen Umgebung eine völlig andere, wesentlich hübschere Geltung erlangte.
    „Ja, das stimmt“, sagte nun auch Moni und streckte die schmerzenden Beine aus. „Die viele Arbeit hat sich gelohnt!“
    Auch Susanne nickte zustimmend. „Es ist nicht mehr so kalt wie vorher“, stellte sie fest. „Und hat viel mehr von deinem Charakter, finde ich.“
    Tessa kam lächelnd auf ihre Freundinnen zu. „Ich danke euch für eure Hilfe“, sagte sie dann gerührt. „Und besonders dir, Susanne.“



    Dann drehte sie sich zu Joshua um.
    „Dir muss ich am meisten danken“, sagte sie dann noch einmal. „Ohne dich hätte ich das nie so toll und für so wenig Kohle hinbekommen. Wirklich… danke, Joshua. Du weißt, das ist nicht selbstverständlich.“
    „Ach was, unter Freunden ist es das“, sagte dieser schnell. „Und das mein ich jetzt ernst. Du hast es einfach verdient, Tessa, nach allem, was du durchgemacht hast. Ich finde, du hast diesen Neuanfang verdient. Ihr beide habt ihn verdient. Ich hoffe jetzt nur, dass Jess das hier auch mögen wird.“ Joshua sah sich um. „Aber wenn nicht, hat er einfach keinen Geschmack.“
    Tessa lachte leise auf. „Nun… ich glaube nicht, dass rosa und lila so seine Farben sind, aber ich denke trotzdem, dass er es mögen wird, zumindest für den Anfang. Es weiß ja noch gar niemand, wie es dann genau weitergeht.“
    „Und erstmal war es für dich wichtig, etwas zu ändern“, stimmte Joshua zu. „Und ich denke, das hat auch was symbolhaftes, findest du nicht?“
    Tessa lächelte. „Absolut, das stimmt. Ich danke dir.“
    Sie zog ihn in die Arme und er lächelte. „Gerne geschehen.“



    Tessa sah ihre Freundinnen an und sagte: „Wie sieht´s aus? Wollen wir uns in einer Stunde bei Lucelli treffen, ich lade euch auf eine Pizza ein, als kleines Dankeschön. Oder seid ihr zu fertig?“
    Die Mädchen lachten. „Für Pizza kann man doch gar nicht zu fertig sein, oder?“
    Auch Joshua grinste. „Ich schließe mich der weiblichen Mehrheit an, auch wenn ich dort mal wieder der Hahn im Korb sein werde, fürchte ich. Es wird Zeit, dass wir männliche Verstärkung bekommen.“ Er lächelte und Tessa lächelte erstaunt zurück.
    „Gut“, sagte sie dann. „Dann würd ich sagen, alle nach Hause, duschen!“
    Das ließen sich ihre Helfer nicht zweimal sagen. Und als die Tür hinter ihnen ins Schloss fiel, ging Tessa bedächtig durch ihr Wohnzimmer, sah sich um und fühlte sich eigenartig fremd und doch unendlich wohl in diesen vier Wänden.
    Nachdem sie sich immer wieder umgesehen und den Geruch von frischer Farbe ihr die Sinne benebelt hatte, schloss sie die Tür hinter sich, sprang unter die Dusche und machte sie frohen Herzens auf den Weg zur Pizzeria.

    Fortsetzung folgt.

  • Liebe Innad, nun möchte ich mich endlich auch mal wieder melden. Irgendwie komme ich zu gar nicht mehr und dann, ist bei uns schon länger täglich eine Affenhitze von 30 Grad und kein Regen. Jeden Abend 1 Stunde gießen und täglich die blöden Kopfschmerzen, hoffendlich gibt es bald ne Abkühlung.
    Aber genug gejammert, jetzt zu deinen schönen Fortsetzungen die dir wieder sehr gut gelungen sind. Du schreibst so schön, dass es auch die tiefe eines Menschen erreicht.

    Tessa macht sich solche Sorgen um Jess, dabei ist er doch in besten Händen. Ich kann sie aber verstehen, sie will helfen und wenn die Hilfe nur darin liegt bei ihm zu sein. Doch für Jess ist es glaub ich ganz gut, das Tessa nicht mit ansehen muss wie er leidet. So ein Entzug ist ja nun kein Kinderspiel und braucht seine Zeit, die sollte Tessa für sich nutzen denn sie wird weiterhin viel Kraft brauchen. Aber das ist leichter gesagt als getan, ich weiß wie es ist wenn man sich um jemanden sorgt oder gar Angst hat. Da wird jedes andere Sache minderwertig auch wenn sie wichtig ist und so steigert man sich rein, bis man Kraftlos jeden Tag verbringt.
    Gut ist es das Tessa gute Freunde hat, dir ihr Helfen und ihr Mut machen sowie beistehen und wenn es nötig wird, ihr auch den Kopf zu Recht stutzen.

    Nun konnte sie mit Jess telefonieren und merkt dass es ihm doch recht gut geht. Das schlimmste scheint Jess überstanden zu haben, auch wenn die Therapie noch lange gehen wird. Aber wenn sie jetzt telefonieren können, vergeht die Zeit auch schneller und Tessa kann wieder das Leben ein bisschen genießen. Jess bekommt die Klinik sehr gut, es gefällt ihn da und das ist wichtig für seinen Entzug.

    Tja sie kann zwar in Moment nicht bei Jess sein, möchte jedoch etwas tun. Nun muss die Wohnung dran glauben und ein Tapetenwechsel sowie ein paar neue Möbel bringt neue Farbe ins Haus über die man sich erfreuen kann. Für Jess soll eben alles schick sein. Ach Tessalein wie süß. Aber wer möchte auch beim kuscheln sich an Mama erinnert fühlen wenn man die Umgebung war nimmt.

    Joshua hat einen tollen Charakter. Er mag Tessa sehr und es ist auch Liebe vorhanden. Doch so weh es auch tut, sieht er ein das Tessa und Jess was besonderes verbindet.
    Dass er trotz allem Tessa ein guter Freund ist, findet man sehr selten. Erst dachte ich immer, das er sich noch was erhofft, doch mittlerweile glaub ich, das er Tessa nur helfen möchte wie bei einer guten Freundschaft.

    Tessa sorge das Jess jetzt ein anderer sein könnte, war nicht unberechtigt. Natürlich hat er sich verändert und wirkt somit auch ein wenig Fremd auf sie. Jess muss jetzt erstmal für sich herausfinden wer er eigentlich ist und ich hatte schon richtig Angst, dass er dies alleine tun will. Wäre ja nicht das erste Mal das jemand auf so einen Selbstfindungstrip geht und alles hinter sich läst. Jess sieht jetzt alles viel klarer und wird noch so manches an Tessa neu entdecken, wie sie auch an ihn.
    Das ist toll, dass sie sich bei dem Besuch so richtig ausgesprochen haben. Es ist wichtig über alles zu reden auch wenn es unangenehm ist. So werden Missverständnisse gleich vermieden und es gibt gleich weniger über was man zu grübeln hat. Mann kann ruhiger schlafen und der Morgen sieht viel besser aus.
    Das Kapitel vom Besuch hat mir besonders gut gefallen. Die Gefühle, die Ängste der beiden kommen sehr gut rüber. Tessa liebt Jess, aber sie hat auch einen großen Beschützerdrang. Als sie Jess kennen lernte, brauchte er Hilfe die sie ihn Aufopferungsvoll gab. Jess viel es schwer Hilfe anzunehmen und Tessa musste es auch erst lernen.
    Nun muss sie aufpassen, dass ihre Sorge nicht zur Last wird. Jess ist ein erwachsender Mann und kann auch auf sich selbst achten. Sie darf nicht anfangen ihn zu bemuttern, auch wenn sie es nur gut meint, kann das zur Last werden. Doch Jess ist ein einfühlsamer Mensch und versteht Tessa auch gut. Was sehr schön ist, das er auch drüber reden kann die beste Voraussetzung für eine Beziehung.


    Na da hat Tessa aber fleißige Helferlein gehabt und die neue Stube gefällt mir auch. Mit vielen Händen läst sich auch mit wenig Geld etwas schönes zaubern.
    Schön finde ich auch, das Joshua Interesse an eine Frau hat, na hoffentlich erwidert sie dieses.

    Ich freue mich schon auf die Fs.
    Bis dann!:)

    [SIZE=3]*liebe grüße Ines*[/SIZE]
    [SIZE=3]Meine erste FS! Eine etwas andere Familie! [/SIZE][SIZE=3]
    [/SIZE]
    Liebe Grüße an Nintendog, Rivendell, PeeWee, Jane Eyre, Kautschi, Llynya, colle Omi, wawuschel, Panakita, Josijusa, Filour, fallin'angel undalle Leser!:knuddel



  • Ines: Boah, ein toller langer Kommi! Du hast das alles nochmal richtig schön zusammen gefasst und gut erkannt, wie immer!
    Ich hoffe, es geht Dir bald besser, es soll ja etwas kühler werden in Deutschland, ich hoffe, bei euch oben auch und nicht nur im Süden?
    Vielen lieben Dank für diesen tollen Kommi!!!



    @ALL: Heute geht es mit einem schönen Nachmittag in der Junisonne weiter, passend zum Wetter (nur nicht ganz so warm wie es im RL ist :D ) und einer überraschenden Begegnung an eben jenem Mittag. Ich bin schon gespannt wie ein Flitzebogen, was ihr dazu sagt :D

  • Kapitel 76
    Der Japanische Garten



    Es war ein heller, freundlicher Samstag. Die Junisonne strahlte vom Himmel, es war jedoch nicht zu schwül oder warm, ein kleines Lüftchen umspielte die Blätter der Bäume und in deren Ästen zwitscherten hunderte von Vögeln.
    Tessa und Monika sogen die sommerliche Luft tief ein, als sie die Straße entlang gingen. Es war noch nicht ganz Mittagszeit und in der Stadt waren viele Leute unterwegs, um Besorgungen zu machen. Auch Tessa und Monika hatten sich schon um zehn Uhr zum Shoppen getroffen, denn laut Monika war es dringend Zeit, die Sommergarderobe etwas aufzufrischen.
    Nun waren sie mit ihren Einkäufen fertig, hatten die schweren Tüten in Tessas Auto verstaut und beschlossen, etwas essen zu gehen, denn Shopping machte schließlich hungrig.
    „Es gibt einen tollen Essensstand in dem neuen japanischen Garten“, schlug Monika vor. „Da kann man an der frischen Luft sitzen, es soll toll dort sein. Mein Kollege Adrian hat mir vor ein paar Tagen davon erzählt.“
    „Dann lass uns das doch probieren“, erwiderte Tessa und gemeinsam schlugen sie den Weg zum nicht weit entfernten japanischen Garten ein, der erst vor wenigen Wochen fertig gestellt worden war.


    „Es sieht wirklich toll aus“, stellte Tessa fest, als beide durch das kleine Tor in den Garten spazierten.
    Man hatte hier eine echte grüne Oase mitten im Stadtinneren erschaffen. Große und kleine Bäume reckten ihre Äste gen Himmel, kleine Zierbrunnen plätscherten sanftmütig vor sich hin, asiatische Statuen starrten die Besucher mit weitaufgerissenen Mäulern an, in einem kleinen Teich schwammen Fische und Frösche umher und von dem Essenstand, der mitten zwischen all dem Grün stand, wehte ein verführerischer Bratduft herüber, der den Frauen das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ.
    „Hast du auch so einen Hunger?“, fragte Monika lächelnd und sah Tessa an, die in Gedanken versunken neben ihr stand.




    „Ja sicher“, erwiderte diese. „Ich hab nur gerade an den Park der Villa Sonnenschein denken müssen. Da ist es auch so schön grün. Hier in der Stadt sieht man so was viel zu selten. Jess wird das sicher vermissen, wenn er entlassen wird.“
    „Na, dann kannst du ja hierher fahren“, lachte Monika. „Und irgendwann werdet ihr vielleicht vermögend und kauft euch ein Häuschen außerhalb. Deine Eltern wohnen doch auch am Stadtrand und haben Garten, oder?“
    Tessa nickte und lachte dann: „Ja, aber nicht vergleichbar mit dem hier. Sie haben beide keinen grünen Daumen und das meiste macht ein Gärtner ein oder zweimal im Monat, aber sie legen nicht viel Wert auf den Garten. Sind ja eh nie da, um draußen zu sitzen.“
    Monika warf ihr einen Blick zu. „Stänkere nicht schon wieder, Tessa. Lass uns den Tag lieber genießen.“ Tessa lächelte. „Das ist wahr, Moni. Und ich hab Hunger, also komm, probieren wir diesen Asiaten mal aus.“
    Beide gingen zielstrebig auf den Essensstand zu und nahmen auf den Barhockern Platz.


    Rasch hatten beide etwas gefunden und bestellt.
    „Und, Tessa, wie fühlst du dich inzwischen in der neuen Wohnung?“, fragte Monika, während sie den Koch beobachtete, der gekonnt die Zutaten in der Pfanne schwenkte und mit großartigen Gesten Gewürze über das Essen streute.
    „Nun, neue Wohnung ist ja zu viel gesagt“, lachte Tessa. „Aber ich fühl mich pudelwohl nach der Renovierung. Ich bin euch echt dankbar, und auch Joshua. Und was Feli mir erzählt hat, scheint zu stimmen. Er hat Andeutungen gemacht, die in genau diese Richtung gehen.“




    Monika lachte. „Hat es auch gestimmt, dass sie dich für eifersüchtig hält?“
    Tessa schnaubte. „Natürlich nicht! Nun fang du auch noch damit an! Ich hab Jess, wieso sollte ich eifersüchtig auf Joshua sein? Dass er in mich verliebt war, hat unsere Freundschaft die ganze Zeit unglaublich belastet.“
    „Joshua ist schon ein besonderer Kerl“, erwiderte Monika. „Es ist selten, dass man es nach so einer Sache schafft, befreundet zu bleiben. Ohnehin ist es selten, dass sich Mann und Frau befreunden.“
    Tessa nickte und dachte an Niklas. Wie immer, wenn sie sich daran erinnerte, wie ihre Freundschaft zerbrochen war, versetzte es ihr einen Stich.
    „Ich hoffe, es geht nicht so aus wie das letzte Mal, dass ich mit einem Mann befreundet war“, sagte sie zerknirscht.
    Monika schwieg, bis der Koch die dampfenden Schüsseln vor sie gestellt hatte.
    „Mh, sieht das lecker aus“, stellte Tessa fest und griff nach den Stäbchen.
    Monika betrachtete ihr Essen und sagte: „Du redest von diesem… diesem Typen, mit dem du mal zusammen warst früher?“


    Tessa nickte kauend. „Ja, Niklas“, sagte sie dann mit halbvollem Mund und schluckte das heiße Essen hinunter. „Das ist lecker.“
    Monika nickte. „Ja, es ist echt lecker. Guter Tipp.“
    Sie sah Tessa an. „Aber das war doch etwas ganz anderes mit diesem Niklas. Und es hätte dir auch mit jedem anderen Menschen passieren können. Also auch mit einer Frau. Wenn man eben engstirnig ist, dann ist man es. Manche Menschen sind so.“
    Tessa seufzte. „Ja. Aber es erschreckt mich noch heute, dass man jahrelang so gut mit jemandem befreundet sein kann, ohne das zu merken. Ich meine, wir haben uns gekannt, uns vertraut. Ich dachte, ich kenne ihn in- und auswendig.“


    Monika nickte. „Ich weiß, das ist wirklich das krasse daran gewesen. Schade, dass ihr euch nie mehr habt aussprechen können.“
    Tessa schüttelte den Kopf. „Was hätte man da noch besprechen sollen? Er hatte eine klare Meinung, für ihn waren Menschen wie Jess sozialer Abfall, mehr nicht!“
    Monika seufzte. „Ich weiß, ich kenne das ja auch. Es gibt so wenige, die hinter die Fassade schauen. Wer begreift schon, dass dieses Schicksal jedem passieren kann? Es gibt so viele abhängige Menschen, man braucht nur die VIPs anzuschauen, die bei irgendwelchen Galaveranstaltungen schön und toll wirken. Die Hälfte davon wirft irgendetwas ein. Nur dass die genug Geld haben, um nicht völlig abzustürzen. Obwohl das auch schon genug von ihnen passiert ist.“
    Tessa nickte und betrachtete nachdenklich ihr Essen.


    „Aber ich glaube, das war es noch nicht einmal. Die Abhängigkeit, meine ich. Ich weiß genau, dass Niklas selbst schon mal eine geraucht hat. Also ich meine gekifft. Früher zumindest.“
    „Das ist was anderes“, warf Monika ein. „Nicht dass es gut zu heißen ist. Aber das ist noch keine Abhängigkeit. Außerdem ist es ein ganz anderes Kaliber als Heroin, Tessa.“
    „Natürlich!“, stimmte diese sofort zu. „Aber wo fängt es an, wo hört es auf? Wer hätte ihm beispielsweise, Niklas mein ich, garantiert, dass es ihm nicht auch passieren kann? Es hätte nur etwas Schlimmes geschehen müssen und schon wäre er vielleicht auch in diesem Teufelskreis gewesen.“
    „Klar“, erwiderte Monika. „Das ist korrekt. Und manchmal muss nicht mal etwas offensichtlich schlimmes passieren. Manchmal rutscht man auch einfach ab, verliert die Kontrolle, den Weg aus den Augen, ohne dass etwas passiert.“


    Tessa nickte. „Ich denke, es ist einfacher, schlecht über Menschen wie Jess oder Kevin zu urteilen… als sich wirklich damit auseinander zu setzen, wie es zu so etwas kommt.“
    „Ja, das ist es“, stimmte Monika ihr zu. „Vor allem auch, weil es vielen Menschen Angst macht. Weil sie in sich drin genau wissen, dass das so oder ähnlich jedem von uns passieren kann. Dass man abrutscht, warum auch immer. Die Kontrolle verliert. Davor ist niemand geschützt. Und das macht vielen Angst, darum ist es einfach zu verurteilen und sich abzugrenzen.“

  • Schweigend aßen die beiden Frauen auf. Dann rieb Monika sich genießerisch den Bauch und sagte: „Ach, das war gut.“
    Tessa nickte. „Superlecker. Aber jetzt bin ich total voll.“
    „Lass uns ein bisschen die Füße vertreten“, schlug Monika vor.
    Gemeinsam schlenderten beide durch den japanischen Garten und ließen sich dann schließlich müde und satt auf einer der Bänke am Teich nieder.



    „Boah, was für ein herrlicher Tag“, stellte Tessa fest und reckte das Gesicht gen Sonne. „Shopping, gutes Essen, Sonne… was will man mehr“, fügte Monika hinzu.
    Tessa lächelte. „Morgen besuche ich Jess wieder. Ich freu mich wahnsinnig.“
    Monika grinste. „Das glaube ich. Hast du noch mal mit ihm gesprochen?“
    „Ja, gestern. Ihm geht´s ganz gut. Letzte Woche war er ziemlich launisch. Am Telefon, und auch als ich dort war.“
    „Es ist nicht so einfach für ihn“, sagte Monika. „Er ist immer noch süchtig.“
    „Ja, das wird er immer bleiben“, erwiderte Tessa ernst. „Es ist sozusagen eine unheilbare Krankheit.“



    Monika nickte traurig. „Ich weiß. Ich hoffe wirklich für euch, dass ihr es schafft. Alles, was noch vor euch liegt.“
    Tessa sah sie mitfühlend an. „Es ist bestimmt nicht leicht für dich, das alles mit mir und Jess, oder? Ich meine… du hast es dir doch so sehr auch gewünscht für dich und Kevin und…“
    Monika zuckte mit den Schultern und betrachtete ihre Fußspitzen.
    „Ja, es ist nicht immer einfach. Aber ich gönne es euch von Herzen, wirklich. Für Kevin war es einfach zu spät. Es war wohl unser Schicksal. Ich hätte nichts tun können, um es zu verhindern, auch wenn ich lange gebraucht habe, um das zu einzusehen.“
    Sie betrachtete nachdenklich einen Fisch im Teich, der mit seinen großen Lippen nach Fliegen schnappte.
    „Aber ich denke, es wird für mich auch Zeit, damit abzuschließen. Es ist schon so lang her“, sagte sie dann ernst und sah Tessa an. „Das Leben geht weiter.“



    Tessa nickte langsam.
    „Aber geht das so einfach? Damit abzuschließen? Ich meine, mir ist es bei Jess nie gelungen… heute weiß ich natürlich, dass es gut so war. Was wäre gewesen, wenn ich mich Joshua damals geöffnet hätte und Jess nun zurück gekehrt? Ich will gar nicht darüber nachdenken…“
    Monika seufzte. „Brauchst du ja auch nicht. Es kam ja nicht so. Aber die Sache bei Jess war anders. Erstens war es noch nicht so lang her, wie es das bei mir ist. Und dann habe ich Sicherheit. Ich weiß, Kevin wird nie wiederkommen.“
    Nachdenklich beobachtete Tessa zwei Kinder, die auf der anderen Parkseite Seilhüpfen spielten. „Du denkst also, du bist darüber hinweg, kannst es vergessen?“



    Monika schüttelte den Kopf. „Nein. Ich weiß nicht, ob man je darüber hinweg kommt, den Menschen, den man liebt, zu verlieren. Und dann auch noch so… und vergessen kann man es sowieso nicht.“
    Sie streckte ihre Beinen aus, fuhr sich durchs Haar und fuhr dann fort: „Aber abschließen, irgendwie, das kann man damit wohl. Weitermachen, sich davon lösen… in Liebe darin zurück denken, nicht in Gram und Schmerz. Ich glaube, das kann ich langsam.“
    Tessa lächelte. „Das ist schön, Moni.“
    Sie überlegte einen Moment und lachte dann: „Wie wäre es, wenn wir das heute Abend feiern gehen? Ich hätte mal wieder Lust, tanzen zu gehen!“



    Monika zuckte mit den Schultern. „Warum nicht?“
    „Gut, dann kannst du deine neuen Klamotten auch direkt einweihen“, zwinkerte Tessa. „Aber nicht so lange heute Abend, ich will morgen nicht zu spät raus, weil ich zu Jess muss.“
    Moni lachte. „Ihr Studenten! Was ist denn bei dir *nicht zu spät raus*?“
    „Naja… so um zehn oder elf“, lächelte Tessa und Moni lachte hell auf.
    „Tessa? Bist du das?“
    Verwirrt sah Tessa sich um und riss dann die Augen auf, als sie erkannte, von wem diese Frage stammte.
    „Du???“



    Verwirrt blickte Monika von dem jungen Mann, der vor ihrer Bank stand und Tessa betreten anlächelte und ihrer Freundin, die diesen mit bewegtem Gesicht anstarrte, hin und her.
    Schließlich räusperte sich der junge Mann, versuchte unbekümmert zu wirken und sagte: „Lange nicht gesehen…“



    Tessa fing sich und versuchte, ebenfalls betreten zu lächeln.
    „Nun… ja, kann man wohl so sagen…“
    Monika blickte zu dem jungen Mann auf und sah Tessa dann fragend an, da diese ihr Gegenüber jedoch immer noch irritiert lächelnd ansah, ohne sich zu rühren, lächelte auch Monika und sagte schlicht. „Hallo auch.“



    Niklas schien sie erst jetzt zu bemerken und lächelte sie freundlich an.
    „Hallo“, erwiderte er unsicher.
    Tessa derweil hatte ihren Schrecken so weit verwunden, dass sie aufstand und Monika vorstellte: „Monika, das ist Niklas… ein… alter Bekannter aus meiner Schulzeit.“
    Sie spürte, wie sein Blick sie bei diesen Worten traf und schluckte, sagte jedoch fest: „Niklas, das ist Monika, meine beste Freundin.“